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Full text of "Der Übersetzer der litauischen Bibel: Johannes Bretke und seine Helfer: Beiträge zur Kultur- und Kirchengeschichte Altpreußens"

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SCHRIFTEN 
DER ALBERTUS-UNIVERSITÄT 


Herausgegeben vom Ostpreußischen Hochschulkreis 
Geisteswissenschaftliche Reihe «e Band 31 
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Der Übersetzer der litauischen Bibel 


Johannes Bretke und seine Helfer 
Beiträge zur Kultur-und Kirchengeschichte Altpreußens 


Von Viktor Falkenhahn 
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1941 N ig 
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Ost-Europa -Verlag, Königsberg (Pr) und Berlin W. 62 


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Schriften der Albertus-Universität 
Geisteswissenschaftliche Reihe 


Band 1: Volk, Mensch und Ding S 
Erkenntniskritische Untersuchungen zur volkskundlichen Begriffsbildung. 
Von Professor Dr. Heinrih Harmjanz. Gr. 80, IV u. 182 S. Kartoniert RM. 3,80. 


Band 2: Bild und Wirklichkeit bei Thomas Carlyle 
Eine Untersuchung des bildlichen Ausdrucks in Carlyles Sartor Resartua. 
Von Dr. Liselott Eckloff. Gr. 80, VIII u. 188 S. Kartoniert RM. 7,80. 


Band 3: Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie des 13. Jahr- 
hunderts 
Von Dr. Borwin Rusc. Gr. 80, VIII u. 148 S. Kartoniert RM. 6,20. 


Band 4: Mundart und Siedelung im nordöstlichen Ostpreußen 
Von Dr. Otto Natau. Gr. 80, VIII u. 308 S. mit mehreren Karten. Kartoniert RM. 10,50. 


Band 5: Geschichte der russischen Ballade 
Von Dr. habil. Friedrih Wilhelm Neumann. Gr. 80, VIII u. 356S. Ganzleinen RM. 11,50. 


Band 6: Die Dichter des Göttinger Hains und die Bürgerlichkeit 
Eine literarsoziologische Studie. 
Von Dr. Rohtraut Bäsken. Gr. 80%, XI u. 269 S. Kartoniert RM. 9,—. 


Band ?: Pietismus und Orthodoxie in Ostpreußen 
Auf Grund des Briefwechsels G. F. Rogalls und F. A. Schultz” mit den Halleschen Pietisten. 
Von D. Erih Riedesel. Gr. 80, VIII u. 232 S. Kartoniert RM. 8,50. 


Band 8: Ostpreußisches Volkstum um die ermländische Nordostgrenze 
Beiträge zur geographischen Volkskunde Ostpreufens. 
Von Dozent Dr. Erhard Riemann. Gr. 80, XII u. 406 S., mit 50 Abbildungen im Text, 
55 Abbildungen auf Tafeln und 43 Karten. Kartoniert RM. 19,—. 


Band 9: Iwan Sehmeljow 
Leben und Schaffen des grofen russischen Schriftstellers. 
Von Dr. Mihael Ashenbrenner. Gr. 80%, IV und 164 Seiten. Kartoniert RM. 3,80. 


Band 10: Die romanische Geste im Rolandslied 
Von Dr. Ruth Hoppe. Gr. 80, VIII u. 184 Seiten. Kartoniert RM. 7,80. 


Band 11: Dig!üee des Gesetzes in der praktischen Vernunft 
Von Dr. Hänridı Hadlicd. Gr. 80 IV u. 92 Seiten. Kartoniert RM. 4.—. 


Band 12: Die Anwendung des Genitiv singularis masc./neutr. auf -u in der 
gegenwärtigen russischen Sprache 
Von Dr. Marianne von Zyclinski. Gr. 80, VIII u. 60 Seiten. Kartoniert RM. 3,80. 


Band 13: Verfassung und Verfassungskonflikt in-Preußen. 18621866 
Ein Beitrag zu den politischen Kernfragen von Bismarcks Reichsgründung. 
Von Dr. Kurt Kaminski. Gr. 80, VIll u. 128 Seiten. Kartoniert RM. 3,60. 


Ost-Europa-Verlag, Königsberg (Pr) /=Berlin W.'62 


SCHRIFTEN 
DER ALBERTUS-UNIVERSITÄT 


Herausgegeben vom Ostpreußischen Hochschulkreis 
Geisteswissenschaftliche Reihe + Band 31 
A FE TE TEE, 


Der Übersetzer der litauischen Bibel 
Johannes Bretke und seine Helfer 
Beiträge zur Kultur- und Kirchengeschichte Altpreußens 


Von Viktor Falkenhahn 


1941 


Ost-Europa-Verlag, Königsberg (Pr) und Berlin W. 62 


Alle Rechte, besonders das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, 
werden vorbehalten 


Printed in Germany 


Druck von Otto v. Mauderode, Tilsit / D 10 


Professor G. Gerullis 
in Verehrung und Dankbarkeit 


Vorwort. 


jebanne: Bretke und einige seiner Korrektoren sind dem Indo- 
germanisten, dem Ostphilologen, sowie dem ostdeutschen Hei- 
matkundler bekannte Persönlichkeiten. Deshalb bedarf das Er- 
scheinen einer bisher fehlenden wissenschaftlichen, auf den be- 
kannten und vielen noch ungenutzten Quellen beruhenden Dar- 
stellung des Lebens, Schaffens und der nächsten Umwelt dieser 
Pfarrer, die im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert unter 
den größtenteils zugewanderten „Vndeutschen“ in Preußen, d.h. 
unter Stammpreußen, Litauern, Kuren und auch unter Polen 
wirkten, keinerlei rechtfertigenden Erklärung. Doch ist selbst dem 
gebildeten Laien zumeist unbekannt, daß die Litauer, unsere 
Nachbarn, fast die Hälfte ihrer „altlitauischen“* Literatur Bretke?, 
diesem deutschen Sohne altpreußischer Erde, sowie fast ein wei- 
teres Viertel seinen Korrektoren verdanken, desgleichen die beiden 
ältesten erhaltenen grammatikalischen Darstellungen der litaui- 
schen Sprache, die der Tilsiter Pfarrer Magister Daniel Klein 
schrieb. Es ist weiter oft unbekannt, daß diese zumeist deutschen 
Pfarrer nicht etwa nur die in Preußen siedelnden Litauer inner- 
lich dem Christenglauben und dem Protestantismus zu gewinnen 
strebten, sondern vor allem auch die Litauer des Großherzogtums 
Litauen zum evangelischen Christentum bringen wollten, und 
daß die aus Preußen nach Litauen hinüberflutenden evangeli- 
schen Schriften in litauischer Sprache die katholische Kirche ver- 
anlaßten, auch ihrerseits mit litauischen Schriften zu antworten, 
wodurch ein weiterer bedeutender Teil der altlitauischen Litera- 
tur entstand. Somit dürfte auch dem Laien eine Darstellung des 
Lebens der genannten Pfarrer Altpreußens gerechtfertigt er- 
scheinen, zumal eine solche aus den weiter unten dargelegten 
Gründen bestrebt sein muß, ein möglichst lebendiges Bild von 
der Persönlichkeit sowie der nächsten Umwelt jener meist deut- 
schen Autoren „altlitauischer“ Schriften zu vermitteln, und so ein 


* Zu dem Ausdruck „altlitauisch“ siehe Gerullis, Skait., S. V£. 
2 Siehe Abb. 11, Tafel VIII. 


va 


Stück ostpreußischer Vergangenheit aus der herzoglichen und 
nachherzoglichen Zeit vor dem Leser lebendig werden läßt. Natür- 
lich wenden sich die rein sprachlichen Abschnitte dieser Arbeit 
vorwiegend an den Fachmann. 

Anfänglich sollten nun die in der vorliegenden Arbeit ge- 
botenen Abhandlungen über das Leben, die Volkszugehörigkeit 
und die Korrektoren Bretkes zusammen mit einer Untersuchung 
über seine Werke als Einleitung zu einer bereits in Angriff ge- 
nommenen grammatikalischen Darstellung seiner Sprache ge- 
bracht werden. Bei der Bearbeitung der Texte, vor allem des 
achtbändigen Bibelmanuskripts, ergaben sich jedoch viele Fra- 
gen, die die Arbeit erschwerten, ja schließlich ganz unmöglich 
machten, deren Beantwortung nur bei genauer Kenntnis der 
Umwelt und des Lebens Bretkes möglich ist. Man sucht aber in 
der Literatur vergebens nach einer Darstellung der Lebensver- 
hältnisse und der Umwelt eines Pfarrers in Preußen zu der an- 
gegebenen Zeit, d. h. einer Schilderung der äußeren Umstände, 
unter denen nicht nur Johannes Bretke arbeiten mußte, sondern 
auch die andern ersten litauisch schreibenden Autoren der alt- 
litauischen Literaturperiode zu schaffen hatten. Es versteht sich 
von selbst, daß eine richtige Beurteilung der sprachlichen und 
literarischen Leistungen und Fehlleistungen wie auch vieler rein 
grammatikalischer Fragen des Altlitauischen jener Pfarrer ohne 
eine möglichst genaue Kenntnis ihres Lebens sowie der damali- 
gen Verhältnisse in ihrer nächsten Umwelt, die dem modernen 
Grammatiker nur zu leicit fehlt, nicht möglich ist. 

Die hierzu nötige Arbeit war somit erst noch zu leisten. Bei 
dem Interesse, das Johannes Bretke und der Kreis seiner Helfer 
verdient, lag es nahe, bei der Behandlung ihres Lebens zugleich 
die Verhältnisse zu veranschaulichen, in denen sie lebten, soweit 
es die vorliegenden Quellen gestatten. Ich entschloß mich daher, 
bei der Darstellung des Lebens Bretkes und seiner Korrektoren 
jede an sich für ihr Leben vollkommen belanglose Kleinigkeit, 
die aber das Bild des Lebens und der Umwelt eines damaligen 
Pfarrers abrunden hilft, unter genauster Quellenangabe mit- 
‘ zuteilen, und zwar wie überhaupt bei der vorliegenden Darstel- 
lung, möglichst die Quellen und mit ihnen die verklungene Zeit 
meiner ostpreußischen Heimat selbst sprechen zu lassen. Auch 
hoffe ich, daß so jeder Forscher leicht erkennen kann, was mir 


VII 


vielleicht entgangen ist, und daß auch der dieser Materie Fer- 
nerstehende mit geringer Mühe eine von ihm etwa gemachte Zu- 
fallsentdeckung sofort in ihrer Bedeutung zu erkennen vermag. 

Es versteht sich von selbst, daß hierdurch der Rahmen einer 
Einleitung zu einer Grammatik der Sprache Bretkes weit über- 
schritten werden mußte, und daß die Behandlung der Werke 
und die Darstellung der Sprache einem bereits in Bearbeitung 
befindlichen besonderen Teil zu überlassen war. 

Im einzelnen sei noch folgendes bemerkt: 

Die Eigennamen der litauisch schreibenden Autoren sind in 
dieser Arbeit so wiedergegeben, wie sie von ihnen selbst ge- 
schrieben wurden; bezüglich der Inkonsequenz, die mir bei den 
Namen „Sirvyd“ und „Dauksa“ unterlaufen ist (ersteren kennt 
vor allem der deutsche Leser in der Schreibung „Szyrwid“), bitte 
ich um Nachsicht. Derjenige Leser, dem die deutschen oder litaui- 
schen Formen einiger ostpreußischer Ortsnamen unbekannt sind, 
sei auf den Index dieser Arbeit verwiesen. 

Die wichtigeren, bisher nicht veröffentlichten Quellen? sind 
zum Schluß noch einmal in extenso in einer besonderen Quellen- 
sammlung mitgeteilt, da sie einen gewissen Eigenwert haben 
und dem Leser die Möglichkeit geboten werden soll, die von mir 
zitierten Stellen im Textzusammenhang nachzulesen, was oft 
von Interesse ist; Anmerkungen, die auf die Quellensammlung 
verweisen, sind als solche durch „Qu. S.“ (Quellensammlung 
Seite) kenntlich gemacht. Bei: der Wiedergabe der Quellen im 
Texte der vorliegenden Darstellung wurden die gleichen Prinzi- 
pien befolgt, wie sie auf S.413 für die Quellensammlung an- 
gegeben sind. 

Aus drucktechnischen Gründen war es nicht mehr möglich, 
an allen Stellen der vorliegenden Arbeit, die durch einen Ab- 
schnitt in den „Berichtigungen und Ergänzungen“ modifiziert 
oder vervollständigt werden, auf jenen berichtigenden oder er- 
gänzenden Abschnitt am Schlusse des Buches zu verweisen. Da- 
her sei empfohlen, vor der Lektüre die „Berichtigungen und Er- 
gänzungen“ durchzusehen, und an den dort angegebenen Seiten 


® Ausgenommen sind nur einige bereits veröffentlichte Briefe Bretkes, da 


hier grundsätzlich alle von seiner Hand stammenden Schreiben buch- 
stabengetreu mitgeteilt werden sollten, was bisher nicht geschehen ist. 


IX 


und Zeilen der Darstellung auf den ergänzenden oder berichti- 
genden Passus am Schlusse des Buches zu verweisen. 


Es ist unmöglich, an dieser Stelle allen denen gebührend zu 
danken, die bei der Abfassung dieser Arbeit mit Rat und Tat 
geholfen haben! Ihre Namen werden an den entsprechenden 
Stellen im Texte jeweils genannt werden. 

Ein besonderer Dank gebührt aber Herrn Archivdirektor 
Dr. Hein, Königsberg (Pr), der mir jahrelang in seinem Archiv 
zu arbeiten gestattete und mir ebenso wie Herr Archivrat 
Dr. Forstreuter und die anderen Herren des Königsberger Staats- 
archivs, Herr Dr. Sandro, Herr Dr. Döring und Herr Dr. Qued- 
nau, immer wieder beratend zur Seite stand. 

Desgleichen bin ich Herrn Staatsbibliotheksdirektor Professor 
Dr. Diesch, Königsberg (Pr), zu Dank verpflichtet, der mir er- 
möglichte, zu jeder Stunde im Baltisch-Slavischen Seminar an 
dem kostbaren Schatze der Königsberger Staatsbibliothek, dem 
achtbändigen Bibelmanuskript Bretkes, zu arbeiten. 

Sehr wertvolle Einzelmitteilungen verdanke ich Herrn Pro- 
fessor Dr. W. Ziesemer, Herrn Professor Dr. K.H. Meyer, beide 
in Königsberg, Herrn Professor Dr. Koschmieder, Wilna, jetzt 
München, Herrn Professor Dr. St. Kot, Herrn Staatsarchivdirektor 
W.Studnicki, Wilna, Herrn Superintendent Doskocil, Labiau, und 
Herrn Dr. R. Stein, Königsberg. Ebenso sei Herrn Oberstudien- 
direktor Dr. Abernetty, Tilsit, herzlich gedankt, der mir die Ar- 
beit in der Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums ermöglichte, 
die in der vorliegenden Schrift öfter zitiert werden wird. 

Es war mir unmöglich, im Texte jeweils die zahllosen Mit- 
teilungen, Hinweise und Anregungen als solche kenntlich zu 
machen, die ich dem Interesse und der steten Hilfsbereitschaft 
meines Lehrers, Professor Dr. Gerullis, Berlin, für diese Arbeit 
verdanke. Ich vermag an dieser Stelle nur für die mich so fes- 
selnde Aufgabe, die Sprache Bretkes zu behandeln, und für sein 
nie ermüdendes Interesse zu danken, das sich in dem steten Kon- 
takt zeigte, den Herr Professor Dr. Gerullis — auch fern von 
Königsberg — mit meiner Arbeit aufrecht erhielt! Ich verdanke 
es darüber hinaus seiner Initiative, wenn mir auch äußerlich die 
Möglichkeit für die so lange Zeit beanspruchende Arbeit ge- 
boten wurde. 


x 


Dem Ostpreußischen Hochshulkreis, der die Herausgabe 
dieser Arbeit übernahm, sowie Seiner Magnifizenz, dem Herrn 
Rektor der Albertus-Universität, Königsberg, und der Philo- 
sophischen Fakultät dortselbst sage ich meinen aufrichtigen 
Dank; ohne ihre weitgehende Hilfe wäre eine Drucklegung der 
Arbeit nicht möglich gewesen. 

Dem Ost-Europa-Verlag und der Buchdruckerei Otto v. Mau- 
derode in Tilsit sei für die Mühe und für die Geduld herzlich 
gedankt, die beide im Interesse einer exakten Publikation des 
z. T. recht schwierigen Manuskripts immer wieder bewiesen 
haben. 


Königsberg (Pr), Januar 1941. 
Viktor Falkenhahn. 


XI 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

SV OLWOTT En ee ee te ee N  Vehe Bas anlkahe alas ne Me VII 
DasplrebensBretkes®. ....2.. 2 u. 0er ua enl ee lee nee 1 
Bretkes Leben bis zum Eintritt in die Königsberger Universität... 1 
Bretkes Königsberger Studienzeit . -. 2. 2 222020000. 37 
Die Zeit in Wittenberg und Oberdeutschland . .. ... 222 .2.. 42 
WieklabiauerrZeit.iBretkesi u. 0 anne ee ecke ee. 48 
Bretkerals Pfarrer, in Königsberg 00, 86 
NachkommenyBretkestr 2 u 2 Se 138 
Christoph aWAlkau ee ee ER: 138 
|Matthaus»Braetorius? (Schulz). 0 0 ne 140 

Die Volkszugehörigkeit Bretikes . . 2: 2:2 2 2 mern 147 
Stand#deräbisherigen#Forschung@. 0 0. 147 
DergNamerBreiken ee en 157 


Die Belege des Namens Bretke im 16., 17. und 18. Jahrhundert . 157 
Der Gebrauch der deutschen, lateinischen und baltischen (litauischen) 


Nemansiien & 0-5. bon re ae ee ee en 157 
Die litauischen Formen des Vornamens „Johannes“ bei Bretke . . . 161 
Etymologie des Namens Bretkes .. 2... 2 2 2 2 2 2 2er. 163 

Die Muttersprache Bretkes . . . .. : 2 2 Cm er rrrn 165 
Dasplitauisch®Bretkes@.0. 20.0... cl ee 166 
1. Zur Lautlehre und Orthographie ...... 2. 2 22222020. 172 

a) Die Erweichung vongundk vore ...... 2.222220. 172 

Diilanfürleges Le. Vega are ae en Dt 178 

COS AR On Eee 179 

EHER oa are MR RE 182 

aa ee ann, DR ern EA 184 
2 ZurgNormenlehree u een 184 

Die verkürzte Form m({i), t(i) des Personenpronomens der 1. 
und 2. Personen im Dativ und Akkusativ . . . 2 2 2 220. 184 
RZ UTESaLZICHT oe ee 186 

a) Objekt + Partizip im gleichen Kasus . . . . . 2: 222.2 .. 186 

b)Bkeipe Ida 187 

c)BKonstruktion®deräVerbenwe 0 0 en 189 


48 Zum WE Wortschatz ware ee ee ee ee 190 
a) Beispiele altlitauischer Wörter bei Bretke ........... 192 
b)EGeErManIsmen En N Re ee 194 


0) Unmittelbar aus dem Deutschen entlehnte Germanismen . . 194 
ß) Über das Polnische oder Weißrussische entlehnte Germanis- 


men im Litauischen Bretkes ., oo. 000 cn 195 

y) Aus dem Deutschen oder über das Polnische entlehnte Ger- 
NAT ISIN EN I ee: 196 
ee 197 
a) Beispiele polnischer Lehnwörter bei Bretke ........ 197 
B)ABehnübersetzungenw. ne Se ee ge 199 


y) Beispiele weißrussischer Lehnwörter im Litauischen Bretkes 200 
ö) Lehnwörterbeispiele aus dem Weißrussischen oder Polnischen 201 


&) Beispiele altpreußischer Lehnwörter .. ... : 22220. 202 
53Der;StilfBretkesy El... erh an. een tee Bee ra 206 
6. Die Fehler im Litauischen Bretkes .. . ..: 2» 2 22 20020. 208 
7Schlußiolgerung u re 210 
Das@DeutschWBretkese we ee 211 
DaspbreußischYBretkese ee 216 
Das#Kurisch@Bretkese m. 0, en ae 218 
DWas#Bolnisch@Breikese a De ech eine 1a recherche sehe 219 
Zusammenfassung und Würdigung ..... 2.2222 nenn 225 

Bretkes#Korrektoren. vr. 2. 0 nee ehe en ee ne ee 227 
Bestimmungen der einzelnen Korrektoren . . :.. 2222000. 245 
IDErBKorTeKtOrIR en ee ne) re ee ee 245 
DanielgGallusgi. een ee, u Hlecnen 6. 0 247 
DErDKorrektorEXs ee ee ee 255 
Zacharias@Blothnogd Amer a ee ie ven 259 
Der2KorrektoreXgu a ee es og Pr£.} 
Alexander$#Raduniussdep em. ee eher ee as 276: 
DeräKorrektoraXse oe 284 
INikOlausESiautil eg ne ren 286 
Der Korrektor X; ..... BR ee a 298 
JohannestRehsa nr wa ee ee ne 301 
IDErJKOTTektor iX ee ee: 322 
DanielW Kleine ea 2: Kekeee Pe me Bee ve ee ae 327 
DeräkorrektüraXzs es 2 eu ee ne ee 353 
JohannesaGedkant 0. ee ae bener, 354 
Der Korrektor Johannes Bielauk .. ...:: 2. 22 rm ren 567 
Tohannes®Bielauki nn ee eye 369 
johannes»ElopfnergalssHeltersen ee 374 
Johannes Höpfner, Leben und Persönlichkeit .......... 375 


XIV 


Der Korrektor Friedrih Masalski ... ..::- 2.222020 0. 384 
Friedrich Masalskis Leben . ..:...: 2:22 ee. 385 

Der Korrektor Georg Musa . ...:.. 222er 391 
Georg@Musasplebener ee. 392 
INIDELTUSEStLISCH I ee ten eine een 395 

Der Korrektor Simon Waischnarus . .. 2: 2 2222000. 398 
Simon Waischnarus, Leben und Persönlichkeit . ......... 401 
Quellensammlung - . -:- 20er nern nen 413 
Ne Dierkulturelleßracemem re ee) onen een ee 414 
IBBTetKo ee eee ae an ee he ee 417 
© Die En en ee 448 
DBNIkOlausmSiautilee. eur ee ee 448 
Diejohannesg@Rehsa fr „en 452 
CBlohanneswtlöpinerg 0.2 en 455 
Berichtigungen und Ergänzungen... 2. c nun 461 
Schrifttumsverzeichnis . . 2: 2 22m or ren 470 
PADKÜTZUN GENE ee a een aeene en ann er La Tremfe 478 
mr 000000 er RE 480 
Namentabelengnw en er re am Schluß 


XV 


Das Leben Bretkes. 


Das Bild, das auf Grund der vorhandenen Quellen vom 
Leben Bretkes entworfen werden kann, ist sehr lückenhaft. 
Darum ist es — zumindest heute noch — unmöglich, eine voll- 
ständige Biographie Bretkes zu schreiben. Doch einige irrige 
Angaben und einige Lücken in der älteren und neueren Lite- 
ratur lassen sich beseitigen, wenn alles heute bekannte Quel- 
lenmaterial herangezogen wird. 

In dem folgenden Kapitel soll nun 1. unter Verwertung allen 
Materials das Leben Bretkes gezeichnet werden, soweit dies 
möglich ist, 2. die nächste Umwelt Bretkes in der im Vorwort 
angegebenen Weise zur Darstellung kommen und schließlich 
3. durch die Wiedergabe von Handschriftenproben Bretkes 
dem Leser, der in keinem Archive gearbeitet hat, die Gelegen- 
heit geboten werden, an den Schriftzügen eines Menschen der 
damaligen Zeit deren Wandlungsmöglichkeiten zu studieren, 
um so ein rechtes Verständnis für den Handscriftenvergleich 
im Kapitel „Die Korrektoren Bretkes“ zu gewinnen, wozu 
eine gewisse Vertrautheit mit der Paläographie unerläßlich ist. 


Bretkes Leben bis zum Eintritt in die Königsberger 
Universität. 


Johannes Bretke ist 1536 geboren, denn in einem am 1. März 
1602 eingegangenen Brief an den Herzog gibt er sein „zimlich 
hochgebrachtes alter“ an, „welchs sich In das 66 Jhar Gott lob 
erstrecket‘“. 

Das älteste Dokument, das von Bretke berichtet, ist die 
Eintragung des Rektors Simon Titius am Freitag, den 14. Juni 
1555, bei Bretkes Inskription in das Matrikelbuch der Königs- 
berger „Albertus Universität“: „Johannes Bretke, Friedlan- 
densis, natus in pago vicino Bamlen, pauper, pupillus, gr. 5°*. 


ı Quellen, S. 443, Z. 39 f. 
2 Erler, Königsb. I, S. 212. 


1 Falkenhahn, Bretke 1 


+ 


Er nannte sich selbst vor dem ihn immatrikulierenden Rek- 
tor „Bretke“, wie er sich bis 1580 fast ausschließlich selbst 
nennt und von andern genannt wird; erst seit 1580 taucht, 
anfangs spärlich, später immer häufiger, die Form „Bretchen“ 
auf, doch unterzeichnet sich Bretke selbst von 1580 ab nahezu 
ausnahmslos mit der latinisierten Form des Namens: „Bret- 
kius“ („Bretchius“) und wird auch von andern bald nur so 
bezeichnet. Dagegen findet sich die litauishe Form „Bret- 
kunas“ nur als Selbstbezeichnung in seinen litauischen Ar- 
beiten und bei Joh. Rehsa im litauischen Titel der von diesem 
überarbeiteten Psalmen Bretkes’. 

Somit dürfte die von seinen Eltern gebrauchte Form des 
Namens „Bretke“ sein‘, 


Wie die Matrikel zeigt, ist Bretke in „Bamlen“, dem heu- 
tigen Rittergut Bammeln, geboren und hat sicherlich den größ- 
ten Teil seiner Jugend in dem etwa fünf Kilometer entfernten 
Friedland (siehe Karte, S. 7) verlebt. Dies wird durch die von 
den andern Matrikeln abweichende Form der Matrikel Bretkes 
sehr wahrscheinlich gemacht. Der Rektor fügte zu der Heimat- 
angabe „Friedlandensis“ nach voraufgegangener Information 
noch ausdrücklich die Angabe des Geburtsortes hinzu: „natus 
in pago vicino Bamlen“. 

Die andern Matrikeln zeigen fast ausnahmslos nur die 
Heimatangabe, und zwar in der Form: Ortsname + Zugehörig- 
keitssuffix -ensis, -anus usw., z. B.: „Johannes Gedkantus, 
Schirwintensis‘”, „Valentinus Lauben, Regiomontanus...“ usw. 


Folgende Äußerung Erlers in der Einleitung zur Königs- 
berger Matrikelausgabe (S. LX) stimmt daher wohl für die 
übrigen dortigen Matrikeln, doch nicht für die Bretkes: „Zur 
näheren Bezeichnung des Immatrikulierten diente die Hei- 
matsangabe. Es handelte sich dabei nicht um den Ort, an dem 
er sich zuletzt oder die längste Zeit seines Lebens aufgehalten 
hatte, sondern um den Geburtsort.“ Erler sagt (l. c. LVII) 


3 Siehe unten, S 158 ff. und 317. 

% Siehe Kapitel: „Gebrauch der deutschen, lateinischen und baltischen (litaui- 
schen) Namensform“, S. 157 ff. 

5 Erler, Königsb. I, S. 65, Wintersem. 1577—78. 

% Erler, Königsb. I, S. 8, Sommersem. 1548. 


2 


selbst: „Als unbedingt erforderlih erschien die Aufzeich- 
nung...des Geburtsortes.“ 


Bretke muß also vor dem Rektor als seine Heimatstadt 
Friedland angegeben haben, als seinen Geburtsort jedoch das 
benachbarte Dorf Bammeln; dieses hat verwaltungsmäßig nie- 
mals zu Friedland gehört, sondern im Geburtsjahre Bretkes 
1536 zum Amte Insterburg, als 1555 die Matrikel Bretkes ge- 
schrieben wurde, aber zu Taplacken’; nur kirchlich gehörte es 
1533 zu Friedland’, hat später aber die kirchliche Zugehörigkeit 
oft gewechselt; so gehörte es 1541 zu Taplacken’, 1543 zu 
Allenau”, 1544-1547 zu Auglitten usw. 

Auch vor dem Rektor der Wittenberger Universität gibt 
Bretke Friedland als Heimatort an”. 

Wie sonst die Heimatangabe war, wenn der Betreffende 
aus einem kleinen, wenig bekannten Dorfe kam, zeigt eine 
Matrikel von Sommersem. 1548 (Erler, 1. c., I, S. 8): „Paulus 
Kunigke, ex pago prope Reseliam Pauper...“ und eine von 
Sommersem. 1565 (Erler, 1. c., I, S. 33): „Georgius Holtz, Li- 
tuanus, natus in pago Gawaytten, qui VII miliaribus abest 
Insterburgo....“ 

Zum Überfluß zeigt die erhaltene Bürgersteuerliste von 
Friedland aus dem Jahre 1554 ff. einen Valten Bretke in Fried- 
land, der doch höchstwahrscheinlich sein Vater war“. 

Bretke ist also in dem kleinen Dorfe Bammeln geboren, 
hat aber — doch wohl mit seinen Eltern — in Friedland ge- 
wohnt. 

Bammeln bestand um 1536, wie Gerullis schon gezeigt hat“, 


? Gerullis, Studi Baltici, V, S. 58. 

8 Ostpr. Fol. 1272, S. 31”, „Visitatio eccl[esiarum] 1533“, „Bamel est ordi- 
nata ad Fridlant...“ 

° Ostpr. Fol. 1274, S. 271’, Dezemrechnung der Friedländischen Kirche 
1541: „Bamlen nichts gehort Ml[einemjgst Hf[errn] jns taplauckisch. I vnd 
Andres pflanZen.“ 

10 Ostpr. Fol. 1272, Blatt 168, Kirchenrechnung zu Allenau: „Bammeln ist 
preusch l ij haue ((= Höfe)) gibt einer XV Sz ((= Schilling)) l Sum[m]a 
XLV Sz.“ 

4 E.M. 134d Aluglitten] Kirchenrechnung von Auglitten. 

12 Siehe S. 42 sowie die Namentabelle am Schluß des Buches. 

13 Siehe S. 30 ff. 

1 Siehe Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54 ff., und hier S. 153, 


1% 3 


aus zwei Bauernhöfen mit preußischen, d. h. hörigen‘” Bauern, 
und dem 81,25 ha großen preußischen Freigut der Brüder 
Greger und Brose aus dem Geschlechte der preußischen Freien 
Warnin. Nun kann Bretke aber nicht aus einer hörigen Familie 
gekommen sein, da er ohne Hilfe des Herzogs studierte, später 
eine deutsche Adlige heiratete und ein Erbe besaß". Bretke 
hätte es der damaligen Sitte gemäß in seinen vielen Bittschrif- 
ten sicher wiederholt angebracht, wenn er durch den Herzog 
frei geworden wäre und ein Stipendium oder eine andere 
nennenswerte Hilfe beim Studium gehabt hätte. Der Herzog 
hatte nämlich allen Knaben von Hörigen, die Litauisch oder 
Preußisch konnten und Theologie studieren wollten, Freiheit 
und unentgeltliches Studium versprochen. Vor allem in dem 
lateinischen Brief vom Januar 1563 hätte er Gelegenheit dazu 
gehabt“. Also war seine Mutter sicherlich eine geborene 
Warnin. 

Ob Bretkes Eltern zur Zeit seiner Geburt in Friedland ge- 
wohnt haben, ist ungewiß; wahrscheinlich ist aber wohl doch, 
daß die nach Friedland verheiratete Warnin im Hause ihrer 
Verwandten ihre Niederkunft erwartete. 

Da das Bammelsce Freigut bis mindestens 1557 im Besitz 
der Familie Warnin war”, weilte Bretke sicher als Kind oft dort. 

Will man ein Bild jener Umgebung gewinnen, in der 
Bretke — soweit es Bammeln betrifft — aufwuchs, hat man 
äußerst verstreutes und unübersichtliches Quellenmaterial hier 
heranzuziehen, das außerdem noch teilweise so spröde ist, daß 
ihm nur durch weitschweifige Vergleiche etwas abzuge- 
winnen ist. 

Die Landschaft des ganzen Gebietes, das die Alle durc- 
fließt, in dem auch Bammeln liegt, zeigte damals viele Wälder, 
die immer wieder von Feldern unterbrochen waren“. 


15 „Preußischer Bauer“: Stammpreuße, der ein Bauernerbe in einem „Preu- 
ßendorf“ innehat, leistet ungemessenes Scharwerk auf Amtsvorwerken 
oder beim Junker; er entbehrt der persönlichen Freiheit. Für ihn sind 
auch die Namen: „Gebuwer“, „Pawer“ und „Gesinde“ gebräuchlich. Sta- 
Rewski Stein, S. 79. 

16 Qu., S. 417 ff. 

17 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54f.; siehe auch unten, S. 12. 

18 Siehe die farbigen Karten jener Gegend von etwa 1600 im Königsberger 
Staatsarchiv, 


Die Dörfer mit ihren für unsere heutigen Begriffe ärm- 
lichen Holzhäusern waren streng in „preußische“ und „köl- 
mische“ getrennt (siehe Karte, S. 7). 


In Wohnsdorf saß der allgefürchtete „Junker“ Andreas 
Flans, dessen Vater, Ditrich, wohl mit Hochmeister Albrecht 
nach Preußen gekommen war. Andreas gehörte 

„»...Dass Schloss Wonsdorff, mit 

sambt dem Hoffe Aucklitten, und seinen Zubehörungen, 

auch die Vier huben, und Teuche (!) Zu dem Schloß und 
Vier Huben gehörig, dartzu den Kretzmer vor dem Schloß, 
die Vier huben bey dem Hofe, da Zu Vor der andere 

Krug gestanden, vnd daß Gutt Pan[n]itten, daneben die da- 
merau, und die Wiesen so Zu dem Schloß gehören, Item 

die hernach benan[n]te Dörffer Com[mJerau Schönebaum, Schöne- 
wald, Herrendorff, Aucklitten, Debmitten sambt der Hu 

ben waldes die insonderheit dartzu erKaufft, daß dorff 
Plauen funfzehn Huben inhaltende zwöen Höffte im 

Dorff bamlen, einen freien Schultzen im Dorff trim[m]nau, 
und einen freien Schultzen im Dorff Zu Schallen,...“ 


und dazu 
»... die gerichte beyde gros 
und Klein, mit sambt dem straßengericht...“ 
wie es in der Verschreibung” des Herzogs Albrecht heißt, und 
zwar als „Lehngütter“, die er, der Herzog, 
„»... dem Ehrbahren unserm 
lieben getreien Andresen Flansen .... 
Vor allen andern Diederich Flansen nachgelassenen Söhnen 
gegönt...“, 
wegen der 
Bersugetreuen 
Dienste die uns berührter Andreas Flanß von seinen 
Jungen Jahren fleissig geleistet...“ 


Das 1,5 km nordöstlih von Bammeln gelegene Kipitten 
gehörte doch wohl schon in den vierziger Jahren des 16. Jahr- 
hunderts einem Hans von Hohendorff, jedenfalls starb dieser 
nach Gallandi dort 1580 „durch einen Fall“. Nach Matthäus 


Praetorius war Bretke mit der Familie „...der Herrn von 


1° E.M. 137 d, Aktenheft „Wohnsdorff“; Abschrift der Verschreibung; Datum: 
28. 11. 1552, doch besaß Andreas Flans diese Güter mindestens 1544 und 
1541 schon, wie die Kirchenrechnung von Auklitten E.M. 137 cd „Bött“ 
und die Kirchenrechnung zu Allenau (siehe oben, S. 3 Anm. 10) zeigen. 


Hohendorff und der Herrn von || Schlieben....“ verwandt'*. 
Die Gattin des Franz von Hohendorff, eines Bruders jenes 
Hans auf Kipitten, war eine von Poerlein, ein Name, der uns 
noch begegnen wird. Die Tochter dieses Hans, Dorothea, hei- 
ratete 1599 einen Wolff von Schlieben, während seine Ver- 
wandte, Catharina (die Urgroßväter waren Brüder), 1572 in 
zweiter Ehe den 1593 verstorbenen Bernhard von Gehren auf 
Pogirmen heiratete, über dessen Familie gleich zu sprechen 
sein wird. 

Die von Hohendorff waren zur Zeit Bretkes noch mit denen 
von Egloffstein, von der Groeben u. a. verschwägert. 

Denen von Schlieben gehörten damals weiter von Bam- 
meln entfernt gelegene Dörfer wie Hohenhagen, Warin, Scha- 
berau, Sargen u. a. Der 1597 verstorbene Dietrich von Schlie- 
ben auf Gerdauen hatte eine Margaretha von Schaffstädt 
(7 1600) zur Frau, die eine Base der Gattin Bretkes war, von 
deren Familie wir daher noch hören werden. 

Die von Schlieben waren außerdem u.a. mit denen von 
Tippelskirch und mit denen in Friedland ansässigen von Böck 
verschwägert. 

Zu Bretke scheint der „Praeconsul“ (Bürgermeister) der 
Altstadt Königsberg, Johannes von Gehren, dessen Sohn oder 
Enkel anscheinend in den achtziger Jahren das schon genannte 
Dorfgut Kipitten erworben hat, besondere Beziehungen ge- 
habt zu haben, mindestens hat er sich stark für Bretkes Ar- 
beiten interessiert, denn er kaufte sich dessen „Giesmes 
Duchaunas...“ (siehe Bild 11) unmittelbar nach deren Erschei- 
nen: Bretke hatte noch am 2. April 1589 das lateinische Vor- 
wort zu den „Giesmes“ geschrieben, aber bereits am 12, Juli 
1589 hatte Johannes von Gehren ein Exemplar erworben, in 
das er auf die freie Hälfte des vorderen Vorsatzblattes schrieb: 
„Johannes von Gerenn Adi 12 Julij Ao 89. || Constat 8 gr.“ 
Dieses Exemplar ist in der Königsberger Stadtbibliothek unter 
Ca 144 erhalten (Näheres siehe im 2. Teile dieser Arbeit über 
die Werke Bretkes). 

Nach Gallandi kam der Vater dieses Johann, nämlich 
Nicolaus von Gehren, 1498 mit dem damaligen Hochmeister 


1% „Deliciae Prussicae“, S. 5, siehe unten, S. 141. 


6 


Albrecht aus Sachsen nach Preußen, wo er Praeconsul in der 
Altstadt Königsberg wurde. Die Frau des Johann, Barbara, 
war die Tochter eines Danziger Kaufmanns Krakow; sein 
Sohn Erhard wurde wieder Praeconsul der Königsberger Alt- 
stadt, während der Sohn Bernhard, der, wie schon gesagt, eine 
Catharina von Hohendorff heiratete, Diener des Herzogs Al- 
brecht Friedrich, sowie — wohl vorübergehend — Burggraf 
von Taplacken war. Die Kinder des vorher erwähnten Sohnes 
Erhard waren u. a. der 1603 auf Kipitten verstorbene Hans; 
Reinhold oder Reinhard, Professor zu Rostock; Sybille, Frau 
des Professors der Eloquentia und Dichtkunst, Georg Reimann. 


Potamern| 
Leissienen 
kl.Engelau ® 

o (0) 
Gr.Engelau 
OD3 mer- 
au 
OBannitten 


@knkehnen O Höhenfelde 


Okummerau 


Friedland ] @*loschn 


Ofierrendorf Oschönbaum 


O schinmwalde 


afotläck 


Die preußischen und kölmischen Dörfer um Bammeln zur Zeit 
der Jugend Bretkes (preußisch @, kölmisch O). 


Von besonderer Bedeutung für Bretke wurde das 6 km 
nördlich von Bammeln gelegene 35 Hufen (557,4 ha) große 
Dorf Klein Engelau, das der Herzog 1529 dem Amtsschreiber 
von Tapiau, „Mattes Hagken“, verschrieben hatte (Östpr. 
Fol. 357, Hausbuch v. Tapiau, Bd. 2, S. 85" f.), das aber in den 
Jahren nach 1548 in den Besitz des Christoph von Werthern 
überging, der 1548 nach Gallandi noch in Wehlau angesessen 
war. Im gleichen Jahre war seine Frau, eine Elisabeth 
von Schaffstädt aus dem Hause Lagarben, bereits verstorben 
und hatte „4 kleine Kinder“ hinterlassen. Eins von den Kin- 
dern wurde Bretkes Frau (siehe unten, S. 59). Die Schwester 
des Christoph, also die Tante der Frau Bretkes, war an einen 
Andreas von Knebel auf Borken verheiratet, was wohl sicher 
das heutige Adl. Borken bei Johannisburg sein dürfte (doch 
auch die gleichnamigen Ortschaften liegen im Süden der heu- 
tigen Provinz Ostpreußen), außerdem war er irgendwo Land- 
richter. Der einzige Onkel mütterlicherseits der Frau Bretkes, 
Christoph von Schaffstädt, war Hauptmann zu Taplacken. Er 
ist nach Gallandi „...1570 || kürzlich f...“ Eins seiner vielen 
Kinder war die schon genannte Base der Gattin Bretkes, Mar- 
garetha von Schaffstädt. 

Die Pfarrer der nächsten Umgebung sind nur z. T. bekannt, 
doch dürfte keiner von ihnen für Bretkes Sprachkenntnisse 
im Preußischen, Litauischen oder Polnischen von Bedeutung 
geworden sein. 

In Auglitten, dessen Kirche „...iij Glocken jm torme“, aber 
als einziges Buch „...ij postillen martini vinterteil || vnd 
som[mJerteil...“” besaß, war noch 1545 ein sonst nicht beleg- 
barer „Caspar Schult vonn Collen || vanwirdiger pfarherr zu || 
Aucolitten“, der nur aus seinem Streit mit Andreas Flans 
bekannt ist, welcher ihn anscheinend 1541 hatte absetzen 
lassen“, worüber Schult' dem Herzog in einem am 23. April 
1545 eingegangenen Schreiben berichtet”. Da die ganze An- 
gelegenheit ein Schlagliht auf die damalige Stellung des 


»° E.M. 137 c—d Bött.: -Kirchenrechnung von Auklitten 1545—1547. 

21 Schult ist offenbar jener N.N. in Auglitten, von dem Arnoldt, Nachr. II, 
S. 64, berichtet, er wäre abgesetzt, wahrscheinlich aber wieder angenom- 
men, weil kein Pfarrer zu bekommen gewesen sei. 

»2 E.M. 137 c—d Bött.: Aktenheft „Auklitten“, 


8 


cn nn a ee A a a ee 
4 I 


Pfarrers wirft, sei sie hier kurz mitgeteilt. Der Samländische 
Bischof hatte danach bei der letzten Visitation angeordnet, 
daß er 

»... als geordenter pfarher, 

einenn suntag vmb denn andernn. Zu 

Aucolittenn vnnd Schonenwalde predigen 

sold...“ 
Doch da der Junker andere Anordnung traf, der Pfarrer sich 
aber an die des Bischofs hielt, hat ihn Flans kurzerhand 


»... durch tzwene kirchen veter vrlauben lassen... .“ 
SerVonderees 


wie Schult selbst schreibt, 

»... 50 mein weib 

vmb solch auss Jagenn des vihes geredt 

hat Jungkherr flanntz, twelff menner 

mit spissenn vnnd anderem Zu mir 

vff die widem geschickt, Die mein 

weib so sie mit Zuchtenn Zuredenn aus 

einem Kuffenn, Dor]nne sie domahls ge- 

sessenn, mit gewalt nehmenn vnd ge- 

dachtem Junckherrn Jnn sein gewarsam 

sampt einem knabenn der das vihe gehuttet, 

gefenglich Zufurenn wellenn...“ 
Wie aus der Kirchenrechnung von Auglitten 1547 hervorgeht, 
war damals der „...her Caspar...“ schon fort”. Der Herzog 
hätte ihn sicher gehalten, wenn er Preußisch oder Litauisch 
gekonnt hätte. Schult ist offenbar erst nach Preußen ein- 
gewandert. 


Nach Schult ist ein Jacob Eichler aus Borna im Meissener 
Gebiet in Auglitten Pfarrer, der aber 1569 nach Paaris versetzt 
wurde”, was sicher nicht geschehen wäre, wenn er eine der in 
Preußen gesprochenen Sprachen außer Deutsch gekonnt hätte. 
In der Kirche zu Kl. Schönau mit Filiale Engelau, die laut 
Inventarverzeichnis (s. Kirchenrechnung von Auglitten S. 11'*) 
kein einziges Buch besaß, war mindestens von 1550—58 Caspar 
Raumendorf, ein Schlesier, Pfarrer”. In Allenburg war bis 1546 
ein Alexander Magnus, von dem es heißt: „laß die Predigten 


>» E.M. 137 c—d Bött.: Kirchenrechnung von Auklitten 1545—1547. 
24 Arnoldt, Nachrichten, II, S. 64. 

»: E,.M. 137 c—d Bött. 

2° Arnoldt, Nachr. II, S. 64. 


aus einem Buche;“ er wurde danach Pfarrer in Böttchersdorf. 
Ihm folgte bis frühestens 1558 ein Tollenburg oder Fallenberg 
- im Amte’”, 

Ein Schulmeister ist nur in Schöntritten erwähnt, der das 
stattliche Jahresgehalt von 10 M. bezog”, während der ebenfalls 
nicht mit Namen genannte Pfarrer dortselbst 25 M. jährlich 
erhielt. Es handelte sich wohl sicherlih um keinen ständigen 
Lehrer, sondern, wie meist zur damaligen Zeit, um einen „Stu- 
diosus“ (siehe unten, S. 55£.). 

Die soziale Stellung der „preußischen Freien“ Warnin, die, 
wie schon gesagt, sicherlich die Verwandten Bretkes waren, 
geht aus ihrer „Handfeste“ für ihr „preußisches Freigut“ her- 
vor, die 

„»... zw Thapiaw am donrstage 

jan der quattemper vor sancte Matte[n]thags des 

Apostels vnnd Ewangelisten jnn des jarezal vnsers 

hern Thausenth virhunderth vnnd jm funfezendenn 

jare...“, 
also am 24. Februar 1415 ausgestellt und um 1543 für „Fabiann 
vonn bambeln“ in das „Handt Vhesten Büch || des Tapiawschen 
Ampts“, das 1538 frisch angelegt worden war, abgeschrieben 


wurde, wo sie uns erhalten ist”. Dort heißt es: 

„Wir ((d. h. die genannten hohen Otter) oo 
.voleyen vnnd gebenn vnserm 

Berenen Nicklas Micheln vnnd Matte gaudinne 
brüder jrenn rechten erben vnnd nachkomlingenn 
funff hacken gelegenn jnn dem felde zw bambeln 
ann acker wysenn weydenn bruchern puschen binne[n] 
denn grentzen als jnn die von vnserm brudern 
seindth beweiseth frey von zehenden vnnd gebur- 
licher arbeith Erblichenn vnnd Ewiglichen zwbe- 
sitzenn dartzw vorley wir jun XXj M wergeldts. 
durch dieser vorleihunge wille sollen vnns die vor 
geschrieben Nicklas Michel Matte jre rechten erben 
vnnd nachkomlinge dienen mith pferdth vnnd wapen 
nach des landes gewonheith zw allen herverthenn 
vnnd landthweren New heuser zwbawen, alde 
zwbrechenn ader zubessern wenn wir (?) dicke? vnnd 


»” Ebenda, S. 62. 

23 Über den ungefähren Wert des Geldes siehe unten, S. 63 £. 
2» Ostpr. Fol. 118, S. 219r f, 

0 häuerlicher. 

31 dicke = oft. 


10 


} 


woehin sie das von vnns ader von vnsern brudern 
werdenn geheischenn ...“ 


Bammeln war vorher, d.h. 1405, noch ein preußisches Schar- 
werksdorf gewesen, in dem die Preußen „Regil“, „Lickucz“, 
„Lubart“, „Serune“, „Hindricke“, „Orute“, „Gintar“ und 
„Gedaute“” saßen, in das aber nun 1415 „gaudinne || brüder“ 
als „Preußische Freie“ gesetzt wurden. 1538 finden wir „vrban 
von Bammeln“* auf dem 4,5 Hufen und 10 Morgen (81,25 ha) 
großen Freigut, 1543 „Fabiann vonn bambeln“, für den die Ab- 
schrift der oben zitierten Handfeste gemacht wurde”, und 1546 
sitzt auf diesem Gute „Greger der frey“®”. Daß diese drei Ge- 
nannten „Warnin“ heißen, geht aus einem Schreiben der 
„Freyen von Bammell“ von 1553 hervor, in dem sie den Herzog 
bitten, er möge nicht zulassen, daß sie zum Verkauf ihres Frei- 


gutes gezwungen würden, „...Dieweil vnser Für Elter vnd 
Eltern E. F. G. wol erhalten sein worden““, in einem un- 
datierten Briefe: „...gütter, gelegen zu Bamblen, so vns von 


vnseren lieben vetern angeerbet...“”, aber nach einem an- 
deren undatierten Schriftstück will Andreas von Flans die 
beiden Brüder „Brose vnd greger Warnin...“ zwingen, ihm 
entweder ihr Freigut zu verkaufen oder gegen ein Freigut 
in Schallen einzutauschen“. Möglich ist natürlih, daß auch 
schon die drei „gaudinne || brüder“ zu den Ahnen der Warnin 
gehören. 

Worauf A. von Flans in dem angedeuteten Streit seinen 
Anspruch gründet, ist unklar. Unklar ist aber auch, wie es 
möglich war, daß es in der einen der beiden Abschriften der 


 Handfeste (vom 3. Juni 1525) des Vorgängers unseres Andreas 


von Flans, „Heino doberitzen“”* heißt „...Zwen hofe ]Jm 
Dorff Bamolen, einen freyen schultis || Jm dorff Zw Schal- 


”2 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55, und Ord. Fol. 111, S. 97t. 

3 Gerullis, 1. c., S. 56, und E.M. 18e 3, Nr. 81, Fol. 1. 

# Gerullis, I. c. und Ostpr. Fol. 911a, S. 35”. 

% Siehe unten, S. 16. 

3 Gerullis, 1. c., S. 54, und E.M. 137d B. 

3” Ebenda. 

5 Der Name ist altpreußisch (Gerullis, 1. c, S. 54, Anm. 2) und gehört zu 
„warne“ Krähe, oder „warnis“ Rabe, 

® Ostpr. Fol. 118, S. 229° f. 


11 


“ 


lenn...“, aber in der andern”: „...vnnd einenn freyenn 
Scholts im dorff zu Schkaldenn vnnd Zu Bammellen...“ Jeden- 
falls gelang es A. von Flans zwischen 1557 und 1559, sein Ziel 
zu erreichen. Brose trennte sich 1557 von seinem Bruder Greger 
und vertauschte seinen Anteil an dem Bammelschen Gute mit 
einem Hof in Schallen“. In der Amtsrechnung von 1557 heißt 
es schon: „... Bambeln woneth 1 frey hath 1 dinst...“” Als 
bald darauf Greger starb, erbte Brose mit dem Restgut in 
Bammeln auch den preußischen Reiterdienst. Er vertauschte 
das Restgut gegen weiteres Land in Schallen“. In der Amts- 
rechnung von 1559—60 wird der preußische Reiterdienst be- 
reits unter Schallen angegeben”, wo auch Brose zum ersten 
Male genannt wird*®. 


Erst am 16. Mai 1564 wird ihm für seinen Besitz eine Hand- 
feste ausgestellt“, in der Herzog Albrecht bekanntgibt, daß 
»...wir Vnserm lieben getreuen Brosie warin (!) funff 
Hauben, vnnd Zehen Morgen Zu schallen in vnserm Amptt 
Taplaucken, Welche er Zum theil vonn 
Vnnß, Zum theil auch Von dem Erbaren Vnserm Liebenn 
getreuenn, Andreß Flanßen, Zur Vorgnugunge fur 
seine Hubenn, Zu Bambeln bekommen, Zuuorleihenn vnd 
Zuuorschreiben, gnediglich verheischen Vnd Zugesagtt...“ 
und zwar mit allen 


„...nutzunge ein vnd Zübehörunge, An acker, weißen, weiden 

felden, welden, puschern, Bruchern, streuchern, erblich Zu 

Magdeburgischen Rechtten...“ 
Dafür sollen er, seine beiden Kinder und deren rechte Erben 
mit „...einem tuchtigenn Pferde vnnd Harnisch....“ zu allen 
Kriegszügen und Landwehren, so oft sie gerufen werden, er- 
scheinen, desgleichen sollen sie im Frühling und im Herbst 
die Teiche in dem 11 km Luftlinie südwestlich von Schallen 
gelegenen Potlack in Ordnung bringen”, 


4 Ostpr. Fol. 117, S. 9 ff. 

#4 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55 Anm. 1; E.M. 137d B. 

#2 Gerullis, 1. c., S. 55; Ostpr. Fol. 11 204, S. 18°. 

#8 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55 Anm. 1; E.M. 137d B. 
# Gerullis, 1. c.; Ostpr. Fol. 11.207, S. 18°. 

45 Ebenda, S. 1”. 

# Ostpr. Fol. 356 (Tapiauer Hausbud, Bd. 1), S. 130° £. 
4” Ebenda, S, 132° £. 


12 


un a 
. { 


Brosien hatte also jetzt 89,75 ha und bekam bald darauf 
noch 1,5 Hufen oder 25,2 ha in Schallen dazu, wie aus einer 
Verschreibung des Herzogs vom 21. Dezember 1565 hervor- 
geht”, so daß er in Schallen rund 34 ha mehr hatte als in Bam- 
meln. 

Bemerkenswert ist, daß der Nachname in der ersteren 
Verschreibung dreimal vorkommt und jedesmal „warin“ lau- 
tet, was aber gleichfalls ein baltischer Name wäre (zu Wur- 


zel *var’-: pr.: „wargien“, li.: „värias“, le.: „var$“ = Kupfer). 
Als Brose 1575 gestorben war und es zu einer Erbausein- 
andersetzung zwischen der „...Erbaren vnd thugentsamen 


Magdalenen Ambrosij Warnien Von schallen sehligen Nach- 
gelassene Wiettfrau...“ und ihren Kindern kam, stand die 
Mutter unter der Vormundschaft von „...herr Christoff 
alzunen vnd Pauel Plebe Bürger Meister der Stadt allen- 
burgk...“, die Kinder aber unter der Vormundschaft des 
„... würdigen vnd woll gelarten herren Johannij Bredtkij 
Pfarhersch zu Labijau, vnd Peter Dehnen“. 

Wer waren nun aber die übrigen Bewohner jener Gegend, 
die Bretke sicher ebenfalls kannte und darüber hinaus mit 
vielen. von ihnen lange Jahre hindurch in seiner Jugend wohl 
fast täglich zusammenkam? Die Akten, Briefe, Gesuche, Klagen 
usw. aus jener Zeit und aus jener Gegend geben außer der 
Religionszugehörigkeit immer wieder nur die soziale Stellung 
dieser Menschen an, die ja damals zugleich einen fest um- 
grenzten Kreis von Pflichten und Rechten bedeutete: sie 
sprechen von „preußischen Freien“, „Kölmern“, „Preußen“, 
„Instvolk“ und von „Gesinde“, doch auf die Frage nach der 
Volkszugehörigkeit dieser Menschen im heutigen Sinne des 
Wortes und nach ihrer Muttersprache hören wir so gut wie 
keine Antwort, denn diese Fragen interessierten den damali- 
gen Menschen fast gar nicht. Erst im Zusammenhang mit der 
Forderung Luthers, das Wort Gottes in der Muttersprache zu 
verkünden, begann sich wenigstens ein Interesse für die Mut- 
tersprache anzubahnen. Mit Recht wird man in der Fachlitera- 
tur gewarnt, das Wort „Preuße“ in den Quellen lediglich als 
Bezeichnung einer Volkszugehörigkeit zu verstehen, die es zu 
Beginn der Ordenszeit war, doch wurden den Volkspreußen 
eben schon damals viele Rechte genommen und Pflichten auf- 


15 


erlegt, die die „Kölmer“ hatten bzw. nicht zu erfüllen brauch- 
ten, so daß die Bezeichnung auch eine juristische Bedeutung 
gewann, die sie später ausschließlich hatte, so daß auch Volks- 
preußen „Kölmer“ sein konnten, und umgekehrt’”. 


Da, wie gesagt, in den Quellen eine direkte Angabe der 
Volkszugehörigkeit und der Muttersprache der genannten 
Menschen fehlt, die wenigen vorhandenen Andeutungen aber zu 
selten und zu allgemein gehalten sind, soll im Folgenden ver- 
sucht werden, mit aller Vorsicht aus den Personennamen der 
Bekannten Bretkes auf ihre Volkszugehörigkeit zu schließen 
und zugleich die Frage zu untersuchen, wie weit damals das 
Wort „Preuße“ und „Kölmer“ noch neben der juristischen Be- 
deutung zugleich die einer bestimmten Volkszugehörigkeit 
hatte. Im Folgenden die Namen der Kirchensteuerzahler aus 
zehn Dörfern der nächsten Umgebung Bretkes, wie sie in der 
schon genannten Kirchenrechnung von Auglitten aus den Jah- 
ren 1545—47 angegeben sind: 


Kölmische Dörfer: 

Auglitten (12 Personen): 6 Namen sind deutsch („Andres Flanße“, 
„Hans kruger““, „Hans schmit““, „Kater“, „Der moller“ (2), „Der alde 
Kruger“), 1 Name ist preußisch („Jacob gauden[n]e“) 5 Namen sind zweifel- 
haft (‚„Salomon“, „Cleosaj“ (1546: „Cleofas“), „Andres“, „vrban“, „Silke“st, 
wobei letzterer Name deutsch und litauisch sein könnte)#. 

Kommerau (10 Personen): 5 deutsch („Thiues hun“, „Cristoff stuck“, 
„Hans meißner“, „Hans waltheuer“ (1546: „Hans Walt“)®, „Urban wal- 
theuer“), 5 zweifelhaft („josepff suncke“, „Stenczel“, „Pater“, „Ein par inß- 
falck“). 


»»7.B. wird am 10. Jan. 1584 im „Abscheid aller Balgischen Kirchen...“ 
gesagt: „Preußen zue j Colmers gemacht“ (Manuskr. „S 30“ der Königs- 
berger Stadtbibliothek, S. 92). 

#3 Wenn es sich hier auch sicherlich um Vornamen und Berufsbezeichnungen 
handelt, die über die Volkszugehörigkeit direkt nichts aussagen, so pfleg- 
ten aber doch Mühlen, Schmieden und besonders Krüge nur an Deutsche 
verliehen zu werden. 

# Wohl Spottname. 

5 Trautmann, Personennamen, S. 29 u. 137. 

51 Lit.: silike = Hering, preuß.: „Sylecke“ (Trautmann, Sprachdenkmäler, 
S. 90 u. 426) oder deutsch: „Sielke“. 

5 Falls es sich bei „waltheuer“ um eine Berufsbezeichnung handeln sollte, 
würde die gleiche Person sicherlich nicht auch „Walt“ genannt. 


14 


ee 


Herrendorf (4 Personen): 4 Namen sind deutsch®® („Cristoff lemcke“, 
„Thomas lemcke“, „Marcus kirsten“, „Thiues“ (1546: „Thiues Blancke“). 

Hohenfeld (11 Personen): 7 Namen sind deutsch („Hans kiper“, 
„Lucaß ertman“, „Hans großuater“, „Lurentz kiper“, „Thomaß mergen- 
bergk“, „Jacub meyer“, „Ludewick“), 4 Personen sind preußisch („Eynhart 
trumpe“%, „Linhart trumpe“, „Clement trumpe“, „Hans jonelle“®). 

Schönwalde (13 Personen): 13 Namen sind deutsch („Merten pul- 
ma[n]“, „Greger pulma[n]“, „Der iuln]ge hun“, „Der alte Hun“, „Greger 
scholcz“, „Simon scholez“, „Der Kruger“ (1547: „Peter Ranefurer“, „Jorge 
Ranefurer“, „Andres muldenhewer“, „Hans tausentfreude“, „Jorge tausent- 
freude“, „Kirsten Roßaw“, „Peter newman“), 

Schönbaum (14 Personen): 9 deutsche Namen („Peter bremer“, 
„Albrecht Riquart“, „Michel Grunewalt“, „Peter Clinckenbein“, „Hans Dit- 
ner“, „Hancz scholez“, „Cender scholcz“, „Macz scholcz“, „Alex scholcz“), 
1 Name ist preußisch („Ambrosien prebot“®), 4 zweifelhaft („Adam“, „Jorge 
Rußke“, „Jorge tobie“, „Lucas“). 


Preußische Dörfer: 

Angarben (8 Pers.): 4 Namen sind preußisch („Barnate“, „Beneditte 
bunße“s, „Jorgelle“®, „Brosien manten“®), 4 sind zweifelhaft („Beneditte 
stecke“, „Bartholomeus fischer“, „Jacub“, „Clein Greger“). 

Kipitten (11 Personen); 3 Namen sind deutsch („Vrban Lepert“, 
„Bartholome[us] schadewinckel“, „Cleme[n]t wener“), 5 preußisch („Paul 
Gamptine“e, „Hans Gressigk“® (1547: „Hans gresien“), „Cristoffel Gressigt“ 
(1547: „Hans gressig“), „Hans suge“®), 3 sind fraglich („Lucas Dottor“®, 
„Ihomas polen“®, „frantze“). 


53 Bzw. wie der ursprüngliche slavische Name „lemcke“ längst germanisiert, 
so daß ihr Träger als Deutscher anzüsprechen ist. 

s%* Trautmann, P.N,, S. 108 u. 160 (litauischer P.N.: Trumpa). 

55 Deminut. von „Jone“, siehe Gerullis, O.N., S. 51, zu „Jonekaym“, zur 
Endung -el-e siehe Trautmann, P.N., S. 174f. u. 190 (litauischer P.N.: 
„Jonelis“). ö 

5 Siehe Trautmann, P.N., S. 79, zu „Preybuth“. 

#" Bern — belegt in pr.: „Bernelle“, Trautmann, P.N., S. 190; zum Wechsel 
-a -e siehe Trautmann, Sprachdenkm,, S. 104; zur Endung -at -e: Traut- 
mann, P.N., S. 183 u. 190, oder vgl. lit. „Bernotas“ aus Bernhard. 

5 Trautmann, P.N,., S. 21. 

®T.c,S. 41, zu „Jurge“. 

© Trautmann, P.N., S. 144, zu „Mant-“. 

% Der Name ist irgendwie verschrieben, aber zweifellos preufisch. 

#2 Gras — gres — belegt in „Grasicke“ usw. und „Grezym“ (Trautmann, 
P.N,., S. 36). 

% Siehe Gerullis, O.N., S. 176, zu „Sugenyn“ u. „Suggelaw“. 

% „Doctor“? 

% Deutsch? (Trautmann, P.N., S. 78, zu „Polan“: „ist häufiger Zuname auch 
von Deutschen“). 


15 


Schöntritten (8 Personen): 6 Namen sind preußisch („Merten 
pucke““, „Thiues pucke“, „Jorge pucke“, „Brosien kalicke“, „Greger kalicke“, 
„Lurencz kalicke), 2 Personen nicht genannt (1 Pfarrer, 1 Schulmeister). 


Bammeln (4 Personen): „Ein preusch freyer“ (1546 f.: „Greger der 
frey“) mit Zunamen „Warnin“, wie aus anderen Quellen hervorgeht®, 3 un- 
bestimmt („blasien fischer“, „Caspar fustigk“®, ein Hirte). 

In diesen kölmischen Dörfern haben also von 64 genannten 
Personen 44 einen deutschen (68,75 %), 6 einen preußischen 
(9,375 %) Namen, dagegen sind 14 Namen nicht bestimmbar 
(21,875 %), von denen einer (1,6%) vielleicht ein litauischer 
Name ist. 

In den preußischen Dörfern haben von 31 Personen 3 einen 
deutschen (9,7 %), 16 einen preußischen Namen (51,6%), da- 
gegen sind 12 unbestimmt (38,7 %). 

Durchmustert man die hier bei den kölmischen Dörfern 
als zweifelhaft angegebenen Namen, so wird bei den meisten 
sehr wahrscheinlich, daß es sich gleichfalls um deutsche Namen 
handeln wird, desgleichen sind die meisten der bei den preu- 
Rischen Dörfern als unbestimmt angegebenen Namen sicherlich 
preußisch. In dieser Gegend ist zu dieser Zeit also eine als 
„preußisch“ bezeichnete Person mit hoher Wahrscheinlichkeit 
tatsächlich ein Volkspreuße, wenn auch Ausnahmen sicher be- 
reits häufiger vorkamen, wie z. B. die Namen „Lepert“, 
„schadewinckel“ und „wener“ in Kipitten nahe legen. Die Tat- 
sache, daß die meisten der als Preußen angegebenen Personen 
tatsächlich Volkspreußen sind, ist ja auch nicht verwunderlich, 
denn bereits 140 Jahre früher (1406, 1417 und 1427) wurde 
gesetzlich bestimmt, daß kein Preuße in Städten oder Dörfern 
wohnen, dienen oder Bier schenken solle, noch dürfe man ihm 
ein „Erbe“ (Bauernanwesen) zu deutschem (d. h. kölmischem, 
magdeburgischem) Rechte verkaufen”; diese Bestimmung 
dürfte den Verschmelzungsprozeß zwischen den Volkspreußen, 
die nicht vorher, als „freie Preußen“ anerkannt, mit Land zu 
kölmischem Recht belehnt oder in den deutschen Adelsstand 


os Vjelleicht zu „Pockel“ (Trautmann, P.N.,.S. 78). 

# L.c., S. 48 „Colicke“, 

#8 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54, und oben, S. 11, sowie S. 13. 
® Wohl Spottname „Faustdick“ (Gerullis, Stud. Balt. V, S. 54). 
7° Mortensen, I, S. 100. 


16 


mW Im 


aufgenommen worden waren, und den Deutschen sehr er- 


schwert haben. 


In den kölmischen Dörfern leben sechs Familien mit preu- 
Rischem Namen zu gleichen Rechten und Pflichten mit den 
Deutschen als „Kölmer“. Möglicherweise ist, wie gesagt, ein 
litauischer Name darunter, was nicht weiter erstaunlich wäre, 
wenn man sich vergegenwärtigt, daß bereits seit dem Ende des 
13. Jahrhunderts einzelne Litauer in Preußen angesiedelt wur- 
den, und zwar mit Vorliebe im Innern des Landes, so z. B. 
westlich von Labiau in Pronitten (Karge, S. 67), wo Karge 
geradezu eine Litauerkolonie findet (l. c.), weiter 1372 in Schor- 
schehnen und Rogehnen (Samland), 1389 in Lipsaden (Pr. Hol- 
land), 1413 Biothen (rund 14 km nordwestlich von Tapiau) 
usw. (Karge, 1. c. 67 ff.), ja, der Komtur von Balga siedelte bis 
1382 in seinem Gebiete Litauer an und gab dafür 4000 alte 
preußische Mark aus, was zur damaligen Zeit eine sehr große 
Summe war, die „zweifellos darauf hinweist, daß es sich hier 
um eine große Zahl von Kolonisten gehandelt haben muß“ 
(Karge, 1. c., S. 69, und Ziesemer, Ämterbuc, 5. 150, 23). 


Wie aber die Personennamen in einem Gebiete aussahen, 
dessen Dörfer zu einem großen Teile aus Siedlungen bestan- 
den, die ganz oder fast ganz mit Litauern besetzt waren, zeigt 
ein Verzeichnis der „...vnderthanen aüssem Georgenbürgi- 
schen...“, die „...dem Hertzo- || gen tzü preüßen tzü Welaü 
in || der Kirchen gehüldet vnnd || geschworen den letztenn Ja- | 
nüary Anno 1570“, also derjenigen Personen, die zu einem 
großen Teile Pfarrkinder Johannes Bielauks waren. Da heißt 
es z.B.: 

»...Daß Dorf Pleinlaucken (!) | Mattheas Henskensans I Vrbschus 
Jurggelaitsche, I Matzullus Mickkaits, I Lorentzuschs Syell, H Merttin 
Plickkaits Hens- |] kesan 
Das dorf Gillischke || Jursge Stappannait I Nyt Peterraits, | Sten 
Puts Massuthaittis I Clements Nocklis Jacobbaits ll Pallollus Simo- 
naits...“7® usw. usw. 
Was jedoch in diesem Gebiete vor noch gar nicht zu langer Zeit 
geschehen ist, zeigen mehrere Siedlungen, deren Bewohner 
damals fast ausschließlich litauische Namen trugen, während 
die Siedlung selbst noch mit einem preußischen Ortsnamen 


% Ostpr. Fol. 513U, Seite 268r. 


2 Falkenhahn, Bretke 17 


bezeichnet wurde, wie u. a. unser „Pleinlaucken“. Doch kehren 
wir zu der Betrachtung der Gegend von Bammeln zurück. 
Der in dem kölmischen Auglitten genannte „Jocub gau- 
den[n]e“ ist doch wohl ein Nachfahre jenes preußischen Freien 
„gaudinne“, der schon 1405 in „Annegow“ (heute Angarben”) 
rund 2 km nordwestlich von Auglitten, 2,5 km nordöstlich von 
Bammeln saß, wodurch gezeigt würde, wie lange die Familie 
bereits frei und in diesen Dörfern ansässig ist. Den Brüdern 


dieses „gaudinne“ von 1405, „...Nicklas Micheln vnnd 
Matte...“, sowie „...jrenn rechten erben vnnd nachkom- 
lingenn...“ hat der Orden 1415, wie wir schon sahen, jenes 


Freigut in Bammeln verschrieben, auf dem wir ein Jahrhundert 
später das Geschlecht der Warnin fanden (oben S. 10). Falls 
jene Brüder des „gaudinne“ von 1405 in „Annegow“ wirklich 
die Ahnen der Warnin sein sollten, würde Bretke ein Ver- 
wandter unseres „Jocub gauden[|n]e“ in Auglitten sein. 

Ein Blick auf die Karte (S. 7) zeigt, daß Bammeln in einem 
Streifen von Dörfern lag, die in den Akten aus der Zeit Bret- 
kes als „preusch“ bezeichnet werden, er also damals in einer 
fast rein preußischen Umgebung gelebt zu haben scheint, wenn 
nur die Liste der Kirchensteuerzahler berücksichtigt wird. 
Noch ganz abgesehen davon, daß in den Verzeichnissen dieser 
Art nur das Familienhaupt angegeben wurde, nicht aber die 
mehr oder minder zahlreiche Familie, wurden Personen, die 
zum Gesinde gehörten, nicht verzeichnet, wie der in jedem 
Dorfe ziemlich gleichmäßig hohe Steuersatz zeigt. Daß selbst 
die preußischen Bauern Gesinde hielten, wird wiederholt 
gesagt, wenn auch wohl sicher zufälligerweise für diese Gegend 
die Zeugnisse etwas jünger sind. So klagen die „Einwohner 
des dorffs || Plauen vndt Potmitten (!)“” 1585 über schwere 
Scharwerk bei Bastian Flans, sie müßten 


„»... alle wege zu 
zweien auß dem hausse...“ 
um das Scharwerk zu verrichten. 
»... Nemlich Man vnnd 
weib den kein gesinde könne[n] wir vnther 
Jme nicht haben wegen der Jagt vnd scharwerg...“ 


74 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 55 Anm. 3; Barkowski, Besiedlung, S. 178. 
2 E.M. 137 d; präs. 10. 11. 1585, 


18 


„... Arme vnterthanen vnd freyen des 
Dorffs Moterauen, Lischkauen vnd Keileben....“ 
"za dem Herzog 1591 
.„.auß Hochdringender nott. 

Das; sie immer mehr mit Scharwrerk belastet würden, und sagen, 

„...wen wir sonsten vnser gesinde Zum scharwercke 

schicken, so werden sie ohn vrsache vom Kemmerer 

dem steffen vberfallen, vnd dermaßen geschlagen, 

d[aß] sie in etlichen wochen Keine handt regen Konne[n] 

Der halben konne[n] wir kein gesinde bekommel[n], vnd 

Dlaß] selbige d[aß] wir Haben, Konne[n] wir mit gewalt 

nicht Zum scharwercke bringen ...“7 
Dieses Gesinde, das sogar von Preußen gehalten wurde, sicher 
aber in noch größerer Zahl von Kölmern und den adligen 
Junkern, wurde, wie gesagt, von keiner Liste erfaßt, sondern 
tritt uns in den Quellen immer nur als „das Gesinde“ oder als 
„ein Knecht“, „eine Magd“ entgegen. Die Fälle, wo ihr Name 
genannt wird, sind sehr selten. So schreibt der Hauptmann 
von Angerburg, Nikel von Sperwein, am 18. Mai 1569 an den 
Bürgermeister und den Rat von Friedland, 

„...Daß meines vorwalthennden Ambs Vnderthanen einen, 

Zwene Meyde vngefehr Zwene oder Drey Wohlen]|n, 

Nah Ostern, Außem Dinnste endtgang[en]n, Mith Namen, 

Griette vnd Ewa...“ 
und da sie in Friedland in Dienst gegangen sein sollen, bittet 
er, sie zu verhaften und zurückzuschicken”. In einem Gerichts- 
protokoll vom 4. August 1608” wird von „...Ortusche Hans 
Willmans Magtt...“ gesprochen. In einem Schreiben eines 
L. Rauters und Marens Dääse (?), offenbar zu Branden- 
burg (Pr) am 16. Januar 1591 an den Mühlmeister zu Friedland 
wird eine Magt „orte“ genannt, die 
„...bei dem 
Flanse (nahe bei Friedlandt) etliche Jahr, wie sie dan 
sein vnderthan, diennen mußen, sollichen 


dienst sie nicht lenger ausstehen kon- 
nnen... 


” E.M. 137 d; kein genaueres Datum. 
”4 Depositen Friedland, Paket (rot) 22. 
5 Depos. Friedland, Paket (rot) 26, S. 9”. 


2%* 


„19 


sie wäre 
„...daruon gegangen 
Zu Jrem Vater, Alß Peter witten”®, 
Zu angarben kommen ...“”, 


„Ortusche“ ist nun aber zweifellos eine Litauerin, höchst- 
wahrscheinlich auch „Griette“, „orte“ ist dagegen die Tochter 
eines Preußen. Das Gesinde bestand also sicher zu einem Teile 
aus den Kindern der Preußen, doch da diese selbst Gesinde 
hielten, muß kein geringer Teil von anderswo gekommen sein. 
Schon diese wenigen Beispiele lassen vermuten, daß es Litauer 
und Litauerinnen sein könnten, die aus dem rund 25—30 km 
nach Norden und Nordosten beginnenden litauischen Sied- 
lungsgebiet kamen, in dem von den Pfarrern damals bereits 
litauische Gottesdienste gehalten werden mußten. 

Daß es ein Pfarrer dieser Gegend mit Preußen und Litauern 
zu tun hatte, beweist auch ein Briefrest eines „Barthololus] (!) 
milnilster eccl[es]ie || in plarJua Schonaw“, den er sicherlich 
doch genau wie das vollständig erhaltene Schreiben von seiner 
Hand dem 

„Graclilosissimo d[omi]no Paulo 
Spe[r]ato” grlacila[m] (!) dei Epl[iscop]o suo 
Reu[er]endissimo“ 
schrieb”. In diesem Briefrest heißt es: 
„Et qluia] prutenice [et] litwanice loqui culm] hom/in]ib[us] 
vbi nu[n]c habito non valeo / mallem versari 
inter almanos (!) [et] polonos / plures tulm] almanos 
qluam] polonos Quia licet polonice loqui possum 
[et] intellig[er]e / et modicalm] p[o]p[ullo exortatio[nem] facere 
non tulm] longu[lm] edere [ser|mone[m]‘”®, 


7° Der Name ist preußisch, s. Trautmann, P.N., S. 120, und zum Suffix -en- 
S. 167. 

”" Depos. Friedland, Paket (rot) 33. 

7 D. Paul Speratus aus Schwaben, zunächst Pfarrer in Iglau, Mähren; von 
?—1530 Pfarrer an der Altstädtischen und danach an der Schlofkirche in 
Königsberg; von 1530 bis zu seinem Tode 1554 Bischof von Pomesanien 
(Arnoldt, Nachr. I, S. 3£.). 

” Beide Dokumente: E.M. 137d San-Schö, Aktenheft: „Pfarrer zu Klein 
Schönau und Groß Engelau 1533.“ 

» In Kl. Schönau wohnten nach der „Rechnung des Ambtts Tapiau...“ von 
Michaelis 1535 bis Michaelis 1536 (Ostpr. Fol. 10 772, Seite 19r f.) 9 Steuer 
zahlende Bürger: „Lobell“, „Stormer“, „Brosie wilm“, „Simon witte“, 
„Jorg Doring“, „Blasie“ (Vorgänger: „peter ll hoppe“), „Steffan Elerr“, 
„haymang“ (an anderer Stelle: „hainmang“), „Backhawsische“. 


20 


ri Bi A 


u 


In dem zweiten Schreiben vom 11. November 1533 heißt es: 
„Obedientialm] [et] subiect[ionem] in d[omi]no Graclilosissime 
plate]rnitati v[est]re opto 
grjatilas im[mJortales p[ro] beniuolencia [et] p[ro]uisione 
illa S[ed] certis ex caüsis 
[con]iu[n]x mea nüllo modo nulloq[ue] pacto sequi velit 
v[er]s[us] Ma[r]iewerd[er] 
et eade causa suppelectilem dom/[us] [et] pl[e]cora dissipare 
vel ve[n]dere 
S[ed] ut ialm] pridem dixi / si in via (?) glene]rosissime 
platernitas] v[estra]| nu[n]c pler]git 
se offerret aliqua plar]ua ciuitas / non adeo longe posita / que 
opus habje]ret pastore / [et] homi[n]es illi me [et] mea hine 
tollere velint 
p[ro]Jeul dubio fac[erjem [et] sub manü gl[en]erosissime 
platernitatils v[estrae] vellem esse libent[er] 
qluia] cognoüi erga me cor bon[um] S[emjpler]...“ 


Folgt Schlußformel. 


Es gab also gar nicht zu weit ab schon Städte, wohin der 
Hausrat und das Vieh geschafft werden konnten, die nach 
dem Herzen unseres Herrn Bartholomeus waren, wo er nur 
deutsch zu sprechen brauchte, d. h., in deren Umgebung keine 
„undeutsche“ Bevölkerung lebte oder diese bereits so weit 
germanisiert war, daß sie ihn verstand, wenn er deutsch 
sprach. Andererseits’ zeigen diese Schreiben deutlich, daß dies 
in der Umgebung von Schönau und Engelau nicht der Fall 
war. Daß es in der Umgebung von Bammeln, das nur 5 km 
südöstlich von Kl. Schönau liegt, nicht anders aussah, liegt auf 
der Hand, wird aber zum Überfluß noch dadurch bestätigt, 
daß damals in Friedland in der Kirche ein Tolke gehalten 
werden mußte”. 

Wie gesagt, die Akten zeigen in der dortigen Gegend so 
wenig litauische Namen — im Kirchspiel Auglitten unter 70 
bestimmbaren Namen vielleicht nur einen —, daß die Zahl der 
ansässigen Litauer unter der Masse der Deutschen und Preußen 
verschwindend gering gewesen sein muß. Es kann sich also nur 
um Menschen gehandelt haben, die von den Akten nicht erfaßt 
wurden, und das ist eben das Gesinde. Wie es selbst rund 50 
Jahre später noch in der Gegend von Mohrungen in sprach- 


® Tolkenrechnung 1538—1541: Ostpr. Fol. 1274, S. 281”. 


21 


licher Hinsicht mit dem Gesinde bestellt war, zeigt jene Notiz 
im Fürstlich-Dohnaschen Hausarciy aus der Zeit von 1620, in 
der der preußische Burggraf Christoph zu Dohna (geb. 1583) 
mitteilt, daß die Hausfrauen zur Zeit seiner Kindheit wegen 
des Gesindes drei Sprachen verstehen mußten: deutsch, pol- 
nisch, preußisch“. Zweifellos hatte man es in der Umgebung 
Bretkes mit einem recht großen Prozentsatz litauischen Ge- 
sindes zu tun, der weder preußisch noch deutsch sprach. 


Über die Leute selbst, die Bretke ständig in seiner Um- 
gebung sah, über ihr Leben und ihre Stellung geben wenige 
Dokumente dürftige Auskunft. 


In Zusammenhang mit einer Klage der „...paurn Zw || 
Annegawenn...“®, 3 km nordöstlich von Bammeln, über An- 
dreas Flans, der ihnen allzugroßes Scharwerk auferlegt hatte®, 
heißt es in einem Schreiben vom 9. Oktober 1551 aus Taplacken, 
das den Inhalt der den Bauern verlesenen Antwort des Her- 
zogs wiedergibt: Der Herzog hätte erfahren, 


»...das sie nit alleine, 

geglen] Jr[en] Junckern, Sondern auch geg[en] d[en] pfarhern 
als Jr[en] selsorg[er] sich gantz vnbillichs vnchristlich ertzeig[en] 
Den sie eines teils es solle sich Zugetrag[en] hab[en], 

das etliche von Jrn weibern beZichtiget wurd[en] 

Als solt[en] sie mit teuffels Kunsten vmbgehlen]. 

Darumb dan eyne, vnd durch das feur Jre 

straffe erlitten] Nu solle der pfarher solch 

laster gestraft hab[en], do soll[fen] die Kinder offent- 

lich In dfer] Kirch[en] sich vnZuchtig vnd seuisch 

gehalten, Auch furtze wischen lassen 

dorff[en], so sie nu solchs that[en] an denen and[ern] 

do die laster gestraffet wurd[en] vnd gottis wort 

gehandelt wurde, thet[en], were leichtlich Zuer- 

acht[en], was sich sonst vor Zucht vnd erbarkeit 

Jn Jnen Zu uorseh[en] 

Jt[fem] wan man das gebot vnd Sacrament handelt 

do soll[en] die meydens Jn der Kirche sitz[en] vnd 

eynal[n] der die Zopffe flecht[en] 

Jt[em] als der pfarh[err] die ober Zelte laster ge- 


si Nach einer Mitteilung des Herrn Dr. Krollmann (Königsberg) an Prof. 
Dr. Gerullis. Siehe Gerullis, Streitbergfestschrift, „Zur Beurteilung des 
Altpreußischen Enchiridions“, S. 100. 

8 Heute Angarben, siehe oben, S. 18. 

8 H.M. 137 c—d Bött. 


22 


straft, so sollfen] Sie Zu hohn vnd spot des 
Pfarhers vihe die oren abgeschnitt[en], vnd 
dasselbe beZeubert hab[en] ...“ 


Sie sollten in Zukunft dergleichen nicht mehr tun, da der Her- 
zog strafend einschreiten würde. 


In der Klageschrift der „... Einwohner des Dorffes || Anne- 
gawenn...“ an den Herzog von Ende September oder Anfang 
Oktober über Andreas Flans hören wir diese Menschen selber 
sprechen“: 

...so Zwingst (!) er vnß, wir mussen vnsere 
Kinder Zu im in den Hoff schickenn, das sie im mussenn in 
der scheunenn stehenn vnd dreschenn. welchs wir bei vnsernn 
vorigenn Junckernn nicht thuenn dorfftenn, vnnd wenn er 
sie in seyner arbeit nicht mehr bedarff, so schickt er sie seine[n] 
schwegernn tzw vnd lest da arbeitenn, auff das wir armenn 
mit vnser arbeit verhindert werdenn, So hot vnser nach 
2 paur einer gesprochenn, Guttiger Juncker, ich kan meyne 
Kinder nicht entperen den ich selbst kann, mit solchen arbeit 
nicht vmgehenn, ich bin alt vnd schwach, Do hot er den selbi 
genn mann so yemmerlich tzerschlagen mit dem schwein spiefß 
das er denn eynenn arm nicht rurenn Kann...“ 
„»...So habenn wir mussenn vnser getreyde dem Junckern 
leyhenn vnd wen wir ym drumb ansprechenn das ers vnf 
wider gebenn sol, so wil er vnß schlaenn vnnd türmenn 
So mussenn wir armenn lewthe, auß nach andernn 
Kornn, vnnd mussenn also des vnsernn entperenn 
auff Das wir vnß enzazann vnd enthaltenn Kon 
nenn 
Jtem so Hot er tzwei pawrenn vonn Bamlenn weg geiaget, 
so schwingt (!) er, vnß nuhe, das wir instadt der tzweier 
menner mussenn schwarwerckenn, welchs wir auch nicht 
schuldig tzu thun sein, vnd treibt vns vber die massen 
so sehr, das wirs auch nicht meher tragenn konnenn 
Derhalbenn bittenn wir armenn vnthertenigenn, vmb 
gottes willenn, E.F.D. woltenn doch ein mitler 
Dartzwischenn sein, auff das vnR eine solche schwere bürd 
vnnd last mochtenn vberhobenn sein, Wo aber ehrs 
sie vns nicht hindernn wil, vnd noch mit vnß 
Handelt wie er vor gethann Hott, So wollen wir 
Hauß vnnd Hoff vbergebenn, vnnd vnß vnther 
E.F.D.(!) Auff das wir einer solchenn schweren last 
mochte geringert werdenn Den wir woll[en] ym von 
Hertzenn gerne, vntherthan seyn wie es denn billich 


% E.M. 137 c—d Bött. 


23 


vnd recht ist, wenn wir nurt (!) mochtenn bey vnsernn 

altenn rechtenn bleybenn, vnd wie wir bey vnsernn 

vorigenn Junckernn gethann habenn 

Jt[em] So hot er vnß gebotenn wir soltenn im uiel yagen 

vnd sonst ander scharwerck thun welche wir nicht schul 

dig tzuthun sein, Dartzu mussenn wir im die Hund helfen] 

auffer Zihenn, vnnd wen etwa eynn Hundt wegko[mmt] 

so wil ehr vnß schlechts stockenn vnd tormenn...“ 

In dieser Art geht es in dem genannten Schreiben noch 

zwei Seiten weiter. Zum Schluß heißt es: 


»... Vnnd die weil vnser Kinder sehenn wie er mit vnß handelt 
so grawet ynn, vnd habenn sorge es mocht im (!) auch also 
ergehenn, so werdenn sie vnß widerspennig, vnd entlauf- 

fenn vnß, so mussenn wir die lande auff vnd nider 

reitenn, vnnd sie suchenn, damit wir dann vmb alle 

das vnser mit der tzeit komenn...“ 


Gelegentlich verließ ein Bauer bei Nacht und Nebel mit 
seinem ganzen Anhange den Hof und begab sich irgendwo 
anders wieder in Dienst. Bei dem herrschenden Mangel an 
Arbeitskräften bedeutete dies für den Junker einen erheb- 
lichen Verlust. Die Akten sind voll von Beispielen hierfür, 
doch seien hier keine mitgeteilt, da bereits genügend bekannt 
sind. Erinnert sei nur, daß schon 1435 in den Ständeakten® 
gesagt wurde, daß die Schulzen sich fleißig zu bemühen hätten, 
„ungewiße gebur“, die „entrennen“ wollen, daran zu hindern 
und sie gegebenenfalls zurückzubringen. Die Schulzen sollten 
den Zins solange für die wüst gewordenen Hufen zahlen, bis 
sie die vorigen Bauern zurückgebracht oder die Hufen mit 
anderen Bauern besetzt hätten. Daß auch gelegentlich deutsche 
Bauern entliefen, ist ebenfalls belegt“. 

Was Andreas Flans auf die Klage seiner Bauern in Angar- 
ben zu sagen hatte, wissen wir nicht, denn der Herzog hat 
»...des flans[en] bericht munt- || lich[en] angehort...“ wie es 
in dem Antwortschreiben des Herzogs auf die Klage der 
Bauern an Flans vom 9. Oktober 1551 heißt”. Doch wie Flans 
diese „Preußen“ bewertete und mit ihm die damalige Zeit 
zeigt sich in einem Brief dieses Flans vom 26. November 1555 


85 Siehe Mortensen, I, S. 158. 


8 Fbenda, Anm. 601. 
8 E,M. 137 c—d, Bött. 


24 


an den Herzog, nachdem dieser ihn aufgefordert hatte, sich 
wegen des zu hohen Scharwerks zu rechtfertigen, um desset- 


willen ihn seine „... Preußischenn leute...“ in den „... Dörf- 
fern Plauen vnnd Dedmittenn....“ verklagt hatten: Jene Leute 
wären „...allein || Die Jenigenn gewesenn, Die sich freuelich 


vnnd wy- || dersetzig ertzeigett, Do sie doch als Preusische 
leuthe || solten, vnnd weniger || vrsach hettenn Zu klagenn, 
Dann andere, Worauß || Dann Ir fursetzlicher freuell vnnd 
vngehorsam || mehr dann genugsam erscheinett...“ Er hätte 
sie nicht über Gebühr belastet, und er schadete ja nur sich und 
seinen Kindern, wenn er diese Leute zugrunde richtete. 


Es sei erlaubt, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß es 
sich bei diesem für unsere heutigen Begriffe und unser heu- 
tiges Empfinden unglaublichen Verhältnis zwischen dem Herrn 

“und seinen Bauern nicht um einen nationalen Gegensatz oder 

um eine nationale Unterdrückung handelte, wie es von 
„Historikern“ ohne historische Schulung oder ohne Willen zur 
Wahrhaftigkeit behauptet wird, sondern um einen ganz an- 
deren Begriff von Standesunterscieden, als wir ihn kennen. 
Diesen völlig andersartigen Standesbegriff und die daraus ent- 
stehende Hörigkeit finden wir im 16. Jahrhundert nicht nur 
in Preußen, sondern mutatis mutandis in allen Ländern 
Europas, wofür die Literatur jener Zeit wohl die beredtesten 
Zeugnisse liefert! Für Polen sei nur an die ergreifende Schil- 
derung der „Zehcy“ („die Schnitterinnen“) von Szymonowicz 
(1558— 1629) erinnert. 


Die Haltung, die der Herzog in der Sache zwischen den 
„Preußen“ von Angarben und ihrem Junker einnahm, wie sie 
aus den beiden schon genannten Schreiben an Flans und an die 
Leute von Angarben zu ersehen ist, zeigt, wie er selbst diesen 
‘ seinen doch meist „undeutschen“ Untertanen von niedrigstem 
Stande gegenüber eingestellt war. 


In dem Schreiben vom 9. Oktober 1551 läßt der Herzog 
Flans mitteilen, er hätte nach dem, was bereits früher vor- 
gefallen wäre, und nach der Unterredung, die der Herzog mit 
ihm hatte, erwartet, er, Flans, würde sich dieses 

»...Wwol Zu gemute gefuret, 
vor augl[en] gehalt[en], bedacht, vnd sich darauff 
gegen den leut[en] der massen er Zeigt haben, das es diser 


25 


Itzigen weiterunge nit bedorffte, Sonderlichfen] 

das er die leute, wie mensch[en] vnd nicht wie vihe 

Hielte, wollen Jme nochmals beuol[en] hab[en], er wolte 

sich der massen vnd nit anderst geg[en] Jne[n] behalten], 

Dan ob wol s f. Dt gewislich mit der von Adel 

armen leut[en] nit gern vil Zuthun, So Must[en] doch 

Ire f. dht auff der beschwert[en] clage aus furstlich[en] 

trage[n] dfem] Ampt billich einseh[en] pfleg[en], weil nu 

s fg gemelt aus Jtzig[en] der armen leute 

clage, vnd sein[en] geg[en] bericht befinde, das er mit den 

leuten nit billich handlete, vnd ob wol 

nicht one sein, das sich Zuweilen die 

leute geglen] Jme vorseh[en] mocht[en], So wolten doch 

s.£. g nochmals wie ob[en] beuo[en] hab[en], das ers also machen 

wolle, damit die leute gerne vnt[er| Jme wonet[en], 

vorne[mJlich[en] aber wer nit Jr (?) adelich das er die 
(Seite 1”) 

arme|n] leute der maß[en] mit schleg[en] beschwer[en] 

wie s.f.g dan gestrigs tags selbst etzliche 

leute die er Je[m]merlich Zerschlag[en], gesehen, 

Desselb[en] wolte er hinfuro vor sfg 

vngnade vormeyd[en], hette er aber gute 

fugliche vrsache die leute Zustraff[en] 

khonde er vnd gebitte Sich auch solchs 

durch andere verordente mittel Zuthun, 

Sf g wolt[en] demnoch beuol[en] hab[en], das er 

den armen man dene[n] er so Je[mjerlich 

geschlag[en] mit ethwas Jnfride stelle vnd stille 

Darob er seins schmertzens Zuuorgessen, vnd 

durch flans[en] selbst bose nachrede vor 

hutet werden moge Vnd nachdem dan 

sie sich auch vorne[m]blich, das er ]nen 

Jre kind[er] nehme, Sie auch nit allein vor 

sich brauchte, Sondern auch sein[en] schwegern 

Zu dynen Zwinge beschweren. Jn dem sol er den vnder- 

scheidt halt[en] damit die leute vber geburenden 

landbrauch nit beschweret, oder aber Jnen Jre 

Kinder vber Jren will[en] nit genomen wurdlen] ...“ 

In der Antwort des Herzogs an die preufischen Bauern 
selbst, deren Einleitung schon S. 22f. mitgeteilt wurde, heißt es 
zu diesem Punkte: 

»...wo dan auch ethlihe von Jnen vbrige 
Kind[er] hett[en]. vnd die Zubetreib[en] der erbe 
nit bedorfft[en], halt[en] S.f.g. nit vor vnbillich 
das sie delm] Junckern, doch vmb Zimliche, 

vnd gleichmessige belonunge, dyenen, lass[en]...“ 


26 


In dem Schreiben des Herzogs an Flans heißt es u.a. weiter: 
(Seite 2r) 
„»...50o er den leut[en] am getreide ethwas 
schuldig, das sol er Jnen erstatt[en] 
Jt[tem] er sol sie wie er das f dht Zugesagt 
bey der schar werck den sie vor alters 
gethan, bleib[en] lass[en], vnd sei Jn bedacht 
des gross[en] Zinses den sie geb[en] müssen, 
hoher nit drangen...“ 


In dem Schreiben an die Bauern heißt es zum Schluß: 
(Seite 2r) 
»...Bey de[m] alten scharwerck so sie dem von 
weyern® gethan, soll[en] sie bleib[en], doch versihet sich 
dler] Juncker, Sie werden sich 
geglen] Jme mit d[er] talck®® dinstlich erZeigen...“ 


Etwas später wurde auf letzterem Schreiben vermerkt: 
„item vber dise gegebene Abschide habl[en] sie von beid[en] 
theillen] gewilligt sich mit eyn[em] genan|n]ten scharwerck 
Zuüergleich[en]“. Die Akten schweigen darüber, ob diese Eini- 
gung wirklich von Dauer war. Klar ist nur, daß, wie schon an- 
gedeutet, 1555 die preußischen Bauern von Plauen und Det- 
'mitter über Andreas Flans und 1585 die Bauern der gleichen 


Dörfer über dessen Sohn Sebastian heftig beim Herzog Klage 
führen. 


Über Friedland, das Bretke, wie schon gesagt, als seine Hei- 
matstadt bezeichnete, ist so viel Literatur vorhanden”, die ein 
Bild der Stadt aus jener Zeit vermittelt, daß hier nur einige 
ergänzende Bemerkungen über sprachliche Verhältnisse erfor- 
derlich sind. 

Friedland hatte in der Zeit von 1553—1575 nicht ganz 200 
Bürger, die Grundzins zahlten“. Doch zu diesen „eigentlichen“ 
Bürgern kamen in den damaligen Städten, abgesehen natürlich 


#8 Hans v. Weier hatte nach der oben, S. 5, bereits zitierten Verschreibung 
der Güter des Andreas Flans vom Herzoge diese Güter bis 1525 inne, wo 
sie ein Heinrich v. Döberitz und danach A. Flans erhielt. 

® Frischbier: Talk, m., Talke, f., freiwillige Hilfsarbeit, die man dem Nach- 
bar leistet. 

» 7.B. W.Sahm, Geschichte der Stadt Friedland, Ostpreußen. 

%1 Depositen der Stadt Friedland: „Grundzins-Buch der Stadt Friedland von 
cirka 1550 (verb. aus 1500) ab.“ 


27 


von den Familien dieser Bürger, noch allerlei andere Bewoh- 
ner der Stadt, wie Gesinde u. dgl. Noch um 1727 heißt es z. B. 
im „Erleut. Preuß.“”, daß das 20 km von Friedland entfernte 
Wehlau rund 250 Bürger hätte, „...ohne die übrigen Einwoh- 
ner, Inst- || leute vnd Tagelöhner...“. Somit dürfte Friedland 
zur Zeit Bretkes 1500—2000 Einwohner gehabt haben. 


Friedland war, nach den Namen der Steuerregister zur ur- 
teilen, eine rein deutsche Stadt. Namen wie „Georg feier- 
abendt“, „Jacob Brückner“, „Hans Rote“, „Matz wiechman“, 
„Jacob Meißner“ usw. usw. sowie deutsche Berufsbezeichnun- 
gen wie „Rimer“, „Kramer“, „Dreher“ usw. bildeten mit rund 
95 % die erdrückende Mehrheit aller Namen. Eindeutig preu- 
Risch sind „Hans Possarge“, „Brix glotte“, „Georg Saudin“, 
litauisch wohl „Melcher Parrickies“, „Andres Illies“ und auch 
„jJanku[n] glaser“”, polnish sind „Valten Starost“, „Danil 
Starosta“”, „Lenertt (!) Spiberofskij“ und „Bogdan“. Fragliche 
Namen sind z. B.: „Greger gudde“, „Benedict Wessell“, „Valt- 
ten Pole“ u.a. Auch Spitznamen wie „Peter Hirnlos“ kommen 
vor. 


Wie schon die Darlegung über das Gesinde auf dem Lande 
bei Bammeln wahrscheinlich machen dürfte, bestand auch das 
Gesinde in Friedland genau wie dort aus preußischen, litaui- 
schen und sicherlich auch aus deutschen Knechten und Mägden. 
Ob damals schon der Zuzug des polnischen Gesindes begonnen 
hatte, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten, ist aber, wie wir 
später bei der Behandlung der Königsberger Zeit sehen wer- 
den, sehr wahrscheinlich. Sicher ist aber, daß dieser Zuzug nach 
Friedland in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 
17. Jahrhunderts stark gewesen sein muß, denn in den Prozeß- 
akten der Friedländer Depositen wird verschiedentlich gesagt, 
daß jemand zu den Mägden „...ihr Polnisch[en] Huren...“ 
usw. gesagt hätte. Überhaupt findet sich der Ausdruck „Pole“ 
oft als Grund einer Beleidigungsklage, so hat jemand: 1600 


92 Bd. IV, 1727, S. 697. 
»® Außer dem Grundzinsbuch (oben, S. 27 Anm. 91) wurde noch das Ver- 
zeichnis der Bürger von 1578 verwertet, die sih an den Kosten „...den 
seigerthurm zu decken...“ beteiligen mußten. Depos. Friedl., Paket (rot) 24. 


28 


ZZ Ed nd Zn 


en Ze de u A EZ a U ZU D 


„... Hferrn] || Davidt Kottken in trunckener Vnbescheidenheit 
Vor ein blen- || deling vnd Polen gescholden .. .“*. 

Aus der Kopie eines Briefes „...D: Behmen Vndt Mag: 
Möllers...“ vom 1. Februar 1623 an den Rat der Stadt Fried- 
land ersehen wir, wie weit die Entwicklung damals schon ge- 
diehen war: 

»... Wir haben Newlicher Zeitt, 
auß deß Herren Friedlandischen Pfarherrs vnd der 
beyden Herren abgesanten Relation vernommen Daß 
der Friedlandischen Kirchen notturfft wollstand vndt 
wollfahrt erfordere, Daß das Polnische vnwießende ge- 
sinde vnd Völcklein, sie (I) ietzo Heuffig, in der Stadt fast bey 
allen Heusern Zu befinden sein soll, in dem Heiligen 
Catechismo in der Beicht vndt Fragstucken, Durch schech- 
te einfeltige Polnische Predigten trewlich vnd vleißig 
vnderrichtet vndt gelehret werde...“ 
Weil dieses nun zu 
„»...des armen, Elenden vnuerstendigen, Polnisch[en] volcks 
Ewiger Sehligkeit gereichet....“ 
und 
weil weder der Herr 
Pfarrherr noch der Her ak Der Polnischen sPra- 
chen Kündig.. 
hätte der Rat Sedit daran getan, daß er 
„...einen solchen Schulmeister Zu Ihrer Schul- 
len Vociret vnd beruffen, welcher der geburt ein Pohl 
ist, vnd das Polnische völcklein, in Obgemelten Stucken 
gar woll lehren ‘vndt vnderrichten kan...“ 
Der Streit nun zwischen dem Pfarrer und dem Schulmeister, 
um dessetwillen man sich nach Königsberg gewandt hatte, 


wird dahin entschieden, daß ‚...die Herrschaft...“ zur Hohen- 


und zur Vespermesse (vor dem Mittag und nachmittags) gehen 
soll, 
»...das Polnisch gesindt aber 
am fuglichsten des Morgens frue dem Gottes dienst bey- 
wohnnen, vnd darnach Ihrer Herrschafft nöttige Haußgeschäfte 
ohne Hindernuß, vnd ohne abbruch Ihres Christenthumbs verrich- 
ten kan vndt mag...“ 


% Depos. Friedl., Paket (rot) 26, Protokoll vom 13. 1. 1601, S. 3’ff. Daß es 
sich hier nicht um den Ausdruck eines Nationalitätenhasses handelt, zeigt 


eine andere Beleidigungsklage, bei der „... Herr Joachimus Blieffert || 
Pastor...“ ein „... Pommerischer schelm Jniuriret...“ wurde (ebenda, 
S. 10°). 


29 


Von Preußen und Litauern ist also gar nicht mehr die Rede. 
Es wird hier in Friedland genau so wie in Königsberg gewesen 
sein, wo wir in der Mitte des 16. Jahrhunderts noch weit mehr 
Litauer als Polen finden, 1602 aber zehnmal soviel Polen zur 
Kirche kommen als Litauer”. Bretke dürfte in Friedland also 
mindestens die Anfänge dieser Bewegung miterlebt haben und 
somit neben preufischem und litauischem auch einigem pol- 
nischen Gesinde begegnet sein”. - 

Von den Friedländer Pfarrern jener Zeit steht bis auf einen 
fest, daß sie von den in Preußen gesprochenen Sprachen nur 
deutsch konnten, denn Michael Eusebius (1546—1547) sowie 
Briccius Lehmann (nur kurze Zeit) kamen aus deutschem 
Sprachgebiet und gingen wieder dorthin zurük. Nur über 
Simon Dewitz (1550—1559) läßt sich nichts Bestimmtes sagen. 
Auch die Diakone Basilius Kuntz (1543 wegen Trunksuct ab- 
gesetzt), Bonaventura Fischer (um 1550) und Erasmus Landen- 
berg (wohl dessen Nachfolger) konnten sicher nur deutsch. 

Ob die Schule in Friedland damals schon den Charakter 
einer Lateinschule trug, steht nicht fest, ist aber sehr wahr- 
scheinlich, denn schon 1528 war der dortige Schulmeister gleich- 
zeitig Kaplan, also eine Person mit akademischer Bildung, wie 
auch sein verhältnismäßig hohes Gehalt von 30 M. zeigt”. 1538 
unterrichteten dort zwei Lehrer, nämlich der Kaplan und 
außerdem ein Schulmeister, wobei Sahm noch mehr Lehrkräfte 
für möglich hält. Etwas später dürften die oben genannten 
Diakone gleichfalls unterrichtet haben. 1594 wird die Schule 
von 115 Knaben besucht”. 

Die Durchsicht der Akten von Friedland und Umgebung 
hat nur eine Person des Namens „Bretke“ ergeben, und zwar, 
wie schon gesagt, einen „Valten Bretke“, der um 1554 in das 
neu angelegte Steuerverzeichnis zugleih mit den anderen 
Grundzins zahlenden Bürgern der Stadt eingetragen wurde”. 


®5 Siehe unten, S. 89 ff. 

#5 In der „Rechnung des Ambtts Tapiau...“ von Michaelis 1535—36 (Ostpr. 
Fol. 10772) wird unter dem Gesinde wie „Pawll ein knecht“, „Philipp ein 
Jüng“, „Pusche eine maidt“, „Grethe eine maidt“, „Priße eine maidt“ usw. 
auch auf S. 64 ein „Jhan ein knecht“ und „Polack ein Jung“ genannt. 

%® Sahm, Friedland, S. 291 ff. 

»” (Signatur des Steuerverzeichnisses siehe oben, S. 27 Anm. 91), S. 24v, 


30 


Dabei ist anzunehmen, daß Valten Bretke schon vor dem großen 
“ Brande Friedlands ‚...ao 1553 am abendt Petri Pauli...“ dort 
ansässig war, obwohl keinerlei Akten davon berichten und 
auch wohl nicht berichten können, denn damals 

»...ist die Stadtt in den grundt bis vff die 

Kirchen ausgebrandt, da auch alle der Stadt 

Privilegia mit Verbrandt, so doch Hernacher 

vff anhaltten BurgerMeisters, Rahtts, Gerichts 

vnd der Gemeine, Die folgende Jahre von 

Margraff Albrecht dem Eltern vffs neue 

gegeben worden ...,“% 
Sicher sind damals auch alle anderen Akten mitverbrannt. 
Beachtet man bei der Durchsicht des genannten Steuerver- 
zeichnisses, daß die Eintragungen in verschiedenen Tinten- 
arten geschrieben sind, so zeigt sich, daß die Hauptmasse der 
Eintragungen, zu der auch die von „Valten Bretke“ gehört, 
etwa 1554 gemacht sein müssen, wie aus den gelegentlich an- 
gegebenen Daten hervorgeht”. Es wird somit sehr wahrschein- 
lich, daß es sich hier um den Vater unseres Johannes Bretke 
handelt. Auch der Umstand, daß Valten Bretke bald nach 1575 
starb und Johannes in einem Brief von Juli 1580 plötzlich von 
einem Patrimonium spricht, das er in der Wirtschaft hätte ver- 
brauchen müssen, nachdem er sich vorher dauernd Geld leihen 
mußte, spricht dafür, daß Valten der Vater unseres Johannes 
Bretke ist'”. 


Wie aus der Steuerliste hervorgeht, hatte Valten folgenden 
Grundbesitz, den er versteuern mußte: ein Haus, ein Brau- 
haus, einen halben Hof, ein (?) Gerbhaus und einen halben 
Morgen „Im heiligen waltt“*. Bretkes Vater war also wohl 
Gerber und braute auch Bier, das er ausschenkte, jedenfalls 
kam sein Nachfolger, der nach Valtens Tode dessen Frau hei- 
ratete und den ganzen Besitz übernahm, Merten Neumann, 
»... bier- ||schenckens halben so wol bey nacht Zeit, als vnder 


®8 Depos. Friedland, Paket (rot) 29. In Schreiben vom 19. 11. 1666 auf eine 
amtliche Anfrage nach dem Gründungsjahr des Friedländischen Hospitals. 

® Z.B. S. 189°; 13. 11. 1554. 

100 Qu., S. 426, Z. 11, und S. 77f. Man beachte, daß im damaligen Sprach- 
gebrauch „Patrimonium“ und „Matrimonium“ unterschieden wurden, es 
handelte sich bei Bretke also um ein Erbe von väterlichem Besitz. 

101 Heiligenwalde, 30 km nordwestlich von Friedland. 


31 


der predigt || Am Östertage...“ mit dem Gesetz in Konflikt, 
wie es in einem Gerichtsprotokoll vom 24. April 1595 heißt”. 
Somit hat die Familie Valten Bretkes augenscheinlich zu einer 


wohlhabenden Mittelschicht gehört. 


Unser Johannes Bretke hat offenbar die Schule in Fried- 
land besucht, denn als er 1555 neunzehnjährig in Königsberg 
immatrikuliert wurde, hatte er bereits die zum Theologie- 
studium erforderlichen Vorkenntnisse, ohne die kein Grund 
vorgelegen hätte, ihn zu immatrikulieren; nur Adlige und 
Wohlhabende wurden zuweilen um der erhöhten Einnahmen 
willen, auch ohne die zum Studium erforderliche Reife zu 
haben, inskribiert'*, doch Bretke wird als „pauper“ und als 
„pupillus“ bezeichnet, und zahlte deshalb nur die Hälfte der 
üblichen Immatrikulationsgebühren, nämlich fünf Groschen 
statt zehn. Hätte er erst die Sprachen erlernen müssen, wäre 
er auch bestimmt nicht bereits nach eineinhalb Jahren nach 
Wittenberg gegangen'*. Doch sagt er selbst in einem lateini- 
schen Briefe an den Herzog von Januar 1563'*: „...[et] ego, 
qui in hac patria mea dulcissima || prima literarum fundamenta 
ieci, [et] ab amicis in studijs bonarum || artium promotus 
sum...“. Wie diese Wendung zu verstehen ist, zeigt ein in den 
„Acta Borussica“"” veröffentlichter Brief des pomesanischen 
Bischofs Wenediger, der im Dorfe Venedig, zwei deutsche Mei- 
len von Liebemühl, geboren ist: „... Adhibitus autem || ad 
scholas, postquam in vicinis locis pri || ma artium fundamenta 
percepisset, Regio- || montum, in Academiam est missus, 
sumpti- || busque Alberti I. Ducis Prussiae sustenta- || tus...“ 

Möglich ist natürlich auch, daß irgendwelche gebildetere 
„amici“, wie Bretke in dem lateinischen Briefe sagt, den begab- 
ten Knaben im Lateinischen und wohl auch in den Anfangs- 
gründen des Griechischen unterrichteten oder unterrichten 
ließen. 


102 Depos. Friedland, Paket (rot) 26. 

103 Der Rektor, der ja die Inskription vornahm, erhielt % der Immatriku- 
lationsgebühren, die im Laufe eines Semesters nicht unerhebliche Summen 
ausmachten. Erler, Königsberg, S. CXf. 

108 Sjehe unten, S. 42f. 

165 'Qu., S: 418, Z. 1—2. 

108 1732, Bd. III, S. 383. 


32 


Wie war es aber möglich, daß Bretke bei seiner Immatriku- 
lation 1555 angab, „arm“ und „Waise“ zu sein, da sein Vater 
doch verhältnismäßig wohlhabend gewesen zu sein scheint, 
und wo er, Bretke, fast acht Jahre später in dem schon erwähn- 
ten lateinischen Brief (Januar 1663) von seinen Eltern spricht, 
die ihn aus ‚„...superiori Germania...“ zurückgerufen hätten‘”, 
was 1562 geschehen sein muß'®? Tatsächlich kann der Rektor 
Bretke auch nicht zu den Ärmsten gerechnet haben, denn er 
erließ ihm die üblichen Gebühren von zehn Groschen nur auf 
fünf, wobei er in der Matrikel pflichtgemäß‘® den Grund des 
Erlasses mit „pauper pupillus“ angab, doch anderen erließ er 
diese Gebühren bisweilen auf zwei Groschen, nicht selten so- 
gar ganz. Vielleicht war die Familie Bretke infolge des Bran- 
des tatsächlich vorübergehend verarmt. 

Der Ausdruck „Waise““ ist nur so zu verstehen, daß Bret- 
kes Mutter 1555 schon gestorben war, wobei sein Vater aber 
später wieder geheiratet haben müßte. Valten Bretke, der 1575 
noch in einem Steuerverzeichnis"* als „Valtten Prattke“ auf- 
geführt wurde, hinterließ bei seinem Tode, der bald darauf 
erfolgt sein muß, eine Frau, die erheblich jünger gewesen zu 
sein scheint als er, denn sie heiratete, wie schon angedeutet, 
einen „Mertten Neuman“, der bereits 1578 in jener Liste an 
Stelle Valten Bretkes erschien, die die zum Kostenbeitrag zur 
„Anlage den Seigerthurm zu decken“, verpflichteten Bürger 
enthielt. Dieser Merten Neumann muß kurz vorher erst das 
Bürgerrecht in Friedland erworben haben, denn in einem „Vor 
Zeichnus derer so mir weglen] || Burgerrechts geZahlen vnd 
noch || schuldigk, ieder j stuf wein...“ ist auch „Der Prattk- 
sch[en] Man, Mertt[en] Neuman“ aufgeführt‘. Diese Frau des 


107 ,...parentum meorum petitionibus ex superiori ll Germania reuocanti- 
bus...“, Qu., S. 418, Z. 3. 

108 Siehe unten, S. 45 ff. 

1% Arnold, Kirchengesch. I, Beilage S. 120, 147 und 149; Erler, Königsberg, 
S. XCHX. 

110 „Waise“ bedeutete im 16. Jahrhundert wie heute noch „sierota“ im Polni- 
schen, „cupomä“ im Russischen und „cipama“ im Weißrussischen, nicht 
nur „Vollwaise“, sondern auch „Halbwaise“ (Grimm, 13. Bd., S. 1043 ff.). 

#11 Siehe oben, S. 30, und unten, S. 158. 

112 Tepos. Friedland, Paket (rot) 30, 

13 Wbenda, ohne Datum. 


3 Falkenhahn, Bretke 35 


Valten Bretke scheint eine geborene Borgau gewesen zu sein, 
denn am 4. Juni 1602 gibt ein „...Steffan Borgau mitburger in 
Friedlandt...“ eine schriftliche Erklärung ab, daß „...Der 
Ersame vnd Einsichtige Merten Neuman || mein lieber Schwa- 
ger mir die vorsessener Erbgelde, so er mir || noch Zu thun 
schuldig gewesen, gentzlichen abgelegt || vnd bezablet...“*. 
Wenn es sich um eine Schwester des Neumann gehandelt hätte, 
könnte ja Neumann nur dieser Erbgeld schuldig sein, und 
Borgau hätte Geld für seine Frau quittieren müssen, was in 
der Quittung angegeben zu werden pflegte; also war die Frau 
des Neumann sicherlich eine Schwester des Borgau. 


Eine besonders interessante Persönlichkeit, die in Bretkes 
Jugend sein Mitbürger war, ja sogar mit ihm — wohl mütter- 
licherseits — verwandt gewesen zu sein scheint, ist Dr. Christoph 
Alzunius, Altzon‘*, Halczunius“ usw., dessen Name offenbar 
von einem preußischen Namen „Alzune“ oder „Alsune“ ab- 
geleitet wurde”, der sich selbst in einem Briefe vom 10. Mai 
1559 „Friedlandensis“ nannte‘ und der uns bereits als Vor- 
mund der Frau des Brose Warnin begegnet ist‘. 

Obwohl er sich, wie gesagt, selbst als „Friedlandensis“ be- 
zeichnete, begegnet der Name in den Steuerverzeichnissen von 
Friedland nicht. Im Sommersemester 1552 wird er als „Christo- 
phorus Alzunius, Prutenus“ in Königsberg immatrikuliert und 
zahlt nur einen Groschen Immatrikulationsgebühren’”. Mög- 
lich ist nun, daß seine Eltern vor dem großen Brande in Fried- 
land gewohnt haben, nachher aber aus irgendwelchen Gründen 
die Stadt verließen, so daß sie in den Steuerregistern nicht 
mehr erschienen, oder aber, daß die Familie denjenigen Schich- 
ten der Stadtbewohner angehörte, die von dem Register nicht 
erfaßt wurden. Jedenfalls scheint Alzunius arm gewesen zu 


114 Ebenda, Paket (rot) 25. 

115 Lohmeyer, Nostitz, Haushaltungsb., S. 183 u. 18%. 

40 Bullingers Tagebuch, siehe Wotschke, Altpr. Monatsschr., Bd. 44 (1907), 
S. 151 Anm. 1. 

47 Siehe Trautmann, P.N.,S. 12: „Alsune“, und Gerullis, Stud. Balt. V, S.58. 

us K. Forstreuter, Altpr. Biogr., S. 11. 

110 Siehe oben, S. 13. 

120 Erler, Königsberg, I, S. 15. 


34 


es 


sein, wie die geringe Immatrikulationsgebühr zeigt, auch 
scheint er auf Kosten des Herzogs studiert zu haben, denn in 
dem genannten Briefe aus Wilna (1559) an den Herzog preist 
er die reichen Wohltaten, die er selbst und andere von ihm, 
dem Herzoge, erfahren hätten‘. An andern Universitäten im: 
deutschen Sprachgebiet hat Alzunius scheinbar nicht studiert, 
wie eine Durchsicht der veröffentlichten Matrikeln der deut- 
schen Universitäten zeigt'”. Über Basel siehe weiter unten. 


1559 sehen wir ihn in Wilna, von wo aus er den eben ge- 
nannten lateinischen Brief an den Herzog schrieb, in dem er 
erzählte, daß er augenblicklich u. a. den Sohn des Königlichen 
Oberküchenmeisters (Magnifici domini Alberti Jassinsky"*, 
Sacrae Regiae Maiestatis Archimagiri) in feinen Wissenschaften 
und Künsten sowie in guten Sitten” unterrichte, also in Krei- 
sen des litauisch-polnischen Hochadels in Wilna Hauslehrer 
war, wohin er scheinbar auf der damals in den späteren Se- 
mestern üblichen Wanderschaft gekommen ist. Gleichzeitig bat 
er den Herzog um eine Empfehlung, da er sich um die Stelle 
des eben verstorbenen Königlichen Bibliothekars, Stanislaus 
Cosutius, bewerben wolle”. Am 26. Juli 1563 erhielt Alzunius 
vom Herzog 100 Taler zum Studium in Italien, wofür er sich 
jedoch verpflichten mußte, nach seiner Rückkehr zunächst dem 
Herzoge seine Dienste anzubieten‘*. Am 2. August 1563 ist er 
in Wilna, wohin er die Vorladung eines Wilnaer Bürgers durch 
die preußische Regierung und die Stadt Königsberg gebracht 
hatte. Ende des gleichen Jahres reiste der „Präceptor Christo- 
phorus Halczunius“ „mit den Lithauern Christophorus Zieno- 
wic, Nicolaus Dziewaltowsky, Joannes Swieczirsky, Joannes 
Lissovsky, Mathias Worpuczavsky, Gregorius Wosgelius‘“* 
und dem Sohne des 1554 verstorbenen Wojewoden von Wi- 


121 Lohmeyer, Nostitz, Haushaltungsb., S. 183 Anm. 3. 

122 Außer der Königsberger Matrikel wurden noch folgende durchgesehen: 
Bologna, Erfurt, Frankfurt a.O. Freiburg, Greifswald, Jena, Leipzig, 
Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. _ 

13 Nach „Poczet Rodöw“ (A. Boniecki), S. 106, war „Wojciech Jasienski“ in 
den Jahren 1546—1560 „Litauischer Kiüchenmeister“ sowie 1558 Tiwun, 
also „Magnus Procurator“ (siehe unten, S. 397 £.) von Wilna. 

14 K.Forstreuter, Altpr. Biogr., S. 11. 

125 Wotschke, Altpr. Monatsschr., Bd. 44 (1907), S. 151 Anm. 1. 


= 35 


tebsk'*, Johannes Kißka, ebenfalls einem Litauer, der am 
26. August 1563 von seinem Onkel mütterlicherseits, Radziwill, 
einen Empfehlungsbrief an den Züricher Kreis erhalten hatte, 
zunächst nach Basel, wo sich alle immatrikulieren ließen und 
Kißka im Hause des bekannten Reformators Bullinger 
wohnte"”. Seit dem 10. November 1566 begegnet er als Diener 
des Herzogs, der ihm verschiedene Dienste im In- und Aus- 
lande anvertraute‘”, Am 4. Juli 1571 gehört er zu den (besol- 
deten) Hofräten, die bei der Wahl des samländischen Bischofs 
mit einigen Bedenken für Heshusius stimmten'”, Anläßlich der 
Vorbereitung zur Königswahl 1572 reist er in einer sehr wich- 
tigen Sendung nach Litauen’*. 

1575 war Alzunius, wie schon gesagt, der Vormund der 
Frau des verstorbenen Brose Warnin in Schallen, während 
Bretke in Labiau die Vormundschaft ihrer beiden Kinder über- 
nommen hatte‘”. 

Sicher konnte er, der „Prutenus“ aus Friedland, genau wie 
Bretke, Preußisch und auch Litauisch, was er ja zu lernen min- 
destens in Wilna Gelegenheit genug hatte. Als sich im Sommer 
1578 die „Sweygerrawer vndter Gattenhoffer“ beim Herzog 
über zu hohes Scharwerk beklagten und sich mit „Gatten- 
hoffer“, ihrem Herrn, nicht einigen konnten, ist auch Alzunius 
in der vom Herzog entsandten Kommission. In dem Verhand- 
lungsbericht heißt es u. a. .,... Alzunius hatt getolckett...“*. 
Da Schwägerau 7 km östlich von Norkitten am Pregel liegt, 
dürften die dortigen Hörigen wohl fast ganz aus zugewander- 
ten Litauern und litauisierten Volkspreußen bestanden haben. 

Der 1587 in Königsberg immatrikulierte Albertus Fridericus 
Alzunius aus Königsberg war wohl sein Sohn. 


Um 1590 dürfte Alzunius gestorben sein, da von da ab sein 
vorher recht oft genannter Name in den Akten nicht mehr be- 


gegnet'”. 


126 „Poczet Rodöw“ (A. Boniecki), S. 129. 

127 Wotschke, Altpr. Monatsschr., Bd. 44 (1907), S. 151 Anm. 1. 

128 Siehe K. Forstreuter, 1. c. 

122 Nicolovius, Die Bischöfliche Würde in Preußens evangelischer ER 1834, 
S. 237, und Lohmeyer, Nostitz, Haushaltungsb., S. 183 Anm. 3. 

130 Siehe oben, S. 13. 

121 Ostpr. Fol. 184 („Haus-Buch des Amts Insterburg, Lit. A.“), S. 165r. 


36 


Lou Ad dee u 


A u a U 


2 dh FD Be me EZ da EEE Zn tn 


Alzunius ist ein Beispiel dafür, wie Forstreuter (l. c.) mit 
Recht betont, daß eine stammpreußische Familie im 16. Jahr- 
hundert zu hohen Würden aufsteigen konnte. 

Es dürfte nach allem sehr wahrscheinlich sein, daß Alzunius 
im Leben Bretkes eine Rolle gespielt hat, wie die weitere Dar- 
legung des Lebens Bretkes noch zeigen wird, ohne daß es sich 
aktenmälfig belegen ließe. 

Was Bretke als Jüngling vor seinem Eintritt in die Uni- 
versität gemacht hat, wissen wir nicht, da direkte Nachrichten 
über sein Leben aus der Zeit in Bammeln und Friedland 
fehlen, doch legt die Untersuchung seiner Sprache die An- 
nahme nahe, daß er irgendwo im litauischen Sprachgebiet bei 
einem litauischen Pfarrer mit polnischer Bildung „in die 
Lehre“ gegangen ist. Siehe darüber unten S. 210f. und 253. 


Bretkes Königsberger Studienzeit. 


Im Alter von etwa 19 Jahren, was für die damalige Zeit 
spät ist'*, ließ sich Bretke am 14. Juni 1555 in Königsberg imma- 
trikulieren. 

Was ihn, den Bürgersohn aus Friedland, dazu veranlaßte, 
und wer ihm, der er sich, wie gesagt, als „arm“ bezeichnete, das 
Geld zum Studium gab, ist unbekannt. Fest steht jedoch, dafß 
Bretke als Student nie ein Stipendium vom Herzog erhalten 
hat, wohl auch sicher nicht Alumnus gewesen ist, da das in 
Bittschreiben regelmäßig angegeben zu werden pflegte. Es ist _ 
das auffällig, weil der Herzog sich besonders um die Gewin- 
nung preußisch sprechender junger Leute bemühte, und die 
für sie an der Universität geschaffenen Freistellen nicht alle 
besetzt waren, weil sich nicht genügend fanden. 

Bretke muß aber „gutte freünde“ gehabt haben, die seine 
Begabung erkannten und ihm auch durch ein größeres Dar- 
lehen das Studium ermöglichten, denn in dem schon genannten 
lateinischen Briefe schreibt er an den Herzog: „...ab amicis 
in studijs bonarum |] artium promotus sum...“”, und Ende 


122 So war z. B. „Valentinus Lauben, Regiomontanus“, 15 Jahre (geb. 1533 
(Arnoldt, Hist. Un. 1,40), in Königsberg immatr.: S. S. 1548 (Erler, Kö- 
nigsberg, I, S. 8)). 

138 Qu. S. 418, Z. 2. 


37 


Februar 1569: „...Jch auch vber das eine Mercliche summa 
geldes || so mir lenger denn fur 10. Jharen von gutten freünden 
zu meinen studys vergesteckt wurden, auch schuldig bin ...“"* 


Über das Königsberg des 16. Jahrhunderts, das damals rund 
30000 Einwohner hatte”, sowie über die alte Universität am 
Dome, der heutigen Stadtbibliothek, in der Bretke studierte, 
ist soviel Literatur vorhanden, daß hier nur einige Ergän- 
zungen zu jenen bereits veröffentlichten Darstellungen ge- 
bracht zu werden brauchen. Außerdem siehe unten, S. 86 ff. 


Als Bretke nach Königsberg kam, studierten dort etwa 150 
Studenten'*. 


Wie eine Durchsicht der Königsberger Matrikeln aus den 
Jahren kurz vor Bretkes Studium und während desselben 
zeigt, war die Studentenschaft dort zu der Zeit in nationaler 
Hinsicht stark gemischt, wenn auch das deutsche Element bei 
weitem vorherrschte. 


Eine genaue Angabe über die völkische Zusammensetzung 
der damaligen Hörerschaft läßt sich für Königsberg wie für 
die meisten Universitäten ebensowenig machen wie über die 
genaue Zahl der Studenten, denn die einzelnen Studierenden 
wurden nur zu Beginn ihres Studiums in das Matrikelbuch 
eingetragen, ihr Abgang aber nur in ganz seltenen Fällen ver- 
merkt; dazu studierten nicht alle Personen, die immatrikuliert 
wurden (Kinder, Beamte, irgendwo auf dem Lande amtierende 
Pfarrer usw., siehe Erler, Königsberg I, S. CXIX ff.), sondern 
manche ließen sich nur um der Privilegien willen (besondere 
Gerichtsbarkeit usw.) inskribieren. 


Doch erhält man ein annähernd richtiges Bild von der natio- 
nalen Zusammensetzung, wenn alle Studenten, die seit Som- 


13 Qu., S. 420, Z. 40—43. 

155 Siehe unten, S. 92; zum Vergleich sei daran erinnert, daß Berlin gleich- 
zeitig rund 6000, Riga 7000 und Wilna 100000 Einwohner hatten (zu letz- 
terem siehe Orgelbrand). 

120 Frler, Königsberg, I, S. CXXXII, wobei mir die Durchschnittsstudiendauer 
für Königsberg mit 2 Jahren zu niedrig gegriffen erscheint; so studierte 
Valentinus Lauben, Regiomantanus, 8 Jahre (Herzogl. Briefarch. I, (1556), 
„Matthias Mattie, Rastenburgensis“ mindestens 6% Jahre (ebenda), Bar- 
tholomäus Stephani, Rastenburgensis, 7 Jahre (Herzogl. Briefarch. I; 
(1557)). 


38 


mersemester 1551 bis Ende 1556 (Weggang Bretkes nach Wit- 
tenberg) immatrikuliert wurden, 1.nach ihrer Herkunft, 2. nach 
der wahrscheinlichsten Zugehörigkeit ihres Namens zu einer 
bestimmten Sprache zusammengestellt werden. 


Von den genau 200 Studenten — mit Bretke 201 —, die seit 
} Sommersemester 1551 bis Ende 1556 immatrikuliert wurden, 
stammten aus: 


dem späteren Ost- und Westpreußen . . . . 84 ( 42,00%) 
dem übrigen Deutschland (Schlesien 17, Keehetan 18, 

Pommern 11, Brandenburg 6, Thüringen 5, West- 
falen 2, Oldenburg 2, Bayern 2, Württemberg 2, 


Köln a. Rh. 1, nt Din. 56105 (430:5010/0) 
Polens. ER ee 300 (21:140010/0) 
Litauen . 6 ( 3,00%) 
Livlande ee er 0 (3:0010/0) 
Riga en ae er hr. Re ER SE a > (1 010/0) 
Böhmen 1 ( 050%) 
Holland ee 1 (015010/0) 
Herkunft ht Bent Bei an 1280 8:50,0/0) 


200 (100,00 %o) 


Von den 22 aus Polen stammenden Personen haben: 
1.polnishe Namen etwa %, genau 14 (Gnoynski, Sommersem. 
1551; Drosdouius, Sommersem. 1551; Wwuorloufky, Wintersem. 
| 1552—53; Lipieius, Wintersem. 1552—53; Glintzki, Sommersem. 
1553; Quiafhkoiosky, Sommersem. 1553; Kochanousky, Sommersem. 
1554; Grabowinsky, Sommersem. 1554; Petrowiez, Sommersem. 
1554; Kochanouski, Sommersem. 1555;. Golinski, zweimal Winter- 
sem. 1555—56; Kochanouius-Rey, Wintersem. 1555—56; Voro- 
biowsky, Sommersem. 1556); 
ı 2. deutsche Namen etwa !/, genau 3 (Schultis, Sommersem. 
1553; Vogel, Sommersem. 1553; Glitzer, Wintersem. 1554—55); 
3.zweifelhaft sind 5 Namen (Vierly, Wintersem. 1551; Felix, 
| Sommersem. 1553; Azacrozim, Sommersem. 1554; Criscouius, Som- 
{ mersem. 1554; Verat, Wintersem. 1555—56). 
Von den 6 aus Litauen stammenden Personen haben: 
} 1. litauische Namen 3 (?) (Petschuga (?), Sommersem. 1551; Kie- 
meß, Sommersem. 1552; Purna, Sommersem. 1555); 
2. deutsche Namen 2 (Heyn, zweimal, Sommersem. 1551); 
3. zweifelhaft ist 1 Name (Dauid, Wintersem. 1552—53). 
Von den 200 Personen bezeichnen sich außerdem 16 mit „Prutenus“, 
davon 
nur eine mit zweifellos altpreußishem Namen (Alzunius, Sommersem. 
1552); 


39 


9 (?) mit deutschem Namen (von Werder, Sommersem. 1551; Kyttel (?), 
Wintersem. 1551—52; Lieb (Bartenstein), Wintersem. 1552-53); Rauter, 
Sommersem. 1553; Kruger, Sommersem. 1553; Radewalt, Wintersem. 1554—55; 
Greylich, Wintersem. 1552—53; Parger (?), Liebemühl, Sommersem. 1555; 
Binewald, Sommersem. 1555); 

2 mit polnischem Namen (Bilinski ex Billingsdorff, Sommersem. 1555; 
Byelsky, Wintersem. 1555—56); 

4 Namen sind unbestimmt (a Sulslau, Sommersem. 1551; Brodouis, 
Sommersem. 1553; Sacoliliensis, Wintersem. 1554-55; Theothadeus (Prost- 
ken)!?, Sommersem. 1555; Faber, Sommersem. 1556). 

Auf der Königsberger Universität hörte Bretke natürlich 
in erster Linie Lateinisch sprechen'*. Abgesehen von den Stu- 
denten mit deutscher Muttersprache kam Bretke, nach obiger 
Aufstellung zu urteilen, dort täglich meist mit solchen aus 
polnischem Sprachgebiet zusammen, weniger mit solchen, deren 
Muttersprache Litauisch war, wenn sich auch unter den pol- 
nischen Namen manch polonisierter Litauer bergen mochte. 
Doch sieht man die Stammbücher der Studenten aus der zwei- 
ten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch, so finden sich erheblich 
mehr polnische Symbola als litauische; preußische Symbola sind 
nicht bekannt, obwohl theoretisch solche durchaus zu erwarten 
wären, denn unter den scheinbar deutschen Namen barg sich 
sicher mancher Preuße, und fraglos verstanden damals einige 
Studenten auch Preußisch; war es doch gerade zu jener Zeit 
unter dem Einfluß des Humanismus Mode, Symbola in mög- 
lichst vielen Sprachen zu schreiben, wie u. a. das Beispiel des 
Hieronymus Opitius zeigt, der seinem Studiengenossen Joachim 
Mörlin Psalm 119 Vers 105 in acht Sprachen einschrieb, und 
zwar: hebräisch, arabisch, syrisch, äthiopisch, griechisch, la- 
teinisch, deutsch und kirchenslavisch (Abb. 1, T. 1). Diese 
Stammbuchseite ist ein beredtes Zeugnis für die Sprachenfreu- 
digkeit jener Jahrzehnte, in denen unser Bretke studierte. 

Bei der Ankunft Bretkes in Königsberg waren von 18 Plan- 
stellen für Professoren an der Universität nur 8 tatsächlich 
besetzt; die anderen nicht besetzten Lehrstühle wurden ver- 


1377 Wohl „Bog dan“. 

138 So schreibt Mosvid 1549 nach fast zwei Studienjahren in Königsberg und 
einem Pfarramtsjahr in Ragnit: „non calleo aliquantulum germanice“. 
Gerullis, Skait., S. 2. Siehe auch Wotschke, Zeitschr. f. sl. Ph., II, S. 103 
Anm. 1. ; 


40 


u De Da A A BE nt 


tretungsweise von anderen Professoren oder von Geistlichen 
mit versehen. Die osiandristischen Streitigkeiten hatten auch 
die Reihen der Professoren gelichtet. An der theologischen 
Fakultät sollte der erste ordentliche Professor der Theologie 
täglich nachmittags von 2 bis 3 Uhr über das Alte Testament 
und der zweite Theologieprofessor vormittags von 8 bis 9 Uhr 
über das Neue Testament im Auditorium Maximum lesen, doch 
war damals nur die zweite Theologieprofessur tatsächlich be- 
setzt. 

Zweiter Theologieprofessor war D. Rupert Durrius; er ging 
jedoch nach März 1556 nach Baden, wonach sein Lehrstuhl erst 
wieder 1557 im März durch den Dompfarrer Math. Vogel mit 
zwei Wochenstunden über das Neue Testament vertreten 
wurde. 

Seit 1552 war die theologische Fakultät ohne ersten Theo- 
logieprofessor. Die Stelle wurde erst 1558 wieder besetzt. Ver- 
tretungsweise hatte M. Joh. Eccurius oder Eichhorn, der da- 
mals Hofprediger war, wöchentlich zwei Stunden über das 
Alte Testament zu lesen. Er stammte aus Nürnberg und war 
seit 1546 in Königsberg. 

Mit den andern Fakultäten stand es nicht besser: ein und 
derselbe Professor las nacheinander über Mathematik, Grie- 
chisch und Ethik. 

Der Professor für Beredsamkeit und Poesie, M. Urban 
Stürmer, war im Nebenamt Hofkapellmeister. 

Es ist also kaum verwunderlich, wenn die damalige Uni- 
versität Bretke nicht besonders fesselte, zumal er sich mit der 
Erlernung der zum Studium erforderlichen Sprachen sicher 
nicht aufzuhalten brauchte, sondern gleich ans Studium selbst 
gehen konnte. 

Bedeutsamer könnte gewesen sein, was. Bretke hier an 
Pfarrern erlebte: An der Steindammer Kirche, die später auch 
sein Wirkungskreis werden sollte, amtierten damals der litaui- 


‘sche Pfarrer Willent und der polnische Pfarrer Seclutian. 


Sicher hat er beide gesehen und gehört. Möglich, daß Bretke 
später vorschwebte, für die litauische Kirche das zu werden, 
was Luther für die deutsche geworden war, und was Seclutian 
damals für die polnische zu werden versprach, der u. a. bereits 
den Kleinen (1545) und Großen (1547) Katechismus Luthers 


41 


übersetzt, ein Gesangbuch (1547) geschaffen hatte und gerade 
bei Herausgabe des Neuen Testamentes war. Falls Bretke zu 
der Zeit bewußt Litauisch betrieben haben sollte, standen ihm 
als Lesestoff, soweit wir wissen, nur der Katechismus von 
Mosvid (1547) und dessen „Giesme S. Ambraßeiaus“ (1549) zur 
Verfügung, es dürfte aber eher nur das gesprochene Wort auf 
ihn gewirkt haben. 

An der Altstädtischen Kirche predigte M. Johann Funk, der 
später enthauptet wurde; Diakone waren Nicelaus Jagenteu- 
fel, Peter Groß, Johann Freudenhammer. 

Am Dome war M. Matthäus Vogel Pfarrer, der vorher 
Pfarrer in Wehlau gewesen war und später 2. Theologie- 
professor in Königsberg wurde. Als Diakone wirkten dort die 
sonst kaum bekannten Paul Grünwald, Martin Lembcke und 
Heinrich Coppius, vorher Diakon in Wehlau. An der Schloß- 
kirche finden wir George Döring aus Thorn und M. Ottomar 
Epplin aus Schwaben. An der Löbenichter Kirche predigte der 

-Franke Peter Hegomon; Pfarrer am Großen Hospital war 
Heinrich Schönehut aus Frankfurt a. M. 


Die Zeit in Wittenberg und Oberdeutschland. 


Ende 1556 verläßt Bretke Königsberg und begibt sich nach 
Wittenberg, wo er am 16. Januar 1557 mit einem „Christo- 
phorus Knopfius Regiomontanus“ zugleich immatrikuliert wird. 
Seine Matrikul lautet: „Johannes Bretke‘* Friedlandensis.“* 

Wittenberg stand damals noch an der Spitze der evangeli- 
schen deutschen Universitäten und dürfte, als Bretke dort 
weilte, bei einem Jahresdurchschnitt von 600 Neuimmatrikula- 
tionen und bei einem Aufenthaltsdurchschnitt von drei Jahren 
etwa 1500—2000 Studenten „ex omni genere, natione et disci- 
plinatae Europae populo Itali, Galli, Hispani, Lusitani, Angli, 
Scoti, Polarium insularum incolas, item Sarmatae, Hunni, 
Illirici, Scythae, ex oriente meridie, occidente et aquilone“, 
wie es in einer Abschiedsrede 1588 heißt'“, gehabt haben. 

Sicher zog Bretke wie so viele andere der Ruhm an, den 
Wittenberg als Lehrstätte Luthers in den protestantischen Län- 


19 Die gedruckte Matrikel (Foerstemann) liest fälschlich „Brecke“, 
120 Foerstemann, I, 324 b. 
121 Friedensburg, S. 340. 


42 


dern genoß, aber vielleicht noch mehr die Möglichkeit, dort 
noch die Mitarbeiter Luthers zu hören. 

Es waren vor allem Melanchthon, der große Gegner Osian- 
ders, deren Streit vor ein paar Jahren Preußen so tief er- 
schüttert hatte, Bugenhagen, Georg Major, Johann Forster, der 
Verfasser des für damalige Verhältnisse ausgezeichneten 
hebräischen Wörterbuches (der jedoch kurz vor Bretkes An- 
kunft am 7. Dezember 1556 starb), und Paul Eber. 

Melanchthon, der nach Luthers Tode als dessen Nachfolger 


“ und als Oberhaupt der Lutheraner galt, war, als Bretke nach 


Wittenberg kam, fast 50jährig'”; er war von den endlosen 
Kirchenkämpfen, die ihm eine kaum zu bewältigende Arbeits- 
last aufbürdeten, in so hohem Maße in Anspruch genommen, 
daß er nur wenige Vorlesungen halten konnte. Dazu kam 
schweres Leid in der Familie (z. B. 1557 Tod seiner Gattin), 
so daß seine Gesundheit in den letzten Lebensjahren stark 
zerrüttet war. Bezeichnend für die Einstellung Melanchthons, 


‚ aber zugleich auch für den Geist, in dem jene Kirchenkämpfe 


ausgefochten wurden, sind die Gründe, warum man den Tod 
nicht zu fürchten brauchte, die Melanchthon wenige Tage vor 
seinem Tode auf einen Zettel schrieb: „Discedes a peccatis. || 
Liberaberis ab aerumnis et a rabie Theologorum““*. 

Am 19. April 1560 starb Melanchthon an einer Erkältung, 
die er sich auf einer seiner vielen Dienstreisen zugezogen 
hatte. Bei der Fülle der Studenten ist kaum anzunehmen, daß 
er in nähere persönliche Berührung mit Bretke gekommen 
wäre. 

Auc Bugenhagens letzte Lebenszeit — er stand bei Bretkes 
Ankunft im 72. Lebensjahre‘* — wurde durch die Kämpfe im 
eigenen Lager verbittert; 1557 mußte er infolge von Alters- 
schwäce und Erblindung auf einem Auge seine Predigttätig- 
keit einstellen, doch starb er am 20. April 1558 frischen und 
ungebrochenen Geistes. Auch er dürfte kaum in persönliche 
Berührung mit Bretke gekommen sein. 

Georg Major, der zu sagen gewagt hatte, „daß gute Werke 
zur Seligkeit nötig sind“, und dadurch eine besondere Kirchen- 


1° Geboren am 16. 2. 1497. 
13 Corpus Reformatorum, IX, S. 1098; Schmidt, Melanchthon, S. 664. 
1 Geboren am 24. 6. 1485. 


453 


fehde entfachte, die Bretke zum Teil miterlebte, war 1557 
55 Jahre alt. Seit 1558 führte er das theologische Dekanat in 
Wittenberg. Ihn hat Bretke wahrscheinlich gehört. 

Einen besonderen Einfluß hat sicherlich die sympathische 
Gestalt Paul Ebers auf Bretke ausgeübt, der besonders eng 
mit Melanchthon und einst mit Luther befreundet war. Eber 
begann als Professor der Philosophie, las dann aber über Ge- 
schichte, Naturwissenschaften u. a. und wurde 1557, 46jährig, 
Professor der Theologie und Nachfolger Bugenhagens. Von 
seinen religiösen Liedern, die er dichtete, werden noch heute 
einige im Gottesdienste gesungen. Infolge seiner persönlichen 
Fürsorge für die Studierenden und seiner pädagogischen Be- 
gabung war er unter den Studenten beliebt und hatte viele 
Hörer. Nach Melanchthons Tode 1560 galt er als der erste Ver- 
treter der lutherischen Kirche. 


Bretke scheint nach Wittenberg keine andere Universität 
‘ mehr besucht und dort sein Studium abgeschlossen zu haben, 
jedenfalls enthält keine Matrikel der damals bestehenden pro- 
testantischen deutschen und schweizerischen Universitäten in 
der fraglichen Zeit Bretkes Namen. Untersucht wurden außer 
der Königsberger und Wittenberger Matrikel noch folgende: 
Basel, Frankfurt a. d. O., Freiburg, Genf, Greifswald, Heidel- 
berg, Jena, Leipzig, Mainz, Marburg, Rostock, Straßburg, Tü- 
bingen, Zürich. Doch stünde Bretke hierin im Gegensatz zu 
den meisten anderen Studierenden aus dem Herzogtum Preu- 
ßen, die mehrere Universitäten nach Königsberg bezogen’, 
außerdem heißt es in dem unten, S. 106, zitierten Brief aus- 
drücklich von ihm: „...da er draußen Zu wittenberg vnd 
sonsten an andern Ortten seinenn Studijs obgelegen....“ 
Vom Wittenberger Aufenthalt und der Zeit danach fehlt 
aber von Bretke jede Nachricht. Wir finden ihn erst 1562 in 
„Oberdeutschland“ wieder, was, wie schon gesagt, nicht Wit- 
tenberg ist, sondern Süddeutschland oder die Schweiz'”. Was 


116 So z. B. der schon erwähnte „Mattias Mattie“: Königsberg, Frankfurt, 
Wittenberg (S. 38 Anm. 136). 

1 Nach einer mündlichen Mitteilung von Herrn Professor Dr. St. Kot 
verstand man damals unter den in dem lateinischen Ausdruck „Germania 
superior“ zusammengefaßten Gebieten auch noch die Schweiz. Aus dem 


44, 


Se WE 


ihn dorthin geführt hat, ist unklar. Sollte er auch, wie Alzunius, 
Praeceptor bei litauischen Magnatensöhnen gewesen sein? Als 
gesichert kann jedenfalls gelten, daß Bretke dort nicht im 
Kirchendienst stand, ehe er nach Preußen zurückkehrte und 
den Labiauer Pfarrdienst antrat, wie etwa der Rastenburger 
Mattiae, der nach einem Studium in Königsberg, Frankfurt 
und Wittenberg in Küstrin Kaplan wurde‘”, denn sämtliche 
Angaben Bretkes in seinen Briefen über den Zeitpunkt des 
Anfangs sowohl seiner Labiauer Pfarrzeit als auch überhaupt 
seiner geistlichen Amtstätigkeit ergeben immer ziemlich genau 
die gleiche Zeit: 


Mitte 1590 sagt Bretke, er stünde im 29. Jahre seines Pre- 
digtamtes und hätte in der Zeit mit Seufzen gesehen, daß die 
Litauer ohne Bibel wären‘*; Ende 1598, er wäre im 36. Jahre 
Diener des göttlichen Wortes'”, und Ende 1599, daß er im 
38. Jahre im Kirchendienst sei'”; es ergibt sich für den Beginn 
seiner geistlichen Amtstätigkeit etwa 1562. 


Bezüglich seines Dienstantritts in Preußen sagt Bretke 
Ende 1568, daß er im 7. Jahre in Preußen Pfarrer wäre‘, An- 


1745 gedruckten 43. Band des von Johann Heinrich Teder (Leipzig, Halle) 
verlegten „großen vollständigen Universallexikon“, S. 275, geht hervor, 
daß die „Terra Rhenensis“, Schwaben, Bayern und Franken zur Zeit der 
Frankenherrscher als „Oberdeutschland“ zusammengefaßt und „Nieder- 
deutschland“ mit den übrigen Gebieten, wie Niedersachsen, Thüringen 
usw. gegenübergestellt wurden. Die spätere Einteilung Deutschlands in 
Kreise (seit 1512) hat die Grenze zwischen „Ober- und Niederdeutschland“ 
nicht verschoben. Wittenberg gehörte immer zum „niederdeutschen“ Ge- 
biet und ist im Sprachgebrauch nie als „Oberdeutschland“ bezeichnet wor- 
den. L. Diefenbach sagt zu „Germania“, daß es im 15. und im Anfang 
des 16. Jahrhunderts neben „tutschlant“ usw. auch „nider dewtschland“ 
usw. bedeutet hätte, was natürlich auch ein „Oberdeutschland“ als Gegen- 
satz fordert. Skarga schreibt in der Dedikation zu den „Kazania o sied- 
miu Sakramentach“ von der Häresie „w niskich i wyzszych Niemcach“. 
In der „Wtöra pobudka do modlitwy czasu wojny“ heißt es: „W gör- 
nych i w niskich Niemcach“ usw. (Biblioteka Narodowa, Nr. 70, S. 31). 

17 Stellenangabe oben, S. 38 Anm. 136. 

18 Qu. S. 431, Z. 34—38. ; 

#0 Qu., S.458, Z. 44—S. 439, 2.2. 

160-Qu., S. 441, Z. 21 ff. 


217 Qu.,.S. 4192 2.114 ff. 


45 


fang 1569, daß es fast 7 Jahre seien'”, Anfang 1570: 8 Jahre‘, 
Mitte 1580: 18 Jahre‘, Mitte 1584: fast 22 Jahre‘, Anfang 1587: 
fast 25 Jahre‘*, Mitte 1590: im 29. Jahre"” und Anfang 1602, daß 
er im 40. Jahre im preußischen Kirchendienste stehe'*; auch 
diese Angaben ergeben etwa das Jahr 1562. 


Falls Bretke seit seiner Immatrikulation Mitte 1555 bis 
etwa Mitte 1562, also sieben Jahre, ohne Unterbrechung stu- 
diert haben sollte, wäre das für die damalige Zeit nicht be- 
sonders lange, wie folgende Beispiele zeigen: 


Valentinus Lauben studierte mindestens 11 Jahre‘*, M. Mat- 
tiae mindestens 6%, wahrscheinlich aber länger‘, B. Stephani 
7 Jahre‘“, H. Heylli 9 Jahre‘*, G. Boie 6 Jahre‘®, J. Lidicus 


mindestens 5 Jahre‘* usw. 


152 Qu., S. 420, Z. 25 ff. 

155 Qu., S. 424, Z. 1—2. 

15 Qu., S. 426, Z. 24. 

155 Qu., S. 427, Z. 30—33. 

1586 Qu., S. 428, Z. 39. 

157 Qu., S. 431, Z. 34—36. 

158 Qu., S. 443, Z. 34—37. 

158 Immatrikuliert S.S. 1548 (siehe oben, S. 38 Anm. 136), wurde am 26. 11. 
1556 (Arnoldt, Hist. I, 40) Magister; in einer Obligation vom 14. 6. 1556 
verspricht er später nur dem Herzoge zu dienen, der ihm bereits „...etz- 
lich Jahr lang...“ ein Stipendium gegeben hätte, und ihm jetzt ein wei- 
teres Studium von drei Jahren in Tübingen zusagte (Herzogl. Briefarch. I,, 
Kasten 1556). 

100 Siehe oben, S. 38 Anm. 136. 

1641 Siehe oben, S. 38 Anm. 136. 

102 Frler, Leipz. I, 719: Wintersem. 1557 wird er mit folgender Matrikel unter 
den „Poloni“ immatrikuliert: „Heilimandus Heill Elbingensis dt totum 
7 gr.“; Erler, Leipz. II, 752, S.S. 1559, wird er unter denen, die das Bakka- 
laureatsexamen bestanden haben, aufgezählt: Foerstemann, I, 371a: Am 
26. 3. 1560 wird er in Wittenberg immatrikuliert; die Matrikel lautet: 
„26. Heilmandus Heil Elbingensis, filius Doctoris, Christophori Heil Me- 
dici.“ Am 25. 10. 1562 gelobt Stud. theol. Heylmandus Heyll in Witten- 
berg dem Herzoge, daß er nur ihm dienen werde, weil dieser ihm „... 
mith einem iahrlichen stipendio... nun ethliche iahr... geholfen habe... 
vnd weitter zu folzihung || meiner studien mier solch beneficium noch 
auff Zwei iahr gne- | digst prorogirt (l), mith dem bescheidt, daß ich zu 
Wittenberg || noch Zwei iahr in studio theologicio fortfaren soll...“ 
(Herzogl. Briefarch. Js, Kasten 1562). Arnoldt, Nachr. II, S. 486: „7. Heil- 
mann Heil ein Pommer (?), ward aus Wittenberg, wo er auf fürstliche 


46 


Jedenfalls 1562 wird Bretke von seinen Eltern aus „Ober- 
deutschland“ zurückgerufen und ihm im Auftrage des Her- 
zogs, d. h. auf Veranlassung der Regimentsräte, von Johann 
Aurifaber, der damals Vizepräsident des samländischen Krei- 
ses war, das besonders schwierige'® Pfarramt in Labiau über- 
tragen, weil er Litauisch und Preußisch kann. In dem Brief an 
den Herzog von Mitte Januar 1563 lautet der diesbezügliche 
Passus so: „...ego... parentum meorum petitionibus, ex su- 
periori || Germania reuocantibus... cessi... || ... Et docendi 
Euangelij christi munus in oppidolo || Labiau, cum Lituani- 
cam/et] Prutenicam linguam mediocriter || teneam, ex mandato 
Celsitudinis tuae, per...||...dominum praesidem, mihi imponi 
passus sum... .“*, 

Es entsteht die Frage, auf wessen Veranlassung Bretke, der 
doch aller Wahrscheinlichkeit nach seit Ende 1556 außer Lan- 
des weilte, dieser Posten angetragen wurde. Die Worte: 
„... mihi imponi passus sum...“ in dem sonst so bescheidenen 
Tone des Briefes klingen nicht so, als ob Bretke, vielleicht 
brieflich, seine Dienste dem Herzog angeboten hätte. Nach 
allem ist doch am wahrscheinlichsten, daß die Regimentsräte 
durch Alzunius‘” oder durch die von Gehren'* auf Bretke hin- 
gewiesen worden sind, wie es scheint auch auf Wunsch der 
Eltern Bretkes, vielleicht auch mit seinem Wissen; auch mög- 
lih, daß durch die Verwandten seiner Braut, des Fräulein 


Kosten studierte, 1566 den 24. Febr. verschrieben, verwaltete das Kirchen- 
wesen im Oberlande... und starb 1570.“ 

16 In Wittenberg immatrikulierte am 29. 8. 1564: „29. Gerhardus Boge Son- 
densis“, Stralsund (Foerstemann, Wittenb. II, S. 72b „Pomern“) in einer 
Obligation, daß ihm Herzog Albrecht ein Stipendium „... ad Facultatem 
theologicam funf Jar lang Jherlich sechsich taler gnedichlich bowilli- 
get (!)...“ und verpflichtet sich nach fünf Jahren dem Herzoge in Preu- 
ßen zu dienen. 

1 Am 25. 6. 1559 in Wittenberg immatrikuliert: „Johannes Lidick Gutsta- 
diensis Prutenus“ (Foerstemann, Wittenb. I, S. 363 a). Am 19. 2. 1564 sagt 
der Stud. theol. „Johannes Lidicius“, Königsberg, in einem Obligations- 
schreiben vom Herzog: „...ut me uel in Vitebergensi l uel in Lipsensi 
Academia per triennium | aleret...“ (Herzogl. Briefarch. ],, Kasten 1564). 

15 Über die Anforderungen des Labiauer Kirchendienstes siehe unten, S. 52 ff. 

166 Qu., S. 418, Z. 1—9. 

167° Oben, S. 34 ff. 

18 Oben, S. 6. 


47 


von Werthern'®, Bretke wegen seiner Sprachkenntnisse emp- 
fohlen wurde. Auf jeden Fall lagen höheren Orts Empfeh- 
lungen vor, die Bretke für den Labiauer Kirchendienst ge- 
eignet erscheinen ließen, und somit wurde er berufen; hier- 
durch wird klar, daß seine Kenntnisse des Litauischen und 
Preußischen bekannt und etwas Besonderes gewesen sein 
müssen. 


Die Labiauer Zeit Bretkes. 


Labiau, wo Bretke mehr als 25 Jahre lebte und einen 
großen Teil seiner Übersetzungen schrieb, ist nach der Be- 
schreibung im „Erl. Preuß.‘ damals „...nur ein Dorff || und 
Marct-Flecken gewesen, in welchem || meisten theils Bauern 
gewohnet, die dem || Amte haben Scharwerc&ks Dienste thun || 


müssen...“, bis der Ort 1642 zur Stadt erhoben und mit bür-, 


gerlichen Freiheiten begnadet wurde. 

Rund 160 Jahre nach Bretkes Amtsantritt, nachdem Labiau 
schon zur Stadt erhoben war, zählte man dort nur „...110 || 
Bürgerhäuser, in deren einigen wohl 3. || bis 4. Familien woh- 
Den... 

Über die niedrigen Insthäuser des 16. Jahrhunderts hinweg 
ragten das „Haus Labiau“, eine 1258 zunächst in Holz, Ende 
des 13. Jahrhunderts aber in Stein'” erbaute Ordensburg und 
die Kirche (erbaut in Stein Ende des 13. Jahrhunderts’”); sie hat 
seit der Zeit Bretkes nur unwesentliche Veränderungen er- 
fahren'”, 

Der Ort liegt an der Deime, rund 4 km vom Kurischen 
Haff entfernt, und zwar so niedrig, daß bei Sturm und Hoc- 
wasser oft einige Straßen unter Wasser gesetzt werden'”. 

Jenseits der Deime begann die nach heutigen ihn 
weglose „Wildnis“, die sich in einer Gesamtausdehnung von 
etwa der Ostpreußens weit in das Innere des heutigen Litauen 


168 Oben, S. 8. 


170 „Erleut. Preußen“, Bd. II, 1725, S. 710 ff., im Artikel: „Kurtze Beschrei- ' 


Dir des |] Schlosses und der Stadt Labiau.“ 
171 Ebenda, S. 714. 
172 Harnoch, S. 153. 
173 Fr], Preuß. II, S. 716; Harnoc, S. 153. 
171 Doskocil. 
175 Erl. Preuß., S. 715. 


48 


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u ee ee Be 


(bis Kaunas), Lettland und Polen erstreckte, in der die deut- 
schen „Städte“ Ragnit, Tilsit und Memel, sowie die verstreu- 
ten, damals schon meist litauischen Siedlungen mit ihren ur- 
baren Landflächen wie Inseln lagen, und durch die ein nennens- 
werter Verkehr fast nur im Sommer zu Schiff über das Haff 
und die Flüsse, sowie im Winter in gewissem Umfange über 
das Eis möglich war‘“. 

Es war ein von Sümpfen durchzogenes und von Heide- 
flächen unterbrochenes Urwaldgebiet, in dem undurchdring- 
liche Dickichte mit lichteren, wahrscheinlich meist Eichenwäl- 
dern abwechselten. Abgesehen von den genannten „Städten“ 
und Siedlungen, sowie einzelnen Jägern, Fischern und „Beu- 
tern“ (Honigsuchern), denen man dort gelegentlich begegnete, 
war es ein menschenleeres Gebiet'”, in das sich Herzog Albrecht 
mit wenigen Begleitern zu Pestzeiten flüchtete'”. 

In Labiau selbst wurde hauptsächlich deutsch gesprochen, 
daneben litauisch und, wie es scheint, mitunter auch preußisch 
und lettisch (kurisch). In einem Schreiben der Labiauer Ge- 
meinde, in dem sie nach Bretkes Fortgang um Einsetzung ihres 
Schulmeisters Schenk als Pfarrer bittet!”, heißt es „...weill... 
wir Armen leutte dis Kirchspils, wegen || vnseres littauschen 
gesindes'”, vnd Vberhabschen‘* mitt- || nachparn einen pfar- 
herrn so beides deuttscher so || wohl littauscher sprachen alhier 
nöttig bedurfften...“ und „...dieweiln wir einen gar fertig 
beider Sprachen also in eill nicht haben könnten...“ In einem 
Schreiben der Labiauer Amtskanzlei'* wird gesagt, daß Bretke 
der „...Littauischen Sprachen || sehr wol künndig vnnd er- 
fahren, vnnd allso || vmb desselben willen allhier bey diser || 


Kirchen, vor anndl[er|n sehr nützlich dienen || khan...“ 


178 Siehe hierzu Mortensen, „Die Wildnis im östlichen Preußen...“, S. 5ff., 
S. 45 ff, sowie die Karte der Wildnis um 1400 bei S. 220, die aber im 
16. Jahrhundert die gleiche Ausdehnung gehabt hat, wie aus den Quellen 
hervorgeht. 

#8 Arnoldt, Nachr. I, S. 4: Der Pfarrer D. Poliander mußte den Herzog 1527 
der Pest wegen in die Wildnis begleiten. 

1 E,M. 102 e 4, erledigt 1. 9. 1587. 

180 „Gesinde“ wurden damals manchmal auch die hörigen Bauern genannt, 
siehe S. 4 Anm. 15. 

181 „Uberhabschen“ Plural, die Bewohner jenseits der Haffs, Frischbier. 

12 W.M, 102e 4, Datum 11. 9. 1578. 


4 Falkenhahn, Bretke 49 


Wie groß die Zahl der Litauer in Labiau damals war, läßt 
sich nicht sagen. Als 1656 der Labiauer Pfarrer Georg Matthaei 
gestorben war und die litauische Gemeinde um Simon Mederus 
bat, schrieb eine schwer lesbare Hand auf die dritte Seite ihres 
Bittschreibens"*: „Al die Weiln der Pfarr zu Labiaw Wegen 
der || Lithawschen gemeine die fast gröster ist || alß die deutsche 
et necessitate die Lithawsche || sprache wißen Vnd in der 
sprache lehren vnd || predigen muß; Alß ist mein vmvorgreiff- || 
liches bedenken, das man auf die erbawung || Vnd Ehre Gottes 
sehen soll. Weches Jch || Meine Herrn Collegen Zu fernerem 
ver || nunfftigem nachdenken anheim stelle.“ Also wohl die 
Anmerkung eines der Oberräte. 

Doc in dem „Erleut. Preuß.“ heißt es bei dem Bericht von 
der Teilung des Labiauschen Kirchspiels nach Einweihung der 
Kirche in Gilge (24. Juni 1707)*, daß „...der Labiauschen || 
Littau schen Gemeine nur die 4. hinter dem || Deim-Strohm 
beym Curischen Haff liegen- || de Fischer-Dörffer Peltzen, Lab- 
begienen, || Runderort, und Tacktau gelassen worden, so || daß 
jetzo die Litthauische Gemeine in Labiau || kaum 200. Personen 
starck ist. Dahero auch || nicht alle Sonntage ihnen vorgepre- 
diget || wird, sondern nach der Anzähl der Zuhö- || rer zum 
öfftern nur abgesungen, auch wenn || bey starcken Sturm- 


Winden die Litthauer || garnicht nach Labiau überkommen 


können, || gar keine Predigt'* gehalten wird“. 

Außer deutsch und litauisch wurde, wie gesagt, in und bei 
Labiau preußisch und kurisch gesprochen. 

In dem schon öfter zitierten lateinischen Briefe sagt Bretke, 
daß er nach Labiau berufen sei „cum Lituanicam [et] Pruteni- 
cam linguam mediocriter || teneam.. .“*. Preußen mit Länd- 
besitz werden um Labiau erwähnt”. In dem Schreiben des 
Konsistoriums über Bretkes Bewerbung um die Pfarrstelle von 
Scloßbach'* 1587 wird gesagt, daß es in Labiau „nicht || 
ıss E.M. 102e 4, Aktenheft von angeblich „14 Blatt“, präsen. 8. 6. 1658. 

1 5, 726 ff. 

185 In Druckfehlerverb. S. 877: „gar kein Gottesdienst“. 

180 Qu., S. 418, Z. 6-7. 

17” E.M.102d 2, Scharlak: „Greger Kalckh, ein preusch frey zu scharlaucken“, 
hat dort 6 Hufen. 

188 Früher Pillupönen. 

180 Qu., S. 430, Z. 15 ff., eingeg. 21. 4. 1587. 


50 


alleine Littauen, sondern auch Kuhren vnd Preußen, || daselbst 
hatt“, und Bretke, „welcher der Sprachenn, || der leutte vnnd 
gelegenheitt der Kirchen Kundigk“, schwer entbehrt werden 
könne. 

Die Kuren kamen von der Kurischen Nehrung herüber, die 
immer mehr versandete, und wurden hier wie im Amte Tilsit 
und Ragnit ansässig, wo sie in den beiden litauischen Regie- 
rungserlassen von 1578 neben den Litauern” erwähnt werden. 

Zu dem Labiauer Kirchspiel gehörten weit entlegene Dör- 
fer, so z.B. Tawe, Tawell und Kriszahnen (letzteres mit 27 km 
Luftlinie Entfernung von Labiau). Erst nach der erwähnten 
Einweihung der Kirche in Gilge am 24. Juni 1707 wurden die 
„Fischer-Dörffer als: Gil- || ge, Petrikken, Nemonin, Wippe, 
Juvent || und Agill“ von dem Labiauer Kirchspiel getrennt und 
zu Gilge geschlagen. 

Die Kirche war für die Bewohner dieser Dörfer, die zum 
Teil die Wildnis zu durchreisen hatten, was sie meist auf den 
Flüssen‘® mit ihren Kähnen bewerkstelligten, besonders bei 
den Frühlings- und Herbsstürmen nur schwer zu erreichen. 

Die Zustände unter den Pfarrkindern Bretkes schildert ein 
am 1. August 1549 erledigter Brief des aus Schlesien stammen- 
den Pfarrers Georg Reich an den Herzog®”. Er spricht zwar 
von dem weiter nordöstlich liegenden Gebiet von Tilsit und 
Kaukehmen, doch dürfte es in Bretkes Pfarrbereich wenig 
besser gewesen sein: 70- und 80jährige Leute können das 
Vaterunser nicht, unter 1000 Personen sind kaum 10, die das 
Abendmahl in ihrem Leben empfangen haben, an Sonn- und 
Feiertagen wird gearbeitet, „Es kommen etlich Eheweiber, 
klagen erbermlich wie'” ire Men- || ner seindt weggelauffen, 
Habe etliche solche weiber zu zweien || auch zu dreien Jaren, 
oder lenger, mit kleinen kindern im || Elendt gesessen, vnd 
dieweile kein hoffnung ist, das Ihre || weggelauffene Menner 


190 Gerullis, „Skait.“, S. 57: „per Kurschus ir lietuwnikus“, S. 62: „Daug 
Kurschu ir Lietuwniku.“ 

121 Supplikation „Der | kriszanen vndt Tabeller Im l Laubiau- 
schen“ (!). E.M. 102d 2 G-—Lauk. Siehe auch unten, S. 296. 

102 Qu. S. 414 ff. 

13 „wie“ — „daß“ in der Umgangssprache damals gebräuchlich, so auch z.B. 
Simon Grunau; Mitteilung Prof. Ziesemers. 


> 51 


solten wider kommen, So bitten sie || Orlob, andere Menner 
zunemenn, Welchs in vnser macht || nicht ist, Soll man sie dan 
kegen konigsbergk fur das || Geistlich gericht weisen, So ists 
solchen Armen leutenn, vnmug- || lich, haben die vnkosten nicht 
auszurichten, wissen sich auch in || die sach des Rechts nicht zu 
schickenn, Bleiben also ohne Ehe mitt || grosser fahr der Ge- 
wissen sitzen.“ Die Leichen werden zum Teil irgendwo auf 
dem Felde begraben, über sittliche Verkommenheit wird 
schwer geklagt usw. 

Auch die beiden schon erwähnten Regierungserlasse für die 
Tilsiter und Ragniter Kirchen von 1578 sowie die beiden 
Briefe Moswids"” zeigen ein ähnliches Bild: Höher gestellte 
Personen, die ein Vorbild geben sollten, sind 40 Jahre nicht 
zum Abendmahl gekommen und gehen nicht zur Kirche; die 
Litauer und Kuren treiben Hurerei und Götzendienst, allerlei 
Aberglauben und Zauberei mit Wachsbildern von Menschen, 
Tieren usw. 

Auch die Kirchenväter des Amtes Insterburg können dem 
Herzog in einem Schreiben‘” von 1585 „... nicht ber- || gen, daß 
in diesen Littawischenn || Orthe, deß mehrern Theils gar ein 
Barbarisches || vnnd Heidnisches volck...“ usw. wohne. 

Diese Zustände mögen für Bretke mit ein Beweggrund 
gewesen sein, nach dem N. T. und den Psalmen zuerst diejeni- 
gen Teile des A.T. zu übersetzen, die einen frommen, vorbild- 
lichen Lebenswandel zeigen, wie einige Apokryphen und die 
Weisheitsliteratur. 

Zu der in und um Labiau ansässigen Bevölkerung mit ihren 
vier verschiedenen Sprachen kamen besonders im Sommer, 
wenn die Ströme und das Haff schiffbar waren, noch viele 
Fremde, die durch Labiau reisten und dort Halt machten. Der 
ganze Schiffsverkehr von Wilna, Kaunas, Ragnit, Tilsit u. a. 
mit Königsberg und den westlichen Ländern vollzog sich auf 
der Wasserstraße: auf Wilja, Memel, Gilge, Haff, Deime und 
Pregel und ging somit durch Labiau, wo jedes Schiff je nach 
der Fracht ein gewisses Schleusengeld zu zahlen hatte. 


1 Gerullis, „Skait.“, S, 55 ff. und 61 ff. 
195 Gerullis, Tauta ir Zodis, IV, S. 426-432; siehe unten, 5. 404. 
1se F.M. 35e eingeg. 6. 12. 1585. 


52 


In dem Schreiben des Konsistoriums, das Bretke in Labiau 
halten möchte, an den Herzog?” heißt es, daß „...sonderlich 
bei sommer || Zeitten, viel frembdes volcks alda wanckett...“, 
desgl. in einer vom Labiauer Amtsschreiber Paul Pörner ge- 
zeichneten Eingabe an den Herzog‘ wegen eines neuen Schul- 
zen, „...das der fleckhen |] nicht allein wegen der mutwilligen 
einwohner, || Sondern auch wegen des fremden Hier durchrei- || 
senden volckhes vnd Teglichen Zufelle im Ambte...“ einen 
tüchtigen Schulzen an die Stelle des verstorbenen brauchte, 
der lesen, schreiben und „die SPrachen Könt.“ 

In einem Briefe vom 19. Juli 1587'* schreibt der Pfarrer 
und Konsistorialrat Artomedes an den Herzog, daß das Kon- 
sistorium Joachim Schenk, der als Nachfolger Bretkes vor- 
geschlagen wurde, geprüft hätte: „...Ist Vnns doch bedenk- 
lich, dz er an diesem ort, da der frembde Mann mit hauffenn 
hin Vnnd her reiset, Vnnd sich allerle (!) schwere fell zutragl[en] 
können, soll gesetzt werde[n] ...“, er müsse noch studieren, was 
er dann auch tat. 

Als Schenk dann Pfarrer in Labiau geworden war und 1616 
einen Adjunkt braucht, schreibt das Konsistorium u. a. an den 
Herzog?”, daß ein gewisser zu dem Posten vorgeschlagener 
Wichmann nicht nur gut litauisch könne, sondern auch tüchtig 
Theologie studiert hätte, „wer || auch zu Labiau nur solche 
Persohn || wegen vieler frembder Leute von || allerlej Religion 
durchzuges nötigk || vndt dienlichen .. .“ 

Noch Anfang des 18. Jahrhunderts heißt es in der öfter 
zitierten Beschreibung im „Erleut. Preuß.“ II, S. 714: „Sonsten 
ist die Stadt || Labiau wegen der starcken Passage derer zu || 
Wasser und zu Lande Reisenden sehr nahr- |] hafft.“ 

Eine genaue Beschreibung des Wasserweges und ein Bei- 
spiel für die „allerle(!) schwere fell“, die sich „an diesem ort, 
da der || frembde Mann mit hauffenn hin Vnnd her || reiset‘”", 
zutragen können, bietet „Erleut. Preuß.‘””: 


197 Qu., S. 430, Z. 14—15; eingeg. 21. 4. 1587. 

158 E.M. 102b 4, Aktenheft: „Labiau. Beamte. 1582—1693“; Datum 18. 8. 1585. 
19 F,.M. 102e 4. 

20 E,M. 102e 4, Aktenheft: „Pfarrer zu Labiau 1616“, Datum 15. 9. 1616. 
201 Siehe oben. 

202 „Erleut. Preuß.“, Bd. IV, 1726, S. 278 ff. 


53 


„die so genannte Wit | tinnen oder grosse Fahr Zeuge... welche mit 
sehr vielen reich-beladenen || Waaren jährlich aus dem Groß-Hertzog- || 
thum Litthauen nach Preussen herab kom- || men, und in Königsberg 
ihre Waaren nie- ll dersetzen, die von da weiter nach Deutsch- || land, 
Holland und Engeland verschiffet wer- l den. Diese Wittinnen kom- 
men, wie ge- || sagt, aus Litthauen her, und passiren zu erst ll bey 
Ragnit und Tilsit den breiten Memel- || strom; Darauff begeben sie 
sich beij Schan- || tzen-Krug, einer alten Schantze, und Zoll- || Kruge 
(wo der Memel-Strom zur rechten || in die Russe und zur lincken in 
die Gilge || fällt) in den Gilge-Strom. Aus demselbi- I gen sind sie 
vormals? Rautenburg vorbey zur || rechten Hand in die Krümme nach 
Gilge- || dorff gegangen, und allda ins Curische Haff || gekommen: 
Auff demselbigen haben sie drey | Meilen fortschiffen müssen, bis sie 
eine vier- || tel Meile vor Labiau bey dem Fischer Dorff || Peldzen, in 
den Deim-Strom angelanget, || da sie denn mitten durch die Stadt 
Labiau || Durch den so genannten Schleussen-Garten I immer in der 
Runde, biß nach der neuen I Deim beym Vorwerck Schmerberg ge- N 
gangen, von da sie in einer geraden Linie |] nach Tapiau in den Prege 
gekommen, und I durch denselbigen in die Runde nach Königs- I berg 
angelendet. Es sind aber diese grosse I Fahrzeuge die Wittinnen auff 
dem Curischen || Haff sehr unsicher gegangen, indem sie zum I öfftern 
von dene[n] da selbst brausenden starcken || Sturm- Winden, auff- 
gethürmeten Wellen || und auff getriebenen asser-Fluthen derge- 

stalt verunglücket worden, daß sie nicht nur l zuweilen zerscheitert 
und zerschlagen worden, || und dabey ihre Waaren und Gütter dem 

Wasser überlassen müssen, sondern daß auch || die darauff befindliche 
Menschen gutentheils |] selber haben müssen elendiglich ersauffen und 

im Wasser ihren Geist auffgaben. Hie l zu ist noch die Boßheit der 
Menschen ge- || kommen. Denn da die Preussische Landes- || Herrschafft 
höchst rühmlich verordnet, daß || die an dem Curischen Haff wohnende 
Fischer I solchen Wittinnen zu Hülffe kähmen, ihnen || in dem Wasser 
die eigentliche Bahn und || Gang zeigenten, und sie so viel möglich 
möch- || ten glücklich überbringen; oder wenn sie ja I wo auffm Lande 
oder im Marrast stecken || geblieben und verunglücket, wenigstens 

Menschen und Waaren retten möchten: So || haben unterschiedliche 
böse und gottlose Men- I schen solche Wittinnen mit allem Fleiß auff l 
die gefährlichsten Oerter gebracht, da sie || am allerersten verunglücken 
und die Men- || schen ertrincken können, damit sie sich nur | ihrer 
Waaren bemächtigen und damit || bereichern möchten. Wie man denn 
sonder- || lich zuletzt, ehe der neue Graben gezogen || worden, von 
sehr vielen traurigen Begeben- I heiten auff dem Curischen Haff ge- 
höret, l und von sehr vielen scharffen Inquisitionen I und Executionen 
gottloser Räuber und Menschen Mörder, die man theils auf- l hencken, 
theils mit dem Schwerdt hinrich- l ten, teils rädern und verbrennen, 


208 Vor Ziehung des Friedrichsgrabens. 


5 


und || sonst auff andere Weise vom Leben zum Tode || bringen, und 
ihnen ihren verdienten Lohn er- || theilen müssen.‘ 

- Somit war Labiau ein Ort, der große Anforderungen an 
die Sprach-, Welt- und Menschenkenntnis des dortigen Pfarrers 
stellte. 

Als Bretke nach Labiau kam, bestand dort eine Schule, wie 
damals fast bei jeder Kirche in Preußen, wie die entsprechen- 
den Kirchenrechnungen (größtenteils in den Ostpreußen- 
Folianten) zeigen, die neben dem „pfar“ einen „schulmeister“ 
nennen; so z. B. 1541 für Labiau?%, wo gesagt wird: „XXVII M 
Hat der pfar“ (folgt Aufzählung des Pfarrackers usw.), und 
gleich danach: „xij M dem schulmeister.“ 

Die Schulmeister an kleineren Orten waren, wie die ge- 
ringe Besoldung®* von 12 und 6 M. jährlich, ohne Land und 
nennenswerte Naturallieferungen (während der Pfarrer 20, 
27 und 50 M.?", meist vier Pfarrhufen und sonstige Einnahmen 
hatte), sowie ihr schneller Wechsel zeigt’”, genau wie die pol- 
nischen „zacy“ und die ukrainischen „Djaken“ (aus „Diako- 
nos“), junge Leute ohne Familie, meist Theologiestudenten 
ohne Abschlußexamen, die im Lande herumzogen, den Pfarrern 
halfen und sich gewöhnlich als „Schulmeister“ für eine gewisse 
Zeit verdangen, um so die Mittel für ihr weiteres Studium 
oder ihre Weiterreise zu erwerben. So schreiben der Königs- 
berger „Rector Vnndt Senatus || Academiae...“ am 1. Juli 1623 
in einem vom Herzoge angeforderten Gutachten über „Fride- 
ricus & Lingen“, der als Pfarrer für Auglitten in Aussicht ge- 
nommen war, „...Daß Er Von || Lingen Zwar für etzlich Jha- 
ren allhie nalen. sich |} aber nicht allwege bey der Vni- 
versitet aufgehaltten; || Sondern Zue Zeitten im Lande Her- 
umbgezogen, Vor- || wendende, daß er sich im Predigen Exer- 
cire...‘”® Ein „Franciscus Bauarus || S.S. Theologiae Stu- 
dios[us]“ erinnert den Herzog in einem Schreiben vom 6. Mai 
1600 daran, daß ihm Beförderung versprochen sei, und bittet, 
‚... weil ietzt der H[err] Lampertus Pfarrer Zur || Goltbach 


2% Ostpreuß. Fol. 1273, S. 122°. 

20 Fbenda, S. 123, desgl. Ostpreuß. Fol. 1274, S. 310". 
206 Wert des Geldes siehe unten, S. 63. 

207” Siehe Labiauer Schulmeister unten, S. 56. 

268 E,M. 137 c—d Bött., Aktenheft: „Auklitten.“ 


55 


Von E.F. Dht. An Ein Andern Ort bey || Holandt liegendt ver- 
versetzt ist worden...“, und die Stelle wieder mit einem 
Pfarrer besetzt werden müsse, „...Insonderheit mit || einem 
Solchem (!) der der Litiauischen sprache auch || erfahren sey, 
weil es An dem ort Viel Littaue[n] || hatt... E. F. Dht. 
wolten mich || armen Studiosum vor eim Andern, der ich auch || 
schon den gantzen winter auffgewartet habe, Zu || Solchem 
Pfardienst nach der Goldbach verhelffen || Vnd weil Ich (Dei 
benignitate) die Littauische sprache || Zimlich studiret, mich An 
Ermelten Ort Vnd Pfardienst || Versetzen...“; in einem Ver- 
merk auf dem gleichen Briefe heißt es etwas genauer, er hätte 
schon „...alhie Jm land Jn || schulen gedienet... .””. 

Da sie gewöhnlich, wie gesagt, nicht lange an einem Ort 
blieben, ist es nicht verwunderlich, daß so wenige Namen 
dieser „Schulmeister“ und so selten konkrete Angaben über 
ihre Persönlichkeit erhalten sind. 

So ist auch für die Zeit Bretkes erst 1577 ein Schulmeister, 
„Albertus‘”' genannt, „der litauisch predigte und sang“, des- 
gleichen ein Daniel Vrassus (Theol.), der in demselben Jahre 
angenommen wurde und im gleichen Jahre entlief, 1579 im 
Sommer unterzeichnet ein „Johannes Pyleannder (?)’”* Ludi- 
moderator in Labiaw“ die Concordienformel, der gleichfalls 
Theologe war, 1580 ist dort ein Christoph Weiner (Theol.), 
15853 ein Salomon (Theol.), von Anfang 1586 bis Mitte 1587 
Jochem Schenk (Theol.), der nach Vollendung seines Studiums 
in Labiau Bretkes Nachfolger wurde; 1589 „sind ein Haufen 
gewesen“. 

Somit könnte, soweit zu sehen ist, nur vielleicht jener 
Albertus für Bretkes Sprachkenntnisse von Bedeutung gewesen 
sein. 


Die Pfarrstellen in Bretkes nächster Nachbarschaft waren 
wie folgt besetzt: 


In dem etwa 5 km entfernten Legitten, wo 1531 ein preu- 
Risch predigender Pfarrer saß, der höchstwahrscheinlich Va- 


20 E.M. 137d, Goldbach, Aktenheft: „Pfarrer zu Goldbach 1600.“ 

210 Die Angaben über die Schulmeister verdanke ich Herrn Superint. Dos- 
kocil. 

211 Siehe Abb. 5, T. IV (unterschrieb nach Bretke). 


56 


een 


un 


lentinus Gersdorf hieß und 1558 dort starb”*, war, als Breike 
das Labiauer Pfarramt antrat, der 64jährige Conradus Listrius 
oder noch Hieronymus Musculus, der aber sicher bald von 
C. Listrius abgelöst wurde, da dieser 1567 das Corpus Doctrinae 
„Conradus Listrius pastor In Legitte[n]‘“”* unterschrieb. 

Es ist sicher der gleiche „Chunradus Listrius“, der von 
1534(?)—1555 Pfarrer in dem 25 km entfernten Heiligenwalde, 
von da ab bis zum Antritt der Stelle in Legitten aber noch 
woanders Pfarrer war, denn im Wintersemester 1566/67 wird 
in Königsberg ein „Caspar Lystrius, Heiligen waldensis“”* 
immatrikuliert, der also ein in Heiligenwalde geborener Sohn 
unseres Lystrius in Legitten war und etwa 1570 von dem „Ca- 
talogus Alum- || norum“ des Königsberger Alumnats „in Tartia 
Classe“ als „Casparus Listrius“ ohne weitere Angabe einer 
Sprache, die er beherrschte, aufgeführt wurde (siehe hierzu 
unten, S. 402). 1579 unterzeichnet er die Concordienformel 
neben seinem Vater „...Conradius Listrius Senior pastor La- 
gittensis || octuagenarius denuo” subscripsit‘*" wie folgt: „Ca- 
sparus Listrius junior pastor Lagittensis || manu mentogq[ue] 
subscripsit“”*. 

Vielleicht konnten beide Preußisch, denn sowohl Heiligen- 
wald wie Legitten liegt im preußischen Sprachgebiet, und ein 
Tolke wird weder hier noch dort genannt, dagegen in der Le- 
gittener Kirchenrechnung von 1594” „6 M tolckgeldt dem Herr 
pfar“, was nicht unbedingt bedeuten muß, daß der damalige 
Pfarrer M. Joh. Fabritius preußisch gepredigt hätte, denn es 
wurde das Tolkgeld den Pfarrern aus alter Gewohnheit noch 
einige Jahre hindurch gezahlt, ohne daß sie einen Tolken hielten 
oder selbst predigten; doch bedeutet dies, daß irgendwann, wohl 
nach C. Listrius, ein Tolke gehalten worden ist. 


212 Siehe Gerullis, „Zur Beurteilung des altpr. Enchiridions“, Streitbergfest- 
schr. S. 103. 

213 Siehe zum „Corp. Doctr.“ unten, S. 64. 

»14 9, 2. 1567, Erler, Königsb. I, S. 39. 

215 Er hatte die Concordienformel schon einmal auf S. 2r wie folgt unter- 
zeichnet: „Ego Conradus Lystrius aetatis meae 80 et ministerij 45 pastor 
Legittensis || Ecclesiae subscribo.“ Damals unterschrieb sein Sohn nicht, 

»10 5. 15v; siehe Abb. 5, T. IV, Abb. 29, T. XV. 

27 E,M. 102d 2 Leg. 


57 


Litauisch können beide Listrius also mindestens von Hause 
aus nicht gesprochen haben. 

Conrad Listrius starb wahrscheinlich Januar 1585. Sein 
Nachfolger und Bretkes Nachbar wurde ab 25. Februar 1585 
M. Joh. Fabritius, der noch 1603 im Amt war und das Tolkgeld 
erhielt. 

Wer um 1563 in dem 10 km entfernten Laukischken (oder 
Friedrichsburg) Pfarrer war, läßt sich nicht feststellen. 

1579 unterschreibt: „Daniel Gallus pastor Ecclesiae dei in 
Laukisch- || ken“ die Concordienformel, der wahrscheinlich da- 
mals vor nicht zu langer Zeit dort hingekommen war”“. Er 
konnte ausgezeichnet Litauisch, korrigierte bis zu Bretkes Weg- 
gang von Labiau nach Königsberg fast jedes biblische Buch des 
Bibelmanuskripts und später in Ragnit gemeinsam mit an- 
deren?" die „Postilla“ Bretkes. Er war noch 1602 im Amt und 
wurde 1607 nach seinem wohl in dem gleichen Jahre erfolgten 
Tode durch seinen Sohn, Andreas Gallus, abgelöst. 

In den etwa 20 km entfernten Kirchdörfern Posteniken, 
Rinau und Ceymen wurden preußische Tolken gehalten, so 
daß die betreffenden Pfarrer sicher nur Deutsch konnten. 


Die Pfarrstelle war, als Bretke nach Labiau kam, an Land 
mit 1,5 altkulmischen®” Hufen und 8,5 altkulm. Morgen Acker, 
Wiesen und Strauch dotiert, wozu noch ein „Pauer Erbe“ von 
21 altkulm. Morgen Acker und 9 altkulm. Morgen Wiesen und 
Strauch in Reickeninken, sowie ein Pfarrhube „hinder den 
Stegen“ kam, „so mangelt Jme noch dass er || 4 hueben nicht 
Voll hatt 6% Morgen“, Da hier eine altkulmische Hufe 30 
altkulmische Morgen hat, betrug die Gesamtfläche des Kirchen- 
ackers 113,5 altkulm. Morgen oder nach heutigem Maß 63,7 ha”. 
Das Gehalt betrug etwa 40-50 Mark?*”. Dazu hatte er „einen 


218 Genaueres siehe S. 247 ff. 

212 Siehe S. 102 ff. 

22° Zu den Angaben „altkulmisch“ usw. sowie zu den Umrechnungen in heute 
gebräuchliche Maße siehe Stein: Agrarreform, S. 20 ff. 

22 URS A255 Zr 10— 17; " 

>22 Nach der Kirchenordnung von 1568 (siehe Georg Grube: Corpus Constitu- 
tionum Prutenicarum..., Königsberg 1721, Pars 1, S. 9) war verordnet, 
„das an vermüglichen Oertern ein Pfarherr I soll haben 4 Huben Landes / 
und funfftzig Marck“. Labiau war nun kein besonders vermögendes Amt, 


58 


freien tisch“, aber doch wohl sicherlih, wie der „Schul- 
geselle“, nur als Unverheirateter*. j 

Naturallieferung hat er anfänglich vom Hause Labiau nicht 
erhalten, sondern nur 10 M. Bargeld, die ihm aber auch erst 
später zugelegt sein können, Bicdeuralls 1568 hatte er sie be- 
reits’”. 

Als Bretke nun im Herbst oder spätestens Ende 1562 nach 
Labiau kommt, heiratet er alsbald seine Verlobte, das Fräu- 
lein von Werthern, die er sicher schon aus der Zeit in Fried- 
land und Bammeln kannte. Sie war, als sie heiratete, bereits 
Vollwaise. Die Hochzeit hat Ende Januar oder Anfang Februar 
in Labiau stattgefunden. 


Es war damals üblich,. daß der Grundherr seinen Unter- 
gebenen eine Beisteuer zur Hochzeit spendete, und daß diese 
ihn darum angingen. So wurde auch der Herzog von höheren 
und niederen Beamten seiner Patronatsgebiete um einen Teil 
der Hochzeitsausrichtung gebeten; so wendet sich z. B. die 
Witwe „des Caplans auff dem berge“ in Königsberg 1559 mit 
einem Schreiben” an den Herzog, teilt ihm mit, daß sie den 
nach Tilsit bestimmten Pfarrer „Egidio“ (Löbel””) heiraten 


wolle: „...Dieweil aber mein seliger lieber Ehegath 


E.F.Dt. ein Zeitt lang gedienet, sich ije vnd allwegen 
aller gnaden Zu E.F.Dt. versehen, desgleichen auch mein 
itziger Breuttgam, Der Zuversicht Gnedigster Fürst 

. Vnnd Herr, Hab ich nicht vnderlassen können (, vnd 
sonderlich das ich weiß, daß E.F.Dt. Den Sehlsorgern 


obwohl es der Herzogin Anna Maria bei der Hochzeit als „Leib gedings 
Ambt“ übereignet wurde (Doskocil; Lohmeyer: Nostitz, S. 104 Anm. 3). 
Das Gehalt des litauischen Pfarrers Willent in Königsberg, der keinen 
Acker, sondern nur ein gewisses Deputat hatte (siehe unten, S.89 Anm. 353), 
betrug damals 70 M., es wurde aber wahrscheinlich 1563 auf 90 M. er- 
höht, da er mit seinem Gehalt nicht auskam (siehe unten, S. 71); somit 
dürften die vier Pfarrhufen Bretkes mit 40—50 M. in Anschlag gebracht 
worden sein. 

228 Ostpreuß. Fol. 1273, S. 122”, 1541, siehe auch Bretkes Angabe, er müsse 
heiraten, weil er nicht im Gasthause speisen könne (unten, S. 60, und 
Qu., S. 418, Z. 10 ff.). 

22 Siehe unten, S. 304 ff. 

2» Qu., S. 423, Z. 24f. 

220 E.M. 138 ee, registr. 2. 7. 1559. 

2” Arnoldt, Nachr. II, S. 137. 


59 


gnedigst gewogen.) E.F.Dt. mit Diesem meinem geringen 
Schreyben In aller vnderthenigkeyt zu besuchen gantz vnder- 
theniglich biettende, dieweil wir von beyden theilen 

arm siend vnd wenigk vermögen, E.F,Dt. wolden 

das lohn von Gott dem allmechtigen nemen, Vnd vns mit 
einer kleinen steuer, Zu solchen Hochzeitlichen früden 

in gnaden Zu Hülff komen, es sey warmitt es wolle...“ 


Darauf wurde ihnen vom Hause Tilsit „1. fas bir || 6. scheffl 
Rock[en]** || 2 schefl weitzen?* || [item] ettwas fleisch“ ange-' 
wiesen. 

Ebenso weist „Thomas glaiboth“, „Jeger Zu Labiaw“, 1573 
in einem Schreiben?” auf seine elfjährige Dienstzeit hin und 
bittet den Herzog, er wolle ihm zu seiner „...hochzeitlichen 
freüde, etwan mit 6 scheffeln || Rocken. auch einem par fasse 
bier. vnd etwan || mit einem Elendt. aus gnaden behülfflich 
sein. 

So wendet sich auch Bretke vor seiner Hochzeit, Anfang 
Januar, in einem für die damalige Zeit recht guten Latein’* 
an den Herzog, seinen Patronatsherrn — es ist das erste er- 
haltene Schreiben von seiner Hand. 

Bretke kann nicht wie andere bereits auf irgendwelche Ver- 
dienste oder eine längere Dienstzeit beim Herzog hinweisen, 
so stellt er seinen Dienst in Labiau als Dank gegen das Vater- 
land, die Freunde und die Eltern für die empfangenen Wohl- 
taten hin, denn nach den Worten Ciceros gäbe es „nihil enim 
magis pium, nihil honestius, [quam] || patriae parentibus [et] 
amicis pro acceptis beneficijs gratias referre“ und erinnert 
nicht nur durch das klassische Zitat zu Anfang und durch das 
Latein voller Perioden, sondern auch noch ausdrücklich durch 
Erwähnung seiner litauischen und preußischen Sprachkennt- 
nisse an seine Gelehrsamkeit und seine Fähigkeiten. 

Bretke gibt als Grund seiner Eheschließung an, daß das 
Haushalten ohne Frau und das Speisen in einem Gasthause, 
wo täglich das gemeine Volk lärmt, für einen gelehrten Mann 
(wie ihn) beschwerlich sei?”. Er bittet, weil er „ob sumptuum 


228 6& altpr. Scheffel Roggen = 222,2 kg oder rund 4,5 Zentner. 

222 2 altpr. Scheffel Weizen = 77,1 kg oder rund 1,5 Zentner. 

20 E,M. 102b 2, Datum 16. 1. 1573. 

2: Nach dem Urteil von Herrn Professor Dr. Theiler, Königsberg. 
22 Qu., S. 418, Z. 10#f. 


60 


penuriam [et] facultatem || tenuitatem“ die Hochzeit nicht 
„usitato [et] honesto more“ feiern könne, um die nötigen Le- 
bensmittel; der Herzog wäre seine letzte Hoffnung. 

Darauf wird das Haus Labiau am 20. Januar 1565 angewie- 
sen, ihm 3 Scheffel Weizen?®, 6 Scheffel Roggen’*, ein Maß Bier 
und einen halben Ochsen zu geben. 

Bretke feierte Hochzeit und begann sein Leben in Labiau 
als Pfarrer und Ackerbürger. 

Wie Ostermeyer berichtet””, ist er „der erste, der in Labiau 
ohne Tolken || gepredigt“, wobei sich Ostermeyer vielleicht 
wie Arnoldt in den „Nachrichten“ auf „Stimers Bericht“ oder 
auch nur auf Arnoldt stützt, bei dem es heißt: „weil er der 
littauischen Sprache mächtig war, || predigte er nach Stimers 
Bericht ohne Tolken oder Dollmetscher.“ 

Fraglos hat Bretke aber nur deutsch und litauisch gepre- 
digt, denn in dem Schreiben der Labiauer Amtskanzlei an 
Georg Friedrich vom 9. Juli 1584” heißt es von Bretke: „das 
ehr zu der || deutschen predig auch Littauisch predigen muß“, 
und deshalb solle der Kirchendezem der Litauer etwas erhöht 
werden, damit er „seines Ambtts in Beiderley || Sprachen mitt 
desto mehren vleiß vnd nutzs“ obwarten könne. 

Die dortigen Preußen und Kuren werden sicher bereits 
entweder Deutsch oder Litauisch verstanden haben. Bretke 
hätte an den verschiedenen Stellen in seinen Briefen an den 
Herzog, wo er um irgendwelche Vergünstigungen bat, dabei 
seine Verdienste um die Kirche hervorhob und von seinen 
deutschen und litauischen Predigten sprach, sicher nicht ver- 
schwiegen, wenn er auch preußisch oder kurisch gepredigt 
hätte. So schrieb er in einer am 18. Dezember 1568 erledigten 
Eingabe’* an die Regimentsräte: „das Jch der || kirchen Christi 
Zu Labiaw beide Jn Deüttscher || vnd Littawscher sprace...|| 
mit predigen vnd Sacrament reichen...||... hab || für gestan- 
den...“, in einem am 23. Februar 1569 beantworteten Briefe 


233 152,17 Ltr. = 115,65 kg, rund 2,3 Zentner. 

»3® Rund 4,5 Zentner, siehe S. 60 Anm. 228. 

?35 „Liedergesch.“, S. 18. 

se I], S. 49. 

2” E.M. 102e 4, Aktenheft von 14 Blatt, Blatt 1. 
2s8 Qu., S. 419, Z. 11—15. 


61 


an die gleichen’®: „...dieweil Jch meinem Vaterlandt ]n deüt- 
scher || vnd Littauscher sprache nach Vermugen ]n meine[m] | 
ampt Zu dienen, nicht indler|gelassen...“, am 29. März 1570 
an den Bischof’, wenn ihm seine Forderungen erfüllt würden, 
wäre er „...erputtig dieser Kirchen... ||... Jn deudscher vnd 
littauischer sprache || wie bishero geschehen, auch ferner vor 
Zustehen“, an Georg Friedrich in einem am 21. Juli 1580 ein- 
gegangenen Schreiben”: „das Jch nun gantzer Acht Zehen Jhar 
der Christ- || lichen Kirchen Zu Labeaw beide in Deutscher vnd 
Litta- || wischer sprache...|| gedienet“, in einer am 3. Juli 1584 
‘erledigten Supplikation’” an den gleichen: „das ich zu Labiaw 
Jtzt fast vmgehender Zwey || vond Zwantzig Jhar fur Einenn 
Pfarherr, beide || Jnn Deutscher vnnd Liettauscher sprach, 
gedienet || habe“, in seiner Bewerbung” um die Pillupöner 
Pfarrstelle endlich, die am 27. März 1587 eingegangen ist, 
gleichfalls an Georg Friedrich, daß er fast ein alter Diener sei 
„...Vvnd so || eine lange Zeit beide der Deütschen vnd Lit- || 
tauschen Kirchen ... gedie- || net“. 

Es wäre Gelegenheit genug gewesen, von seinen preu- 
Rischen und kurischen Predigten zu sprechen. Bretke hat also 
nur in der individuellen Seelsorge und im persönlichen Ver- 
"kehr Preußisch und Kurisch gesprochen. Wie schon angedeutet, 
suchten die Regierung und das Konsistorium Bretke hauptsäch- 
lich seiner Sprachkenntnisse und seiner theologischen Gelehr- 
samkeit halber, die im Verkehr mit Leuten von allerlei Be- 
kenntnis nötig war, immer wieder in Labiau zu halten“*, 

Aber so viel Erfolg Bretke auch infolge seiner Fähigkeiten 
als Pfarrer hatte, so wenig glückte es ihm als Ackerbürger. 
Im Laufe der ersten vier Jahre borgt er sich von „gutten 
leudten“”* in Labiau etwa 100 Florinogulden (= 150 preu- 


2» Qu, S. 421, Z. 2—3. 

220 Qu., S. 423, Z. 39—42. 

21 Qu., S. 426, Z. 24. 

222 Qu., S. 427, Z. 30-33. 

238 Qu., S. 429, Z. 19-20. 

' 24 Siehe z. B. unten, S. 85. 

2 In der Verschreibung von 150 M. der Herzogin Anna Maria (E.M. 102e 4, 
Datum 26. 12. 1567) heißt es von Bretke, er habe „...gutte leudt vmb 
hulff anruffen ll vnd sich Jn schulden stecken mussen welches l sich vn- 
geferlich Jnn die einhundert gulden l verlauffen solle...“ 


62 


Rische Mark), was ungefähr das Drei- bis Vierfäche der Summe 
ausmachte, die er jährlich an Bargehalt erhielt’. - 

Anstatt daß jetzt, wo Bretke im Amt war, seine Studien- 

schulden abgetragen wurden, die er auch Anfang 1569 noch 
nicht bezahlt hatte”, kamen noch ganz ansehnliche weitere 
Summen hinzu. 
Wie war das möglich? Er hatte doch fast 4 Hufen (63,7 ha) 
außer seinem Bargehalt; selbst wenn der Acker z. T. schlecht 
oder auch anfangs noch nicht recht urbar war, so war min- 
destens das Land an der Kirche in Ordnung und das Land in 
Reikeninken nicht schlecht, da Bretke später dort noch eine 
Hufe durch Tausch zu gewinnen sucht, die er auch bekommt. 
Der Bauer von damals hatte, wie die Landverleihung des 
Ordens an Kolonisten zeigt, gewöhnlich zwei altkulmische 
Hufen (33,62 ha), was bereits als ein vollwertiger Bauernhof 
angesehen wurde, während ein Einhüfer, d. h. der Besitzer 
nur eines „Bauernerbes“, für armselig galt’*. 

Man konnte also zur Not von einer Hufe leben, Bretke 
hätte aber bei einigem guten Willen im ungünstigsten Falle 
nach einem Jahre über 2% Hufen in Ordnung und hinfort den 
entsprechenden Ertrag haben können. 

Dazu kam, wie gesagt, das Gehalt von 40-50 M. 


Um eine Vorstellung von dem Werte des Geldes zu er- 
halten, seien folgende Preise aus der 2. Hälfte des 16. Jahr- 
hunderts mitgeteilt, wobei zu beachten ist, daß nach 1540 die 
Preise langsam ansteigen”. 


1559 Tapiau für 10 M 20 alte Schafe 
1559 n „ 9 M 30 Lämmer 
1575 Tilsit „ 10 M 385,5 kg Weizen (1 Ztr. = 1,5 M) 
1575 „ 10 M 49,1 kg Butter (1 kg = 0,2 M) 
1576—77 Taplacken „ 10 M 22 kg gute Schafwolle (1 Pfund 0,46 M) 
.1576—77 ” „ 10 M 27,5 kg schlechte „preusche“ Wolle 

(1 Pfund 0,37 M) 
1576—77 „ » 6-10 M eine alte Stute 
1576—77 ” bis 60 M eine gute Stute 


:16 Wert des Geldes siehe hier unten. 

217 Siehe weiter unten. 

218 Siehe R. Stein, Agrarverfassung, S. 113 ff. 

4 Mitteilungen von Herrn Dr. Stein, Königsberg. 


63 


1583 bei Memel für 10 M eine alte Stute 


1583 „ re »„ 15 M ein Wallach 

1583 „ > »  8M ein alter Wallach 

15853 „ hs » 7 M eine Kuh 

15835 „ .n »  6M eine Sterke 

1583 „ 5 » 3 M ein Bulle im zweiten Jahre 

1583 „ 10 M 120 Hühner 

1585 een „ 10 M 932,48 kg Hafer (1 Ztr. — 0,54 M) 
1595 Tilsit „ 10 M 462,85 kg Roggen (1 Ztr. = 1,08 M) 
1599 Taplacken „ 7—10 M eine Kuh. 


Wenn das Gehalt somit auch dürftig war, so war es doch 
ein ausgezeichneter Zuschuß zur Wirtschaft und auch nicht 
anders gedacht. 

Nach vier Jahren, Ende Mai 1567, ist Bretke in Königsberg 
und nimmt an der Generalsynode?” teil, auf der durch das 
„Corpus Doctrinae“, das von den anwesenden Pfarrern durch- 
beraten, angenommen und unterschrieben wurde, den osian- 
drischen Wirren ein Ende gemacht werden sollte“. 

Möglicherweise übergab Bretke schon damals den zustän- 
digen Stellen persönlich?” ein Bittgesuch an die Herzogin Anna 
Maria, in dem er seine Not schildert, an der der schlechte 
Acker und das geringe Gehalt schuld sein sollen, und bittet 
um 100 Florinen, um seine Labiauer Schulden bezahlen zu 
können. Jedenfalls forderte die Herzogin in der 2. Hälfte des 
Jahres 1567 von dem Labiauer Amtshauptmann und dem dor- 
tigen Amtsschreiber Paul Pörner einen Bericht über Bretkes 
wirtschaftliche Lage, worauf sie ihm in einer Verschreibung 
vom 26. Dezember 1567 die 100 Florinogulden (= 150 preu- 
Bische Mark) zur Tilgung seiner Schulden zu geben verspricht, 
und zwar in drei Raten zu 50 M. Gleichzeitig bekommt das 
Amt Labiau Anweisung, Bretke drei Jahre hindurch je 50 M. 
außer seinen sonstigen Bezügen zu geben”. 

Bald darauf erhielt Bretke die erste Rate’“. 

Die Herzogin Anna Maria wurde öfter von Leuten aus 


250 26.—30. 5.1567. Abb. 4, T. III. 

25 Arnoldt, Kirchenhist., S. 313 ff. 

252 Chr. Alzunius war bereits besoldeter Hofrat Albrechts (Forstreuter, 
Alzunius, Altpr. Biogr., S. 11, und oben, S. 36). 

:» E.M. 102e 4; siehe oben, S. 62 Anm. 245. 

253 Qu. S. 421, Z. 6f. 


64 


ihrem „Leibgedings Amt Labiaw“ in der Not um Hilfe ge- 
beten: 1554 bitten die Kirchenväter sie unter Berufung auf 
ihre Zugehörigkeit zu dem „Leibgedinge“ um Ziegel für das 
Schulhaus’®, 1567 klagen die Kirchenväter über ihren Bürger- 
meister”; dem Amtsschreiber von Labiau, Daniel Brachwitz, 
verschreibt sie auf seine Supplikation 300 M., die in drei Jah- 
resraten zu 100 M. gezahlt werden sollten” usw. 

Doch wie sich bald zeigen wird, ist Bretke mit dem Gelde 
nicht geholfen, die Labiauer Schulden werden nicht getilgt, 
und die sechs erhaltenen Briefe aus der Labiauer Zeit sind 
ausnahmslos Klagebriefe über seine schlechte Wirtschaftslage, 
deren Grund der minderwertige Acker und das geringe Ge- 
halt sein sollte. 

Hier entsteht die Frage: Hat Bretke in diesen Briefen an 
seine Obrigkeit die Unwahrheit gesagt, oder ging es ihm tat- 
sächlich aus irgend einem Grunde schlecht? 

Die Durchsicht der entscheidenden Stellen in den Klage- 
briefen hilft weiter. Es sind folgende: 


(An den Herzog, Mitte März 1563) - 
„...cum ob sumptuum penuriam [et] facultatem 
tenuitatem, nuptias celebrare usitato [et] honesto more non possim‘258 


(in dem Konzept zur Verschreibung der Herzogin vom 26. De- 
zember 1567 heißt es von Bretkes Gesud, er hätte:) 
»... furgebracht, 

Wie25 er einen geringen Acker vnd kleines 

einkumen zu seinem Pfarambt 

neben geringer besoldung hette. Darbej 

er sich etzliche Jar her nicht erhalten künnen. 

sondern gutte leudt vmb hulff anruffen 

vnd sich Jn schulden stecken mussen‘2% 


(an die Regimentsräte, erled. 18. Dezember 1568)... 
„»...Hette mich auch verhoffet, das 
dieweil Jch des altars daselbs pflegte, Jch auch 
von demselbigen meine notturfftige leibes vn- 
terhaltung haben würde. Nun aber hab Ic 


25 F,M. 102e 4, Pack 3. 

2° E.M. 102e 4, Pack 3. 

257 E.M. 102b 2. 

258 Qu., S. 418, Z. 14 ff. 

2» „wie“ — „daß“, siehe S. 51 Anm. 193 und S. 188. 
260 Siehe oben, S. 62 Anm. 245, 


5 Falkenhahn, Bretke 65 


diese gantze Zeit vber, der vier pfarhuben. auch 
souiel nicht genissen können (denn es sehr 
nidriger, sumpffichter vnd Seegründiger acker ist) 
das ich dauon bier vnd brott zu vnterhaltung 
meines hauses hette haben können. Sondern 

hab sampt weib, Kindern vnd gesinde alleine 
von der Jerlichen besoldung leben müssen .. .“2% 


(an die Regimentsräte, beantw. 23. Februar 1569): 
»...Jch... || ... habe 
zuerkennen geben das Jch Zu Labiaw einen vnfrucht- 
baren acker habe, vnd mich von der blosen besoldung 
Jtzt fast sieben Jhar nicht erhalten können, sondern 
damit Jch weib und Kindt erneren möchte, mich ]n 
merckliche schülde hette stecken müssen .. .“22 


(an den Bischof, der vor % Jahr visitierte, Datum 29. März 


1570): »...Das auch, dieweil der 
acker so die kirche noch hat? Zürstrewet, 
weit abgelegen. vnd ein Pfarherr dessen 
ein gutt teil Zu seinem nutz nicht brauchen kan...?% 
wenn die Wünsche nicht erfüllt würden...“ Zwinget 
mich die große armut, vnd schult, darein 
Jch mich diese acht Jhar vber nothalben habe 
stecken müssen...“, daß er sich woanders hin begibt. 


(an den Herzog, eingeg. 21. Juli 1580): 
»:.. (Weill aber Doselbst eine gar geringe 
vnterhaltung, vnd sunsten der Acker welcher Zwar 
an Jhm selber nicht so gahr böse) von...“ dem Pfarrhause 
z.T. weit abgelegen, machen ihm die Bauern viel Schaden, 
so daß er in Schulden geraten ist und all sein Vieh ver- 
kaufen musste?%, 


(an den Herzog, erled. 3. Juli 1584): 
„...Kann Aber... 

Abermahl nicht Vorhaltenn, das 
die Einkunfte daselbs Also geschaffenn, das ich ]n 
Eusserster Armutt dieselbige lange Zeit mit weib 
Vnnd Kindt, Hab lebenn mussenn, welchs Am meis- 
tenn dahero kommenn, das der Kirchenn Acker nicht 
Alleine nichts taug, sondernn die helfte fast vber ein 


261 Qu. S. 419, Z. 15—22. 

28271. 9.420, 2, 21—29. 

es Ein Teil des Ackers ist ihm inzwischen abgenommen. 
I (Of Br Ar : 
205 Qu., S. 426, Z. 5 ff. 


66 


virtelweges?® Abgelegenn ist, da ich Jn denn nicht Allein 
mit Zwifachenn Vnkostenn beerbeittenn, sondernn 

auch Leidenn mussenn, das mir von den Einwonnern 
Jm dorff Regnikenn, Jerlichenn meinn Gedreidich, 
durch Jhr viehe ist Abgefretzet wordenn, Ja Auch stets 
bestolenn, wie mir denn das vergange ne Jhar in die 
4 fuder gebundene gerste hinweg gefuret ist wordenn 
Weil mir denn Jnn solcher Eusserstenn Armutt 

vnnd Vngelegenheit mit Weib vnnd Kindern 
Zuuorharrenn vnmuglich, als Zwinget, mich die hehe 
noht...“, um Versetzungen an ein „...bessers vnd 
Ruhesamer ortleinn...“ zu bitten?%, 


(an den Herzog, eingeg. 27. März 1587): 
„...das Ich 

auch... mich sampt weib vnd Kindern 
hinfort nicht entsetzen Kan, denn ob wol die 
stehende besoldung sich auff 60 fl? erstrecket, 
so sind doch dargegen hier Keine Acciden- 
tia?®% wie anderswo, vnd die Pfarhuben, so 
nidrig. naß, Kalt, vnd vnfruchtbar das 
Jch kein Jhar meines hau 
ses notturfft 
an Bier oder Brot habe bawen Können, 
sondern alle Zeit meine besoldung vor 
der Zeit auffheben, vnd in die heushaltung 
stecken müssen...“ 

Weil die Jahre immer schwerer werden. 

»...vad mir Jmer- 

dar in solcher armut Zu leben gar beschwerlich, 
Zwinget mich die eusserste noth vnd armut, 
das Jch meine verbesserung anderswo suchen 
moß.. “270 


Es fällt auf, daß sich Bretke betreffs der Güte und Brauc- 
barkeit des Pfarrackers erheblich widerspricht. Während er 
an die Regimentsräte Dezember 1568 schreibt, daß er mit Fa- 
milie und Gesinde „alleine || von der Jerlichen besoldung leben 
müssen“, 1569 an die gleichen, daß er einen „vnfrucht- || baren 


206 eine Wegstunde etwa 5 km. 

207 /QYu., 32427. 70 55.88: 

2 fl — Florinogulden; das Anfangsgehalt ist im Laufe der Labiauer Zeit 
erhöht worden, siehe unten, S. 831. 

2 Akzidenzien — Gelegenheitseinkünfte der Geistlichen für Begräbnisse, 
Taufen, Trauungen usw., Stolgebühren. 

270 Qu., S. 428, Z. 45 ff. 


a 67 


acker“ habe und sich „von der blosen besoldung || Jtzt fast 
sieben Jhar nicht erhalten können“, drückt er sich 1570 in dem 
Briefe an den Bischof, der vor % Jahren da war, vorsichtiger 
aus: „...dieweil der acker so die kirche noch hat“, zer- 
streut und weit abgelegen sei, „vnd ein Pfarherr dessen |] ein 
gutt teil Zu seinem nutz nicht brauchen kan“, ja, in dem Schrei- 
ben an den Herzog von 1580 gar „der Acker welcher Zwar || an 
Jhm selber nicht so gahr böse“, nur weit (2 km) abgelegen sei. 
In dem Briefe an den Herzog von 1584: „...das der Kirchenn 
Acker nicht || Alleine nichts taug“, sondern auch abgelegen sei; 
ähnlich 1587 an den gleichen. 

Das heißt also, daß der Acker mindestens zu einem großen 
Teile durchaus brauchbar war, und Bretke auch eine Landwirt- 
schaft mit Gesinde betrieb, wie aus dem Schreiben von 1568 
hervorgeht, wo er sein Gesinde erwähnt. 

Hat Bretke somit die Unwahrheit gesagt? 

Sieht man die Privatkorrespondenz anderer Geistlicher und 
Beamten mit ihrer Behörde aus jener Zeit durch, so zeigt sich, 
daß auch sie zum größten Teil aus Klagebriefen über schlechte 
Wirtschaftslage infolge geringen Einkommens besteht und in 
gleichem Ton geschrieben ist, so daß hier ein gewisser „lite- 
rarischer Stil“ vorzuliegen scheint, in dem die Wünsche nach 
Einkommensverbesserung zum Ausdruck kamen, ohne daß in 
jedem Falle’eine wirkliche Not die Veranlassung zu einer sol- 
chen Klageepistel gewesen zu sein brauchte. 

Auffällig ist die verhältnismäßig große Zahl der von Bretke 
erhaltenen Supplikationen, die m. W. die der anderen Geist- 
lichen übertrifft. Es mag Zufall sein, daß gerade von Bretke 
so viele erhalten sind, hängt aber auch möglicherweise mit 
seinen Beziehungen zusammen, die er nach oben hin hatte, die 
ein Gesuch von vornherein viel aussichtsreicher erscheinen 
ließen. 

Doc die Tatsachen, daß Bretke sich im Laufe von vier 
Jahren eine so große Summe leiht, daß er sich seine Ernte vom 
Felde stehlen läßt und schließlih zur Befriedigung seiner 
Gläubiger seinen ganzen „viestvnd“ verkaufen muß, bezeugen, 
daft er tatsächlich ernstliche wirtschaftliche Schwierigkeiten 
hatte. Das ist unter den oben dargestellten Umständen nur 
möglich, wenn Bretke und seine Frau schlecht wirtschafteten. 


68 


Ostermeyers Worte im „Preuß. Archiv‘”“, die er schrieb, 
nachdem er die Verhältnisse auf dem Lande 54 Jahre”? lang 
selbst gesehen und erlebt hatte, scheinen — obwohl 200 Jahre 
später geschrieben — Bretkes Fall zu charakterisieren: 

„Hätte der I Prediger an manchen Orten den Akker nicht so l müßte 
er umkommen; und wie wenn er zur 1 Wirtschaft keinen Hang hat; 
wenn er, wie sehr N oft geschiehet, vom Akkerbau keine Kenntniß 
hat. ll und eine Frau bekommt, die auch nichts davon ver- || steht; so 
kann davon doch wohl keine andere Folge || als die bitterste Armuth 
seyn...“ 


Einige Stellen in den Briefen Bretkes zeigen, woran es lag: 
(An die Regimentsräte, erled. 18. Dezember 1568) 
„Bitte dem- 

nach Zum demüttigsten ewere G:G: vnd herr- 

ligkeit wollen hiefurder die vier pfarhuben ]n 

F.D. vnsers gnedigsten herren nutz wenden, 

vnd mir an stadt derselbigen, von dem hause 

Labiaw ein Jerliche ausspeisung mildiglich reichen 

lassen. dabey Jch mich entsetzen, meiner studia hin- 

fürder desto ruhesamer warten, vnd also der 

kirchen Christi mit mehrerm nutz vorstehe muge...“?7? 


(an die Regimentsräte, beantw. 23. Februar 1569) 

er hatte gebeten 
»...ewere g.g. vnd herrligkeiten wollen die verschaf- 
fung thun, das Jch an stadt des bösen ackers ein Jer- 
liches deputat an getreidich vnd andernn haben möchte 
dabej Jch mich entsetzen kündte...“?”4, doch ist ihm seine 
Bitte nicht erfüllt worden, daher bittet er wieder „...ewer 
g.g. vnd herrligk: wollen... 
die verschaffung thun. das mir anstadt der vier 
pfarhuben auch ein Jerliche Ausstewer vom Hause 
Labiaw gereicht werde, damit Jch meines studirens 
deste Ruhesamer warten vnd meinen pfarkindern 
deste mit mehrerm nutz furstehen möchte...“ 


(an den Herzog, eingeg. 21. Juli 1580) 
»... Jch auch neben der großen drue- 


kenden Armuth meine Studia, vnd sonderlich die 
Arbeit wormit Jch viel Jhar vmbganyen, nemlich die 


1 „Preuß. Archiv“, 1795, Artikel: „Fortsetzung der Nachrichten von den 
Litthauischen Kirchen“, S. 395. 

?2 Ebenda, S. 392. 

273 Qu., S. 419, Z. 32—38. 

27a Qu., S. 420, Z. 29 ff. 


69 


vornehmen Bucher Altes vnd Newen Testaments in 

Die Littawische sprache Zu vbersetzen (weill Die Nation 

Gott beßers, biß anhero in Jhrer sprache derer bucher 

gahr Keine gehabt) nicht Kan, wie Jch gerne wolte, 

Continuiren vnd vortstellen .. .“275 
er möchte daher fort von Labiau, wenn der Herzog ihn aber 
da haben will, bittet er, ihn 


»... von dem schweren haußhaltn 

Des Ackerbawes zu entledigen...“ und „...mit notturff- 
tigem Brott vnd Vnterhalt Zuuersorgen. Dagegen 

Könten E.f.Dt. die 4 Pfarhuben annehmen vndt 
dermaßen anwenden, das dieselben viel mehr nutz 

vnd besten als Jch gehabt, daruon haben Konten ...“?7e 


Es ist klar, daß Bretke für die Landwirtschaft kein Inter- 
esse zeigte; er wollte in der Zeit, die ihm der Pfarrdienst ließ, 
seinen gelehrten Neigungen leben, litauische Übersetzungen 
anfertigen, und nicht in der Wirtschaft nach dem Rechten sehen. 
Er, der in Wittenberg studierte und ein reges Interesse außer 
für seine Theologie noch für Sprachen und Geschichte hatte, 
er, der „homo studiosus“, der wegen des Lärmens des gemeinen 
Pöbels nicht im Gasthause speisen konnte und deshalb heiraten 
mußte, war gezwungen, in seiner Freizeit einen Teil seines 
Einkommens auf dem Felde zu verdienen! Wenn auch eine 
gute Dosis Ehrgeiz mitgesprochen haben mag, so ist doch nicht 
daran zu zweifeln, daß Bretke, wie kaum ein anderer Geist- 
licher der damaligen Zeit, nach dem Examen auf seiner Pfarre 
weiter gearbeitet hat: Schon in Labiau übersetzte er das 
„Kleine Corpus“ von Judex, das Neue Testament, die Psalmen 
und weitere Bücher des Alten Testaments und sicher noch an- 
dere Werke, von denen die Zeit, in der sie übersetzt wurden, 
nicht feststeht; außerdem schrieb er dort mindestens einen 
Teil des „Chronicon“. Weiter lassen eben dieses „Chronicon“ 
sowie die zahlreichen Exzerpte aus Schriften Luthers, Meland- 
thons, Bullingers, Vatablus, Osianders, Münsters, Pellicanus, 
Marlorats, Lyras u. a. am Rande und auf freien Blättern der 
Bibelhandschrift, sowie die verschiedenen benutzten Bibelaus- 
gaben?”, von denen er doch sicherlich einen Teil selbst besessen 


275 Qu., S. 426, Z. 16-24. 


276° Qu., S. 426, Z. 35—39. 
277 Siehe den 2. Teil dieser Arbeit. 


70 


haben wird, auf eine verhältnismäßig sehr große eigene Biblio- 
thek schließen. 
Wie sonst eine Pfarrbibliothek damals aussah, zeigt das 
Gesuch des Pfarrers Leonardus Budonianus in Rhein’*, 
»...bey der Kirchen an Buchernn, 
das auch nicht ein einige Bibel oder vffs 
wenigist mit einem Neuen Testament, Jre 
lehr ZubeZeugenn, die kirch[en] versorget. 
Dieweill aber solchs m.g. Dh [en]. Zum offternn 
mhal[en] ernnstlich beuolh[en], Salche vnd der- 
gleich[en] kirchen notturfft Jn vorrath ]n 
die Jnuestaria den kirch[en] Zum besten Zu- 
bestellenn, Vff Salche Ir. f[en]. g[en]. 
gnedige meinung hot abgemelter pfarher 
der kirch[en] Zum bestenn vnd derselbenn hohlen] 
notturfft, die hernach geschriebenenn 
bucher bestelt. 


Erstlich[en]. 
Nicephorus Ecclesias: Histo: [con]stat vi} (6,5) M 
Eusebius \/ (4,5) M 
Primus K 
Secundus 
Tertius Thomus Lutheri [con]sta[n]t XX M 
Quartus Latine 
Quintus 
Sextus 


Dise Bucher bit der pfarher vffs vnderthenigst 
von wegen seines kirchspils Ir. ffen]. g. wollen vorgünen vam 
gemeinem kirch[en]gelt Zubetzalen, vnd der 
kirchenn Jns Jnuentarium, als ein hohlen] Schatz ]n- 
uentiren lassen, damit sich derselben Jre pfarher 
Jeder Zeit Zugebrauch[en].“ 

Auch Willent muß dem Herzog 1554 untertänigst vor- 
stellen, daß ihm einige, vor allem theologische Bücher fehlten, 
die er „zu Erlernung göttlichen Wortes“ brauchte. Er könne 
von seinem kärglichen Gehalt keine Bücher kaufen. Darauf 
wurden ihm vom Herzog fünf Florinogulden (7% M.) für 
Bücher gegeben. (Siehe Grzybowski, S. 7; E.M. 77b 3.) Die in 
dem oben mitgeteilten Briefe angegebenen Buchpreise zeigen, 
wieviel Bücher Willent für das Geld kaufen konnte! 

Wie wenig es Bretke letzten Endes um das Geld ging und 
ihm damit geholfen war, sondern darum, die Landwirtschaft 


78 Herzogl. Briefarc. I, Kasten 1557 (ohne näheres Datum). 


41 


loszuwerden, beweist, daß Bretke dem Bischof Mörlin?”, als 
dieser Herbst 1568” — also nachdem Bretke bereits die ersten 
50 M. von der Herzogin erhalten hatte — gelegentlich einer 
Visitation in Labiau ist, seine Lage und seine Wünsche vor- 
stellt, und daß Mörlin ihm verspricht, sich beim Herzog dafür 
einzusetzen, daß ihm der ganze Kirchenacker von rund vier 
Hufen abgenommen wird und ihm dafür vom Hause jährlich 
eine halbe Last Roggen” und eine halbe Last Gerste”” geliefert 
werden soll’®, Sicherlich hat ihn Bretke gebührend auf seine 
„Studia“ hingewiesen und ihm klar gemacht, daß er für die 
litauische Kirche des Landes die Bücher ins Litauische über- 
setzt, welche die geltende Kirchenordnung als unerläßliches 
Inventar jeder Pfarre bezeichnet hat, und die noch nicht ins 
Litauische übertragen worden sind”*; das „Kleine Corpus Doc- 


270 Mörlin, der erbitterte Gegner Osianders, war seit 1566 Bischof und starb 
1571. Nachfolger wurde Tielemann Heshusius 1574—1577. 

280 Die Zeitangabe ist wie folgt gefunden: In dem Briefe vom 29. 3. 1570 an 
den Bischof Mörlin (Qu., S. 423, Z. 17 ff.) erinnert Bretke ihn an die Ab- 
machungen gelegentlich der Visitation. In dem am 23. 2. 1569 beantwor- 
teten Schreiben an die Regimentsräte (Qu., S. 420, Z. 21ff.) erinnert er 
an eine „Supplication (so der Achtbare vnd || Hochgelerte D: Joachim 
Mörlin Samblendischer Bischoff || von meinet wegen vberreicht)“, was 
„vergangenen herbst“ geschehen sei. Eine Supplikation an die Regi- 
mentsräte, die am 18. 12. 1568 erledigt wurde, ist erhalten (Qu., S. 419). 
In allen Schreiben handelt es sich um die Befreiung Bretkes von der 
durch die Landwirtschaft verursachten Arbeitslast und Lieferung des 
nötigen jährlichen Unterhalts vom Hause Labiau; siehe darüber weiter 
unten. 

21 0,5 Last — 30 Scheffel = 1521,72 Ltr. = 22 Ztr. und 21,5 Pfund. 

232 0,5 Last — 30 Scheffel = 18 Ztr. und 26 Pfund. Die Lieferung von 30 
Scheffel Roggen und ebensoviel Gerste dürfte dem Jahresverbrauch der 
Familie Bretkes entsprechen, da der Tilsiter Erzpriester Hier. Mörlin in 
einem am 16. 2. 1597 registr. Schreiben an den Herzog (E. M. 138 ee, 
Paket 4, Aktenheft: „Erzpriester in Tilsit“) den Jahresverbrauch seiner 
großen Familie „auf dem Lande“ mit 40 Scheffel = 28 Zir., 35 Pfd. an- 
gibt. 22 Ztr. und 21,5 Pfd. Roggen im Jahre bedeuten bei den damals 
geringen Mahlabfällen ziemlich genau eine Tagesration von 6 Pfd. Rog- 
genmehl, oder bei der üblichen Gewichtszunahme von 0,3 des Mehl- 
gewichts: 8 Pfd. Brot. 

288 Qu. S. 423, Z. 17 ff. und Anm. 280. 


34 S. siehe im 2. Teile der Arbeit über die Werke Bretkes. 


72 


trinae“ von Judex”” hatte er wohl bereits übersetzt und Mörlin 
zugestellt. 

Bretke und Mörlin machten darauf weiterhin aus, daß, falls 
Mörlin mit dieser Sache nicht durchdringen würde, er wenig- 
stens dahin wirken sollte, daß Bretke für eine minderwertige 
Hufe am Haff ein „Pauer Erbe“ (1 Hufe) zu Reikeninken ein- 
tauschen könnte”, Aber zunächst sollte Mörlin versuchen, ihm 
die Landwirtschaft vom Halse zu schaffen. Bretke gab Mörlin 
damals einen Brief an die Regimentsräte mit, in dem er nur 
um das jährliche Deputat an Stelle der vier Hufen bat, damit 
er seiner „...studia hinfürder desto ruhesamer warten...“ 
könne. 

Doch Mörlin scheint die Sache nicht sofort betrieben zu 
haben, denn der Brief Bretkes wird erst am 18. Dezember mit 
dem Vermerk erledigt, daß die fürstliche Kommission bei der 
nächsten Revisionsreise die Frage an Ort und Stelle prüfen 
und entscheiden solle. Dabei bleibt es, und Bretke wartet bis 
zum Februar 1569 vergebens auf eine Antwort. 

Aber nicht nur das: Nach dem Tode der Herzogin und des 
Herzogs (20. März 1568) kommt auch die zweite Rate von 50 M. 
infolge von Kassation gar nicht mehr zur Auszahlung””. 


Die Labiauer Schulden waren noch nicht bezahlt, und außer- 
dem mahnten ihn seine „gutten freünde“ täglich hart, die ihm 
„lenger denn fur 10. Jharen“ eine größere Summe Geldes zum 
Studium geliehen hatten’®. So wendet er sich Mitte Februar 
1569 aufs neue mit einem in verhältnismäßig scharfem Tone 
gehaltenen Bittschreiben”® an die Regierung, in dem er seine 


285 S. siehe im 2. Teile über dieses Werk; Qu., S. 424, Z. 7—9. 

2s0 Qu., S. 423, Z. 29-32. 

.28” Schreiben Bretkes an die Regimentsräte, beantw. 23. 2. 1569 {Qu., S. 420, 
Z. 56—39): Ihm wäre nicht nur die in der vom Bischof überreichten 
Supplikation ausgesprochene Bitte nicht erfüllt, sondern die Regiments- 
räte hätten sogar noch „die el gulden“, die die Herzogin ihm 
zur Bezahlung seiner Schulden geschenkt, „gecassieret vnd || versaget“, 
von denen’ er „vor einem Jhar schon 50 M empfangen“ (Qu,, S. 421, Z. 6f.). 

288 Fbenda: „Jch auch vber das eine Merckliche summa geldes ll so mir 
lenger denn fur 10. Jharen von gutten freünden l zu meinen studijs 
vergestreckt wurden, auch schuldig bin |] vnd teglich hart darumb ge- 
manet werde.“ (Qu., S. 420, Z. 40 ff.) 

288 Siehe Anm. 287. 


73 


Not schildert, um den Restbetrag von den 100 Gulden und 
wieder um Austausch des Ackers gegen ein Deputat bittet, und 
wieder sagt Bretke: „...damit Jch meines studirens || deste 
Ruhesamer warten... ||... möchte...‘“”°. Ende Februar wird 
ihm geantwortet und das Amt Labiau angewiesen, ihm den Rest 
zu zahlen und die Verschreibung an sich zu nehmen. Bretke 
erhielt aber nur die zweite Rate von 50 M."; bezüglich des 
Kirchenackers bekam er offenbar einen negativen Bescheid, 
denn es blieb alles beim alten, und auch die Labiauer Schulden 
bleiben ungetilgt’*. 


Im März 1569 wurde Bretke mit anderen litauischen Pfar- 
rern im Zusammenhange mit einem Prozeß gegen den Pfarrer 
von Pillkallen, Marcus Roßenfky, der die Bauern gegen den 
Ragniter Amtshauptmann aufgewiegelt haben soll, nach Ragnit 
zur Verhandlung zitiert. Der Prozeß scheint weitere Kreise 
gezogen zu haben, denn in dem Verhandlungsbericht des 
Bischofs Mörlin von Mitte März 1569 (E.M. 118e 3) nennt er 
»...das||beklagte theill, den Pfarher von Pillicalm 3 (Rand: 3 
vnd seinen || beistandt) D. Lucam || vonn Neuenhauf’® D. Jo- 
annem vonn Kheimen”“, || vnnd Pfarherrenn von Labiaw, zu 
dennen der || Pfarher vonn Gropißki getretten.‘“”” 

Auch der Pfarrer zu Kattenau, Jacobus Hoffmann, war ver- 


»0 Qu., S. 421, Z. 10 ff. 

22 Im Kanzleikonzept zu einem Gutachten des Hauses Labiau für den Her- 
zog vom 11. 9. 1578 (E.M. 102e 4): Bretke hätte gebeten, „...Jhme die 
funnffzig M so Jhme vonn dem vonn Weijlandt der Hochloblichenn l 
Herzogin Christsseliger gedenncken, ver- I schriben, gnaden gellt 
hind[er] stellig...“, zu geben. 

:® In dem am 21.7.1580 eingegangenen Schreiben Bretkes an Georg Fried- 
rich (Qu., S. 426, Z. 12ff.): „Jch... I auch in dermaßen schwere schulde 
geraten, das Jch itz l Zu befriedung meiner gleubiger, all mein viestvnd 
habe l verkauffen muß...“ 

#® Lucas Edenberg, Pfarrer in Neuhausen, stammt aus Wittenberg. (Der 

im Sommersemester in Königsberg immatrikulierte „Lucas Edenbur- 

gius, Wittenburgensis Magistri Lucae fillus“ ist sicherlich sein Sohn.) 

Nach Arnoldt, Nachr. II, 37, ist er selbst seit 1562 zu Bartenstein Rektor 

und wird am 30. 9. 1568 als Pfarrer nach Neuhausen ordiniert. 

„Johann Werner, Pfarrer in Caymen, von Oesfeld im Magdeburgischen“. 

Arnoldt, Nachr. II, S. 22. 

205 George Wedar oder Wehder? (Arnoldt, Nachr. II, 96, und II, Register.) 


2 


3 
>» 


74 


dächtigt, mit Roßenfky unter einer Decke zu stecken. In einem 
Brief vom 10. Februar 1569 (bei Verhandlungsber.) an den 
Hauptkläger, den Schreiber zu Ragnit, D. Burchard, will er 
sich von dem Verdacht reinwaschen und schreibt u. a.: 


„»... meines I allen (!) meinung ist diese, das die Littauische Plebanj 

So sie In das Fürstenthumb kommen, rechte grobe I Paurische au 

gutt Seuisch Patres sein, Denn 1 fressen nur Barttß In litauen, 
alhie l aber woll[en] sie balde die Heuptleuthe Pochen....“ 


Weiter braucht er die Wendung: „...beij dem Littauisch[en] 
volcke, wo Jch darinn begriff[en] werde...“ 

Wie zu sehen, waren zum mindesten Hoffmann, Edenberg 
und Werner Deutsche. 

Bei der Verhandlung stellt sich heraus, daß der Pillkaller 
Pfarrer lediglich Zusammenkünfte der vom Ragniter Stadt- 
schreiber benachteiligten Bauern bei sich geduldet und nach 
Beratungen mit ihnen für sie eine Supplikation geschrieben 
hat, die durch die Vermittlung des litauischen Pfarrers Wil- 
lent in Königsberg an den Bischof gelangt ist. Auch der Rag- 
niter litauische Pfarrer August Jamund verteidigte die An- 
geklagten energisch. Sie wurden freigesprochen, jedoch er- 
mahnte der Bischof sie, keine Versammlungen bei sich zu 


dulden”, 


Am 7. Juli 1569 soll Bretke vom Bischof Mörlin erst ordi- 
niert worden sein, wie Arnoldt in den „Nachr.“ angibt”, was 
jedoch wenigstens im Datum nicht stimmen kann, da der 7. Juli 
ein Donnerstag’ war und nach der Kirchenordnung von 1568 
die Ordinationen am Sonntage stattzufinden hatten. 

Wieder war ein ganzes Jahr vergangen, und immer noch 
war alles beim alten geblieben, auch die Anfang des Jahres 
1570 fälligen 50 M. blieben wieder aus’®. 


6 Verhandlungsbericht, siehe Qu., S. 422, Z. 11 ff. 

27” Arnoldt, Nachr. II, S. 49; Quandt, Bd. 4, S. 114: „Bretke ist 1569. 7. Julii 
vom Bischof l Morlino zu Labiau... (? unleserlich, durchstrichen) ordi- 
niret.“ 

#8 Die restlichen 50 M. waren auch 1578 nicht gezahlt, denn in einem Schrei- 
ben der Labiauer Kanzlei vom 11. 9. 1578 wird von einer Supplikation 
Bretkes gesprochen, in der er bittet, „Jhme die funnffzig M. so Jhme 
ahn dem vonn Weijlandt der Hochloblichenn Herzogin Christseeliger 
gedenncken, verschriben gnaden gellt hind[er] stellig...“ 


25 


Da schrieb Bretke am 29. März einen für den damaligen 
Ton im schriftlichen Verkehr unfreundlichen Brief an Mörlin’®, 
erinnerte ihn an ihre Abmachungen und: „Jm fall mir aber 
solchs (welchs Ich mich doch || nicht versehe) solte versaget wer- 
den, so Zwinget || mich die große armut vnd schult, darein || Jch 
mich diese acht Jhar vber nothalben habe || stecken müssen, 
das Jch mich meiner verbes- || serung nach an einen anderen 
ort (wie Jch denn Izt Zwei || Vocationes habe) Zu begeben“, 
auch: „wollen e.a.w. das kleine Corpus || doctrinae Judicis, 
welchs ich In Littausche sprache || transferiert, und e. a. Zu- 
gestellet, mir bey brieffes || Zeigern wider Zuschicken.“ 

Das wirkte. Der Bischof tat die nötigen Schritte bei der ° 
Regierung. Der Regimentsrat und Oberburggraf Christoph 
von Kreitzen forderte vom Labiauer Amtshauptmann Bastian 
Poerlein”®* Bericht, den Poerlein am 8. Mai 1570 an ihn abgehen 
ließ’®. In dem Bericht schilderte Poerlein die ganzen Acker- 
verhältnisse Bretkes sehr genau”" und riet, Bretkes Bitte nach- 
zukommen, denn selbst wenn ihm sein Wunsch erfüllt würde, 
fehlten immer noch 6,5 Morgen an vier Hufen, und die Ein- 
künfte des Pfarrers hier wären so schlecht, daß er sich ohne 
besondere Hilfe vom Herzoge nicht halten könnte. Die Pfarr- 
hufen wären zum Teil noch unkultiviert und die Hufe am Haff 
zum großen Teil sumpfig, so daß die Leute nur eine Mark 
Pacht jährlich dafür bieten. Doch würden die Bauern in Reike- ' 
ninken wenig erbaut davon sein, daß Bretke das Land in einem 
Stücke bekäme, da sie auch ihre Äcker nicht beisammen hätten, 
und sie würden sich ohne ausdrückliche Verordnung des Her- 
zogs mit dieser Lösung nicht abfinden. Doch der Herzog ver- 
!öre durch den Tausch nur die Scharwerksleistung der einen 


:»» Qu., S. 423, Z. 42 ff. 

20» Bastian v. Poerlin ist nach Gallandi und dem handschriftlichen Verzeich- 
nis der Amtshauptleute im Königsberger Staatsarchiv wahrscheinlich be- 
reits vor Bretkes Ankunft in Labiau Amtshauptmann. Seine Schwester 
Ursula war die Gattin des oben S. 5f. bereits erwähnten Franz v. Hohen- 
dorff; somit war, Poerlin wahrscheinlich mit Bretke entfernt verwandt. 
Er bat 1572 um seine Entlassung. 1574 ist Valentin Manstein an seiner 
Stelle. 

0 E.M. 102e 4, Aktenheft: „Pfarrer Bretke in Labiau wegen der Pfarr- 
hufen.“ 

ı Siehe oben, S. 58, und Qu., S. 424 ff. 


76 


u Bi 5 v 
Er 


I 


4, 


Hufe. Bezüglich des Deputats von 1% Last Roggen und % Last 
Gerste antwortete Poerlein wohl absichtlich reichlich unklar; 
es klingt so, als ob er dafür wäre, daß Bretke, „Weyl die 
Pfarhueben noch fast Unge- || reumbt Vndt nicht Zu gange 
bracht“, zu dem Acker noch das Deputat von 0,5 Last Roggen 
und 0,5 Last Gerste erhalten sollte, was, wie gesagt, etwa die 
Jahresration für eine Familie ist’, 

Wie zu sehen, muß sich Bretke mit Poerlein und dem Amts- 
hauptmann gut gestanden haben. 

Es wird aber lediglich die Haffhufe gegen die gewünschte 
Hufe in Reikeninken umgetauscht”; doch sollte, wie Poerlein 
richtig prophezeit hatte, Bretke auf die Dauer an dieser Rege- 
lung der Frage wenig Freude haben; die verärgerten Bauern 
ließen ihr Vieh auf dem Acker in Reikeninken weiden und 
bestahlen ihn ungehindert“, 

Zu allem Kummer blieb die dritte Rate von 50 M. nach wie 
vor aus. er 

Über acht Jahre lang fehlt von Bretke jede Nachricht. 

Im Sommer 1578 ist Bretke plötzlich imstande, einen „Gar- 
ten“ zu kaufen, denn in dem Konzept zu dem Gutachten der 
„Zur haufßhalltung deputirte herrn Raeth“ vom 11. September 
1578°° wird von einem Gesuch Bretkes gesprochen, in dem er 
„vmb erlaßung def Scharwercks, so Er von seinem || erkaufftem 
garten sonsten zu pflegen || schuldig“. 

Aus der zu diesem „Garten“ gehörenden Verschreibung im 
Labiauer Hausbuch’”, die damals dem heutigen Grundbuc- 
blatt eines Grundstückes entsprach, geht hervor, daß es sich 
um „...ij hofestat meit (!) einem || garten Zu labiaw fur dem 
schloß ((verbessert: hauß)) gelegen || Zu der rechter Hannd 
negst gabriels...“ gehandelt hat, die zuerst der Ragniter 
Komtur 1469 „... vnnserm lieben getreuen Jorge || manicke...“ 


2 Siehe S. 72 Anm. 282, 

5 In dem Brief Bretkes an den Herzog, eingeg. 21. 7. 1580, wo Bretke 
wieder über den Acker klagt, erwähnt er diese Hufe nicht mehr, was er 
sicher getan hätte, wenn er sie noch gehabt hätte, dagegen spricht er 
nur von seinem Acker in Reikeninken. 

202 Sjehe unten, S. 80, und Qu., S. 426, Z. 8ft. 

ss E,M. 102e 4. 

309 Ostpr. Fol. 209, S. 123° £. 


1 


und seinen Nachkommen verliehen hatte, und zwar „...den 
selbigen garten || mit ij Hofestat Zu eim scharwercke in || Craft 
dieses briefs Zu Colmischen rechte || erblich vnnd ewiglich 
Zubesitzen, sonderlich || so gonnen wir Dem egenannten Jorge 
manicke || seinen rechten erben vnnd nachkomelingen || Braw 
gewandt Zuschneiden vnder allerlej || kromerej vnnd hückerej 
welcherlej die || benehmet werden, veil Zuhabenn vnnd 
Zuuor- || keupfen (!) vand mit allerlej nutz...“ zu gebrauchen, 
dafür sollten „... Jorge Manicke seine rechte erbe vnd nachko || 
melinge vnnserm Hause labiaw alle Jor || Jerlichenn einhalbe 
marck gewenlicher ((S. 124)) preusscher muntz vf...“ Martini 
zinsen. Eine andere Hand schrieb etwa 1610 darunter: „Diese 
stedte hatt der Hlerr] pfarherr Johannes Bretkius domals || 
pfarher Zu Labiau Ao j593 ((verbessert: 1583)) erkauft, || Itzo 
aber paul porner. Ambtschreiber Zu labiau gehorig || welcher 
Er vom ollermeltem (!) H[err]n pfarhern erkaufet. || Itzo hal- 
tens die Erben“. Daß sich der Schreiber, der diese Bemerkung 
eintrug, im Jahre des Verkaufs geirrt hat, geht aus dem oben 
genannten Briefe eindeutig hervor. 

Mit diesen beiden Hausgrundstücken, oder genauer: der 
für zwei Hausgrundstücke berechneten Bodenfläche, zu der 
ein Garten gehörte, hatte Bretke das Recht erworben, zu 
brauen, Stoff und andere Dinge zu verkaufen. Ob er das wirk- 
lich getan hat, wie es von seinem Amtsbruder Bielauk in 
Georgenburg feststeht, ist nicht gesagt, aber nach allem sehr . 
unwahrscheinlich. Daß dieses Recht aber mindestens von den 
späteren Besitzern ausgeübt wurde, geht aus einer Eintragung 
der gleichen Hand von etwa 1610 hervor, die den betreffenden 
Passus im Text unterstrich und am Rande dazu schrieb: „NB®” 
Eine halbe M weglen] || der Höckerej Jehr- || lichen Zu reichen.“ 

Woher hat Bretke nun aber plötzlich das Geld zu diesem 
Kaufe? Wahrscheinlich hängt dieses, wie schon oben gesagt, 
mit einer Erbschaft zusammen, von der er in einem Briefe vom 
Juli 1580°® spricht, die mit dem Tode des Valten Bretke in 
Friedland nach 1575°® in Zusammenhang stehen dürfte. 

In seiner Supplikation wegen Erlassung des Scharwerks 


se” Nota bene. 
08 Siehe unten, S. 80. 
so? Siehe oben, S. 30f. 


78 


- bittet er gleichzeitig, ihm die restlichen 50 M. auszuzahlen, die 
also immer noch ausstanden; gleichzeitig unterläßt er es nicht, 
seine große Not gebührend zu schildern“. Der Herzog ver- 
langt darauf von den „zur haußhaltung deputierten herrn 
Räethen“ ein Gutachten. 


Gleichzeitig führte die Labiauer Kirche, wie aus einigen 
Akten des Königsberger Staatsarchivs hervorgeht”, einen Pro- 
zeß gegen den Krüger Wiegandt, der sich angeblich wider- 
rechtlich aus einer an der Kirche gelegenen Roßweide einen 
Garten gemacht und daselbst ein Häuschen erbaut haben soll. 
Die Kirche hatte einen schriftlichen Entscheid vom damaligen 
Bischof Mörlin, in dem dieser vor zehn Jahren beides der 
Kirche zugesprochen hatte. Beide Parteien riefen den Herzog 
an, der am 9. September 1578 zugunsten Wiegandts entschied. 


Am 11. September 1578 gaben die Herren Räte das ange- 
forderte Gutachten dahin ab, daß man Bretke die 50 M. zahlen 
solle, obwohl die Zahlungspflicht durch Kassation aufgeho- 
ben sei, 

»... dieweil 
er sein Not so hoch Claget... 
Zu dem auch der Litauischen Sprachen 
sehr wol künndig vnnd erfahren, vnnd allso 
vmb desselben willen, allhier bey diser 
Kirchen, vor annd[er|n sehr nützlich dienen 
khan.., Deßgleichen wol- 
len auch vorwolgedachte Herrn Deputirte 
Räthe nicht wid[er] Räthen, das offtermellt[er] 
Pfarherr, d[er] scharwerckh für sich vnndt 
sein Haußfraw, Zu Jrer beeder Lebtagen, 
gefreyet, solcher auch sein Elltister Sohn, de 
Er mit der Zeit an seines Vattern statt 
tretten vnnd Zu einem Pfarherrn tüglich[en] 
sein würde...“ 


erlassen werden sollte’, Offenbar sind ihm diese Wünsche 
erfüllt worden. 


»10 Siehe unten. 

31 B,M. 102e 4. 

312 Doch ist nie ein Sohn Bretkes auf einer deutschen protestantischen Uni- 
versität immatrikuliert worden, noch sonst irgendwie nachgewiesen. 
Fest steht nur, daß Bretke Töchter hatte, von denen eine Barbara hieß. 
Siehe unten, S. 122. 


79 


Am Freitag, den 6. März 1579, beginnt Bretke mit der Über- 
setzung der Bibel, und zwar übersetzt er zuerst das Lukas- 
evangelium, das er am 30. März abschließt”. Wohl wegen der 
mit dem nahen Osterfest, danach mit dem Pfingstfest und 
schließlich mit der Feldbestellung zusammenhängenden Ar- 
beiten bleibt die Übersetzung den Frühling und Sommer hin- 
durch liegen. Erst am 9. Oktober beginnt Bretke wieder mit 
dem Römerbrief und vollendet in einer nur um Weihnacten 
von einer längeren Pause unterbrochenen Übersetzungsperiode 
das ganze Neue Testament und anschließend die Psalmen, die 
er am 7. Juli 1580 beendet. 

Bretke hat sich diesmal, wie die an jedem Tage übersetzte 
Seitenzahl zeigt, durch die Feldarbeit nicht wesentlich von 
seiner Übersetzungstätigkeit abhalten lassen, sondern genau 
so weitergearbeitet wie im Winter. (Genaueres siehe in der 
chronologischen Tabelle im 2. Teile dieser Arbeit.) 

Die Folgen davon traten dann auch ein: Wenige Tage nach 
dem Abschluß der Psalmen schrieb er einen verärgerten und 
verzweifelten Brief an den Herzog”, in dem es heißt, der Acker 
wäre nicht „...so gahr böse...“, doch zum Teil „...sehr weit 
in einem doffe...“ abgelegen, 

..da dan ae Zeit, wenn gleich ettwas gewachsen || desselbige von 
der Pawren Viehe vertrettet vndt abge- || fretzet wirdt also, ob Jchs 
woll an meinem fleiß den | Ackerbaw \ treiben, nicht allein nicht 
mangeln lassenn, l sondern auch mein Patrimonium, vnd alles was 
Jch sonsten || yermocht, darzu hinein gesteckt vnd angewandt Jch 
dan- I noch nicht allein anders nichts als Armut vnd Kummer || Dar- 
bei erlanget, vnd nun soviel Jhar außgestanden, Sondern || auch in 
dermaßen schwere schulde geraten, das Jch itz I Zu befriedung mei- 
ner gleubiger, all mein viestvnd habe | verkauffen muß, Ich auch 
neben der Großen drue- \ kenden Armuth meine Studia, vnd sonder- 
lich die et vormit Jch viel Jhar vmbgangen, nemlich die || vor- 
nehmen Bucher Altes und Newenn Testaments in | Die Littawsche 
sprache Zu vbersetzen (weil Die Nation, || Gott beiers, biß anhero 
in Jhrer sprache derer bucher || gahr Keine gehabt) nicht Kan, wie 
Jch gerne wolte, || Continuirn vnd vortstellen....“ 


313 Wie im 2. Teile dieser Arbeit im Abschnitt über die Werke Bretkes | 
gezeigt werden wird, begann er mit dem Lukas-Evangelium, weil die 
meisten Sonn- und Festtagsperikopen, die Bretke nach der vereinfachten ’ 
Lutherschen Perikopenordnung brachte, aus diesem Buche der Bibel 
entnommen sind. So hat auch die „Postilla“ am meisten Lukas-Perikopen. 

s4 Registriert am 21. 7. 1580, Qu., S. 426, Z. 8—24. 


80 


Sieht man aber angesichts dieser Klage nach, was Bretke 
in den 127 Tagen vom 3. März, wo er mit dem 2. Korintherbrief 
begann, bis zum 7. Juli, wo er die Psalmen abschloß, an Über- 
setzungsarbeit geleistet hat, so zeigt sich, daß sein Durc- 
schnittspensum in dieser für die Landwirtschaft so arbeits- 
reichen Zeit an 74 Tagen genau 12 Quartseiten seiner Bibel- 
handschrift betrug, und daß er sogar noch im Juli an einzelnen 
Tagen 10%, 17%, ja 28 Seiten schaffte. Bretke übersetzte also 
in den 74 Tagen: 2. Kor., 1. und 2. Petr., 1., 2. und 3. Joh., Jac., 
Jud., Hebr., Apoc., Act., Mc., Mt. und die Psalmen, wobei 
2. Kor., Hebr., Apoc. und die Psalmen als ausgesprochen 
schwere Texte gelten. 

Weiter sind von den übrigen 53 Tagen, an denen er an der 
Bibel nicht gearbeitet hat, 13 Sonntage, auch fallen das Oster- 
und Pfingstfest in diese Zeit, die Bretke als Pfarrer stark in 
Anspruch nahmen. 

Es ist also klar, daß Bretkes Fleiß, „...den Ackerbaw zu 
treiben ....“, nur sehr gering gewesen ist, und die Katastrophe 
war nur natürlich. 

Jedenfalls will Bretke sich nicht mehr länger in dem 
„argastulo“”° der Pfarrstelle in Labiau plagen und sieht sich 


gezwungen, seine und der Seinigen Sache „...auff Andere 
wege...“ „antzustellen vnd vort Zu- || setzen...“ Er wolle 
seinem „... geliebten Vater- || lande...“ vor allem dienen und 


bittet den Herzog, ihn anderswohin zu versetzen, oder aber — 
und damit kommt er auf seinen alten Lieblingsplan zurück — 
ihn von dem „schweren haußhalten || Des Ackerbawes zuentle- 
digen...“, vnd ihn... „mit notturff- || tigem Brott vnd Vnter- 
halt zuuersorgen, Dagegen || Könten E.f.Dt. die 4 Pfarhuben 
annehmen vndt || dermaßen anwenden, das dieselben viel mehr 
nutz || vnd besten als Jch gehabt, daruon haben Konten“. 
Sollte ihm der Herzog die Bitte aber auch diesmal nicht er- 
füllen, so würde er sein Glück anderswo versuchen, „... wenn 
Js auc || gleich in Littawen oder sunsten suchen solte...“ 
Irgendwann im Frühling oder Sommer 1579 war Bretke in 
Königsberg, um dort, wie fast” alle Amtsbrüder, zusammen 


315 FErgastulum = „Zuchthaus, Stock“ (Qu. S. 426 Anm. 40). 


310 Ju., S. 426, Z. 25ft. 
317 Siehe unten, S. 249 Anm. 809. 


6 Falkenhahn, Bretke si 


mit ihren Schulmeistern die Concordienformel zu unter- 
zeichnen. 

Wie Abb. 5, Taf. IV zeigt, wurde Bretke dabei besonders aus- 
führlih. Nach ihm unterschrieb sein Schulmeister Johannes 
Pyleannder, weiter seine Amtsnachbarn in Legitten, Conrad 
und Caspar Lystrius, weiter unten, auf dem Bilde nicht mehr 
sichtbar, Daniel Gallus” aus Laukischken. 

Möglicherweise hat Bretke das oben genannte Schreiben 
wieder persönlich in Königsberg abgegeben, so daß er danach 
im Juli in Königsberg gewesen sein müßte. 

Doch die Regimentsräte gaben den Bescheid, daß sie in der 
Sache nichts tun könnten, da der Herzog außer Landes weilte“. 

So blieb alles beim alten, Bretke behielt den Acker nach 
wie vor, und die Bauern in Reikeninken bestahlen ihn un- 
gehindert weiter. Nun tat er über fünf Jahre lang keinen Strich 
mehr an der Bibelübersetzung. Er muß es aber auch vorgezo- 
gen haben, seine Drohung bezüglich seines Fortganges nicht 
wahrzumachen. 

Über die litauische Eidesformel von Bretke siehe die „Be- 
richtigungen und Ergänzungen“. 

Erst nach vier Jahren hören wir wieder von Bretke: In 
einem am 3. Juli 1584 erledigten Schreiben an den Herzog” 
klagt er wieder, wenn auch viel mäßiger als nach der Kata- 
.strophe vor vier Jahren, über seinen Acker, der diesmal aber 
nicht nur 

„... nichts taug, sondernn die helfte fast vber ein 
Virtelweges Abgelegenn ist, da ich Jn denn nicht Allein 

mit Zwifachenn Vnkostenn beerbeittenn, sondernn 

auch Leidenn mussenn, das mir von denn Einwonnern 

Jm dorff Regnikenn, Jerlichenn meinn Gedreidich, 

durch Jhr viehe ist Abgefretzet wordenn, Ja Auch stets 
bestolenn, wie mir denn das vergangene Jhar in die 

4 fuder gebundene gerste hinweg gefuret ist wordenn...“?%1 


Er bittet, ihn an „...ein bessers vnd Ruhesamer ort- 
leinn...“ zu versetzen und ihm nicht Ursache zu geben, daß er 
sein „...heil ausser diesem Furstenthum || versuchen dörffe“. 


318 Sjehe unten, S. 249 und Abb. 29, T. XV. 
12 Qu. S. 427, Z. 18—21. 

»20 Qu., S. 427. 

1 Qu., S. 427, Z. 39 ff. 


82 


Darauf fordern die Regimentsräte vom Labiauer Burg- 
grafen, Hans Lankheim, und dem Amtsschreiber, Paul Poerner, 
sowie von den Kirchenvätern einen ausführlichen Bericht über 
Bretkes Kirchenacker und bitten um Vorschläge, wie ihm zu 
helfen sei. Ihr Schreiben geht am 9. Juli an den Herzog ab’*. 

Sie geben Bretke bezüglich des Ackers voll und ganz recht 
und 

»... Können... 

...fuglicherre weg nicht 

finden, das wan E f dh: die 4 Pfarhuben, 
weilen sie dem Hoff hier gar weitt abgelegen 

. mit Pauren besetzten, dagehen aber dem Helrr]n: 

pfarherrn ettwa Jerlichen ein Last Korn®® vnd 

ein Last Gerste®* vom Hauß alhier gereichett, 

vnd den littauen (wegen das ehr zu der 

deutschen predig auch Littauisch predigen muß:) 

der Kirchen Tecem vmb ettwas erhöhett würde...“; 
sie hätten 

„...auch auß dem H. pfarherrn verstanden 

do ihme sein vnderhalt nicht etwa geendert 

vnd verbeßert wurde, Ehr lieber seinen stockh weitter 

setzen woltte...“ 

Bretke muß mit dem Amtshauptmann, dem Amtsschreiber 
und mit den Kirchenvätern in sehr gutem Verhältnis gelebt 
haben, denn die Forderung, die sie für Bretke erheben, ist un- 
verschämt, da, wie schon gesagt, der Jahresverbrauch an Rog- 
gen selbst bei einer großen Familie” nur 40 Scheffel betrug. 

Das Antwortschreiben aus Königsberg, das am 5. August 
abging”*, ist verloren. Doch ist die Forderung, den Acker gegen 
ein Jahresdeputat einzutauschen, abgelehnt worden, da 1587 in 
dieser Beziehung alles beim alten ist. 

Doch scheint tatsächlich eine Anordnung getroffen worden 
zu sein, die Bretke ein höheres Gehalt verschaffte, denn 1587 
bekommt er jährlich 60 Florino-Gulden oder 90 preußische 
Mark”. Diese Verordnung dürfte sich jedoch sicher erst nach 


#2 FB, M. 102e 4, Äktenheft von 14 Blatt, Blatt 1. 

323 60 Scheffel = 2221,71 kg, rund 44,4 'Ztr. 

2 60 Scheffel = 1826,06 kg, rund 36,5 Ztr. 

525 Siehe oben, S. 72 Anm. 282. 

»° Vermerk der Königsberger Kanzlei auf dem Gutachten Lankheims, 
Signatur Anm. 322. 

#7 Siehe unten, S. 84. 


6 83 


längerer Zeit praktisch ausgewirkt haben. Jedenfalls nimmt 
Bretke nach etwa 1% Jahren, am 12. November 1585, die Arbeit 
an der Bibelübersetzung wieder auf und übersetzt mit ge- 
ringen Unterbrechungen bis zum 11. Dezember Jesus Sirach, 
Tobith (Tobias) und die Proverbien’*. Dann, nach einer Pause, 
die sicher durch Weihnachten, Neujahr usw. verursacht wurde, 
geht es am 26. Februar 1586 weiter. 


In der nun folgenden Übersetzungsperiode erledigt Bretke 
weitere alttestamentliche Apokryphen sowie den Prediger 
und die Weisheit Salomonis. Die Arbeit geht mit geringen 
Unterbrechungen bis zum 18. März 1586, wo Bretke, wohl 
wieder wegen des bevorstehenden ÖOsterfestes und der be- 
ginnenden Feldarbeit, aufhörte und nur noch ganz vereinzelt 
im Sommer ein paar Seiten übersetzt, um dann wieder für 
lange Zeit ganz aufzuhören. 


Auffällig ist, daß er während dieser Zeit im Verhältnis zu 
früher nur eine geringe Seitenzahl während eines Tages 
schaffte. Da er im Winter auch nicht mehr leistete, dürfte dies 
nicht mit dem Mangel an Zeit wegen seiner Betätigung in der 
Landwirtschaft zusammenhängen, vielmehr werden ihm die 
alttestamentlihen Texte größere Schwierigkeiten bereitet 


haben. 


Wieder kommt Bretke ein ganzes Jahr hindurch nicht 
weiter. 


Da mact er mit seinen Drohungen Ernst; der Tod des 
Pfarrers in Pillupönen®”, Nicolaus Blothno’”, gibt den letzten 
Anstoß. In einem am 27. März 1587 in Königsberg eingegange- 
nen Schreiben an den Herzog" kündigt Bretke seinen Labiauer 
Pfarrdienst, 

„»...denn ob wol die 


stehende besoldung sich auff 60 f[en]??? erstrecket, 
so sind doch dargegen hier Keine Acciden- 


328 Bretke begann das A. T., nachdem die Psalmen schon 1580 übersetzt waren, 
mit den Apokryphen und der Weisheitsliteratur, die das Ideal eines from- 
men Lebenswandels zeigen und voll von Morallehren sind. 

3° Heute Schloßbach. 

330 Siehe unten, S. 260 ff. 

1 Qu. S. 429, Z. 2ff. 

5:2 F]orinogulden, siehe oben, S. 64. 


84 


tia wie anderswo, vnd die Pfarhuben, so 

nidrig naß, Kalt, vnd vnfructbar...“ 
daß er kein Jahr sein Bier und Brot davon hatte; so zwingt 
ihn ‚,...die eusserste noth vnd armut...“, daß er seine „... ver- 
besserung anders wo suchen || moß...“, und bittet um die Pillu- 
pöner Pfarrstelle”*, 

»... die widerumb mit einem Gottfürchtigen vnd 

getrewen lehrer, welcher der Littauschen sprachen Kündig ist...“, 
besetzt werden muß. 


Am 10. April 1587 wird das Schreiben Bretkes mit der Bitte 
um Vorschläge, „... Wie Suplicanten Zuhelffen |] od[er] Ob 
Jhme Von Labiau Zu- || lass[en] furd[er]lichen“ wäre”*, an das 


Konsistorium überwiesen. 


In dem oben bereits mehrfach zitierten sehr interessanten 
Antwortschreiben des Konsistoriums an den Herzog”* wird 


esagt, 

gesagt »...daß der gutte Mahn aus dem ortt, 

vnond von seiner Kirchen, nicht sei Zuuerlassen, den ob 

woll Die Kirche Zu Pille Penen, fast ein groß Kirch sPiel 

dazu nehe an der Polnischen grentze gelegen, da ein ge- 

lerter, vorstendiger gottseliger Mahn woll Zu wunschen 

wehre, So ist es doch mitt der Kirche Zu Labiau auch 

also geschaffen, das dieselbe, Weill sonderlich bei sommer 

Zeitten, viel frembdes volcks alda wankett, vnd nicht 

alleine Littauen, sondern auch Kuhren vnd Preußen, 

daselbst hatt, Jhren Pfarrer, welcher der Sprachenn 

der leutte vnnd gelegenheitt der Kirchen Kundigk, vbel 

können entrathen . ..“33 

Weil er aber in Pillupönen ohnehin eine Zulage brauchen 

würde, schlägt das Konsistorium vor, der Herzog solle ‚... viel 
mehr an diesem ortt”® dem Armen Manne, eine Zuschub thun, 
damit er sich Könne behelffen, vnnd nicht vrsache habe, seine 
vorbesserung anders wo Zu suchen... .“. 


Bezüglich der Hilfe, die Bretke in Labiau zuteil werden soll, 
heißt es: 
„...do es ettwa 


mitt acker vnnd wiesen, oder ander hulff vom 
hause nicht kan geschehen wolten wir hoffen, er 


ss Qu., S. 429, Z. 34—36. 

»: Fingegangen am 21. April 1587. 
335 Qu., S. 430, Z. 9—18. 

0 d. h. in Labiau. 


85 


sollte zu frieden sein, wan. E:f:dt: mit 20 M 
seine besoldung Jerlich vorbesserten ...“3?7 

Doch in Königsberg war der dortige litauische Pfarrer, Bar- 
tholomäus Willent, gestorben, und der Herzog bestimmte 
Bretke zu dessen Nachfolger’*. 

In einem Schreiben der Oberräte vom 9. Mai 1587 wird 
Bretke aufgefordert, sich unverzüglich nach Königsberg zu be- 
geben, wo ihm seine Versetzung nach dort eröffnet wurde”. 

Wie schwierig es war, für einen Mann wie Bretke in Labiau 
Ersatz zu schaffen, zeigt der umfangreiche Schriftwechsel, der 
darum geführt werden mußte’; immer wieder werden vor- 
geschlagene Personen abgelehnt, weil sie entweder „die Spra- 
chen“ nicht konnten, es ihnen an theologischer Bildung oder 
auch an der auf dieser Pfarre erforderlichen Lebenserfahrung 
fehlte. 

Bretke als Pfarrer in Königsberg. 


Königsberg, die neue Wirkungsstätte Bretkes, wo er die 
„Giesmes Duchaunas“ und die „postilla“ herausgab, vor allem 
aber die Bibelübersetzung abschloß, bot dem Gebildeten sicher 
durch die Universität, deren Professoren z. T. Pfarrer an den 


Kirchen waren, manche Anregung. 
Infolge des lebhaften Binnen- und Transithandels herrschte 


ein reges Leben; aus aller Herren Länder kamen die Schiffe, 
»...Des grossen Negotii mit den benachbarten 
Pohlen und Litthauen zu geschweigen, welche 
ihre Wahren auf grossen Kahnen und Wi- 
tinnen anher bringen; auch des innländi- 
schen Handels und der großen Zufuhr nicht 
Zu gedencken, wodurch die Stadt sehr leben- 
dig und nahrhafft gemacht...“ 
wurde, wie es 1724 im „Erleut. Preuß.“ heißt; zweifellos ist 


es zur Zeit Bretkes nicht anders gewesen. 


Die Bevölkerung war allergrößtenteils deutsch. 
„... Darum denn auch die deutsche Spra- 
che daselbst am meisten geredet wird. Wie- 


7” Qu., S. 430, Z. 22 ff. 

338 Qu., s. weitere Akten E.M. 102e 4 und E.M. 72£. 

ss Qu., S. 431. 

»0 E.M. 72£. und E.M. 102e 4. 

sı1 ], 1724, S. 213, Artikel: „Summarische Beschreibung der Stadt Königs- 
berg.“ 


86 


wol wegen der Handlung mit Pohlen und 
Litthauen auch beyderley Sprachen im Ge- 
brauch sind... “3% 


Die Entstehung dieses litauischen und polnischen Bevölke- 
rungsanteils im damaligen Königsberg zeigt u.a. Ernst von Wal- 
lenrodt im „Erleut. Preuß.“*: Der Hochmeister Tiber von Wal- 


lenrodt veranlaßte, 

„...daß ehrliche, fromme und 
ehrbare Leute aus Pohlen Curland und 
Littauen (als welche Länder ohne das wegen 
der Nachbarschaft und wegen des steten 
Handels schon vereinbahret) sich darinn se- 
tzen und ehrliche Nahrung treiben möchten. 
Wodurch diese neu angelegte Städte über 
Vermuthen so zugenommen,.daß ausser de- 
nenselben an manchen Orten noch Vorstädte 
gebauet wurden. Denn die an Pohlen und 
Littauen Angräntzende (weil gemeiniglich da 
Sedes Belli war, und unter dem Orden in 
bessern Friede zu wohnen, ihnen schon be- 
kannt war) wie auch die aus Samayten und 
Curland, so schon unter dem Orden waren, 
und vom gewissen Land-Meister oder Com- 
pthur regieret wurden, und deßwegen als 
Unterthanen des Ordens nicht kunten ge- 
hemmet werden, zogen in die neue Preus- 
siche Städte, daselbst zu wohnen, Ausser 
dem, daß viel Leute aus Pohlen, Moscau 
und Groß-Littauen handelten, und die Preu- 
siche Städte mit Waaren verlegten, denen 
sich in diesen Oertern auffzuhalten auch 
nicht wol verwehret werden kunte, dafern 
Handel und Wandel im Lande seyn solte. 
Hiedurch ward dieses Land mit vielem Volck 
und Manufacturen angefüllet, und wurden 
theils des Ordens Intraden, als auch der 
grossen Städte Einkommen durch solche 
neue Bürger zum Bürger zum grossen Teil vermehret.“ 


Auch brauchte der Orden diese Leute, die Verwandte und 
Bekannte in den Nachbarländern hatten, als Vermittler und 


Bindeglieder zu diesen Staaten. 
Zu diesem Grundstock kamen noc bis zur Zeit Bretkes 


»22 Ebenda, S. 228. 
33 ], 1724, S. 333 ff. 


87 


und danach geflüchtete Hörige aus Litauen, hauptsächlich 
aber arme Litauer und Polen, die als „Schmackenknechte‘““* 
oder sonstwie hergekommen waren und sich dann hier nieder- 
ließen, sich irgendwo verdangen oder ein bescheidenes Hand- 
werk ausübten. 


Noch 1602 schreiben die Vorsteher der Kirche auf dem 
Steindamm an den Herzog, er möchte doch die Wünsche der 
polnischen Gemeinde erfüllen, da sie erregt sei, was besonders 
bedenklich wäre, da jetzt aus den katholischen Ländern allerlei 
fremde Elemente herüber und zu den Polen gekommen seien”. 


In dem Taufbuc der Altstädtischen Kirche werden biswei- 

len Litauer genannt, z. B.: 1588 

„Michel ein Littaue, Eimer- 

binder, Einen Sohn tauffen la- 

Ren, Christoff. Die Paten: Der 

Kruger Von Laußken, ein Bac- 

ker, die Andern weiß er nicht...“ 

»... des littauschen Muler toch- 

ter“ usw. 


In dem Bittschreiben der litauischen Gemeinde von Februar 
1603 an den Herzog” sagen die Litauer von sich selbst, sie 
brauchten einen Pfarrer, „...Dieweil dan vnter vnß, viell ein- 
feltiger leutte, || seindt welche weder polnisch Noch deutzsche 
vorstehen....“ 


. Johannes Rehsa schreibt in einem am 26. September 1624 
erledigten Schreiben an den Herzog” von seinem „Muhseligen 
Littawschen Pfarrdienst“, da er seinen 


»... Pfarr kindern, wie Zerstreieten Schaffen, sowoll 
in den dreyen Städten alß in allen vorstätten gewissens vndt 
Amptß halben in allen Stinckenden Kiffen®: vnd Kattan (?)?® muß nach 


34 7.B. oben, S. 288, und Qu., S. 447, Z. 22—25. 

%5 „Schmacken oder ReiseKähne“, „Erleut. Preuß.“, Bd. V, 1741, S. 391. 

328 Qu., S. 446, Z. 33 ff. 

a7 953. Jan. S. 17r. 

ss Altstädt. Taufbuch, 9. Juli 1592, S. 63r. 

s» Qu., S. 445, Z. 4ff. 

0 Qu. S. 454, Z. 3ff. 

»1 Frischbier, Bd. I, S. 359: „Kiffe, Küffe, fem., kleines, baufälliges, elendes 
Haus...“ 

32 Hbenda, S. 345: „Kathe, ...fem. kleines, schlechtes Bauernhaus, zu dem 
selten Ackerland gehört, unansehnliches, schlechtes Haus überhaupt...“ 


88 


krichen, zu Gebott stehen vndt versorgen...“ und daß er 

„»... wegen der eussersten Armut...“ seiner „...Littaw 

schen zuhörer, die meistenteilß Bredtschneider, Taglöhner vnd Zer- 
streute dienstboten sein...“, 

von denen er „...gar schlechte ia fast keine 

accidentia haben kan, Ja nach gelegenheit in ihrer eussersten Not 
vndt Armutt ein Stuck Brodt vndt ein groschen geldt auß 
mitleidendem hertzen mitt ihnen teillen muß.“ 


In welchen Stadtteilen die Litauer damals hauptsächlich 


wohnten, ist schwer zu sagen, da sich die Angaben hierüber 
widersprechen. 

Auffällig ist, daß nach Aussagen der Quellen die Zahl der 
Litauer in Königsberg noch 1563 noch erheblich größer ge- 
wesen sein muß als die der Polen, während sich das Zahlen- 
verhältnis im Laufe von nicht ganz 40 Jahren mindestens um- 
gekehrt zu haben scheint. 

So heißt es in einem Begleitschreiben der Bürgermeister 
und Räte der drei Städte zu einer Supplikation Seclutians um 
Gehaltserhöhung im Jahre 1563: 

»... Vber das haben wir 
vns des Littauschen vnnd Polnischen Gesindes 
willenn, denn Littauschen vnd Polnischen Predicanten[n] 
etzliche vnnd viel Jahr hero vntterhalten mussen, 
dere dann. E.F: dht: Leutte?%, so wol als die vnsern, 
gebrauchenn, Nun ]st es vns fast vnmuglich, 
dem guttenn hern Secluciano seine besoldung 
Zuerhöhenn, denn wir schon dem Littauschen Predicante[n] 
seine besoldung vff 20 marck, das er also neun Zigk 
marck ]Jnn alle Zur besoldung hatt, erhöhen mussen, 
Jan anmerckung das des Littauschen Volckes viell 
mehr, als des Polnischen bey diesenn dreien Stedten + 
Jst.“ 

Das hieße also, daß damals die Zahl der Litauer in 1 
Stadtteilen Altstadt, Kneiphof und Löbenicht erheblich höher 
gewesen wäre als die der Polen. Dagegen schrieb die Polnische 
Gemeinde rund 39 Jahre später, Anfang November 1602, in 
einer Supplikation’® 

„...Zum ersten so ist es Clar vnd offenbar das die Pol- 
nische Gemein vngleich großer vnd volckreicher 


s® Herzogl. Briefarch. I,, Kasten 1564; beantw. 14. 12. 1563. 

» Also die Bürger der zum Schloß gehörenden Stadtteile. 

35 E,M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/04, 54 Blatt.“ 


89 


ist als die Littauische, Denn da der Littauische Pfar 
kaum einen, der Polnische dakegen Zehen, da der 
Littauischen kaum Zehen, Polnische dagegen 
hundert auditores, confitenten vnd Communicanten 
hatt wie solches ihre Kirchen register außweisen....“ 

In dem Begleitschreiben der Bürgermeister und Räte der 
"Altstadt und des Kneiphof zu dieser Supplikation an den Her- 
zog vom 13. November 1602” sagen diese: 

»...So ist auch die Polnische Gemein vngleich grösser vnd 

Volckreicher, 

bey diesen Städten / als die Littauische, 

Dann da der Littauische Pfarherr einen hatt 

den Er beicht hören vnd Communiciren muß, finden 

sich dagegen wol 10.20 auch mehr Polnische Confitenten vnd 
Communicanten....“ 


Nach den Angaben der genannten Bürgermeister und Räte, 
sowie denen der polnischen Gemeinde, wohnten die Litauer 
jedenfalls zur Zeit Bretkes in Königsberg hauptsächlich in den 
zum Schloß gehörenden Stadtteilen Roßgarten und Sackheim, 
wie wiederholt gesagt wird, z.B.: 

„Wan aber E.gn. h[en] vndt. g. wissende 

ist, das das meiste Littausche volck vf den furstlichen 
freyheiten, Sackheim vnd Roßgarten, wenig aber 

in den Stedten Konigsbergk vnd ihren vorstädtten 
sich aufhalten thut...“s#7 

Diese ungewöhnlich schnelle Verschiebung des Zahlenver- 
hältnisses zu ungunsten der Litauer ist nun wohl nicht nur so 
zu erklären, daß etwa die Litauer im Laufe von 39 Jahren zum 
größten Teile in die Schloßfreiheiten, und die Polen in die 
drei Städte Königsbergs: Altstadt, Löbenicht und Kneiphof 
gezogen wären, wie es nach den angeführten Quellen zunächst 
der Fall sein könnte, denn der eine polnische und litauische 
Pfarrer waren ja praktisch für alle Polnisch und Litauisch 
sprechenden Personen im ganzen Stadtgebiet da, vielmehr hat 
die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts besonders 
starke Zuwanderung aus Polen und dem polnischen Siedlungs- 
gebiet, von der offenbar in dem Gesuch der polnischen Ge- 
meinde von Ende März 1603 auch gesprochen wird’*, das Zah- 
se E.M. 72f., „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 1603/04, 

54 Blatt.“ 

»7 E,M. 72£, Bl. 31 ff. 
ss (Ju., S. 446, Z. 34—37. 


90 


‚lenverhältnis zwischen den Polen und Litauern im Stadtgebiet 
tatsächlich erheblich verschoben, wobei es sich meist um arbeit- 
suchende Polen, größtenteils Gesinde, handelte, wie wir das 
auch in Friedland beobachteten®”, während der Zuzug aus Li- 
tauen oder aus den litauischen Siedlungsgebieten nachgelassen 
zu haben scheint. 

Zum Überfluß heißt es in dem Gesuch der polnischen Ge- 
meinde von Oktober 1602, das Grzybowski noch vorgelegen 
hat’®: 

„Es ist namentlich viel polnisches Gesinde aus der Masav, der polni- 
schen Grenze und aus dem Papsttum ((Anmerkung Grzybowskis: 
Ermland)), die kaum das Vaterunser und das Ave Maria konnen, 
wenn es viel ist. Kommen sie zum Abendmahl, so muß sich der Geist- 
liche mit ihnen im Beichtstuhl plagen, schimpft er sie aus, so kommen 
sie überhaupt nicht mehr wieder... .“3%1 

Nach Grzybowski stellt das samländische Konsistorium am 
17. Juli 1613 fest: 

„Weil des polnischen Gesindes eine grosse Menge allhier in den drei 
Städten und Vorstädten hin und wieder vorhanden und sich täglich 
mehr häufet, erfordert es dahero die hohe Notdurft, daß dieselben, 
insonderlich die Armen des großen Hospitals polnischer Zunge, gebühr- 
lich versorget werden mögen ...“?% 

In der Bestallungsurkunde des Diakons Christoph Lieb- 
bruder, der 1620 an die Steindammer Kirche kam, heißt es 
nach Grzybowski als Begründung seiner Anstellung: 

„Nachdem die Herrn Regenten des Herzogtums Preussen von dem 

samländischen Konsistorium berichtet worden, dass die Zuhörer des 

Göttlichen Wortes von Tag zu Tag sich bei der polnischen Kirche 

häufen und mehren, dem einzigen Pfarrer aber die Verrichtung der- 

selben Kirchensachen zu schwer gefallen, derowegen ...“?%, usw. 
wodurch jeder Zweifel behoben sein. dürfte. 

Die Litauer werden wohl, wie die Äußerung ]J. Rehsas 
sagt“, über ganz Königsberg verstreut gewohnt haben, viel- 
leicht im Roßgarten und auf dem Sackheim besonders dicht. 

Auch über die Zahl der Litauer, mit denen es Bretke in 
Königsberg zu tun hatte, lassen sich keine bestimmten An- 


35° Siehe oben, S. 28 ff. 
0 A, Grzybowski, „Geschichte der evangelischen Steindammer Kirche“, S. 13. 
361 Zitiert nach Grzybowski: ebenso das Folgende. 

322 Ebenda, S. 11. 

33 Fbenda, S. 12. 

ss Qu., S. 454, Z. 4-5 und Z. 17—20. 


9 


gaben machen, da die einzigen Zahlen, die aber auch nur mit- 
telbar auf die Stärke der litauischen Gemeinde einen Schluß 
zulassen, aus Bittschriften der litauischen Gemeinde selbst 
stammen, in denen sie um einen Pfarrer bittet und die Not- 
wendigkeit eines solchen möglichst groß erscheinen lassen will. 

Es sind folgende: 

Juni- Juli 1603 sagt „die gantze Littausche gemein bei den 
dreien Stetten Königsbergk“ in einer Supplikation an den 
Herzog’: 

„»...Seindt vorgangenn Osters vber 200. 

Fischer Knecht derer Keiner Teuzsch Kann, deß- 
gleichen schmackenn Knecht, wie auch viell meght 
auß den Stettenn, nicht eins Zur Kirchen kommen...“ 

Ende September 1603, nachdem die Pest vor einem Jahre 
gewütet hatte, schrieb „Die Gemeinn der Littawen Alhie ]nn 
Königspergk“ an den Herzog", daß sie „faß bey 1300 Mann 
starben...“ 

Berechnet man die Gesamtzahl der Toten in den drei 
Städten nach den ebensowenig zuverlässigen Angaben des 
Bürgermeister Peter Michel (1557—1620)°”, so ergibt sich die 
Zahl von rund 9000. Legte man diese sehr anfechtbaren Zahlen 
zugrunde und bedächte man, daß die Sterblichkeit unter den 
in sehr ärmlichen Verhältnissen lebenden Litauern um ein 
Vielfaches größer war als unter den besser gestellten Bevöl- 
kerungsschichten, so ergäbe sich, daß die Litauer mit ganz 
ungefähr 5—4000 Seelen etwa ein Zehntel der Gesamteinwoh- 
nerschaft ausmachten’®. 

Als Bretke nach Königsberg kam, war Seclutian bereits 
neun Jahre tot, und somit wurde dessen Adjunkt und Nac- 
folger, der polnische Pfarrer Leonhard Dembowius, sein näch- 
ster Amts- und Flurnachbar. 

Soweit ich feststellen konnte, kommt keiner der 20 Pfarrer 


95 Siehe unten. 

3° Qu., S. 448, Z. 14f. 

37 Siehe weiter unten. 

8 Die Einwohnerzahl Königsbergs vor der Pest 1602 ist mit 30 000—35 000 
eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, wenn aud Berlin nach der Flögel- 
schen Jubiläumschronik (1855), S.34, im Jahre 1640 kaum 6000 Einwohner 
zählte. R. Armstedt und L.v.Baczko geben die Bevölkerungsziffer für 
1700 mit 40 000 an. 


9 


und 10 Diakone, die während der Pfarrzeit Bretkes in Königs- 
berg neben- und nacheinander an den damaligen sechs Kö- 
nigsberger Kirchen® und dem Großen Hospital amtierten, als 
Förderer der litauischen Sprachkenntnisse Bretkes und als 
Ratgeber beim Übersetzen, wie es etwa Gallus in Laukischken 
war, in Frage. Der Diakon am Löbenicht, Caspar Frischeinz, 
der vor seiner Amtszeit in Königsberg (1589—1602) Pfarrer 
in Salau gewesen war, also auch den litauischen Gottesdienst 
dort versehen mußte, wäre sicher nicht an den Löbenicht nach 
Königsberg versetzt worden, wenn er ordentlich Litauisch ge- 
konnt hätte. Daher kann auch in ihm kein Helfer Bretkes 
vermutet werden. 

Es ist auch an sich nicht wahrscheinlich, daß sich Bretke 
von seinem litauischen Schulmeister auf dem „Steindamm“ 
hätte helfen lassen, der im besten Falle einige theologische 
Bildung besaß, dessen Kenntnisse aber doch auf keinen Fall 
zu einem Abschlußexamen gereicht haben. Dazu war der 
Schulmeister bereits alt, denn in dem Taufbuc der Altstädti- 
schen Kirche, in dem er öfter als Pate erscheint, wird er be- 
reits „alt“ genannt, so z. B. auf S. 37° in einer Eintragung vom 
7. Dezember 1589: „...ein geselle || beim Altt littauschen 
Schul- || meister...“ Er hieß wahrscheinlich Daniel mit Fa- 
miliennamen. 

Preußisch und kurisch dürfte Bretke in Königsberg nur 
gelegentlich mit zugewanderten Pfarrkindern aus den unter- 
sten Schichten gesprochen haben, dagegen hatte er ständig 
Gelegenheit, das Polnische von seinem Amtsbruder und Flur- 
nachbarn,; Leonhard Dembowius, und nach dessen Tode?” von 
dem Nachfolger, Stephan Wilkau, der Bretkes Schwiegersohn 
wurde, oder doch von deren Pfarrkindern zu hören. 

Leonhard Dembowius war nach Grzybowski’* aus Turobien 
in Polen gebürtig, wurde 1572 polnischer Diakon in Barten- 
stein, im November 1574 Seclutian adjungiert und wurde 
dessen Nachfolger. Über Stephan Wilkau siehe unten, S. 120 ff. 
see Dom, Schloßkirche, Altstädtische mit Steindammer, Löbenichter und Ha- 

berberger. 

22020350.1595: 
s1ı A, Grzybowski, „Geschichte der evangelischen Steindammer Kirche“, 


S. 41. Grzybowski standen noch heute scheinbar verschollene Urkunden 
im „Archiv der Steindammer Kirche“ zur Verfügung. 


95 


Wahrscheinlich ist, daß Bretke durch Caspar Henneberger 
manche Anregung erhalten hat, der von Frühling 1590 bis zu 
seinem Tode am 29. Februar 1600 Pfarrer am Großen Hospital 
-war, dessen Feder wir bekanntlich zwei Abschriften aus Bret- 
kes Chronicon verdanken?”, 


Die Kirche auf dem Steindamm ist das älteste Gotteshaus 
in Königsberg (erbaut Mitte des 13. Jahrh.) und steht heute 
mitten im Gewühl der Großstadt mit nur unwesentlichen Ver- 
änderungen fast genau so da wie zur Zeit Bretkes, nur daß sie 
in der Umgebung der modernen hohen Häuser besonders klein 
wirkt. 

Als Bretke hier predigte, lag sie noch außerhalb Königs- 
bergs in der sich an beiden Seiten des „Steinthamm“ lang hin- 
ziehenden Vorstadt’”. 

Diese Kirche diente seit 1550 der polnischen und litauischen 
Gemeinde gemeinsam zu ihren Gottesdiensten”“, und zwar so, 
daf sie an dem einen Sonnabend und Sonntag den Polen, an dem 
nächstfolgenden Sonnabend und Sonntag aber den Litauern zur 
Verfügung stand; nur die Mittagspredigt an den Sonntagen 
scheint immer litauisch gehalten worden zu sein, da der pol- 
nische Mittagsgottesdienst abwechselnd im Dom und in der Alt- 
städtischen Kirche stattfand. So schreibt die polnische Gemeinde 
in ihrem Gesuch von Anfang November 1602; es wäre sehr 
beschwerlich, daß sie „...von 14 tagen Zu 14 tagen auff die 
absolution vnd Communion warten mussen...“, und in der 
Supplikation von Ende März, die das „...Ambt der || Pol- 
nischen gemein“ unterzeichnet hat’”,, 

Bee BAHN Dhtt 
Ist Vngeborgen. wie vnnd welcher gestalt 
Es beij den Stätten Konigspergk mit den 


Polnischen Vnnd Littawschen gemeinenn 
In Predigenn Vnnd Administrirung. Der 


372 Gerullis, Arch. f. sl. Phil. 40, 117 f. 

#73 Siehe den Geringschen Stadtplan von 1613 (von Armstedt in der Gesch. 
Königsbergs, S. 160, veröffentlicht). 

3” A. Harnoch: S. 38. 

» E.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/04.“ 

se Qu., S. 446, Z. 10—17. 


94 


H: Hochwirdigen Sacrament bis Anhero 

gehaltten. Das einen Sontagk vmb den . 
Andern. ]Jn der Steintamschen Kirchenn 

Polnisch Vnnd Littawsch ge Predigt. Vnnd 

die Mittags Predigt im Polnisch einenn 

Sontag Jm Kneiphoff. Denn Andern 

Jn der Altenstadt gehaltten worden‘“?””, 


Schließlih klagt der schon genannte polnische Pfarrer, 
Stephan Wilkau, nach einer späteren Abschrift’: 


»... Was die Predigt anlanget, habe ich müssen in den dreijen 
Kirchen, als 
Kneijphoff, Altstadt vndt Steintahm predigen, vndt also nicht 
mit geringer Beschwer 
vndt vbellstandt mich mit meinen Kirchspiels Kindern vmbher- 
schleppen. 
Das Sacrament des H. Abendmahls habe ich mit dem 
Littawschen Pfarrherren Jo- 
hanne Bretkio per alternatam vicem einen Sontag vmb den anderen 
auff dem Steintahm 
in S.Nicolai administriren müssen, vndt in den Städten Beicht hören. 
Nach Verrichtung der Predigt vffm Steintahm, habe ich 
Zu Mittag wieder im 
Kneijphoff der Altstadt, auch alternatim pretdigen müssen . 


Somit hatte der litauische Prediger nur alle 14 a vollen 
Dienst mit Beichte am Sonnabend, und Morgen-, Mittags- und 
Nachmittagspredigt sowie Abendmahl am Sonntag. 

Auch von den beiden Festtagen der hohen Feste gehörte die 
Kirche den Litauern am ersten, den Polen am zweiten Tage, 
worüber die polnische Gemeinde in dem genannten Gesuch 
von Anfang November 1602 heftig klagt: 

»...Sonderlich ist das der Polnischen Gemein Zumahl 
schmertzlich vnd beschwerlich, das sie in den hohen 
festen des ersten Feijertags Zu keiner Kirchen vnd 
Communion kommen vnd ihres Gottesdiensts nichtt 
abwarten können, Sintemal der H[err] Littauische 
Pfarrher, auffm Steintham in den selben Festtagen 

zu Predigen pfleget...“ 

Dies bedeutete natürlih auch eine Entlastung für den 
litauischen Pfarrer"* 


#7” Weitere Belege unter E.M. 72f. 

#8 Depos. der Steindammer Kirche, Abt. I, Nr. 1: „Abschriften von Akten 
zur Geschichte der Steindammer Kirche 1595—1765“, Seite 3. 

3” Signatur siehe S. 94 Anm. 375. 


95 


Bretke bekam in Königsberg jährlich 200 M. Gehalt”, dazu 
12 Scheffel Roggen vom Hofe“, doch das Pfarrland fehlte, so 
daß er der Ackerwirtschaft enthoben war und so in Königs- 
berg erheblich günstigere Arbeitsbedingungen vorfand, als sie 
in Labiau waren. 

Nachdem sich Bretke auf das Schreiben der Oberräte vom 
9. Mai 1587 nach Königsberg begeben hatte und ihm dort seine 
Versetzung an die Steindammer Kirche eröffnet worden war, 
predigte er dort bereits am 1. Pfingstfeiertage, am 4. Juni”*. 


In einem im Auftrage Georg Friedrichs geschriebenen, am 

8. Juni registrierten Briefe der Regierungsräte an D. Rogge”* 
und Benedict Morgenstern, Pfarrer an der Altstädtischen 
Kirche, wird diesem amtlich mitgeteilt, daß 

„Wir 

den auch Wirdigen vnsern lieben ge 

treuen ((Rand: Johannem Bretken)) den Pfarh[err]n zu Labiau 

an des verstorbenen Littauischen Pre 

digers statt, alhier vffn Steintham, 

wid[er] umb zu einem Prediger ange- 

nomen ....?% 

...Als befelhen Wir gnediglich[en] 

Ihr wollet gedachten Littauischen 

Prediger vff nechsten Sontag ]n 


»0 In dem Schreiben der Bürgermeister und Räte der drei Städte an die 
Regimentsräte wegen Neuregelung des litauischen Pfarrgehalts für 
Sengstock (erled. 19. 3. 1604) heißt es: hat doch der „... vorige pfarherr 
vorhin, mehr nicht alß. 200 M. gehabtt.“ 

»1 444,34 kg, rund 9 Ztr. In einem undatierten Schreiben, wohl von einem 
der Regimentsräte auf ein Gesuch Sengstocks wird gesagt „...das... 
ein l littischer Prediger alhie von hof | mehr nicht als 12 sch/Korn Jer- 
lich[en] l Jnhalts des hofstals gehabt hat...“ 

»2 Siehe S. 86 und Schreiben Georg Friedrichs an den „Burggrauen vnd 
Ambt l schreiber zu Labiau“ (2. 6. 1587, E.M. 102e 4), wo es betr. 
Willent d. J. heißt, sie sollten „... Jhnen || diese Pfingst feyertage vber 
(weill N der ander ((d. h. Bretke)) alhier vfm Steinthamb Pre- ll digen 
muß)...“ in Labiau Probepredigten halten lassen. 

#3 D. Eberh. Rogge, Offizial (juristischer Beirat im Konsistorium), geb. 
Danzig 1536, studierte in Wittenberg, reiste nach Italien, doktorierte 
1567 in Frankfurt a. d. O., darauf herzogl. Rat, 1574 Konsistorialrat des 
Bischofs Heshusius am samländischen Konsistorium, } 20.5.1592. Arnoldt, 
Zusätze, S. 185 ff. 

s E.M. 72£., Aktenheft: „Litthauischer Pfarrer auf dem Steindamm 1587“, 
BI®2: 


96 


der Steinthammischen Kirch[en] gebuerlich[er] 
vnd ordentliecher weise einweisen...“ 

Somit wird Bretke am Sonntag, den 11. Juni 1587, in die 
Steindammer Kirche feierlich eingewiesen, wo er von nun an 
zusammen mit dem polnischen Pfarrer auf dem Steindamm 
in dem neben der Kirche stehenden „Widdem“, dem ehemali- 
gen Pfarrhause, wohnte”® 

Es beginnen jetzt die fruchtbarsten Jahre Bretkes, doch 
die Wirtschaftsnot hört nicht auf. 

Im ersten Jahre nach der Übersiedlung nach Königsberg 
scheint er zwar nicht zur Arbeit gekommen zu sein, doch 
schrieb er vielleicht damals einige von den in dem Verzeichnis 
von 1591 angegebenen Werken, die wohl verloren sein dürften. 

Am 3. Juli 1588 nahm Bretke die Arbeit an der Bibel wieder 
auf, und zwar begann er jetzt die Übersetzung der Genesis, 
die er mit Unterbrechungen im Durchschnitt mit fünf Folio- 
seiten täglich am 5. September 1588 beendet. 

In dem nun folgenden halben Jahre wird Bretke sicher die 
„Giesmes“ zum Druck vorbereitet haben, zu denen er am 
11. April 1589 das Vorwort schrieb, und die bald darauf er- 
schienen. 

Die Bibel bleibt wieder ein halbes Jahr liegen. 

Während der Zeit arbeitete Bretke sicher an seiner Postille, 
die er Anfang September 1589 fertig hatte, und die er durch 
die Regimentsräte dem Herzog anbot, und zwar überreichte 
Bretke ein deutsches und ein litauisches Exemplar. In seinem 
Schreiben hat Bretke offenbar ausführlih von seiner Über- 
setzungstätigkeit berichtet und gebeten, daß die „HausPostil“, 
wie die Regimentsräte sagen, korrigiert werden solle, und 
zwar schlagen sie vor, daß auch Pfarrer „...aus dem König- 


lichen || theill®”, solche Postill vbersehen helffen....“ 


»5 In der Bittschrift des Amts der polnischen Gemeinde, eingeg. 30. 3. 1603, 
an den Herzog, heißt es: „Jtem Das die Littawsche so woll auch I der Pol- 
nische bis An Hero Vfen Stein- ll tham gewoHnet. was VngelegenHeitt ll 
solchs gebracht.“ (Qu., S. 446, Z. 17—19.) 

» In dem am 11. 5. 1590 präsent. Schreiben Bretkes, in dem er dem Herzog 
die Postille zum Druck anbot, sagt Bretke, daß er sie den Regiments- 
räten „...vngeferlich vor einem Jhar angedeütet...“ hätte (Qu., S. 432, 
Z. 19£.). 

»” Also aus dem Grofßfürstentum Litauen. 


7 Falkenhahn, Bretke 97 


In dem Schreiben der Regimentsräte, mit dem sie sich am 


14. Oktober 1589 an den in Onolsbach“ weilenden Georg 
Friedrich wandten, sagen sie nach der Grußformel (Seite 2°): 


„»...das der Jzige Littausche Prediger 
alhie Johannes Bretkius so Zuuorn ezliche 20 Jahr 
zu Labiau Pfarrherr, gewesen, vnd vngefehr vor 
Drietthalben Jahren, nach des Damals gewesenen 
Littauschen Predigers Tödtlichen abgang, anhero 
uociret vnd bestellet worden, etliche opuscula theo- 
logica in Littauscher sprach gefertiget, verhofft auch 
vnd ist in willens do Ihme Gott das leben vergönnet, 
mit seiner almacht Hulffe, die ganze Bibel in die 
Littausche sprache Zu transferiren, vnd dieselbe: E:fl[en]; Dht: 
in vnderthenigkeit Zu Dediciren, vnd in diesen Lezten 
Zeitten, dem Armen vndeutschen Völcklein so mehrer- 
theils Barbarj vnd von Gott vnd seinem Wortt 
wenig od[er] nichts wissen, sonderlich weill in 
Dieser sprach ausser Dem Cathechismo Passional 
Predigten vnd Psalmbuchlein in Theologieis noch Zur Zeit 
nichts Zufinden, mit solcher seiner Arbeidt Zudienen, 
Als hat aber vnder andern, ermelter Johan Bretkius 

(Seite 2°) 
für diesmahl: e: fl[en]: Dht: ein HausPostil vnderthenigst offeriret, 
vnd darbey hochvleissig angehalten vnd gebetten, 
sintemahl er diese seine Arbeidt allein Zu Gottes 
ehre Zu erbreitterung seines sehligmachenden worts 
vnd Zuerbauung vnd vermehrung der Christlichen Kirch[en] 
furgenommen, das soches Opusculum durch gelehrte, 
wolgeubte reine vnd erfarne Theologen, die der 
deutschen so woll der Littauschen Sprach kundig 
examinieret, censuriret vnd geurtheilet, auch do die 
der Wahren religion der Augspurgischen Confession 
gemes, vnd auf Gottes wordt gegrundet, befunden 
wurden, fur der vf: E: fl[fen]: Dht: verlag dem Armen 
vndeutschen volck Zu guttem in Druck gegeben, 
werden möchten, 
Wan wir dan erachten das solch sein suchen vnd vor- 
haben an imselbsten Christlich vnd billig Zuforderst aber 
Zu Gottes ehren, Zu fort Pflanzung seines Göttlich[en] 
worts, vnd Zuuermerung der Christenheit gereichet 
auch do dies gefertigte opusculum durch gelerte Theo- 
logen approbiret, mit der heyligenschriefft einstimmig 
befunden, vnd hernacher sonderlich do kunfftig auch die 
Bibel in dieser sprach ediret vnd durch: e: fl[en]: Dht vor- 

schub dem Druck 


283 Ansbach. 


98 


Committiret, werden solte, nicht allein e flfen] Dht bey menniglich 

(Seite 3r) 
einen vnsterblichen Nahmen vnd Ruhm machen 
sonder auch hierdurch viel der armen vndeutschen 
leutte, so woll von den benachbartten, als 
e fllen] Dht vnderthanen, vnserm Herrn Christo 
gewunnen (!), vnd Zum Christenthumb gebracht 
werden Köndten, Als haben wir 
solches: e: fl[en]: Dht. hiemit vnderthenigst Zuberichten 
nicht vnderlassen sollen, vnderthenigst nicht 
Zweyflendt: e: fl[en]: Dht: werden Dieses Werck selbsten 
hochuerstendig erwegen, vmd was sie hierinne 
gnedigst Zuthun gemeinet, vnd ob die solches 
opusculum vf derselben vncosten in Druck Zugeben 
bedacht, Ihre gemuets meinung vns In gnaden 
eröffnen, 
Wir Zwar mussen bekennen das vber vorige 
angeZogene vrsachen, alle, auch Durch Dieses Werck 
dem gegentheil den PaPisten (welche vnlangst 
des Canisij®® Cathechismum in Littauscher sprach 
in Druck ausgehen lassen, vnd Der Ortt bereidt 
hin vnd wieder vnder die leutte gestecket, 
auch vnZweiflich Ihren giefft vnd menschen- 
tandt durch andere bucher mehr in solcher sprach 

(Seite 3”) 
fort Zubreitten, vnd das arme vndeutsche vnd 
meistes theiles von Gott vnd seinem wortt 
vnwissendes Volcklein Zu inficiren vnd in mehrere 
abgötterey Zufueren nicht feyern,) begegnet vnd hir- 
durch Ihnen Jr vorhaben gehemmet werden Köndte, 
Wolten Demnach:e: fl[fen]: Dht: in vnderthenigkeit nicht 
rathen, das:e: flfe]: Dht: vf vorhergehende Censur vnd exa- 
mination solche von dem gedachtem Bretkio e fl[en] Dht 
dedicirte Littausche Postill verlegen, 
vnd vf derselben vncosten, obiger vrsachen halben in 
Druck verferttigen hetten lassen, Jnmassen wir 
dan Zu dem Ende solche bucher, weill er sie In 
Deutscher vnd Littauscher sprach vbergeben, das 
deutsche exemplar, den Professoribus Theologiae so woll 
auch den Pfarrherrn vnd Consistorialibus alhie Zu 
examiniren vnd vmb ]hr schriefftlich bedenckhen 
ZuZustellen fur gutt angesehen, Wollen auch gleichs- 
fals das Littausche exemplar durch derselben 
sprach kundigen vnd gelehrte Theologen, so man in e fl[en] Dht 
Landen, so woll von den benachbarten vnd der 


ss® Siehe unten, S. 100 Anm. 391. 


7r 


augspurgischen Confession Zugethanen in der nehe 

haben kan, etwa Zu Rangnit, oder wo es der ortt, 

am fuglichsten wirdt geschehen können, examiniren 
(Seite Ar) 

vnd ob sie mit der Wahren religion vnd der heylig[en], 

schriefft einstimmig Censuriren lassen, vnd dauon 

Jhr schriefftlich iudicium fordern, Damit also dies 

Werck Cummuni calculo, do es anderst e fl[en] Dht gnedigs 

gefellig, vnd es dieselben beuehlen, Weiter ge- 

fordert, .vnd dem Druck Committiret werden 

möchte, wie den solche der Theologen bedencken, so 

baldt die an vns gelangen, e fl[en] Dht von vns vnuer- 

lengt in vnderthenigkeit Zugeschicket werden sollen, 

Vnd ob sich woll der verlag vnd die vncosten etwa 

in die Dreyhundert od[er] mehr gulden belauffen möchten, 

sonderlich do den Jenigen, so aus dem Königlichen 

theill, solche Postill vbersehen helffen, eine geringe 

ergezligkeitt Ihrer muhe geschehen solte, wollen wir 

doch vnderthenigst hoffen es werden:e : fl[e]: Dht: ein 

solch gering geldt nicht ansehen, oder sich dasselbe 

tauern lassen, sondern vielmehr solch werck, so 

Zu Gottes ehr vnd vermehrung der Christlichen Kirchen 

gereichet, auch e fl[fen] Dht einen vnsterblichen Nahmen 

vnd ruhm gebehren wirdt.. .“?% 

Also Bretke hatte 1589 bereits ‚„... etliche opuscula theo- || 
logica in Littauscher sprach gefertiget...“ und die „... Pa- 
Pisten...“ hatten bereits damals „...vnlangst || des Canisij"* 
Cathehismum in Littauscher sprach || in Druck aussgehen 
lassen...“ und auch in Preußen unter die dortigen Litauer 
gebracht. 

Am 24. November 1589 teilen die Geheimen Räte Georg 
Friedrich mit, daß es um der Ausbreitung des Christentums 
und „...beferd/erjung || d{er| armen leutt || seelen seelig- 
keit...“ willen und „...dem Armen vndeuttsch[en] voldh 
Zu || guettem...“ wert wäre, die 5300 Gulden auszugeben”. 


390 (eh. Staatsarch. Berlin, Rep. 7 (alt.) 80 cc. 

»1 Petrus Canisius (de Hondt?), „erster deutscher Jesuit“, geb. in Nym- 
wegen (Geldern); 1549 bestimmten ihn eine Vision am Grabe Petri, in 
der ihm das Herz Jesu erschien, und eine besondere Weihe des Papstes 
zum „Apostel der Deutschen“, zum „2. Bonifatius“, wurde ein bedeuten- 
der Gegenspieler Melanchthons; er schrieb u. a. den bekannten Kate- 
chismus (1555). (R.G.G., Bd. I, S, 1447, und Jesuitenlexikon, Spalte 294 ff.) 

#2 Signatur wie Anm. 390. 


100 


“ Gleichzeitig legen sie ihm ein ausgearbeitetes Antwortschrei- 
ben an die Regimentsräte in Königsberg vor, das in Konzept 
und Reinschrift im Berliner Staatsarchiv erhalten ist. Da heißt 
es, daß er, Georg Friedrich, die Postille für die armen Litauer 
drucken lassen wolle, doch wären nach seiner Ansicht 300 
Gulden etwas viel, und er tadelte, daß die Rechnung nicht 
spezifiziert worden wäre; doch er sei 

„»... Zufrieden dass- solche Postil, beides Jn 

Teüscher (!) vnnd Littawischer Sprach ett- 

lichen reinen vnnd gelartten Auch 

der sprachen kundigen Theologis vntt[er]- 

geben, vnnd Jm fall dieselb vnnserer 

wahren Christlichen Religion der 

Augspurgischen Confession gemeess er- 

funden oder von ermeltten Theologen 

darauff corrigiert würdt, Alss dann 

vff vnnsere verlag, Jedoch alles mit 

ringsten vncosten Jn den Truck ver- 

ferttigt werden...“ 


solle. 

Die Reinschrift ist ohne Unterschrift und Datum, daher ist 
es möglich, daß der Brief in anderer Form oder auch gar nicht 
abgegangen ist. 

Nachdem Bretke Anfang September die Postille abge- 
schlossen hatte, nahm er am 13. September 1589 die Arbeit an 
der Bibel wieder auf und erledigte mit nur ganz kurzen Unter- 
brechungen Josua, Judices, Ruth, 1. u. 2. Samuelis, 1. u. 2. Regum, 
1. u. 2. Chronicae, Esra, Nehemia, Esther, Asaria, Gesang der 
drei Männer im Feuerofen, Gebet Manasses, Canticus Canti- 
corum, Stücke in Esther, führte 1. Makk. zu Ende und über- 
setzte 2. Makk., Job, Jesaia, Jeremia und Threni, das er am 
11. April 1590 Anschlen] 

In einem am 11. Mai 15% eingegangenen Brief an den Her- 
zog bot er ihm wiederum seine „...Littausche predigten vber 
die || Fest vnd Sontags Euangelia...“ zum Druck an. 

In dem Briefe sagt Bretke (Seite 1) u. a., daß — wie er nun 
schon 29 Jahre gesehen hätte’” 

»...die Littawische 
Kirche bisdahero, mit Gottes wert (!) in 
Jhrer sprache, nicht dermassen, wie 


»s Qu., S. 431, Z. 36-8. 432, Z. 11. 


101. 


es die Notturfft erfordert, geweidet 

ist werden (!). Denn ob wol E.F.D. lie- 

ber herr Oheim, Marggraff Albrecht, 

milter vnd hochloblicher Gedechtnis, vnser gne- 

digster Landesfürst, Gottes wort mit 

rechtem Ernst in diesem Fürstenthumb 

gemeinet vnd gepflantztet, auch neben 

der Academia Fürstliche vnd milde 

beneficia, der Jugent, so studiret, ver- 
(Seite 2) 

ordnet vnd gereichet: Jst doch fast niemant 

funden, der da etwan mit einem Lit- 

tawischen Scripto, derselbigen vndeud- 

schen Kirchen gedienet hette. wie auch 

im Königschen teil meines Wissens, 

nicht das geringste Büchlein, in 

Littauscher Sprache. bisdahero geschrieb[en] 

worden, dadurch denn solche Kirche 

merklichen verseümet...“ 

Sicher wußte Bretke von der litauischen Übersetzung des 
Katechismus des Canisius, und sicher meinte er, daß in Litauen 
keine lutherischen Schriften geschrieben worden seien. 

Es sind seine „...Littausche predigten...“, die „...ein- 
feltig || vnd kurtz gestellet...“, die er selber gehalten hat. 
Wenn auch die Sprache von andern überarbeitet ist und auch 
auf ihren Rat hin, manche...“ gantz vmb Zu giessen....“, ver- 
ändert worden sind, so hören wir doch in ihrem ganzen Tenor 
in ihnen Bretke litauisch predigen. 

Der Herzog ordnet am 13. Mai eine Konferenz Litauisch 
sprechender Geistlicher „...an ein gelegenen ortt || nemblich 
nach Ragnit...“ an, wie es in dem an Bretke gerichteten 


Schreiben heißt”. 


Sie solle 
»... den nechstkonftti- ll gen Sontag Cantate welcher l sein wird der 
siebentzehende | Maij...“ 
beginnen, und Bretke sollte mit 
„... voserm Pfarrherr in Knijp Il hof3%5 zugleich vffbre[chen] ...“ 
und sich nach Ragnit begeben, wo ihnen und den anderen 


2: E,M. 72f, Aktenheft „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590— 
1592“; siehe Bezzenberger M.L.L.G. III, 1893, S. 124: „Zur litauischen 
Literaturges&hichte.“ 

#5 Artomedes, siehe unten, S. 105 Anm. 400. 

3 Signatur Anm. 394. 


102 


Konferenzteilnehmern (Johannes Höpfner, Simon Waischna- 
rus, Zacharias Blothno, Johannes Bielauk, Alexander Radunius 
und Daniel Gallus) die nötige Unterkunft und Verpflegung 
im Hause Ragnit gegeben werden würde. Bretke sollte sich 
aber für die Zeit der Ragniter Konferenz vom polnischen 
Pfarrer (Leonhart Dembowius) in Königsberg vertreten lassen, 
»... damitt 
„spielskinder 
nich allein die Kirch“ mitt 
Gottes wortt vnnt Pre- 
digten versehen, sondern 
auch sonsten, was euer Ambt 
erfordert, nichts verseu- 
met werden möge...“ 

Dies war das erste Mal, soweit wir wissen, daß in der 
iitauischen Literaturgeschichte vor dem Drucke eines Werkes 
eine derartige Korrektur stattfand. Doch Bretke hat, wie aus 
dem oben’ (S. 98) mitgeteilten Schreiben hervorgeht, um eine 
derartige Konferenz gebeten, und zwar vermutet Hermann 
wohl mit Recht’”, daß Bretke das Vorbild Luthers und seine 
Ratschläge für das „Dolmetschen“ dazu bewogen haben. 

Ende Mai ist die Korrekturarbeit bereits beendet, was die 
Konferenzteilnehmer in einem am 1. Juni eingegangenen 
Briefe dem Herzog mitteilten. 

In dem sehr interessanten Schreiben von der Hand Arto- 
medes sagen die Korrektoren”® von sich (Seite 3) 

„...wegenn Herrn Johannis Bret- 

kij Postill haben wir... 

wo vnSS 

in rebus od[er] phrasibus bedencken Vor- 
gefallen, den autorem Candid£ [et] 
fraterne monirt, vnnd nach vnnser ein- 
falt, was vons besser vnnd bequemer 
gedaucht, substituirt, welches er 

gern geschehenn lassenn. Weil 

auch ettlich gantze predigtenn wol kön- 
nen was ordentlicher, volliger vnnd 
verstendtlicher gefasset werd[en], haben 
wir Ihn, solche gantz vmb Zu giessen, 


»” Nachr. der K. Gesellsch. der Wissensch. zu Göttingen, Philol. hist. Klasse 
1923, sowie unten, S. 149 ff. 
8 Herzogl. Briefarch. I, Kasten 1590. 


103 


vnnd sie darnach Jemand aufß vnn- 
serm mittel Zuuberschick [en], gebeten, 
welches er auch gutwillig zugesaget.“ 

Danach sagen sie (Seite 4), daß derartige litauische evan- 
gelische Bücher notwendig seien, da der Teufel 

»...nun ettlicher seinen 
Jesuwiderischen Sewen Litauische 
Rüessel formirt, das sie auch in 
disem Litauischen Sprengel dem 
Herrn Christo seinen Weinberg 
Zerwülen vnnd verderbenn sollen, 
Wie sie denn albereit allerlei 
gifftige Bucher in diser sprach[en] 
ausgesprenget, da hergegenn 

auff vnnser seiten grosser 

mangel, vnnd fast nichts von 
reinen nützlich[en] lehrbüchern 
Zufind[en] ...“se® 

Hierdurch ist eindeutig gesagt, daß schon vor DaukSa außer 
dem erwähnten Katechismus des Canisius einige litauische Bü- 
cher auf katholischer Seite gedruckt und auch in Preußen ver- 
breitet worden sind. 

Am 26. Juni nimmt Bretke, nach Königsberg zurückgekehrt, 
die Bibelübersetzung wieder auf. 

Er übersetzt jetzt mit Unterbrechungen bis zu einem Mo- 
nate: Ezeciel, Daniel, die 12 Kleinen Propheten, das 2. bis 
5. Buch Moses und holt das seinerzeit bei der Übersetzung 
von 1. Regum ausgelassene Kapitel 7 nach, womit er am Sonn- 
tag, den 29. November 1590, die Übersetzung der ganzen Bibel 
abschloß (Abb. 7, T. VI). 


Danach dürfte Bretke an der Umarbeitung der von den 
Korrektoren beanstandeten Predigten gearbeitet haben, wo- 
mit er Anfang Januar 1591 fertig wurde, jedenfalls schrieb 
er damals das Vorwort zu der Postille, worauf sie gedruckt 
wurde und erschien. 


Als der Druck der Postille abgeschlossen war und die tau- 
send Exemplare an den Hof abgeliefert waren, machte Bretke 
verzweifelte Anstrengungen, um eine Gehaltserhöhung durc- 
zudrücken. Er ging zu dem Dompfarrer und Konsistorialrat 


32 Ihre Unterschriften unter diesem Briefe siehe Abb. 30, T. XV. 


104 


M. Sebastian Artomedes””, zum Pfarrer an der Schloßkirche und 


zweiten Theologieprofessor D. Andreas Pouchenius”® und zum 


Pfarrer der Altstädtischen Kirche, Konsistorialmitglied, Ordi- 
narius für Hebräisch usw. D. M. Christophorus Grunerus”“, 
klagte seine wirtschaftliche Not, schilderte seine Übersetzungs- 
arbeit und bat um ein Befürwortungsschreiben an den Herzog. 
Bretke muß tatsächlich bei diesen hohen Herren Sympathie 
gefunden haben, wie ihr interessantes Schreiben zeigt, das sie 
Bretke gaben; es ist in einer Abschrift im Berliner Staats- 
archiv erhalten” und sei hier ganz mitgeteilt: 
„Gottes gnade vnd segen, Zeitlicher vnd ewiger Wolfart 
beuorn, Durchlauchtigster Hochgeborner gnedigster 
Furst vnd Herr, E.F. Dht sollen wir vnterthenigst nicht 
Vorhalten, Das Vns vnser lieber Collega vnd Bruder 
in Christo, der wirdige vnd Wolgelarte Johannes 
Bretkius Littauscher Pfarrer aüffm Steintham, 
fur der Zeit, offt vnd vill mahl. seine Noth vnd Armut 
in welcher er sampt seinem Liebe (!) Weibe, vnd armen 
Kinderchen, stecke. vnd lebe, wehemudtigklich geclagt 
vnd entdeckt, auch angetzeigt, wie er alle das Jenige, 
was er von seinenn lieben nuhn mehr inn Gott 


#0 M. Sebastian Artomedes, geb. 1544 in Langensee, Franken. Magistrierte 
1567 in Wittenberg, 1572 Hofdiakon und Beichtvater Georg Friedrichs. 
Kam mit ihm 1578 nach Preußen, wurde 1579 Pfarrer am Dom in Kö- 
nigsberg und hatte das Recht, die Pfarrer im samländischen und na- 
tangischen Distrikt zu ordinieren. 1599 zum Dichter gekrönt (geistl. 
Lieder), } 11. 9. 1602. Arnoldt, Hist. Un. II, S. 477, Zus. S. 93, Nachr. ], 
S. 47 ff. 

#1 D. M. Andreas Pouchenius, geb. Juni 1552(3?) in Braunschweig. 1577(8?) 
magistrierte er in Rostock. 3 Jahre Prorektor in Lübeck, studierte da- 
nach 5 Jahre in Tübingen, doktorierte 1586, im gl. Jahre Prof. secundus 
in Königsberg und Pfarrer im Löbenicht. 1602 wurde er 1. Theologie- 
professor und 1603 Pfarrer im Kneiphof. 7 14. 10. 1615. Arnoldt, Hist. 
Un. II, S. 162, 177, Zus. 29, 33. 

#02 D), Christoph Gruner, geb. 21. 12. 1551 zu Neustädtel, Meißen. War 
Lehrer zu Pforta, danach Diakon zu Wittenberg; mußte als Anhänger 
des Kryptocalvinismus fori. 1591 Pfarrer an der Altstädt. Kirche zu 
Königsberg. Doktorierte inzwischen 1593 in Jena und wurde im gleichen 
Jahre in Königsberg Professor des Hebräischen und 1595 Rektor. War 
Mitglied des Konsistoriums. Ging 1589 als Generalsuperintendent nach 
Mannsfeld und starb 1606. Arnoldt, Hist. Un. II, S. 196, 560, Zus. S. 38, 
Fortges. Zus. S. 12. Nachr. ], S. 33. 

#08 Rep. 7 (alt.) 80c. (Seite 19rff.; die Seitenangabe bezieht sich auf die 
Blattanordnung im Aktenheft des Berliner Staatsarchivs). 


= 105 


ruhenden eltern, ererbet, da er draussen Zu witten- 
berg vnd sonsten an andern Ortten seinenn Studijs 
obgelegen vnd von andern keine Sübsidia stü- 
diorum hatt haben konnen, ver Zehren mussen, 
Vnd ob er woll verhoffte er wurde solches alles 
widerumb einbringen, vnd erobern konnen, da er 
seinen vnderhalt vnd dinst, inn diesem loblichen 
Fürstenthum vberkommen solle, welchem er alss. 
seinem Lieben Vaterlandt, für allem andern mit 
dem Talento, so im der liebe Gott Vortrauet dinen 
wollen, wie er dan dem selben fast Dreyssig Jahr 
am wortt Gottes gedienet, inn allen stucken 
seines Ministerij trew befunden, sich auch beflissen 

(Seite 19°) 
das er der Littauschen Kirchen, welche die Bibel 
vnd andere nutzliche Scripta, In ihrer sprache 
bisshero nicht gehabt, mit Littauschen schrifften 
moge dienen, Vnd Zu dem ende auch eine feine 
postillam welche der Littauschen Kirchen dises lob- 
lichen furstenthumbs Pfarern approbiret, vnd 
ihnen haben gefallen lassen, Inn Littauscher 
sprach Zusammen gebracht, so nun mehr durch 
den offentlichen Truckh verfertiget wortten, 
dartzu noch andere nutzliche vnd der Kirchen 
Gottes nottige Scripta, so wohl auch die gantze 
Bibel bey im hatt, die er in die Littausche. sprach 
hatt gebracht, vnd Verdolmetschet, Auch sein 
Ministerium mit einem Erbaren vnstrefflichem 
wandel geschmuckt, seinen Zuhorern mit aller- 
ley Christlichen Tugenden furgeleuchtet, 
Aber gleichwohl biss hero einen. fast schlechten 
Vnd geringen Vnterhalt gehabt, das er von 
seinem dienst vnd arbeit wenig erobert, vnd 
beilegen konnen, Vnnd entlich auch das wenige. 
In diesem Jtzigenn dinste, auf dem Steintham 
nicht alleine Zu bussen, sondern auch, wie wohl 
Vngehrn vnd wider seinen willen, sich inn, 
schuldten stecken müssen, wofern er mit 

(Seite 20r) 

seinem armen weib vnd Kindern, nicht hunger leiden 
wollen, Er hatt auch diese seine große beschwer 
vnd Armut, den Erbaren Inn E.F.Dht. Steten Konigs- 
berg Rethen Zuvnterschiedtlichen Mahlen Zuge- 
müth gefuret, Vnd dieselben nuhmehr in die 
Zwey gantze Jahr vnderdinstlich gebetten, sie 
wollen seine Nott erwegen, vnd ihne mit Der- 
massen besoldung versehen dauon er mit sein- 


106 


nem armen Weib Vnd Kindern seinen notturrft 
tigen vnderhalt haben mochte, hatt aber wie 
wohl im Vilfeltige vertröstung geschehen bisshero 
wenig erhaltten Konen, Wan dan der gutte 
Man, fast darumb bekummert, vnd betrubt, Vnd 
solche seine betrubnis, auch dener grosser wirt, 
das er vermerckt, wie er togteglich, an Krefften 
abnemme, Vnd schwächer werde, auch seine Zimliche 
erwachsene, Töchter fur im sihet, vnd nicht weiss, 
wie Vnd woüon er die selben, alss einem Treuen 
Vatter geburet, versorgen vnd begeben Konne, Alss 
hatt er vnnss freundlich gebeten, wir wollen vns, 
sein anligen treulichen lassen befohlen sein, 
vnd an E.Flfe]. Dhl Ime eine vnterthänige Inter 
cession schrifft mittheilen, welches wir ihme 

(Seite 20°) 
alss vnsern lieben Collegae vnd Bruder in Christo, 
mit welchem wir ein hertzliches mitleidten tragen, 
nicht versagen konnen, Gelanget demnach ann 
E.F.Dht. vnser vntertheniges flehen vnd bitten, 
dieselbe geruhe diese beschwer, obgedachter vnsers 
lieben Collegae Ehrn Johannes Bretkij genedigst 
Zubehertzigen, inn bedrachtung, das der sodem Altar 
dienet, vom Altar leben solle, Vnd alss ein Verus 
Ecclesiae nutritius die gnedige fursorge Zuthuende. 
wie solchen seinen beschwer abgeholffen, vnd er mit 
notturffttigem Vnterhalt moge Versorget werden, 
damit er sein Ministerium mit freiden vnd nicht 
mit seufftzen verrichten, auch der Littauschen 
arbeit, so er noch vnter henden hatt, desto fleisiger 
obligen, vnd desto besser verferttigen konne, 
Solches gereicht E F.Dht Zu sondern ruhm vnd 
Ehren, vnd wirt es der getreue Gott ein be- 
lohner alles gutten, derselben reichlich ver- 
gelten vnd erstatten, Vnd seindt vmb E.F. Dht 
wir sambt vnsern lieben Collegae mit vnserm 
vndechtigen vnd emsigen gebett Zu Gott fur 
E.F. Dht. bestendige gesundtheit langes leben 
gluckliche vond friedtliche reigierung (!), solches. 
Zuuerdinen inn hochster Vnterthenigkeit. 

(Seite 21r) 
willig vnd geflissen, Hochermelte E.F.Dht inn den 
gnedigen schutz des Almechtigen, vnd derselben Zu 
gnaden vnnss vnterthenigst befehlende, 
E.F. Dht. 
Vntertänigste vnd gehorsame 
diener am Wortt Gottes, 


107 


Sebastianus Artomedes 

Andreas Pouchenius D 

M Christophorus Grunerus 
(Seite 21°) 

Der Pastorn der 3 Stedte. 

Konigsperg. Jntercession 

vor denn Littischen Predig/er] 

seines Vnderhalts halb[en].“ 


Mit diesem Schreiben begab er sich (etwa Juli-August 1591) 
zu den Bürgermeistern und Räten der drei Städte Königsberg 
und bat um eine diesbezügliche Eingabe beim Herzog, der er 
ein Gesuch an den Herzog, das Schreiben der drei Geistlichen 
und ein Verzeichnis seiner bis dahin übersetzten Schriften bei- 
fügte. Das Schreiben der Bürgermeister und Räte sowie das 
Verzeichnis ist im Berliner Staatsarchiv erhalten®, Beide 
sollen ihrer Wichtigkeit halber hier mitgeteilt werden: 

(Seite 17”)205 
„Durchlauchtigster, Hochgeborner. Furst, Gnedigster. 
Herr, E.F: dht. seindt vnsere vnderthenige Pflicht 
schuldige. vnd gehorsamme, Dinste, Jederzeit Zu- 
uorn bereit, Gnedigster Furst vnd Herr. 
E.Fl[e]. Dht. werden in gnaden beiligente befinden; 
was an vns der wirdige, Johannes Bretkiuss; 
Littauscher. Prediger, auf dem Steintham: 
wegen seines vnderhaltts; Jn dem selben Zuer- 
besserren bittet, Nuhn Haben wir dem gutten 
Manne, souil vns Immer moglich[en] gewesen, vnd. 
wie es Jedere Stadt, nach Ihrem vermogen, 
thun konnen, an besoltung gern gereicht, vnd. 
gegeben werdten, wie dan wir auss der Alten 
stadt, nicht allein die Steinthamische Kirche- 
sondern auch die Wiedem, oder daß Pfarhaus, 
Jedertzeit inn beiüehlichem wessen, vnder- 
Halten müssen, vnd vns wohl in die 200 M. 
dieses vergangene Jahr; auff erbesserung 
der wiedem gegaangen (!) Darob wie in disen. 
Stedten, ein mehres auf den Littischen Pfar- 
Herren Zu wenden nicht vermugen, Wan aber. 
wie der Pfarherr setzet, das meiste Littauische 
volckh auff E.Fl[e]. Dht. Freyheit, dem Sackheim 
Rossgartten, vnd Tragheim wohnett, vnd sich 
aüfhelt, Vnd warlich der gutte man, seiner 


#% Berliner Staatsarchiv, Rep. 7 (alt.) 80.c. 
#05 Bezüglich der Seitenzählung siehe oben, S. 105 Anm. 403. 


108 


(Seite 17°) 
treue vnd arbeit halben, welche er in Vertirung etlicher 
gutter bucher Jn das. Littausche, wie Jm beiligen- 
den Zettel, Zu sehen anwendet; werth ist, das er 
wohl vnd erlich vnder halten werdte, Allss. ge- 
langt. An E.F.Dht, vnser vnderthinges bitten, 
Sie wollen, als der gnedige Furst vnd Patron, aller. 
Kirchen, dem gutten, man, Jre gnedige milde Handt, 
ertzeigen vnd beweissen, vnd demnach Jme. nach 
EF. Dht. gnedigem willen vnd wolgefallen, mit 
etwass das Littyschen volks, vf vnd inn E Fl[en] Dht. 
freijheit wonende, Halben Zur besoldung Zu hulffe 
kommen, vff das der gutte man, nicht noth leiden, 
vnd also verursacht werden möchte, sich von hinen 
Zubegeben, Wie er sich dan auch richtig dahin 
erclert, do Ihme nicht Jehrliche hulff vnd Zü- 
schub geschehen solt, das er sich wo anders vmb- 
sehen, vnd seine Verbesserung suchen. muste, 
wie wir dan auch Zimliche nachrichtung haben, 
das er von gutten Leuthen, derentwegen ist an- 
geredet wordten, das er sich an andern ortten, 
soll bestellen lassen, derowegen bitten wir aber- 
mahls E. Flle]. Dht. gantz vnderthenigklich, sie geruhen 
inn gnaden, den gutten man, Jherlichen mitt einner 
gnedigen Hulffe Zubedencken, Solches wirdt, 
Gott der almechtige E.Fl..Dht hier Zeitlich 

(Seite 18r) 
vnd inn ewigkeit, vnuergolten nicht lassen, 
vnd wir sendt (!) solches vmb die selben, als getreue 
vnderthanen Zuuerdinnen schuldig vnd bereidt. 
E. F. Dht. 
Gehorsame vnderthanen. 
Burgermeister vnd Rath 
mane der dreyer... Stede, 
Konigsbergk 

(Seite 18°) 
Burgermeister Vnnd 
Raht der dreien Stedte. 
Konigsberg wegen. 
Johann Pretky Littisch[en] 
Predigers...“ 


Das beiliegende Verzeichnis lautet’”: 
(Seite 22r)407 
„Libellj & Johann Bretkio Borusso 


408 Signatur wie S. 108 Anm. 404; siehe auch Gerullis, Stud. Balt. V, S. 52. 
407 Bezüglich der Seitenangabe siehe S. 105 Anm. 403. 


109 


in Lithuanicam Linguam translatj. 

Augustana Confessio. 

Paruum Corpus doctrinae Christianae 
Mathia Judieis 

Corpusculum doctrinae Christianae 
Johannis Wigandj 

Schmalcaldiej Articulj 

Postilla Coruinj in Euangelia Dominicalia 

ohne die itzt gedruckt worden 
Biblia veteris et nouj Testament[orum].“ 


Die Regimentsräte antworten den drei Städten in einem 
am 9. November 1591 registrierten Schreiben, dessen stark 
beschädigtes Konzept im Königsberger Staatsarchiv liegt, und 
zwar sagen sie u. a.: 


»...Ihr euch erstlich[en] 

selbst[en] der gebuhr er-Innert, vnd 

die Motiuen, so Ihr in ewere[n] 
Intercession schreib[en] Zu erlangung 
dler] gebetten[en] addition, gebraucht, 
Eu[ch s]sibst[en] zu gemüth Ziehen 

vn[d] dfer] Addition halb[en] ein[en] an- 
fang gmacht, hettet, dann Ihm 

deme Ihr bekennen vnd erkenn[en] 

must, das der Littawische 

Pfarh[er] mit dem geordtnet[en] 
vnd[er]haltt nicht versorget, Sond[er]n 
darbei Noth leid[en] müst Doch seiner 
gabe[n] halb[en] eines bessern vnd[er]halts 
wurdig seij, hett Euch Zuuordler]st 
gebühr[en] woll[en], wie Euch dann 
d[er] Stätt gemein halb[en] noch obliget 
vnd gebühren will da nicht allein 
Zurath[en]: Sond[er]n auch Zu thatten 
das der Pfarh[er] Joan: Bretkius [vnd] 
dfer] Littawisch[en] einwohner Seel- 
sorg[er], dermass[en] vndfer]halt[en] werde, 
das Er djer] dringent[en] Noth halb[en] 
nicht vrsach habe, seinen fueß 

and[er]st wohin Zu wend[en] od[er] 

seinen dienst ferner mit sorg[en] vnd 
seuffzen obzuwart[en] ...“ 


Dies alles würde unterbleiben, wenn die Städte ihm die 
jährliche Verbesserung geben würden. Es ginge doch nicht an, 
daß die Gehaltserhöhung den Regimentsräten alleine zuge- 


410 


schoben werden sollte. Doch wären sie den Dienern göttlichen 
Wortes nicht ungeneigt, und sonderlich nicht 

„...dier] gleich[en] Pastor[en] welche den Kirch[en] 

In frembde Sprach[en] nicht allein mit 

lehr[en], Sond[er]n mit schreib[en] vnd 

Ihrer extra ordinarj arbeitt 

dienen, diselb[en] mit Ihrer arbeit 

erbreitern, vnd das Gottlich wortt, 

durch frembde in schrifft[en] Zuuohr 

fast vnbekante Sprach[en] erweitt[er]n...“ 

Es wäre mit Bretke nicht recht geschehen; die Städte sollten 
um der litauischen Gemeinde willen den treuen Dienern die Ur- 
sache nehmen, 

„»...Ihrn dienst andl[er]st 

wohin Zu wendlen] 

Wenn dann Joan Bretkius Jhn 

Jnhalts der dreien Pastore[n] Com- 

mendation, biß dahero Jn seine[m] 

dienst ((durchstr.: d[as] seine)) fast all sein [ver]mogl[en] 
Zugesetzt, Nichs desto wenigl[er] ab[er] 

seine[m] A[m]bt [vnd] dinst fleissig ob- 

gewarttet, darZu ]Jn heylig[en] 

schrifft ((Rand: mit Vertirung 

derselb[en] in die 

littawische Sprach)), des gleich[en] von Kein[em] Littauisch[en] 
Pfarh[er]n nicht erfahren grosse arbeit 

[ver]richtet, lauts der verzeichnus 

eracht[en] wir Nettig [vnd] halten es fur 

fur billich vnd recht, d[as] dem 

littawisch[en] Predig[er] sein vnd[er]halt 
d[er]mass[en] [ver]bessert werde das er 

sein dienst belohnet vnnd [vnd] 

Jhme vrsach gegeb[en] werde, nicht allein 

bei d[er] littawisch[en] gemein alhier 

Zu Pleiben: Sond[er|n vert... (?) In 

dler] littawisch[en] Sprach[en] vort Zu arbeit[en]...“ 

Damit es aber nicht an ihnen liegen solle, haben sie bereits 
etwas bewilligt, doch da das nicht ausreiche, um Bretke zu 
helfen, und um der Litauer willen, die in den drei Städten 
wohnen, verlangen sie, daß die Räte in gleichem Maße hülfen, 

»... welches dann Ne Bretkius I mit seine[n] l getrewen | dien- 
st[en] wid[er] | einbring[en] vnd mit dessen Arbeit I Zu verdiene[n] 
wissen wird... 8 


ı®@ E.M. 72f. 


111 


In ihrem Bericht hierüber, der sich im Berliner Staatsarchiv 
befindet‘, sprechen die Regimentsräte gleichfalls von der 


VON 
keinem Littauschen Pfarhern nicht erfahren, 
grosse arbeit...“ die Bretke getan hätte 


„...Jahalts der dreyer Räth 
vbergebenen vertzeichnus...“ 


Weiter sagen sie dort (Seite 11)“ bezüglich des Deputats 
vom Hofe, daß es ihm: 
„»... alle 
Jahr vff Michaelis. solang er Bretkius im dienst 
sein wurdt, gefolgett werden soll, Doch soll 
diese addition weitters nicht. dann vff den herrn 
(Seite 11”)210 
Pretkius vnd solang es fl[en]. Dht. gefellig ge- 
meint sein, Dagegen hatt herr Pretkius 
Zugesagt, vnd ist schuldig, das Consistorium 
so oft er darzu erfordert wirdt, Zubesuchen, 
vnd demselben beizuwohnen, ]Jtem was von 
hoff. Jn Littauischer sprach zu Vertiren sein 
wurdt, solches Zuuertiren. vnd fl[en]. Dht. sonsten 
getreue Dienst Zuleisten, = 
Fur die dedication der Littauschen Postil, 
soll Jhme herrn Pretkaw hundert Exemplar 
verehret sein, die er so hoch. als er kan, Zu 
geldt machen, verkauffen. vnd Zu seinen 
nutz wenden mag...“ 


Das gleiche sagen sie in dem Bericht an den Herzog vom 
25. November 1591“, nur daß sie dort betonen, daß aus dem 
Verkauf der verbleibenden 900 Exemplare der Postille die 
Unkosten gedeckt werden sollen, die der Druck und die Her- 
ausgabe verursacht haben. In diesem Schreiben übersandten 
sie dem Herzog das Verzeichnis der Übersetzungen Bretkes. 


Ende Oktober 1591 ratifiziert der Herzog alles“*, weist aber 
ausdrücklich an, daß die Regimentsräte mit den drei Städten ver- 
‘ handeln sollen, auch noch etwas dazuzugeben. 


20 Rep.7 (alt.) 80c; Datum 9. 9. 1591 (Seite 10° im Aktenheft). 
‚0 Im Aktenheft. 

“1 Ebenda, S. 24r ff. 

42 Fbenda, S. 15r ff. 


112 


ee 


Tatsächlich bekam Bretke von jetzt ab vom Hofe zu den 
12 Scheffeln Korn noch 18% weitere, dazu 10“* Scheffel Gerste 
sowie „Ein Priester Kleyd oder 19 M. 13 R“ 3 Dn““. %, denn in 
dem Bericht eines Regimentsrates (?) in den Jahren nach Bret- 
kes Tode wird gesagt: 

„Jch weis vff dise Supplication anders nichts Zuberichten, 
Als das worhin 

bei lebzeiten hochseliger fdt. ein 

littischer Prediger alhie von hof 

mehr nicht als 12 schl Korn Jerlich[en] 

Jnnhalts des hofstals gehapt hat, 

hernach hat die Regirung Ao 91 

dem seligen Littischen Predig[er] vff ratification noch Jerlichen 

18 schl. Korn 10 schl gerst[en] vnnd 

ein prister Kleidt Zugeworff[en] 

weil er über 40 Jar Jnn disen 

landt dem ministerio vorgestand[en] 

Vnd in schreiben vnd predig[en] viel gethan ....““? 


Es sieht so aus, als ob die drei Städte nichts gegeben haben. 


Ein ganzes Jahr fehlt von Bretke jede Nachricht. Er hat 
sich aber offensichtlich in dieser Zeit mit den schweren „Phrasi- 
bus“ und Wörtern in seiner Bibelübersetzung beschäftigt, die 
ihm entweder inhaltlich oder sprachlich Schwierigkeiten mach- 
ten, denn, obwohl er die Übersetzung bereits am 29. November 
1590 abgeschlossen hatte und spätestens Herbst 1591 der Druck 
der „Postilla“ vollendet war, wandte sich Bretke das ganze 
darauf folgende Jahr hindurch nicht an den Herzog mit der 
Bitte um Drucklegung, sondern er kündigte diesem erst Mitte 
September 1592 die nahe Vollendung der Bibel an und bat nach 
zwei Konzepten der Herzoglichen Kanzlei“, daß, (Rand): 


»... Alldiweil in 
solchem werck aller- 


“8 12 + 18 = 30 Scheffel = 1110,86 kg, rund 22,25 Ztr. - 

#4 304,34 kg, rund 6 Ztr. = 

415 Schilling. 

40 Denaren. 

#47 E.M. 72f, Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/04“, Bl. 52. 

“8 1. Konzept zu einem Schreiben des Herzogs an den Hauptmann zu 
Ragnit vom 20. 9. 1592. 2. Konzept zu einem Schreiben des Herzogs an 
die zur Bibelkorrektur bestimmten Pfarrer vom 22. 9. 1592. Beide haben 
die Signatur: E.M. 72f., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 3 und 6. 


8 Falkenhahn, Bretke 113 


lej schwehre phrases 

vnnd wörter, welche 

in denselben vn- 

deutschen sprachen 

vngebreuchlich 

vorgefallen 

etliche vnserem 

Ambtt Ragnitt der Littauischen 

sprach erfharnen Pfarhern ((durchstr.: Zue censurieren [vnter]- 

gebenn werdenn möchten (überschrieben: consoliren vnnd sich 
derethalben 

mitt Jhnen vnterreden) (Rand: vnnd sie derethalben 

nach Ragnit verschrieben 

werden möchten))....“ 


In dem 2. Konzept zu dem Briefe an die zu der Konferenz 
bestimmten Pfarrer wird gesagt, Bretke wäre 
„»...in ettlichen Phrasibus... Zweif- 
lich... ob die eigentlich dem Teutschen nach also zu 
geben ((überschrieben: sein mögen oder nicht)) ...“*8 


Am 20. September 1592 ordnete der Herzog die Konferenz 
in einem Schreiben an den Hauptmann zu Ragnit an und sagte 
weiter: 

»...Du wollest, wann ermelter 

Bretkius Zue Rangnitt ankömptt, Simonem Waisch- 
narum, Zue Rangnitt, vnd Johanne[m] Gedecantum Zu 
Schirwinten, Georgen Musam Zue Pikallen, 
nebenst Friederichen Mosalskj Zu Pricolß 
pfarherrn ((Rand: denen 

wir auch 

dasselbe durch 

vnnsere sonder- 

bare bevehlich 

angemeldet)). vf vnser Hauß Ragnitt erfordern 
Jhnen nebenst Bretkio ein gemach eingeben, Vnndt 
...Auch sie solche Zeit vber, mitt notturf- 

tiger liefferung, ann Essen vnnd Trincken ver 
sehenn lassenn.‘19 


Bretke dürfte sich sofort nach Ragnit begeben und so die 
Konferenz in Gang gebracht haben. Die beorderten Korrek- 
toren stellten sich ein“, und man begann mit dem Alten Testa- 
ment. Doch bald zeigte sich, daß unsere Pfarrer, obwohl sie 


#0 Signatur wie S. 113 Anm. 418, Bl. 1. 
20 Signatur wie S. 115 Anm. 418, Bl. 11. 


114 


sicher Litauisch von klein auf sprachen, der Aufgabe nicht ge- 
wachsen waren, nahezu aus dem Stegreif eine Übersetzung 
schwieriger biblischer Stellen zu geben, oder genauer: eine 
große Menge litauischer Wörter zu schaffen, die es in ihrem 
Vokabelschatz nicht gab und nicht geben konnte, ebensowenig 
wie es heute jemandem, der fließend Niederdeutsch spricht, 
möglich sein würde, ohne lange Vorarbeit z. B. einen hoch- 
deutschen politischen Text, den er mühelos versteht, ins Nie- 
derdeutsche zu übersetzen. Bei der Postillenkorrektur war 
die Aufgabe leichter, da es sich da allergrößtenteils um freie 
Rede handelte, die nur zu verbessern war. Die Pfarrer kann- 
ten eben nur die lateinische, günstigstenfalls die polnische und 
deutsche Bibel und deren Termini, so daß sie scheitern mußten 
und unmöglich aus dem Stegreif Fragen beantworten konnten, 
mit denen sich unser fleißiger und gewissenhafter Bretke schon 
lange vergeblich abgemüht hatte. Dazu ist ihnen Bretke offen- 
sichtlich noch mit dem Hebräischen gekommen! 


Sie gaben die Sache daher bald auf und schrieben am 
10. Oktober gemeinsam von Ragnit aus an den Herzog”, daß 
die Bibelübersetzung eine löbliche und nützliche Sache sei, die 
viel Arbeit und Zeit gekostet hätte, und daß sie gehorsamst 
zur Korrektur nach Ragnit gekommen wären, doch 


Bi SWEillER., 
...Zu einer solchen hohen schweren 
sachen viel vnd raume Zeit gehöret, 
wir vnß auch Viel Zu geringe, schwach, 
vnd vnuormogen Dar Zu erkennen, 
So gelanget ahn E F D alß unsern 
gnedigsten fursten vnd hern vnser 
allervntethenigste bitte, Die wollen vnß 
auff eine gelegene Zeit etzliche gelarte 
menner in hebraischer sprache erfahren, 
Zuordnen, damit solches hohes nötiges 
vnd christliches werck mochte vorrichtet 
vnd in Druck gebracht werden... .“22 


Bretke bat darauf sofort die Regimentsräte um eine wei- 
tere Konferenz mit Hebraisten entweder in Ragnit oder in 


“1 Signatur wie S. 113 Anm. 418, Bl. 11. 


#2 Die Unterschriften dieser Korrekturen unter dem Briefe siehe T. XXXV, 
Abb. 75. 


& 115 


Königsberg”. Die Räte wandten sich deshalb am 3. November 
1592 an den Herzog und baten, er möchte die Kosten einer 
solchen Zusammenkunft nicht scheuen ..., 

„... weil ((überschrieben: noch zur Zeit)) in dieser sprach 

ausser dem Cathechismo i 

Passional, Predigten, Psalm- 

büchlein, vnnd dieses Bretkij 

außgangene Postillen in theo- 

logieis nichts Zu finden ist. 


Als gelehrten Thetlonend nannten sie besundähs „ED! 
Georgium || Mullerum“. Nach der Korrektur solle dann das 
Werk unter dem Namen des Herzogs auf dessen Kosten gedruckt 
werden. 


Der Herzog wandte sih darauf am 8. November 1592 an 
das Konsistorium und bat um Mitteilung ihrer Ansicht, 
‚... wie vand welcher gestalt 
((überschrieben: Ihr vermeinet)), 
..Das dieses werck vollenden 
Zu absoluiren, auch was fur personen 
hierZu gebrauchen ((überschrieben: sein mögen)) an welchem ort 
sie ((Rand: am fuglichsten)) zusammen Kommen ((überschrieben: 
können)) vnnd wieuiel 
Zeit ((durchstr.: Zu solch vollendung sie)) dan Zu 
Zu nemen sein wolle.“ 


Sie sollten „...Bretkium auch deßfalls hören...“ und dann 
Bericht erstatten. 


Diese setzten sich sofort mit Bretke in Verbindung und 
teilten darauf in einem am 12. November 1592 eingegangenen 
Schreiben“ dem Herzog mit, daß sie (Seite 4)”* 


»... mit mehrge- 
dachtem Bretkio Vnterredunge gehalten ....“, 
und daß es zwar ein „...sehr Christliches Vnnd nutzliches werk 


seij...“ Es wäre aber sehr 
„...schedlich, wo solche Version der Heiligen Schrifft 
nicht mit den fontibus einstimmet, Vndt man 


“3 B,M. 72£., Aktenheft: „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590— 
1592“; siehe Bezzenberger, M.L.L.G. III, S. 126, „Zur litauischen Lite- 
raturgeschichte.“ 

»24 E,M. 72£., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 4. 

25 Ebenda, Bl. 7ff., Qu., S. 433 ff. 

20 Seite im Brief. 


116 


frombte‘?” sinn Vnnd Verstandt auch wider Gottes 
wortt darein menget, Vnnd breuet, derwegen 

(Seite 5)228 
alhier Christliche fursicht wil Vonnothen sein, Vnndt 
thut er Johannes Bretkius recht Vnnd wohl, das er 
nicht allein seinem Kopff folget, sondern sich mit 
andern in dem was er nicht assequiren kann, Zu unter 
reden erbeut, Vnnd selber darumb bittet, dan 
ob Zwar der Herr Luterus seliger gedechtnuß, 
durch große muh Vnnd arbeit die Biblia auss der 
Hebraischen Vnnd Grichischen Sprache in die deut- 
sche so hell Vnnd klar gebracht, das ein Jder deutscher 
solches wol Verstehen, Vnnd den sinn der wortt fast 
erreichen kan, Demnach (?) Hat ein ider Sprach seine 
Idiotismos Vnnd wie sonderlich schwer gefallen, auch 
diss was deutsch gemacht, in eine frembte Sprach 
die noch nie aussgearbeitet ist, wie die Littauische, 
recht Proprie, Zu bringen, Das aber gewisße Per- 
sohnen solten dartzu geordnet werden, welche sanctö 
Linguam studiret Vnndt die der rechten Littauischen 
sprache Kundig, konnen wier nicht finden, wie 
solches mochte ohn abbruch Vnnd Verhinderunge ihrer 
Empter geschehen, so sie diesem werck alleine abli- 
gen solten, auch wolte es Viel reißens geben, Vndt 
ein lange raume tzeit dartzu gehoren, da man 
in einem Jahr kaume Konte hindurch kommen, 
Derowegen were Vnsere meinunge also, das er 

(Seite 6) 
Johannes Bretkius Zuuor ein Stuck nach dem andern 
(wie er sich auch erbotten.) fur die Handt nehme, 
dasselbige Vbersehe, Vnnd wo er irgendt ein dubium 
Hette das auftzeichnete, Vnnd alles ordine aufschriebe, 
Vnnd den Theologis Vnnd Pastoribus alhier Zu schickete, 
das sie priuatim das bedechten, Hernach auch in Conuen 
tu daruon redeten, sich der sachen einigten, Vndt ime 
ihr bedencken vff alle questiones antzeigeten, Als, 
das er itzt baldt die bucher Mose für sich nehme, Vndt 
was er im, 1.2.3.4.5. Nicht recht verstehen konne, 
das sonderlich vftzeichnet Vndt sich des raths bei dem 
Consistorio erholete, Vnnd sein arbeit Hernach in 
translatione richtete, Wan nun diß geschehen, So konten 
E.f. dht. solche stuck, welche Bretkius verfertigett, den 
Pastoribus im Ragnitischen, als Waschmaro (!) Musae Vndt 
Gotkanto auch denen Zur Tilse Vnndt Insterburgk ((Rand: Zusenden)) 
ihr Judicium Von der Version erfordern, Doch inen 


#27 Fremde. 


117 


alles Vnnotiges grubeln Vndt stacheln Verbieten, 

Wo nichts wider den sensum scripturae gefunden wur- 

de, wo aber sie oder ein ider in Sonderheit was No- 

tabile Hetten, das auf tzeichneten, Vndt anhero sen- 

deten, auch Hernach eine gewisse tzeit ihnen ansetzen 

das sie selber sich beij dem Consistorio alhier ein 

stelleten, Vndt daselbst Vrsachen Contradictionis 
(Seite 7) 

antzeigten, da als den leicht allen sachen kan abge- 

Holffen werden, Vnnd also das erste stucke nah, E. 

f. dht, befehl Vnndt Vorschub in druck Verfertigt, 

vond dergleichen mit den andern buchern, biß 

durch Gotliche Hulffe die Biblia gantz Hindurch 

gebracht... .“?28 


Darauf wurde Bretke vom Konsistorium mitgeteilt, er solle 
„...das Erste teil des Alten Testaments, 
nemlich die 5 Bücher Mosi (!) vonn Newens Reuidiren, vnnd 
was... ihm darinnen bedenklich oder schwer fallen würde, solches 
ihnen anmelden, so wollten sie ihm... hirinnen Ihre handt reichen...“ 
wie Bretke in einem Briefe an den Herzog fast dreiviertel 
Jahre später (eingeg. 18. Mai 1593) schreibt” 

Bretke sah hierauf die fünf Bücher Moses in der angegebe- 
nen Weise allein durch und korrigierte selbst nach jeweiliger 
Rücksprache mit Hebraisten. 

Als Bretke nach einem Dreivierteljahr fertig war, wandte 
er sich mit dem. erwähnten Briefe Mitte Mai 1593 wieder an 
den Herzog und berichtete” „...ich dan solche 5 Bücher 
Mosi (!) wieder vberlesen, vnnd mit derselbigen herren Rath. 
so viel mir müglichen gewesen corrigiret habe...“, und bat 
wieder um eine Konferenz, in der die Bibel auf das Litauische 
hin durchgesehen werden sollte: 

„+... Ihue demnach E Fdhtt Ich die- 

selbige meine arbeit abermahl in vnderthenigkeitt praesenti- 
ren nicht zweiffelend E.F.dhtt. werden solch nötig werck, 

nu mehr durch andere, vond der Littauschen Sprachen Kündi- 


gere in meinem beysein, Zum druck vollends verfertigenn, 
vond auff Ihrer F.G. vnkosten drücken lassen...“ 


Gleichzeitig übersandte Bretke dem Herzoge das Manuskript 
der fünf Bücher Moses, den ersten der fünf Foliobände. 


223 Qu., S. 433, Z. 34 ff. 
222 (Ju., S. 435, Z. 36 ff. 
#0 Fbenda, Z. 38 ff. 


118 


Über zwei Jahre vergehen, und Bretke erhält keinerlei 
Antwort. 

Vielleicht ist es kein Zufall, daß Alzunius, der noch 1589 in 
den Etats als Beamter des Herzogs erschien, ab 1593 fehlt‘”, 


Da erinnert Bretke Mitte Juli 1595” den Herzog an seine 

„Littausche Erbeit“, die er 

„»...schon vor Zweyen Jharen... 

vnterthenigst praesentiert...“ hat, und zwar in der „...meinung 

ob etwan E F.D. dasselbige, Jn diesem Jhrem 

Fürstenthum vnd gantz Littawen auch Samai- 

ten, hochnötige werck Jn Jhrer F.D. Bibliothe- 

ca begerten, oder es durch andere der Littau- 

schen spraachen kündige vnd gelerte menner 

vollents in druck verfertigen Zu lassen, geson- 

nen weren: Nun bin Ich aber in so rau- 

mer Zeit wegen dieser meiner praesentirung 

nicht beantwortet werden, Das ich also nicht 

weis, ob mein angewenter vleis vnd trew- 

hertzige Erbeit E.F.G. angeneme ist: Derhal- 

ben Ich verursacht umb ein gnedige antwort 

vor das mahl bey E.F.D. in vnterthenigkeit x 

anzuhalten. Do nun E F.D. mein 

wolgemeinte Erbeit angeneme ist, bin Jch erpet- 

tig die vbrigen teil der Littauschen Bibel E FD. 

auch ZuZustellen: Soll aber mein angewendeter 

vleis bey. E F.D. vber verhoffen nicht angenem 

sein: So bitt Ich vnterthenigst mir das erste teil 

der Bibel. nemlich die 5. Bücher Moisi wi- 

derumb ZuZustellen, damit d[as] gantze werck also vn- 

zerstümmelt, bey einander bleib[en], vnd Ich demselbigl[en] 

etwan einen andern Patronum desto füglich[er]suchen 

müge...“ 


Die Drohung, sich einen „andern Patronum“ zu suchen, tat 
ihre Wirkung: Schon am 18. Juli 1595 schrieb der Herzog nach 
der üblichen Rekapitulation des Tatbestandes: 


»... Wann aber die anordtnung 

der Reuisoren bis dahero nachgebliebenn, vond Er 
pretkius nunmehr gewis sein will, beedes / was 

wir der Reuision, denn nach derselbenn / der pub- 
licationn halbenn, zuthun gesonnen, Mit den an- 
hang, do vnns solch werck nicht annemblichenn, d[as] 


#1 Forstreuter, Alzunius, in Altpr. Biogr., S. 11. 
#2 Registr. 17. 7. 1595 (Qu., S. 436, 2. 25 ff.). 


119 


er als dann einen andern patronum suchen möchte / 

Als seindt wir sonderlichenn vf die Commendation / 

so zum theil von euch / vnndt anderer Littauischen 
pfarherrn vnndt Kirchendiener beschehenn. vndt... 
schloßenn, mit Joannij pretkio vmb das] exemplar / der 
Vertirten Littauischen Biebel, handlung pflegenn 
Zuelaßenn, vnd solches Zue vnnsern handen Zuebringe[n] / 
doch d[as] Er pretkius dem bedencken nach / nicht 
allein der reuision, die wir furderlichenn anzuordt- 

nenn gedenckenn / bey wohne, d[as] exemplar / nach der 
censur fertige / vnndt vnns daßelbe bestendig vnd 
gerecht vberantworte, Sondern do hernacher vnndt 

noch beij seinem lebenn d[as] werck dem Truck 
beuehlenn werdenn solte, d[as] Er den Truck iedes- 

maln vbersehe / die Correctur halte, damit d[as] ohne / 
mangel vnndt Correct ausgehenn möge 

Seinen derowegenn vnnd begerenn gnedigst, Jhr wollet 
ermelten pretkiunn (!) an ein bequem ortt fur mich er- 
fordernn, ihme vnnsere gemuets meijnung anmelden, 
vndt Zu obiger maßenn vmb dl[as] exemplar der vertierten 
Littauischenn Biblia, doch bis vf vnnser beliebenn vnd 
Ratification“®® handlenn, vnndt in der Handtlung gleich- 
wol dis in acht nehmenn, Weiln er diese seine arbeit 

der Littauischen Kirchenn Zum besten gemeinet, 

vondt angewendet, d[as] er auch mit vberlaßung der- 
selbenn, sich also erzeige, das die belohnung er ((durchstr.: nicht)) 
recht, vnndt nicht Zuhoch halte, damit d[as] werck der 
Kirchenn Zue guetem, ihme selbst Zue Ruhme, 

furter an tag gebracht werden kenne, Was ihr 

nun also verhandlenn werdet, dauon werdet vns 

vf vnser Ratification# bericht in schrifften Zukom- 

menn laßen.. .“% 


Doc aus irgendwelchen Gründen wurde die Anordnung 
des Herzogs nicht ausgeführt, und Bretke wartete vergebens 
auf eine Antwort. Es fehlte jetzt offensichtlich die Person im 
Schloß, die sich seiner Sache annahm. 

In dieser Zeit starb Bretkes Flurnachbar, der polnische 
Pfarrer Leonhard Dembowius, und Stephan Wilkau, der, wie 
gesagt, Bretkes Schwiegrsohn wurde, trat an seine Stelle. 

„Stephan Wilcow“, wie Arnoldt ihn nennt‘, wurde am 
27. November 1568 in Hohenstein geboren, besuchte nach Grzy- 


433 Bestätigung, Einwilligung. 


#4 Signatur wie S. 116 Anm. 424, Bl. 16 ff., Qu., S. 437, Z. 27 ff. 
435 Nachr. I, S. 42. 


120 


bowski’* in Neidenburg die Schule und begann nicht ganz 
20jährig am 1. Februar 1588 in Königsberg zu studieren, wo 
er als „Stephanus Wilkau, Hohensteinensis Borussus“, ohne 
Immatrikulationsgebühren zu zahlen, immatrikuliert wurde®”. 


Nicht ganz einen Monat nach dem Tode Dembowius’ begann 
Wilkau am 20. Juli 1595 den Examensturnus, der am 5. Sep- 
tember mit der feierlichen Ordination seinen Abschluß fand, 
denn Wilkau war nach Grzybowski vom Magistrat seinen 
Mitbewerbern vorgezogen worden, „da er ein fein und deut- 
lich vornehme Ausrede habe, ein ziemblig Alter und gutes 
Verständnis gezeiget, auch der polnischen Sprache mächtig 
sei‘, worauf er am 21. September durch Bretke in einem 
Introduktionsgottesdienst in sein neues Amt eingewiesen 
wurde. Seine Aufzeichnungen hierüber veranschaulichen die 
ganze Prozedur, der sich damals ein Kandidat zu unterziehen 
hatte, um wohlbestallter Pfarrer zu werden. Hören wir ihn 
daher selbst**: 


„Anno 1595. In vigiliä Johannis Baptistae, [quae] fuit dies 23 Junij 
Leonard[us] Dembovi[us] Pastor I olim Polonic[us] dien (?) obijt. I 
Eödem annö Dolminlicä 5. post Trinit. [quae] fuit 20 dies Julij habui 
concionem primam Polonicam (ego Ste- || phanlus] Wilkau) pro locö 
in Templö Cathedrali Kniphofiano, coram consulib[us] [et] reliqvis 
Polonicae Lingvae || gnaris in magnö conventu auditorum. || Eödem 
annö. 25. Augusti a Consulib[us] Consularib [usque] Trium urbium 
Regiomonti Illustrissimo Princi- || pi, prae reliqvis Competitoribus 
(utpote Jacobö Fednero Soldaviensi, Rectore Sestensi. Georgio Andrea 
Pa- Il store Texensi, Georgio Bernhardi et caeteris:) pro Pastore Po- 
lonico com[mjendat[us] sum per literas, qvarum exem- || plar extat 
in repositoriö dom[us] meae. | Eödem annö et die, ämeridie Illustris- 
sim[us] Princeps ej[us]dem|que] Conciliarij adpraedictas literas 
Com[m]endatorias || me deklarant Pastorem Polonicum [et] ad examen 
mittunt. || Albrecht Freijh[err] Zu Cittlitz || Hanss Rauter Burggraff || 
George Pudewels. Obr. Marschall. || Caspar Prantener D. subscripsit. |} 
Eödem annö. 4. Sept. steti in examine hora 1. pomeridianä ad horam 
vsq[ue] qvartam. Examinato- | res fuere. D[omiln[us] D. Paulfus] 
Weiß, Concionator Aulic/us] [et] Th. Prof. in Acad. Prim. Df[omi]- 
n[us] D. Christophor[us] Gru- I ner[us]. Ebr. lingvae Prof. et Pastor 
Veteroppidan[us). D[omiln[us] M. Sebastian[us]| Artomedes Super- 


#88 ].c., S. 41. 
437 Erler, Königsberg, I, Wintersem. 1587. 


488 Signatur dieser in späterer Abschrift erhaltenen Aufzeichnungen Wil- 
kaus siehe oben, S. 95 Anm. 378. 


121 


intendens [et] pastor || Templi Cathedralis. || Ao. 1595. 5. sept. Qvo- 
niam D[omiln[us] Superintendens ac Templi Cathedralis Pastor Se- 
bastian[us] Arto- ll medes ex pedib[us] laboräre coepit, in templö 
Loebenicensium una cum Laurentiß Puschiö Lithvanö Pastore ! 

s 


futurö Kusnensi, q[uod] pag[us] in distrietu Insterburgensi sit[us]- 


[est], ordinati sum[us). Fuerunt autem testes Ordinatio- nis [et] 
impositionis manuum Df[omiln[us]. D. Andreas Pouchenil[us], Pastor 
Loebenicensis, [et] Theol. Prof. Acad. Reg. || [qui] verba ordinationis 
recitabat. Dfomiln[us] Caspar[us] Frischheintz [et] Christophor[us] 
Mirovi[us] Diaconi ibidem. Item D[omiln[us] || Casparus Hennenberg 
Pastor in Xenodochiö Majore Loebenicensi. n 21. Sept. celebrabatur 
Introductio, per D[omilnum Johannem Bretkium, Socerum (tum tem- 
poris) futur[um]. a legato Illustrissimi Prineipis, Nobilitate [et] 
Doctrinä Clar[us] Vir Johannes Heidenstein Consiliari[us] I Aulic[us]. 
Df[omi]n[us] Jacob[us] Brandt Veteroppidan[us] [et] Tilemannf[us] de 
L(?)amp, Cniphöfin[us] (?) Consiliarij. || 5 Octobris. i. e. Do[min]icä 
j6. post Trinitatis habui primam Missam ad Div. Nicolaum Extra l 
portam.“ 

Bald darauf muß Stephan Wilkau die Tochter Bretkes, Bar- 
bara, geheiratet haben, denn ihr Sohn, Christoph, der später 
zu dem Dichterkreis um Simon Dach gehörte, wurde am 3. Fe- 
bruar 1598 geboren”. 

Doch wir kehren zu Bretke zurück. 

Nach fast dreieinhalb Jahren vergeblichen Wartens schreibt 
Bretke im Dezember 1598 wieder an den Herzog“, er hätte 

„...angesehen das die Littausche Kirche, 


sonderlich dieses Fürsten thumbs Preussen die 
Bibel Jn Jhrer sprache, bis dahero nicht gehabt...“ 


deshalb hätte er sie „...aus des herrn Lutheri löblichen deüd- 
schen Version“ ins Litauische übersetzt, und diese ‚,... Arbeit. 
schon vor einer raumen Zeit EF.D. angemeldet...“ und die 
fünf Bücher Moses übersandt. Wieder bittet er um eine Ent- 
scheidung, ob der Herzog die Bibel entweder korrigieren und 
dann drucken lassen wolle, oder das ganze Manuskript für 
seine Bibliothek begehre. Falls er aber keins von beiden 
wünsche, möchte er die fünf Bücher Moses wieder zurück- 
erstatten lassen, 


„...damit das gantze Opus un Zerissenn 
beyeinander bleyben müge.“ 


48 Grzybowski, 1c 41. 
#20 Siehe unten, S. 138 ff. 
a1 Fingeg. 10. 12. 1598 (Qu. S. 439, Z. 3 ff.). 


122 


en. 


Die Drohung mit dem andern Patron unterbleibt diesmal, 
auch ist der Ton sehr ruhig, was nach so langer Zeit des ver- 
geblichen Wartens erstaunlich ist. 


Erst am 14. Februar 1599 übersendet der Herzog Bretkes 
Brief den Konsistorialen und beauftragt sie aufs neue, weil 
er das Manuskript in der Bibliothek haben möchte. „...mit 
gemeltem Johanne Brettkio vmb solch transferirte Littauische 
Bibell zu handeln“, wie es in dem Antwortschreiben des Kon- 
sistoriums vom 24. Mai 1599 an den Herzog heißt”: 


„»...vnd mit Ihm vergleichung Zu treffen was 

Ihm wegen Angewentes vleisses muhe vnd Arbeitt 

vnseres guttachten, Zugeben, vnd E. Fl[en] dhrtt. nebenst 
vberschickung der geferttigten Andern Bucher (weil 

die 5 bucher Moysis allbereit vberantworttet sein) 

dauon zu berichten...“ 


Aus unbekannten Gründen antworten die Konsistorialräte 
darauf erst am 24, Mai 1599: 

..das wir 
zwar mit Brettkio derentwegen ch Er aber 
nichts in specie fordern wollen, Sondern E. fl[en] dhrtt 
stellet er es anheimenn E. fl[en] dhrtt. werden Zu 
betrachtung seiner Langwirigen Arbeitt vnd hoch 
angewantes fleisses, daruber er in die 12 Jahr 
laboriret welche zu nutz der Christenheit gemeinet 
Jhm, der doch beij seinem geringen dienst nichts für sich 
bringen können, eine Löbliche erstattung thun, 
Vnndt damit E. fl[fen]dhrtt. wir vnser vnterthenigst 
bedencken vermelden, achten wir, wan solche 
Arbeitt in druck verferttiget bey den 
Littauen. die doch die Bibel in Ihrer sprachen nicht 
haben, zum aufwachs der Kirchen Christj gelangen 
wurde, Als das billich E. fl[en]. dhrtt. Brettkio zuuer- 
geltung seiner Arbeitt 500 oder 600% gulden Aus 
gnediger Mildigkeitt reichen lasse, des gleichen 
auf die druckereij als ein Nutricius Ecclesiae Keine 
vnkost sparen solle...“ 


Doch die Übersendung der an der Bibelübersetzung fehlen- 
den vier Folio- und drei Quartbände unterblieb, auch hörte 
Bretke danach nichts weiter. 


“4: Signatur wie S. 116 Anm. 424, Bl. 20 ff. 


#3 {| Gulden — 1,50 Mark, also 750-900 M.; über den Wert des Geldes siehe 
oben, S. 63f. 


123 


Etwa eineinhalb Monate vorher, am 14. April 1599, trug 
Bretke sich in das Stammbuch des Joachim Mörlin (des Sohnes 
seines ehemaligen Bischofs)** ein, wobei er als Symbolum 
Joh. 20, 22—23 aus dem Stegreif*” neu übersetzte (Abb. 9). 


Diese Eintragung zeigt, daß Bretke seine litauische Ortho- 
graphie geändert hat, was sicher nicht der Fall gewesen wäre, 
wenn er nicht in den Jahren seit dem Abschluß der Bibelüber- 
setzung Litauisch geschrieben hätte. 


Als Bretke keinerlei Antwort erhielt, wandte er sich mit 
einem am 19. September 1599 eingegangenen Schreiben“ aufs 
neue an den Herzog. Er sagte darin fast wörtlich dasselbe wie 
in dem Briefe vom Dezember vorigen Jahres — wieder hat er 
die Bibel „...aus des herrn Lutheri || löblichen Deutschen 
Version“ in die litauische Sprache übersetzt, wieder bittet er 
den Herzog, sich zu entscheiden, und erbietet sich, die fehlen- 
den sieben Bände zu liefern, falls das dem Herzog genehm 
sei, andernfalls er aber den ersten Band zurück haben möchte. 


In dieser Zeit verlangte der Herzog von den Königsberger 
Theologieprofessoren, die ja z. T. zugleich Konsistorialräte 
waren, ein Urteil über die Bibel, das scheinbar für Bretke sehr 
günstig ausfiel, denn in seinem am 28. Oktober 1600 ein- 
gegangenen Schreiben an den Herzog sagt Bretke: 

„...Das auch die herrn 
Theologi dieser Stadt, solchen .meinen vleis beliebet. 


vnd Jhr Judicum dauon, auff E.F.G. gnediges begeren 
vor einem Jhar vbergeben haben...“ 


Sicher hängt auch das Bemühen der Konsistorialräte um 
den Druck des Neuen Testaments in dieser Zeit damit zu- 


#4 Das Stammbuc, auf das mich Herr Prof. Kot, Krakau, aufmerksam 
machte, befindet sich in der Universitätsbibliothek Kopenhagen; Signa- 
tur Thott 385—80. 

#5 Die Übersetzung lautet im Bibelmanuskript Bretkes, S. VII, 220 „...Kaip 
mane Tiewas siunte, taip || esch siuncziu ius. Ir kaip tatai biloio || dwese 
ant iu (verbess.: Kwepe in ios (nach 1590)) ir bila iemus. Imket I schwenta 
Dwase, kuriemus Griekus l atleidzat, thiemus ira atleisti, ir Kurie- I mus 
Griekus ußturit, thiemus ira l ußtureti.“ 

”e Qu., S. 441, Z. 14 ff. 

#7 Qu., S. 442, Z. 34 ff. 


124 


2 he Tr a ee 
. 


sammen, denn auf den am 19. September 1599 eingegangenen 
Brief Bretkes hat eine andere Hand vermerkt“*: 

„H.D: Paul“® zeiget an dlas] d[ie] 

Hlerrn] Consistoriales?5° gerne 

sehen dlas] d[as] Neue Testament 

des (?) Pfarrern Zum besten 

möchte gedrucket w[er]d[en].“ 
Möglicherweise stammt Bretkes Entwurf zu einer lateinischen 
Vorrede zum Neuen Testament auf einem leeren Blatt im 
Neuen-Testament-Manuskript”" aus dieser Zeit. 


Wieder vergeht über ein Jahr, und Bretke erhält keine 
Antwort. Georg Friedrich weilte damals lange außer Landes 
und hatte offenbar auch sonst bei den schwierigen wirtschaft- 
lichen und politischen Verhältnissen wenig Sinn für derglei- 
chen Dinge. 

Am 15. Juli 1600 verlor Bretke seine Tochter Barbara, die 
Frau des polnischen Pfarrers Wilkau, der jedoch bereits im 
nächsten Jahre, am 14. Februar 1601, wieder heiratete, und 
zwar eine Ursula Krause”. 

Ende Oktober 1600°* schrieb Bretke wieder an den Herzog: 

„+... Weil Jch aber 
Itzt in das achte Jhar, auff einen abscheit gewartet 
vnd keinen bisdahero vberkommen können, werde 


Jch verursacht abermahl hierumb bey E.F.G. an- 
zuhalten. Bitte demnach vntertheniglich E.F.G. wol- 


3 Qu., S. 442, Z. 17—19. 

4 D), Paul Weiß aus Schlesien war seit 1566 Archipädagogus am Pädago- 
gium, 1568 Professor des Griechischen, 1578 Oberinspektor des Alumnats, 
1579 Professor der Poesie, 1581 zweiter, 1586 erster Theologieprofessor; 
seit 1591 Konsistorialrat; } 1610. Arnoldt, Nachr. I, S. 8. 

450 Im Konsistorium waren damals außer P. Weiß (Anm. 449) noch M. An- 
dreas Iris, Offizial (siehe oben, S. 96 Anm. 383) Sebastian Artomedes und 
D. Andreas Pouchenius (Qu., S. 441, Z. 1ff. und Z. 7f.). Zu S. Artomedes 
siehe oben, S. 105 Anm. 400, zu A. Pouchenius ebenda, Anm. 401. M. Andreas 
Iris oder Regenbogen wurde 1540 in Hildesheim geboren, 1559 Baccalau- 
reus in Erfurt, lehrte dort neun Jahre Philosophie. 1568 in Königsberg 
Subinspektor, bald Archipädagogus; daneben Professor der Poesie und 
Sittenlehre sowie Assessor des Samländischen Konsistoriums. 1572 Pro- 
fessor der Dichtkunst, 1592 Offizial des Konsistoriums; } 2. 12. 1600. 

51 VII 171r (siehe den Abschnitt über die Bibel im 2. Teile meiner Arbeit). 

452 Grzybowski, 1. c., S. 41. 

53 Eingeg. 28. 10. 1600 (Qu., S. 442, Z. 36 £f.). 


125 


len sich gnedigst erkleren, was Ihn gnaden bey die 
sem hochnötigen Wercke, vnd meiner wolgemeinten 
schweren Arbeit Zu thun gesonnen....“ 

Wieder bat Bretke um eine Entscheidung, er wäre bereit, 
die fehlenden Teile der Bibel zu übergeben, möchte aber sonst 
um Rückgabe der „...5 Bücher Moijsi...“ bitten. 

Bretke bekam hierauf den Bescheid, der Herzog würde das 
Manuskript erwerben, doch solle Bretke es ganz durchkorri- 
gieren““, womit Bretke sicher die folgenden eineinhalb Jahre. 
beschäftigt war. 

Von Bretkes Leben aus diesen Jahren in Königsberg ist 
wenig bekannt. Es dürfte in ruhigen Bahnen verlaufen sein, 
wenn auch das allgemeine Sinken des Geldwertes, das Ende 
des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts zu erheblichen Preis- 
steigerungen führte, die Lage der Gehaltsempfänger, also auch 
Bretkes, sehr ungünstig beeinflußte. 

In den Königsberger Jahren erscheinen Bretke, seine Frau 
und seine Tochter recht häufig als Paten in dem Taufbuch der 

- Altstädtischen Kirche, so z. B.: 


27. XI. 1588 (S. 25°): „...der Alte l littawsche Prediger...“ 
22. VI. 1592 (S. 62°): „...H. Johan- Ins Bretkilus] ...“ 

13. VII. 1589 (S. 33°): „...H. Brotkj Haußfr:...“ 

12. VII. 1590 (S. 431): „...die Alt. | littausche Predigerin ...“ 
8. VII. 1590 (S. 71”): „...Littawerscher Il Predigers Tochter...“ 
1. (2) VIII. 1593 (S. 74°): „...H. Johan Bretkifus]. ll tochter... .“ 


Es sind durchaus untere und mittlere Stände, in denen 
Bretke und seine Angehörigen zu Gevatter gebeten wurden. 
Der polnische Prediger und seine Frau erscheinen selten. 
In seinem letzten Lebensjahre mußte Bretke in Königsberg 
eine Pestepidemie miterleben, in der sich nach W. Sahm“* das 
Sterben „zu so furchtbarer Höhe steigerte, wie es in der Ge- 
schichte Königsbergs nur noch einmal vorkommen sollte“. 
Von der Pest 1601—1602 geben die Annalen des Peter 
Michel“ ein plastisches Bild*”. Über den Beginn der Epidemie 
im Herbst 1601 sagt Michel: 
45% Siehe unten, S. 127, Brief Bretkes (eingeg. 1. 3. 1602) (Qu., S. 443, Z. 25f.). 
55 Wilhelm Sahm, „Geschichte der Pest in Ostpr.“, S. 21. 
350 Geboren 1557 in Brandenburg (Knobelsdorf), war seit 1587 Kaufmann im 
Kneiphof, wo er später Bürgermeister wurde; starb 1620 an der Pest. 


‚7 „Erleut, Preuß.“, Bd. III, 1725, Artikel: „Exzerpta aus Peter Michels || 
Annalibus MSCTis“, S. 242 ff., 391 ff. 


126 


»...Im Octobr. hat sich die Pest ereu- 
get, und den 16. sind in der Altenstadt 
beym Holtz-Thor zugleich 4 Todten zu 
Grabe getragen worden. Um diese Zeit 
sind Doct. Pannonius und sonst viele gute 
Leute plötzlich gestorben, also daß die Pest 
ziemlich um sich gegriffen, voraus auf dem 
Steintham, da auch bey Nachtzeiten vie- 
le todte Cörper auf dem Begräbniß gefun- 
den worden. Das hat gewähret biß an die 
Waynachten, da es, GOtt sey Lob! wieder 
gantz stille geworden.“ 


Zu den „guten Leuten“, die „plötzlich gestorben“ sind, ge- 
hörte auh M. Christoph Benicius (22. Oktober 1601), der alt- 
städtische Pfarrer, dem Bretke formal unterstellt war. 


Inzwischen, wohl im Laufe des Jahres 1601, scheint Bretke 
Geld für das Bibelmanuskript bekommen zu haben, denn sonst 
hätte er in dem Briefe, mit dem er sich Ende Februar 1602°* 
wieder an den Herzog wandte, bestimmt etwas von der Summe 
gesagt, die ihm versprochen wurde, aber noch ausstünde; er 
schreibt darin nach der Anredformel: 

„...auf, E.F. gnaden begeren, habe Ich meine 
Littausche arbeit. so Ich an die Bibel gewant, 
widerumb reuidiret, vnd so viel mir 

Immer müglich gewesen, dieselbige Cor- 
rigiret, das nu mehr der Littausche leser, 

mit derselbigen Version (wie Ich hoffe) 

wol wird Zu frieden sein. Solche 
Arbeit aber, wie Ich sie ver der Zeit E.F.D. 
praesen tiret vnd dediciret habe. also thue Ich 
sie derselbigen hiemit vnterthenigst ein- 
antworten. bittende E.F.D. wollen 

sie in gnaden von mir annemen, vnd 

sich meine geringe person in gnaden lassen 
befohlen sein...“ 


Er benutzt aber die Gelegenheit der Abgabe des Gesamt- 
werkes an den Herzog und bittet um Weiterlieferung und 
Erhöhung des Deputats: 
»... Weil Jch aber dieses nötige 


werck mit Gottes hülffe so ferne, gebracht, 
als keiner vor mir gethan auch nu mehr 


#8 Fingeg. 1. 3. 1602 (Qu., S. 443, Z. 23 ff.). 


127 


ein emeritus miles worden, vnd ]Jn das 

40. Jhar der Kirchen Gottes, in diesem 
löblichen Fürstenthum, mit predigen vnd 
Sacrament reichen, in deüdscher vnd Lit- 
tauscher spraache gedienet, aber seer ge- 
ringen vnterhalt gehabt, also das Jch fast 
nichts auff dis mein zimlich hochgebrachtes 
alter (welchs sich In das 66 Jhar Gott 

lob erstrecket) ersparen können, vnd Jn 
dieser tewren Zeit Noth leiden muß: 

Bitte Jch zum vnterthenigsten, wie auch vor- 
hin geschehen E.F.D. welten mir ar- 

men Diener Christi, das Deputat, welchs 
E.F.D . mir vor 11. Jharen. gnedigst ge- 
ordnet, nemlich ein Priester Kleit, 18 schl 
Rocken, 10 schl. Gersten, Zu meinem vnd meyner 
ner Hausfrawen leben, aus gnaden lassen, 
vnd etwa ein tonnen Virtel. Potter,?5® 

vnd 2. achtell Brenholtz® dazu ad- 
diren...“ 


Es ist der letzte Brief von Bretkes Hand, der erhalten ist. 

Seltsamerweise unterzeichnet er sich hier plötzlich wie in 
seinen ‚jüngeren Jahren mit der alten Namensform „Bretke“, 
während er über 20 Jahre lang nur die latinisierte „Bretkius“ 
(„Bretchius“) gebraucht hatte (Abb. 10; zum Vergleich eine 
frühere Unterschrift: Abb. 8). 

In den Wochen darauf begann die Pest wieder aufzuleben, 
um vor allem in den Sommermonaten in ganz Preußen, beson- 
ders aber natürlich in der größten Stadt, in Königsberg, zu 
wüten”“, 

Michel schreibt hierüber: 

(Seite 391 ff.) 

„ANno 1602. Diß Vorjahr hat die Pest sich wiederum angefangen / 
daß die Woche in allen drey Städten ohngefehr bey 200. Personen / 
begraben worden. Diese Zeit hat man auff dem Sackheim / auf dem 
Platz am Flüsse ein groß Gebäude müssen auffschlagen vor die armen 
Leute / so aus andern Oerten hergekommen / weil es auff den Gassen 


hin und wieder vollgelegen / und imgleichen etzliche Todten gefun- 
den / darzu die Bürgerschafft Zuschub gethan / davon sie erhalten. 


#59 {4 Tonnenviertel Butter etwa 32 kg. 

60 | Achtel Brennholz etwa 10,5 Raummeter; Bretke bittet also um 21 Raum- 
meter. (Die Angaben verdanke ich Herrn Dr. R. Stein.) 

1 Siehe hierzu die vorzügliche Schilderung bei Sahm, 1. c., S. 22 ff. 


128 


Sind auch sonderlich Personen geordnet / die haben müssen umbgehen 
und das Geld ein sammeln / doch haben die andern Spithal-Herrn 
alles müssen mitordnen. 

Im Majo ist das Begräbnifß auff dem Haberberge erweitert wor- 
den / von der Kircken an biß zum Ende der Mauren. Das Sterben 
hat sich immer gemehret / daß die Woche biß 250/ 260/280. in allen 
dreyen Städten begraben worden, 

Im Julio ist die Pest immer hefftiger worden / daß die Woche in 
allen drey Städten in 500. biß 550. gestorben. und hat die Pest täglich 
mehr und mehr grassiret / daß auch im Augusto in allen dreyen 
Städten in der Woche 650. Personen gestorben / auch etliche Wochen 
wol mehr. Hier im Kneiphoff seyn zum höchsten auff einen Tag 
48 Personen gewesen; Ich habe einmahl 13 Todten-Baaren hinterein- 
ander sehen hinaus tragen. In dieser Zeit ist hier nichts zu thun ge- 
wesen / denn um 10. Uhr hat man angefangen zu läuten und die 
Todten hinaus getragen / da ist man mit einem und dem andern zum 
Begräbniß gegangen / daß man viele Tage vor 5. oder 6. Uhr auch 
langsamer nicht viel zu Hause gekommen. Einen Tag oder Abend hat 
ınan mit einem geredet / den andern kranck oder todt / wie sich dann 
gute Freunde wann sie voneinander gangen / allwege gute Nacht ge- 
geben / und alle Stunde jeder in guter Bereitschafft gestanden / daß 
unser HErr GOtt ihn auch besuchen würde. Die Glöckners sind in 
allen dreyen Städten umb diese Zeit gestorben / hernach hat es auch 
die Prediger getroffen.“ 


Die Supplikationen der polnischen und der litauischen Ge- 
meinde von 1602—1604 geben ein Bild davon, wie es in den 
Pestmonaten um das Pfarrhaus auf dem Steindamm herum 
aussah, in dem, wie schon gesagt, Bretke gemeinsam mit dem 
polnischen Pfarrer Stephan Wilkau wohnte, der damals 34jäh- 
rig war. : 

Es war dem polnischen Pfarrer unmöglich, die z. T. weit 
verstreut wohnenden kranken Mitglieder der polnischen Ge- 
meinde zu besuchen. Bretke hatte es bestimmt noch schwerer, 
wenn er auch weniger Seelen in seiner Gemeinde’” gehabt haben 
soll, denn er hatte zu seinen Königsberger Pfarrkindern doch 
wahrscheinlich auch die vielen Litauer, Preußen und Kuren 
zu versorgen, die sich verhungert und pestkrank vom Lande. 
in die Hauptstadt schleppten, weil sie meinten, dort Hilfe zu 
erhalten. In einem Erlaß der Regierung vom 12. April 1602 an 
den Rat der drei Städte Königsbergs heißt es’®: „Es ist vor 
#2 Siehe oben, S. 89 ff. 


#5 Zitiert nach W. Sahm, Geschichte der Pest in Ostpreußen, S. 21. (E.M. 
107 a, Stadt-Arch. 214 A.) 


9 Falkenhahn, Bretke 129 


Augen, dass das arme Litauische und Kurische Volk haufen- 
weis sich anhero in die Stadt schlägt, auf den Straßen hin und 
wieder an den Orten, wo gemeiniglich jedermann gehen muß, 
über einander krank lieget und stirbt. Die andern aber in 
der Stadt umher vor den Häusern Almosen sammeln, dass, wo 
nicht in Zeiten Mittel und Wege bedacht, einer den andern 
anstecken wird. Daher für die armen ankommenden, ver- 
hungerten Litauer ein Schauer errichtet werden möge, etwa 
an dem Kupferteich oder bei dem Brunnenkruge am Umlauf, 
weil derselbe Ort nicht allein dem Begräbnis nahe ist, sondern 
auch bequemlich am Wasser und an so einer Gegend gelegen, 
dass man das arme Volk, so da häufig hinstirbt, nicht so ab- 
scheulich durch die Gassen und Strassen auf und niederfahren, 
sondern bald auf den Kirchhof bringen möchte.“ 


In dem Begleitschreiben zu dem Gesuch der polnischen Ge- 
meinde vom November 1602’* schreiben die „Burgermeister. 
vnd Räthe der beijden Städte, Altenstadt vnd Kneiphoff“: 

(Seite 2) 

»...Zu deme so können auch die armen 
leute, sonderlich in dieser Jzigen PestZeit, der grossen 
menge vnd weiten orths halben, deren etzlich vffm 
Nassengarten, Kaltenhoff, Haberbergk, Sackheim 
vnd an andern vnderschiedtlichen orten wohnen, nicht 
der notturfft nach von dem Polnischen Prediger, be- 
suchet, getröstet, vnd mit dem teuren schatz ihrer seelen‘s 
vorwahret werden, Vnd muß also mancher, weil ohne 
daß solch volck wenigk ohne vnderricht von Gottes 
wortt weiß, in seinen stunden (?) sterben vnd vorderben....“ 


Katastrophal wirkte sich jetzt der Umstand aus, daß zwei 
Gemeinden eine Kirche benutzen mußten. 


An den Sonnabenden, an denen die Litauer in der Kirche 
Beichte hatten, und auch zu andern Zeiten, sammelten sich die 
pestkranken Polen, soweit sie es noch konnten, und Angehörige 
Kranker vor der Türe ihres polnischen Pfarrers und flehten 
in ihrer Not um Beichte, Absolution und Abendmahl für sich 
und ihre Angehörigen, doch der Pfarrer wagte nicht, sie zu 


as 43, 11. 1602, Signatur S. 89 Anm. 355, Bl. 3 ff. 
45 Seite im Begleitschreiben. 
#6 Dem Abendmahl. 


130 


ä 


sich ins Haus zu nehmen. So schreibt die polnische Gemeinde 
in ihrem Gesuch vom November 1602%”: 


„...Sonderlich aber Jtzo in dieser geschwinden Zeit der 
Pestilenz ist es vns armen leuten, sehr beschwerlich 

das wier von 14 tagen Zu 14 tagen auff die absolution 
vnd Communion warten mussen, (viel erlebens nicht.) 
kommen vnserm Pfarhern seufzendt des Sonna- 

bendts an die thur, samlen vns heuffigk, werden 

aber trostloß abgewiesen, Vrsach dieweil die Inficirten persohnen ins 
haus Zu nehmen, beicht Zu hören 

Zu absolviren vnd folgents auch drin Zu communiciren 
ein neues ergerliches, vnd des Pfarhers hause gefehr 
liches dingk...“ 


Aber am nächsten Sonnabend, an dem die Polen in der 
Kirche Beichte hatten, kamen hundert, zweihundert und dar- 
über mit ihren Seelennöten, so daß der Pfarrer sie unmöglich 
alle anhören konnte. In dem Gesuch von Ende März 1603°® 
sagen die „Vorsteher der Kirchen aufm Steintham“ hierüber: 

As DER 
Denn vf ein Mahll bald ]n die Zweij- 
Hundertt Zur Beicht gehen wollenn. 
Das dem Polnischen Prediger Allein ]Jn 
so Kurtzer Zeitt nach Notturfft Zue- 


| Hörenn Vnmuglich Vnnd Zum Höchsten 
beschwerlich ...“ 


Nach dem bereits erwähnten Gesuch der polnischen Ge- 
meinde von Oktober 1602, das Grzybowski vorgelegen hat“”, 
sah es in der Kirche beim Gottesdienst bisweilen folgender- 
maßen aus”: 


„Und obwohl die polnische Gemeinde am 1. Feiertage der grossen Feste 
eine Mittagspredigt hält, so ist sie doch darum in nichts gebessert, 
sintemal das deutsche Volk sich mit ihnen zur Vesperpredigt sammelt. 
Da ist denn so ein Gezänk und Hader in der Kirche Raumes und 
Sitzens halber, ja, wenn der polnische Pfarrer disponieret oder pro- 
ponieret hat, so wird die Glocke geläutet. Alsdann erhebt sich ein Ge- 


#7 Signatur E.M. 72f, Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königs- 
berg betr. 1603/04“. Ohne Datum; das dieser Bittschrift beigefügte Begleit- 
schreiben der „...Burgermeister vnd Räthe || der beijden Städte, Alten- I 
stadt vnd Kneiphoff, Königs- || bersk“ trägt das Datum 13. 11. 1602. 

8 Signatur wie Anm. 467; eingeg. 30. 3. 1603 (Qu. S. 443, Z. 23 £f.). 

#% Siehe oben, S. 91. 

0 Zitiert nach Grzybowski. 


Dr: 131 


tümmel, ein Geschrei und Gezänke in der Kirche, ja, es entsteht öfters 
ein Schlagen, dass es eine Schande ist: der kann sein eignes Wort nicht 
hören, muss abbrechen und von ‘der Kanzel gehen und werden also 
die armen Leute gleichsam aus der Kirche gestossen und getrieben... 
Der Pfarrer muß im Beichtstuhl sitzen bis in die Nacht um die 8. auch 
wohl 9. Stunde. Folgenden Tages muss er sie alle kommunicieren, hat 
keine Hilf, wird den armen Leuten zu lang, sonderlich Schwangern 
und Kranken und die etzliche Kranke zu Hause haben. Dem Pfarrer 
wird es zu schwer, arbeitet sich in Predigen, Singen und vor dem 
Altar abe, daß er hinstürzen möchte, und wenn er noch in der Kirche 
während der Kommunion vor dem Altar steht, so läutet man schon 
zur Mittagspredigt, muß vom Altar stracks in die andere Kirche, un- 
gegessen, ungetrunken, im Schweisse wiederum ans Singen und Pre- 
digen.“ 

Als Bretke in dieser schwierigen Lage um Übernahme der 

Polen gebeten wurde, soll er gesagt haben: 
»...er seij auff die 

Pohlen nicht bestellet, mit Zweijen oder dreijen persoh- 
nen das er sie in numerum seiner Communicanten neme 
ließe es sich thun, Aber mit 40.50. oder 100 keines- 
wegs...“71 


Wie wir einer Supplikation der litauischen Gemeinde”” 


entnehmen, starben damals 1300 ihrer Mitglieder, und zwar 
„deren Viell gantz Trostloß wie d|as] Vhie“'”. 


Das Ende der Pestzeit schildert Michael wie folgt: 
(Seite 392) 

»...Im Septembr. hat das hefftige Sterben sich GOtt 
Lob! zimlich gelindert / daß im Ende dieses Monaths die 
Woche im Kneiphoff nur 82 Personen gewesen / und alle 
Wochen wieder weniger worden. 
Im Novembr. hat es sich mit dem Sterben ziemlich 
gestillet / daß allhier im Kneiphofe die Woche bei 30.20 und 
im Ausgang dieses nur 13. Personen gestorben. Ist eine 
harte Seuche gewesen / nicht allein hier sondern durchs gan- 
tze Land...“ 


Nach einem Schreiben der Regimentsräte an Georg Fried- 
rich vom 26. August 1602 heißt es”: „Auch wollen wir E.F.G. 


a1 Gesuch der polnischen Gemeinde vom November 1602; Signatur S. 131 
Anm. 467. 

472 Registriert am 30. 9. 1603 (Qu., S. 448). 

«3 Qu., S. 448, Z. 15. 

#7“ W. Sahm, Geschichte der Pest in Ostpreußen, S. 23; danach zitiert Ostpr. 
Fol. 1032. 


1352 


ar 


nicht verhalten, daß die Seuche nicht allein gemeine Leute, 
sondern vornehmlich die Geistlichen in den Städten und auf 
dem Lande hinwegnimmt, wie denn nun in % Jahren bei E.F.D. 
alten Stadt zwei Pfarrherrn, wie auch viel Rats und Gerichts- 
personen, unter anderm aber beide Bürgermeister der Altstadt 
und des Kneiphofs, Nickel Schmidt und Friedrich Montfort, 
auh E.F.D. Rat und Diener Dr. Abraham Hintz, des F.D. 
in derselben Regierung nach Jägerndorf zu gehalten, wie 
etlichermassen die aufgegebenen Verzeichnisse ausweisen, daß 
bei F.D. Städten Königsberg allein sieder (!) dem Monat Ok- 
tober 10000 Menschen gestorben.“ 

Die Regierung teilte weiter mit (Sahm, 1. c.), daß die Geist- 
lichen die Zahl der Pesttoten in Königsberg mit 12000 angäben. 

Mehrere Pfarrer und ihre Angehörigen, die uns in dieser 
Arbeit begegnet sind, starben in den Jahren 1601—1602, und 
zwar doch wahrscheinlich an der Pest, wenn es auch nicht 
immer ausdrücklich gesagt wird. So verlor Gedkant in Ragnit 
seine Frau und fast alle Kinder‘”, in Tilsit starben der Erz- 
priester Hieronymus Mörlin und sein litauischer Pfarrer Za- 
charias Blothno d. Ä. 

In Königsberg starben u. a. der neue Pfarrer an der Alt- 
städtischen Kirche, M. Fabian Weiß (30. Juli 1602), Bretkes Vor- 
gesetzter, und der Dompfarrer Sebastian Artomedes (11. Ok- 
tober 1602). n 

Unter den Pfarrern, die die Pest dahinraffte, war auch 
unser Johannes Bretke, der um den 1. Oktober 1602 starb und 
mit dem litauischen Schulmeister am gleichen Tage beerdigt 
wurde‘”. 

Die Not der verwaisten litauischen Gemeinde war groß; 
in der am 22. Februar 1603 eingegangenen Bittschrift um einen 
neuen Pfarrer, „... welcher || im leben vnd lehren, dem See- 
ligen Herrn gleich...“ schreiben sie: 

„»...Dieweil dan vnter vnß, viell einfeltiger leutte, 
seindt welche weder polnisch Noch deutzsche vorstehen, 
die nicht allein in so langer Zeitt, keine predigtt 
gehört, Sondern auch ihrer viel ihn eußerster 
kranckheit, vonn niemandt besucht, mit Gottes 


475 Siehe unten, $. 363 f. 
8 Qu., S. 447, Z. 13—17. 


133 


wortt nicht getröstet, vielweniger mit dem 
teuern Zehrpfennig, vnnd letzten Viatico, def 
wahren leibeß vnd bludts Jesw Christij, hatt 
können vorstehen (!) vnd gelabet werdenn, Alß 
Dringet vnß die eußerste höhe noth, E.E.N.W. 
Jnn demut anZufallen, vnd vmb einen andernn 
Seelenhirttenn, vnnd Littauschen prediger, an- 
Zuhalten, damit vnter vnß daß Liebe Wordt Gotteß, 
wiederumb geprediget die Krancken besuchtt 
vnd getröst, vnd auch die heiligen Sacramenta 
ausgespentet werden mögen... .“.77 


Ebenso in der Supplikation von Juni-Juli 1603: 


»... weil kein pfar vnnd schulmeister vorhandenn 
geweßenn, nicht eine litausche predigt gethann 
Vielweniger die Hochwürdigen Sacramenta Spen- 
diert, Vnnd noch vielweniger die Kranken besuchett 
getröstet vnnd berichtet wordenn, daß also man- 
nicher mensch ohne Trost dahinn gefahrenn, daß noch 
mehr ist, Seindt vorgangenn Osters vber 200. 
FischerKnecht derer Keiner Teuzsch Kann, deß- 
gleichen schmackenn Knecht?”, wie auch viell megth 
auß den Stettenn, nicht eins Zur Kirchen kommen, 
Sondern lebenn inmanglung eines Seelen hirtten 
(Seite 2)280 
mit dem vnuornunfftigenn Viehe in die welder...“ 


Die Witwe Bretkes bekam vom Hofe, so lange sie lebte, 
jährlich 18 Scheffel Korn (666,5 kg, rund 13 Ztr.), 10 Sch. Gerste 
(300,4 kg, rund 6 Ztr.) und 10 M.“, denn in dem oben, S. 113 
zitierten Schreiben heißt es weiter: 

»... Jtzo nach seinem Todt ist 

der Wittib auch pro aelimosina 

Jerlich 18 schl korn 10 schl gerst[en] 

vnd das quartal ((Rand: 2% M)) Zeit sie lebet Zugeb[en] 
bewilligt...“ 


Die Wiederbesetzung der Stelle in Königsberg sollte noch 
größere Schwierigkeiten bereiten, als es seinerzeit in Labiau 


a7 Qu., S. 445, Z. 4—15. 

278 Qu., S. 447, Z. 18—28. 

a” Siehe S. 88 Anm. 345. 

480 Seite im Gesuch. 

81 Wert des Geldes damals schon gesunken, siehe aber S. 63. 


134 


der Fall war. Da die diesbezügliche erhaltene Korrespondenz 
noch einige interessante Mitteilungen zum Thema bietet, seien 
die Bemühungen, einen Ersatz für Bretke zu schaffen, kurz 
dargestellt. 

Die Bürgermeister und Räte der Altstadt und des Kneip- 
hofs teilten dem Herzog in dem Begleitschreiben zu dem Ge- 
such der polnischen Gemeinde in Königsberg am 13. November 
1602 mit””, 

»...das Gott der Almechtige 

in diesen geschwinden hefftigen sterbens Zeiten vnder anderen 

Predigern. so auffm Lande vnd in den Städten, durch die ab- 

scheuliche seuche der Pest / hingerafft worden, auch vnsers 

Littauischen Predigers nicht vorschonet, sondern kurtz vor- 

schiener Zeit denselben auch von hinnen, zu sich abgefordert...“ 
hätte. Sie schlugen als Nachfolger den Pfarrer in „... Nennerß- 
dorff.. .“, Christophorus Frese...” vor, 


»...50 der Polnischen; Littauischen Latteinischen vnd Deutschen 
sprachen kundigk sein solle, Der künfftigk im notfall 
auch in den DeutschenPredigten kan gebraucht werden...‘ 


Doc es erfolgte keine Antwort, und in dem am 22. Februar 
1603 registrierten Begleitschreiben zu einer Supplikation der 
litauischen Gemeinde um einen neuen litauischen Pfarrer von 
Mitte Februar erinnert sie an ihren Brief vom 13. November 
vorigen Jahres, den der Herzog wohl wegen anderer Geschäfte 
und infolge Abwesenheit nicht hätte beantworten können”. 
Auc das Gesuch der polnischen Gemeinde von Anfang Sep- 
tember vorigen Jahres war nicht beantwortet worden, wie die 
erneute Bittschrift der Polen Ende März“ zeigte. Auch die 
Litauer baten im Hochsommer 1603 erneut, weil bis dahin kei- 
nerlei Antwort erfolgt war”. 


In einem undatierten Brief, der aber 16053 geschrieben sein 
muß, dankt „Samuel Sperber || itziger Zeit pfhar Zu || Stallu- 
penen“ dem Herzog für die Berufung nach Wischwill und er- 


#2 F.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/04, 54 Blatt“, Bl. 3. 

#3 Heute Nemmersdorf, 20 km südöstlich von Insterburg. 

“#2 Arnoldt, Nachr. II, S. 101: „Christoph von Düben auch Friese genannt.“ 

#5 Qu, S. 445, Z. 36 ff. 

»6 Signatur wie Anm. 488; Bl. 14 ff. 

#7 Qu. S. 447. 


135 


zählt sein Mißgescick, daß die dortige Gemeinde vor seiner 
Ankunft bereits einen andern Pfarrer genommen hätte. Doch 
weil 

„...1tzt Zur Zeitt nun alhir zu Königsbergk 

der Lietawsche pfhar dienst eine gutte Zeyt ledig gestand[en] 

welcher Onümbgenglichen muß mit einer andern tuchtigen 

person Versehen werden. Gelanget demnach mein 

Vntertheniges hohes bitten, E.F.D. mich zu solchen dienst 

weil ich nu fast in die 16 Jar hero im predigampt 

sitze... in gnaden 

komen lassen .. .“?88 

S. Sperber muß also Litauisch gekonnt haben, doch hat er 

die Stelle nicht bekommen. Sollte sein Litauisch nicht aus- 
reichend gewesen sein? 


Das Konsistorium hatte sich um die gleiche Zeit an Gedkant 
nach Ragnit gewandt, um ihn für Königsberg zu gewinnen, 
wie aus einem Brief an den Herzog vom 19. September 1603 
hervorgeht, doch er sagte am 4. August ab“, 


Die Pfarrstellen auf dem Lande und in den kleinen Städten 
boten Personen, die wirtschaftstüchtiger als Bretke waren, 
mehr Einkünfte als diesem. In dem gleichen Briefe vom 19. Ok- 
tober 1603 schreibt das Konsistorium: 

»... Wann aber Leicht abzunehmen, das einer der 
seine tag vfm Landt Zugebracht, vnd sich was 

in die nahrung geschickt, wegenn des geringen 
vnderhalts sich nicht gerne anhero begeben 

wurd, Als wißen wir ieziger Zeit (vnange- 

sehen, das Gott lob noch feine gelerte vnd 

in Sprachen erfarne Leutt in diesem Herzog- 
thumb Zuefinden,) fast keinen der zuerheb[en] 
wäre...“ 


Sie schlugen dann aber den ehemaligen Alumnus Zacharias 
Blothno d. J. vor, der damals Pfarrer in Picktupönen war””. 


«8 FM. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/04“, Bl. 25. 

#9 Das Schreiben Gedkants siehe unten, S. 363 f. 

#0 „...Zachariam plottnau... ieziger Zeitt ll pfarrern Zue pidtkopeenen (!) 
im Tilschischen j| Ambt gelegenn, welcher Fr. dhrtt Christmilder ll se 
dechtnus Alumnus gewest, vnd noch ein l Junger Man, aber wol Studirt 
vnd der || Sprachen Kündig...“ (Matrikel fehlt bei Erler, Königsb.) 


136 


Darauf wurde ihm in einem herzoglichen Schreiben vom 
26. September die Stelle angeboten”“. 


Blothno zeigte anfänglich große Lust und teilte am 11. Ok- 
tober mit, nachdem er erst am 9. das herzogliche Schreiben 
erhalten hatte, daß er am 18. Sonntage nach Trinitatis®? zwecks 
Besprechung des Gehaltes, der Wohnung und dergl. nah Kö- 
nigsberg kommen würde”. Er begab sich zwar nach Königs- 
berg, doch kehrt er sofort wieder um und macht seinem Ärger in 
zwei Briefen Luft. An die Regimentsräte schrieb er“ in einem 
Briefe, dem er das Motto „’Evngarrew . xal . eudauwovileıw.“ voran- 
stellte, daß er sich pflichtschuldigst nach Königsberg begeben 
hätte, doch 

»...Wan Ich dan umhöre vnnd sehe, das 

bey der newen Littauschen Kirchen auffm Sackheim, 

noch Keine Widdem verhanden, Ich mich auch bey der 
geringen besoldung, in dieser tewren Zeitt, Gott bessers 

nicht behelffen Kan, vnnd mein Pictuppoenischer dienst 
diesem alhier viel Zuvore gelegen, als ist mein hochvleissi- 
ges bitten e.g. vnd h. wollen mich in gnaden vor dieß- 

mall vbesehen (!), vnd also verabscheiden, damit Ich vngeseü- 
met mich wiederumb Zu meinen Kirchsspills Kinderenn 
welche meiner mit schmertzen warten, mache, vnnd einen 
anderen Zu solchem dienst vermögen; denn e. g. vnnd h. 

doch von mir nicht begehren werden, das Ich mir Zum schaden 
alhier dienen, das meinige dabey gantz vnnd gar verZehren 
voand Zum stümpper werden solle...“ 


In einem lateinischen Brief an den Kanzelarius Rapp 
schreibt er sogar noch viel schärfer: Er wüßte sehr wohl, daß 
der Königsberger litauische Pfarrer in größtem Elend gelebt 
und seine Tage beschlossen hätte. Damit es ihm selbst nicht 
genau so ginge, könne er weder noch wolle er die Stelle an- 
nehmen, und bäte, sich dafür einzusetzen, daß man die Be- 
rufung zurückziehe”*, 


#1 Ein Schreiben Blothnos und ein Begleitschreiben des Tilsiter Amtsschrei- 
bers Nickel Burchardt, Signatur wie Anm. 494, Blatt 26—27. 


#2 Also am 23. Oktober. 
#8 Jm gleichen Schreiben, siehe Anm. 491. 


»ı E.M. 72f., Aktenheft: „Die Littauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/4“," Bl. 30. 


#5 Signatur wie Anm. 494; Bl. 29. 


137 


Inzwischen hatte sich die litauische Gemeinde, die von dem 
Angebot an Zacharias Blothno gehört hatte, aber schon damals 
meinte, daß sich die Sache zerschlagen hätte, erneut mit einer 
Supplikation an die Behörde, diesmal aber direkt an die Re- 
gimentsräte, gewandt“. Sie schilderte wieder ihre Not, da sie 
fast anderthalb Jahre ohne Gottesdienst gewesen wäre, und 
bat um Sengstock in Memel. 

Die Regimentsräte wandten sich an Sengstock, aber zu- 
gleich an die Bürgermeister der drei Städte betreffs Neuord- 
nung und Erhöhung des Pfarrgehaltes, worauf diese Mitte 
März 1604*” mitteilten, daß das Gehalt von 200 auf 255 M. er- 
höht sei, wozu sie für den litauischen Pfarrer um einen Zuschuß 
in Bargeld baten, so daß dieser genau so wie der polnische 
Pfarrer vom Hofe nicht nur Naturallieferungen, sondern auch 
Bargeld bekäme; sobald dies geschehen sei, wollten sie Seng- 
stock berufen’®. 

Doch erst am 2. April 1604 erhält Sengstock die Berufung”, 
die er annimmt. Am 22. April 1604 wird er von Joachim Schenck 
aus Labiau, der der nächste litauische Pfarrer war, in einem 
litauischen Introduktionsgottesdienst in die litauische Ge- 
meinde und ihre neue Kirche auf dem Sackheim eingewiesen’”. 


Nachkommen Bretkes. 


Von Bretkes Nachkommen sind nur zwei Enkel bekannt, 
die beide hervorgetreten sind und unser Interesse verdienen: 
Es ist Christoph Wilkau und Matthäus Praetorius, also beides 
Töchterkinder Bretkes. 


Christoph Wilkau. 


Christoph Wilkau wurde, wie schon gesagt”, am 3. Februar 
1598 geboren’” und Sommersemester 1609, also elfjährig, mit 


28 Qu., S. 448. 

47 Erledigt den 19. März. 

#08 Signatur wie S. 135 Anm. 482; Bl. 31 ff. 

»e B.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/04“, Blatt 34. | 

500 Schreiben Sengstocks, E.M. 72f., Blatt 34. 

501 Siehe oben, S. 122. 

50? „G. C. Pisanski’s Entwurf einer preußischen Literärgeschichte in vier 
Büchern.“ Herausgeg. von Rudolf Philippi, Königsberg 1886, S. 262. 


138 


seinen sicherlich doch jüngeren Brüdern oder auch Halbbrü- 
dern’®, Johannes und Fridericus, in der Königsberger Universi- 
tät zu Ehren des Vaters unentgeltlich immatrikuliert, wie aus 
der Matrikel hervorgeht: 


„Christophorus ) Wilkau Regiom. Boruss., in honorem parentis Do- 
-Johannes mini Stephani Wilkau, pastoris Polonici, gratis in- 
-Fridericus scriptus.‘‘s02 


1628 wurde Christoph Wilkau, den G. C. Pisanski „Will- 
kow“ schreibt, Archivarius im Königsberger Archiv, 1629 „Pro- 
rector“, also zweiter Lehrer, an der dortigen Löbenichter 
Schule und außerdem 1638 Königlicher Polnischer Notarius, 
worauf er 1641 das Prorektorat niederlegte’*”. 


Christoph Wilkau gehörte zu dem sogenannten Königsberger 
Dichterkreis, den „die damaligen besten Poeten in Königsberg“ 
bildeten’®, d. h. zu dem freundschaftlichen Verein von Dichtern 
und Musikern, der im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts in 
Königsberg bestand und dessen Haupt der hochgebildete, La- 
teinisch, Griechisch, Französisch, Englisch und Italienisch spre- 
chende Robert Roberthin war, der diese Vereinigung nach 
dem Muster jener italienischen Privatgesellschaften gestaltete, 
die damals zur Pflege der Poesie und der Wissenschaften in 
Italien blühten. Roberthin war mit Opitz eng befreundet und 
stand mit vielen Gelehrten in Briefwechsel, die er auf seinen 
wiederholten Reisen in Deutschland, England, Frankreich, 
Holland und Italien kennnengelernt hatte. 

Die Freunde, zu denen außer Christoph Wilkau u. a. der 
Organist Heinrich Albert (1604-1688), Professor Michael 
Behm (1612—1650; Sohn des Professors Johannes Behm, siehe 
unten, S. 313) und vor allem Professor Simon Dach (1605—1659) 
gehörten, versammelten sich zwanglos bei den einzelnen Mit- 
gliedern, im Sommer „in den Gärten“, diskutierten über wis- 
senschaftliche Fragen oder sangen und lasen einander ihre 
Lieder und Dichtungen vor, die oft die Vergänglichkeit alles 


503 Seine Mutter starb zwei Jahre nach seiner Geburt, siehe oben, S. 125. 

2 Frler, Königsb. I, S. 188. 

55 „Gedichte des Königsberger Dichterkreises aus Heinrich Alberts Arien und 
musicalischer Kürbishütte (1638—1650)“, herausgeg. von L. H. Fischer, 
Halle 1883, S. XIIff. Auch die meisten folgenden Angaben beruhen auf 
der Einleitung Fischers zu der genannten Ausgabe. 


139 


Irdischen behandelten, weshalb dieser Kreis auch „Gesellschaft 
der Sterblichkeit beflissener“ genannt wurde. Diese Grund- 
stimmung klang selbst in jenem Hochzeitsliede durch, das 
Simon Dach seinem Freunde Ch. Wilkau zu dessen späten 
Vermählung mit Marie Michaelis am 26. Januar 1643 schrieb’, 
natürlich um so mehr in den Klageliedern, die die Mitglieder 
des Kreises anläßlich des Hinscheidens ihrer Freunde dich- 
teten, von denen auc ein Lied aus der Feder Simon Dachs 
erhalten ist, das er seinem „...gewesenen lieben Freunde aus 
schuldiger Freundschaft...“, wie er selbst sagt, d. h. Ch. Wil- 
kau, nach dessen Tode am 2. November 1647 widmete”. 
Gedichte von Christoph Wilkau sind zerstreut in den 
Drucken der Veröffentlichungen dieses Kreises aus dem 


17. Jahrhundert und handschriftlich erhalten®., 


Matthäus Praetorius (Schulz). 


Über Matthäus Praetorius gibt es bereits verhältnismäßig 
viel leicht erreichbare Literatur, die sein Leben, sein Werk und 
auch seinen Charakter behandelt'”, so daß hier nur einige Er- 
gänzungen z. T. aus weniger leicht zugänglichen Quellen mit- 
geteilt werden sollen. 

Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Bretke und Mat- 
thäus Praetorius bereitet einige Schwierigkeiten, zieht man die 
bekannten Daten aus dem Leben seines Vaters heran. In 
seinem umfangreichen Werke „Deliciae Prussicae || oder |} 
Preüssische SchawBühne“ sagt Matthäus Praetorius in Teil I 
Fol. 5 bei der Aufzählung der Quellen, aus denen er geschöpft 
hat: 


508 Walther Ziesemer, „Simon Dach, Gedichte.“ Halle/Saale 1936, S. 117. 

50” Ebenda, Bd. III, S. 172. 

508 Die genauere Stellenangabe siehe bei L.H. Fischer, 1.c., S. XXILf. Neuer- 
dings sind zwei deutsche Gedichte von Ch. Wilkau bei Fischer, 1. c., 
S. 41 ff. und S. 201, und ein lateinisches Altpr. Monatsschr., Bd. V, S. 336, 
veröffentlicht. Siehe auch Altpr. Monatsschr., Bd. XII, S. 27. 

5 Aug. Gotth. Krause, „Nachrichten über Mathäus Prätorius“, in: „Beiträge 
zur Kunde Preußens“, 7, Königsberg 1824, S. 356ff. Dergleiche: „Ge- 
schichte der Kirche zu Nibudschen“, Gumbinnen 1833, S. 28. Dr. William 
Pierson, „Matthäus Prätorius’ Deliciae Prussicae oder Preußische Schau- 
bühne“, Berlin 1871; dort, S. XIV, weitere Literatur. Pierson veröffent- 
licht die wertvolleren Stellen und Abschnitte des zweibändigen Manu- 
skripts. 7 


140 


„... Zu diesen Kan gezogen werden, die Historia Rerum Prussicarum, 
meines Elter- | Vaters Johann von -Brettchen, der viel rare Dinge, 
Zumahlen was die Antiquität ((überschrieben: betrifft)), hat, so woll l 
in der angeZogenen Historie, alß auch in seinen Predigten notiret, der 
hat viel, anfänglich zu || Labiau wo selbst er viel Abgötterey gefun- 
den, observiret, so hat er auch die Conversation vieler l Vornehmen 
Herrn in Preußen gehabt, in sonderheit der Herrn von Hohendorft, 
und der Herrn von || Schlieben, die ihme ohndeft verwandt gewesen, 
von denen er viel geschriebene Chronicken und Notata l bekommen, 
auß welchen er viel eingefüget...“ 


Danach müßte Johannes Bretke, den Praetorius hier adelt, 
und dessen Verwandtschaft mit bekannten Adelsfamilien er 
hier andeutet, sein Großvater mütterlicherseits gewesen sein. 
Nun ist aber der Vater unseres Matthäus Praetorius, den die 
Königsberger Matrikel „...Christophorus Praetorius, Sueto- 
Marchicus....“ nennt, nach Arnoldt” erst 1601 „...zu Schwedt 
in der Mark...“ geboren, also ein Jahr vor Bretkes Tode, der 
66jährig starb, und von dem es schon 1591 hieß, 

„...das er vermerckt, wie er togteglich, an Krefften abnemme, Vnd 

schwächer werde, auch seine Zimliche erwachsene, Töchter fur im sihet, 


vnd nicht weiß, wie Vnd woüon er die selben, alss einem Treuen Vatter 
geburet, versorgen vnd begeben Konne...“s11 


Im Juli 1626 wird ein „Christophorus Praetorius Sueto- 
Marchicus“ in Rostock immatrikuliert®*, was doch höchstwahr- 
scheinlich der gleiche Christoph Praetorius war. Da seine Ma- 
trikel in Königsberg fehlt, dürfte er dort bis dahin nicht stu- 
diert haben. Nach den Angaben Arnoldts wurde er 1627 
„... Feldprediger bey den Schwedischen Trouppen, || die bey 
Memel campirten...“, bis er etwa 1631 das deutsche Diakonat 
unter dem Erzpriester M. Matthäus Cörber in Memel annahm’. 
Erst am 10. April 1633 ließ sich Christoph Praetorius in Königs- 
berg immatrikulieren, um sich auf das Magisterexamen vor- 
zubereiten. Die Matrikel lautet: 

„Reverendus Dominus Christophorus Praetorius, Sueto-Marchicus, Me- 
melensis Ecclesiae Diaconus, Magistrii candidatus, stipulata manu 
obedientiam promittit mk. 8. gr. 5.514 


510 Arnoldt, Nachr. II, S. 155. 

511 Siehe oben, S. 107. 

512 Hofmeister, III, S. 67a. 

513 Arnoldt, Nachr. II, S. 153 und 155. 
514 Erler, Königsb. I, S. 349. 


141 


Wie die hohe Immatrikulationsgebühr von mehr als 8 M. 
(gezahlt wurden gewöhnlich 4 M.) sowie die hochtrabende 
Sprache vermuten lassen, war Christoph Praetorius wohl- 
habend. Nach Arnoldt”° bestand er am 20. April 1634 das Ma- 
gisterexamen, um danach sein deutsches Diakonat in Memel 
weiter zu versehen. 


Nach den „Merckwürdigkeiten der Stadt || und Festung 
Memel“ von dem 1782 amtierenden „Litthauischen Diacon in 
Memel und Strand-Pfarrer““‘, dem offenbar noch die Akten des 
17. Jahrhunderts vorgelegen haben, heiratete aber Christoph 
Praetorius „...vorgedachten || Herrn Ertz-Priesters Cörberi 
Tochter ...“, worauf er nach dem Tode Cörbers in Memel 1647 
Erzpriester wurde, was er bis zu seinem Tode am 21. August 
1673 war”. 


Trotz der Schwierigkeiten, die diese Daten aus dem Leben 
des Vaters unseres Matthäus Praetorius bereiten, muß bis auf 


weiteres aber doch wohl an der Richtigkeit seiner Angabe fest- 


gehalten werden, wonach seine Mutter eine geborene Bretke 
war, denn er rechnete doch damals mit der Veröffentlichung 
seines Werkes, wobei eine etwaige Schwindelei leicht heraus- 
gekommen wäre! 


Da Matthäus Praetorius nach der Berechnung Krauses”*® 
zwischen 1631 und 1636, und zwar in Memel geboren ist, müßte 
seine Mutter, eine Tochter Bretkes, in der Zeit als Gattin des 
deutschen Diakons Christoph Praetorius in Memel gelebt 
haben. 


Bemerkenswert ist, daß M. Praetorius das „Chronicon“ 
Bretkes vorgelegen haben muß, da er es in seiner „Deliciae 
Prussiae“ weit über die beiden in Hennenbergers Abschrift 
erhaltenen Bruchstücke hinaus zitiert”, desgleichen hat er an- 


515 Arnoldt, Nachr. II, S. 155. 

518 Frleut. Preuß. IV, 1782, S. 254. 

517 Arnoldt, Nachr. II, S. 153. 

s18 (Titel, oben, S. 140 Anm. 509), S. 338. 

518 Gerullis (siehe Anm. 372, oben, S. 94), S. 125. Bemerkt sei auch, daß 
„J. Bretkius“ auch in den bereits in Weiherstadt verfaßten Werken („Tuba 
Pacis“ 1685, „Orbis Gothicus“ 1688 und „Mars Gothicus“ 1691) zitiert, bzw. 
im Autorenverzeichnis angegeben wird. 


142 


ie a ae ee 


scheinend Manuskripte Hennenbergers besessen, da er sich 
1671 in einem Briefe aus Niebudschen an Hartknoch erbot, 
„...aus des seel. Herrn Hennebergers MSctis die- 
ses Hauses der Herrn von Kalnein, uhralte 
Genealogie Ihro Excellentz vorzuzeigen 
und zu übergeben ...“520 


Möglicherweise hat er beides aus dem Nachlaß Bretkes, in dem 
sich durchaus auch Schriften Hennenbergers befunden haben 
können, da Bretke offensichtlich mit ihm zusammengearbeitet 
hat”, was besonders der Fall gewesen sein dürfte, nachdem 
Hennenberger 1590 an das Große Hospital nach Königsberg 
versetzt worden war, und Bretke sehr wohl nach dessen Tode 
am 29. Februar 1600 Manuskripte seines Freundes erhalten 
haben kann. 

Das Litauische lernte Matthäus Praetorius als Kind und 
als Jüngling in und bei Memel, wo selbst damals noch die Zahl 
der Litauer ständig wuchs”. 

‘Am 29. Juni 1650 wurde er mit seinen beiden Brüdern (oder 
Halbbrüdern?) in Königsberg immatrikuliert. Die Matrikel 


lautet: 


4 tres fra- 
„"Matthaeus Praetorius, Memela-Prussus | {es mino- 


-Christianus Praetorius, Memela-Prussus 4 mk 
: i rennes R 
-Johannes Christophorus Praetorius, 10 gr."s22 


Pastoris Meme- 
Memela-Prussus art 


Doch scheint Matthäus noch so jung gewesen zu sein, daß 
er mit dem eigentlichen Studium noch nicht begann, denn am 
4. April 1655 wird er aus irgendwelchen Gründen mit folgen- 
der Matrikel nochmal immatrikuliert: „Matthaeus Praetorius, 
Memelensis Borussus 3 mk 12 gr.“”, was zu Beginn seines 
eigentlichen Studiums gewesen zu sein scheint. Gegen die 
Möglichkeit, daß es sich hierbei um eine andere Person dieses 
damals verhältnismäßig verbreiteten Namens handelte, spricht 
der Umstand, daß unser Matthäus Praetorius rund zwei Jahre 
später, im Juli 1657, in Rostock, der Heimatuniversität seines 


520 Erleut. Preuß. I, S. 116 (siehe Anm. 532, unten, S. 145). 
521 Siehe oben, 5. 94. 

5212 Frl. Preuß. IV (1728), S. 262. 

#2 Erler, Königsb. I, S. 514. 

#23 Erler, Königsb. I, S. 547. 


143 


Vaters, inskribiert wird: „Matthaeus Praetorius Memelensis 
Borussus“”*, wo — wie es in der Rostocker Masgisterliste drei 
Jahre später 1660 heift — „Augustus Varenius... collegii 
philosophici decanus... promovit die XXVI Julii, unum... 
Matthaeum Praetorium Memela-Borussum ...‘” Praetorius also 
zusammen mit neun anderen Studenten am 26. Juli 1660 die 
Magisterwürde erlangte. | 

Am 8. April 1661 wurde Matthäus Praetorius „...als 
Adj.[unet] des Me- || melschen Ministerii ordiniret, ob er gleich 
eigentlich des litthauischen Pf. || Adj. war...“”, und zwar war 
damals Johannes Lehmann d. Ä. litauischer Pfarrer, der 1664 
starb”. 


1665°° oder 1664°° kam M. Praetorius nun nach Niebudschen 
(jetzt Steinsee, Ostpr.), wo er im Verkehr mit seinen Pfarr- 
kindern, den dortigen Litauern, Material zu den Teilen seiner 
„Deliciae Prussicae...“ zu sammeln begann, die noch heute 
von Wert sind’”. Das Manuskript dieses Werkes liegt in zwei 
dicken Foliobänden im Königsberger Staatsarchiv. Soweit ein 
Vergleich seiner „Deliciae Prussicae“ mit den beiden in der 
Abschrift Hennenbergers erhaltenen Bruchstücken des „Chro- 
nicon“ Bretkes” erkennen lassen, hat M. Praetorius im großen 
und ganzen ebenso kritiklos kompiliert wie sein „Elter || 
Vater“, nur daß er mehr aus eigener Anschauung über die Be- 
völkerung mitgeteilt zu haben scheint, mit der er täglich zu- 
sammenkam, deren Leben und deren Erzählungen er offen- 
sichtlich für seine Zeit ungewöhnlich viel Interesse entgegen- 
brachte. Wie sehr er um dieser seiner Kenntnisse willen selbst 
von dem kritischen Hartknoch’® geschätzt wurde, an den sich 


522 Hofmeister, III, S. 196 b. 

525 Ebenda, III, S. 210. 

526 Arnoldt, Nachr. II, S. 153. 

527 Ehenda, S. 157; siehe unten, S. 333 Anm. 1133. 

528 Ebenda, S. 103 (Arnoldt gibt hier ein anderes Jahr an als ebenda, S. 155!). 
Siehe zu diesem Abschnitt die „Berichtigungen und Ergänzungen“. 

52? Siehe „Matthäus Prätorius’ Deliciae Prussicae“ von Pierson, genauer Titel 
oben, S. 140 Anm. 509. 

590 Siehe Gerullis, „Bretke als Geschichtsschreiber“, Arch. f. sl. Phil. 40, 
S. 117 ff. 

531 Nach „Das I Gelahrte I Preüssen ...“ 1722, S. 39f., zu Jablonken (heute 
Wildenau), 14 km östl. von Passenheim, 1644 geboren, studierte größten- 


144 


M. Praetorius 1671 schriftlih wandte, worauf beide lange 
Freunde waren, geht aus der Abschrift eines Briefes hervor, 
den Chr. Hartknoch nach 1681 schrieb, als er bereits mit Prae- 


torius verfeindet war”: 


(Seite 116) 


»... Von derselben Zeit an hielte ich mit 
Herrn M. Praetorio gute Freundschafft, 
welche hernach vermehret worden, als ich 
Anno 1672. den Gradum Magisterii an- 
nahm, und mich bey der Universität zu Kö- 
nigsberg auffhielte. Denn da ich etliche 
Dissertationes von den Alt-Preußischen 
Sachen, als de Originibus Prussieis, de Ju- 
re Prussorum, de Republica Prussorum, de 
Religione veterum Pruss. ausgegeben, hat 
M. 
(Seite 117) 
M. Praetorius von denselben Dissertat., so 
offt er nach Königsberg kam, mit mir confe- 
riret, insonderheit was die Alt-Preußische 
Sprache und der heutigen Litthauer Aber- 
glauben und Gebräuche anlanget. Hat sich 
auch freywillig und von sich selbst offeriret, 
daß er einige Notas über die Dissertation, 
de Religione vet. Pruss. zu Papier setzen 
und mir zuschicken wolte, welches ich nicht 
anders als mit Danck habe annehmen kön- 
nen. Er hat auch dieses praestiret, und ein 
Scriptum von zweyen Bogen auffgesetzet, 
selbiges eigenhändig abgeschrieben, und mir 
zugeschicket, wie es auch noch bey mir Tom. 
III. MSS. in 4. zu Ende zu finden ist. In sel- 
bigen Notatis refutiret er nichts, was ich in 
meiner Disputation defendiret, sondern tra- 
ctiret meistentheils von der Alt-Preußischen 
Sprache, und von der heutigen Litthauen 
Gebräuchen. Ueber dieses hat er auch noch 


teils in Königsberg, 21jährig in Wilna „Rector“ an der ev. Schule und 
Adjunkt an der deutsch-polnischen Gemeinde. 1668 als Prediger nach 
Sluck (100 km südl. von Minsk), mußte wegen Lungenkrankheit sein Amt 
aufgeben, las und disputierte an der Königsberger Universität, 1677 Pro- 
fessor in Thorn, später dort Gymnasialdirektor und starb 3. Januar 1687. 

5322 Frleut. Preuß. I, 1724, S. 114ff. der ganze Brief, ebenso „Das gelahrte 
Preüssen....“, 1723, S. 350 ff. 


10 Falkenhahn, Bretke - 145 


ein Scriptum von zweyen Bogen mir zuge- 
schickt, darinnen hat er abermahl von der 
Alt-Preußischen Sprache gehandelt, und 
meistentheils die Differentiam zwischen der- 
selben und der Litthauischen und Kurischen 
wollen zeigen, welches Tractätlein auch 

H3 Tom. 

(Seite 118) 

Tom. III. MSS. in 4. gegen das Ende zu 
finden. 

Es ist auch geschehen, daß ich eins- 
mahls mit ihme wie auch Herrn Jacob. Phi- 
lipp. Hartmann, Med. D auf Sambland 
nach H. Creutz, und andere an dem Strand 
liegende Oerter gefahren, um den Orth, wo 
der Börnstein in der See theils gefischet, 
theils in den Bergen gegraben wird, recht in 
Augenschein zu nehmen, von dannen wir mit 
guter Vergnügung nicht allein wegen des 
Orths, den wir gesehen, sondern auch wegen 
der angenehmen Gesellschafft, zurück nach 
Königsberg gekommen. Darzu ist auch 
noch dieses gekommen, daß Herr M. Praeto- 
zius mir ein Theil von des Grunovii Chro- 
nick, so er aus der Bibliothec Sr. Wolgeb. 
Excellentz Herrn Ernst von Wallenrodt, 
Preußischen Regiments-Rahts und Land- 
Hoffmeisters, gehabt, geliehen, daß ich also die 
übrigen Tracktatus, welche ich in Brunsberg 
nicht habe wegen Kürtze der Zeit durchsehen 
können, auch durchlesen, und in meine FEx- 
cerpta bringen könte,..“ 


In seiner Ausgabe Peters von Dusburg 1679°*, also nach 
achtjähriger Bekanntschaft, zitiert ihn Chr. Hartknoch auf 
Seite 3 bei der Behandlung des Namens „Preußen“ als „Vir 
Clariss.[imus] D[omi]n.[us] M. Matthaeus Praetorius Pastor 
Nebudzen- || sis, amicus meus honorandus....“, was immerhin 
recht viel war, wenn damals auch Freundschaftsbeteuerungen 
und ehrende Titel zum literarischen Stil gehörten; ebenso in 
den Anmerkungen (,„Dissertationes“) zu dieser Ausgabe, S. 83, 
wo Hartknoch von dem Unterschied zwischen dem Preußischen, 


de Dusberg N Ordinis Teutonici Sacerdotis, || Chronicon || Prus- 


siae, . Christophoro Hartknoch l Passenheim. Prusso. I Francofurti 
et al || -.. Anno MDCLXXIX.“ 


146 


Bu ad 2 u u 


Kurischen und Litauischen spricht. Ähnlich, ebenda, S. 129, wo 
er die Mitteilung seines Freundes von dem dreigespaltenen 
Birnbaum in dessen Garten in Niebudschen bringt, der 
„... Prussis [et] Lith- || vanis vocatur Rommota, ut [et] Rumbota 
Krausis, id est pyrus (!) coa- || li ta.“ Ähnlich auch schließlich 
“ noch ebenda, S. 148. 

Daß M. Praetorius als Mensch keinen schlechten Eindruck 
machte, scheint auch aus einem Briefe vom 14. Juni 1682 her- 
vorzugehen, den ein M. Kempius aus Königsberg, Tragheim, 
an Hartknoch schrieb, nachdem dieser seinem früheren 
Freunde, Praetorius, bereits grollte, weil er von seinen Ar- 
beiten schlecht gesprochen haben sollte, wovon Hartknoch 
„... ein gu- || ter Freund von Königsberg bald Nachricht || er- 
theilet.. .“”*; in dem Briefe sagt M. Kempis u. a.: 

»...80 weit mir aber Herrn Praetorii Gemüth bekannt ist / kan ich 
M. H. H.5® wohl sincere versichern / daß er nimmer anders als honori- 
fice von desselben löblichen Conatibus geredet habe... .“5®° 
Auch aus dem Briefe des Verlegers Martin Halleyorden oder 
Hallerwood vom 22. August 1681 an Hartknoch wird anschei- 
nend klar, wie es im „Gelahrten Preüßen“ heißt, daß „...der 
Irthum einiger / als wenn Praetorius nur aus Jalousie gegen 
Hartknochen geprahlet / wiederleget wird“. 


Die Volkszugehörigkeit Bretkes. 
Stand der bisherigen Forschung. 


Die Volkszugehörigkeit Bretkes ist in den letzten zwei 
Jahrzehnten stark umstritten worden. Während die einen be- 
haupteten, daß Bretke Deutscher sei, erklärten andere ihn für 
einen Litauer, wieder andere machten seine altpreußische Ab- 
stammung sehr wahrscheinlich. 

Die Behandlung und Beantwortung der Frage nad der 
Volkszugehörigkeit eines Menschen des 15., 16., ja noch des 
17. Jahrhunderts ist, wie schon angedeutet”®, oft schwierig, da 


5% In dem oben, S. 145, zitierten Brief Hartknochs, Erl. Preuß. I, S. 120. 
535 Also Hartknoch. 


5367, .D)as ll Gelahrte l Preüssen ....“, 1722, S. 43; ebendort, S. 42 ff., der ganze 
Brief. ö 


#7 Ebenda, S. 46; ebenda, S. 45f., ein Auszug aus dem genannten Brief. 
538 Siehe oben, S. 131. 


10* 147 


direkte Angaben über die blutsmäßige Volkszugehörigkeit aus 
jener Zeit meist fehlen. Man fragte einen Menschen damals 
nur nach seiner Religions- und Standeszugehörigkeit, sowie 
nach der Landschaft oder Stadt, aus der er kam, dagegen war 
das Verständnis und das Interesse der gebildeteren Kreise, die 
in allen europäischen Ländern Latein lasen und sprachen, für 
Volkszugehörigkeit weitgehend geschwunden. 

Nur so sind Ausdrücke wie: „N. N. Natione pomeranus“, 
„Gregorius Vogel, Polonus“, „Stanislaus Schultis, Polonus“*”, 
„Vrbanus Sommer Vilnensis Litvanus‘”” usw. möglich. 

Auf diese Weise ist zu erklären, daß schon damals gelegent- 
lich „Preußen zu Cölmern“ gemacht wurden; Litauer, Stamm- 
preußen und Polen, die eine akademische Bildung erworben 
hatten, nahmen genau so an dem Wohlstande der Deutschen 
dieser Kreise teil, wie sich, besonders etwas später, die Unter- 
drückung des Adels sowohl gegen Bauern von deutscher als 
auch litauischer und anderer Herkunft richtete. Ja selbst noch 
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeigte die umständ- 
liche Ausdrucksweise des Begriffes „Volk“ sogar bei gebil- 
deten Personen, wie unklar ihnen der Begriff war. So spricht 
z. B. Friedr. Sam. Bock 1749 in seiner „Einleitung in den Staat 
von Preußen‘®* zwar von „Deutschen Litthauern, und Pohlen“ 
im heutigen Ostpreußen, doch erklärte er den Begriff 
„Deutsche“ sogleich wie folgt: „Die eigentlichen Preußen oder 
Deutschen, die von deutschen Familien entsprungen, die auch 
die Sprache und Sitte mit den Einwohnern Deutschlands gemein 
haben, machen den größten Teil aus...“ usw. 1726 heißt es’* 
bei der Beschreibung der Bewohner Preußens gar: „die mei- 
sten aber (sind) Rheinstrohmer, Bäyern, Schwaben, Francen, 
Thüringer, Vogtländer, Sachsen, Meißner, Böhmen, Schlesier, 
Märker, Westphalinger, Braunschweiger, Hollsteiner, Meclen- 
burger, Pommern und dergleichen Ausländer...“ Auf den 
nächsten Seiten spricht der gleiche Verfasser von der „fran- 
zösischen“ und von der „pommerschen“ Nation. Nur der geo- 
graphische Begriff „Germania“ war lebendig geblieben. 


538 G, Erler, Königsb. I, Sommersem. 1553. 

520 E, Foerstemann, Album Acad. Viteb., Bd. II, S. 330, Sommersem. 1585. 
sa1 Frl. Preuß. V, S. 176. 

522 Frl. Preuß. IV, S. 383. 


148 


Es ist daher nicht weiter erstaunlich, wenn direkte Angaben 
über die Volkszugehörigkeit Bretkes aus jener Zeit fehlen. 

Das Interesse für die Volkszugehörigkeit im heutigen Sinne 
des Wortes beginnt erst zur Zeit Herders zu erwachen. So 
fragt als erster Gottfr. Ostermeyer 1795%: „...ob...er... 
wohl gar von litauischen Eltern gewesen, weiß man nicht.“ 
Ostermeyer fährt dann fort „Doch es sey, daß er ein gebohr- 
ner, oder nur gemachter Littauer gewesen, so hat er die Sprache 
wohl inne gehabt...“ L. Rhesa äußert sich nicht zu der Frage, 
auch A. Bezzenberger nimmt nicht selbst Stellung, sondern 
begnügt sich mit der wörtlichen Wiedergabe dessen, was 
Ostermeyer hierzu schrieb’ (siehe oben). 

Erst Superintendent Hoffheinz (1883) berührt die Frage 
wieder und sagt: „...Er (Bretke) mag wohl auch ein geborner 
Litauer gewesen sein — der erste Pfarrer in Litauen —, denn 
er predigte ohne „Tolken“ (Dolmetscher) und nennt sich in 
dem von ihm herausgegebenen Gesangbuche Bretkuns...“”° 

M. Stankiewicez (1889), J. Gabrys (1912) sowie A.B. Klai- 
pediskis (1913)°® stützen sich ganz auf ÖOstermeyer und 
L. Rhesa, ohne selbst Stellung zu nehmen, desgl. Proboöiy 
Anükas (d. h. Ansas Bruozis) (1920)°®; nur die Wendung ‚„müsy 
Bretkünas“ scheint die Ansicht A. BruoZis zu verraten, daß 
Bretke Litauer gewesen sei. 

Die erste wirklich wissenschaftliche Behandlung der Frage 
bietet Ed. Hermann (1923), Er glaubt, aus der Bibelhand- 
schrift Bretkes mit ziemlicher Bestimmtheit beweisen zu kön- 
nen, daß Bretke Deutscher war: 1. Bretke schriebe oft Wörter 
des deutschen Luthertextes an den Rand und bisweilen in den 
Text, wenn er im Zweifel war, wie sie zu übersetzen wären. 


58 „Erste Lit. Liedergesch.“, S. 18 ff. 

sa „Beitr. zur Gesch. d. L. Spr.“, S. XV. 

55 M.L.L.G., I. Bd. (1883), S. 265 ff, Artikel: „Bericht über einen literari- 
schen Fund“. 

s6 „Studya bibl. n. liter. lit.“ 

#7 „Liet. Lit. apzv.“ 

58 „Prüsy Liet. Ras.“ 

5 „MaZ. Liet. Buv. Ras.“, S. 16. 

0 Aufsatz: „Bemerkungen zum altlitauischen Schrifttum in Preußen.“ 
Nachr. d. K.G. der Wiss. z. Göttingen, Philol. hist. Klasse, 1923, S. 106 ff., 
besonders 114 ff. 


149 


Darunter sind auch häufig gebrauchte Ausdrücke wie „Flügel“, 
„Fittich“, „Feder“, „Augenlid“, „Hinterhalt“, „Riegel“, „Stadt- 
viertel“. 2. Bretke scheint in der Verwendung der Aktionsarten 
nicht sicher gewesen zu sein. 3. Bretke unterscheidet nicht 
zwischen den Präpositionen „isch“ und „nog“, was einem ge- 
borenen Litauer nicht passieren dürfte. 4. Die in der Bibel- 
handschrift beigehefteten Zettel und der Rest eines Briefes, 
der wahrscheinlich an Bretke gerichtet war, sind in deutscher 
Sprache geschrieben. Desgl. sind Bretkes Randbemerkungen, 
soweit sie nicht lateinisch sind, gleichfalls deutsch. 5. Verräte- 
risch wäre vor allem, daß Bretke den deutschen Text der Kir- 
chenlieder besser im Gedächtnis hatte als den litauischen, denn 
er zitierte im Register seiner „Giesmes Duchaunas“ ein Lied, 
das im litauischen Text (Nr. 73, S. 118) beginnt: „Klausikite 
ius nu szmones, kaip...“, im Deutschen aber ‚Nu höret zu 
jr Christen Leut“, mit „Klausiket ius nu kriksch.“ 6. Bretke 
schreibt seinen Vornamen ungleichmäßig, wenn er seine litaui- 
sche Namensform „Bretkunas“ verwendet: „Johan“, „Joana“ 
verbessert in „Jana“, „Jonas“ verbessert in „Janas“, wie er 
auch den Namen des Täufers erst „Joannes“ schrieb, dann in 
„Janas“ verbesserte. 7. Ihm läge scheinbar das Lateinische 
näher als das Litauische, denn er schrieb: „per Ioana (verb. zu 
Iana) Bretkium“. 8. Sein Familienname lautet „Bretke“ (d. h. 
nicht Bretkünas) und ist somit deutsch. 9. der deutsche Text 
Bretkes ist schwer zu lesen, weil er flüchtig geschrieben ist, 
während der litauische Text eine fast immer leicht lesbare, 
deutliche Handschrift zeigt, also schrieb Bretke scheinbar ge- 
läufiger deutsch als litauisch. 10. Bretke hat wahrscheinlich das 
Litauisch des Willent, der bekanntlich aus Litauen kam, für 
besser gehalten als das seiner eigenen Bibelübersetzung, denn 
er zitierte in seiner Postille, die 1591, also nach Abschluß der 
Bibelübersetzung, erschien, bei der Angabe der Predigttexte 
nicht seine eigene Bibelübersetzung, sondern die entsprechen- 
den Abschnitte aus Willents Evangelien und Episteln, jedoch 
folgt Bretke nicht sklavisch, sondern ändert z. T. zugunsten 
seines Bibeltextes. 

Auch Gerullis meint 1927, wohl von den überzeugenden 


551 Sen. Liet. Skait., S. 87 £. 


150 


Gründen Hermanns beeinflußt, es wäre „kaum zu bezweifeln, 
daß er nicht Litauer, sondern Deutscher war“, denn Bretke 
schriebe nur in seinen litauischen Werken „Bretkünas“, sonst 
immer deutsch „Bretke“ oder lateinisch „Bretkius“. Seine Ver- 
wandten wären deutsche Adlige, auch spräche er nicht über 
die Litauer wie über sein Volk, „sie sind für ihn in der Vor- 
rede der Postille ‚illa. gens‘, und im zweiten Teile der Postille, 
S. 379, ‚ius lietuwnikai‘, dennoch erfühlt er in seinen Über- 
setzungen, wenn sie auch allerlei Verstöße gegen die Sprach- 
regeln zeigen, nicht selten den Geist der Sprache so ausgezeich- 
net wie nur ein Mensch, der von klein auf Litauisch kann. Ich 
weiß nicht, wie das zu erklären ist“’*. K. Forstreuter meint 1950 
wohl aus den gleichen Gründen: „Bredtke war Deutscher von 
Geburt.” 


J. Bertoleit rechnet 1932 als erster mit der Möglichkeit, daß 
Bretke altpreußischer Abstammung sein könnte“, oder daß 
er von litauischen Eltern stammte, die aus Litauen zugewan- 
dert wären, denn Bretke hätte in seiner „Historia rerum 
Prussicarum“, wie die daraus entnommenen Zitate in der 
„Schaubühne“ des Praetorius zeigen, „so viel aus altpreußi- 
scher Vergangenheit, hauptsächlich Nadrauens“, zu berichten 
gewußt und hätte schon bei dem Amtsantritt in Labiau „ge- 
läufig“ Eitauisch und auch altpreußisch gekommt, und: „Vor allem 
weist auch seine litauische Sprache, die der Polonismen nicht 
entbehrt, darauf hin, daß sie kaum erst im Labiauer Bezirk 
erworben sein kann, seine Bibelübersetzung wurde ja deshalb 
in späterer Zeit abgelehnt, weil seine Sprache fremdartig sei 
und dem preußischen Litauisch nicht recht entspräche’®,“ 


1933 äußert sich K. Forstreuter wieder zur Frage; er hält 
jetzt die Volkszugehörigkeit für nicht ganz sicher, doch stamme 
Bretke aber auf keinen Fall aus Großlitauen, da er ja „bei 
Friedland in dem ursprünglich altpreußischen Dorfe Bammeln 
geboren ist, entweder also Altpreuße und damit, wie der Rest 


552 Sen. Liet. Skait., S. 87 ff. 

553 7, f. sl. Ph. VII, S. 129. 

55 „Die Reformation unter den Preuß. Lit.“, S. 41 ff. 
555 Bertoleit, ebenda. 


151 


der damals noch vorhandenen Altpreußen, halb germanisiert 
oder überhaupt Deutscher von Geburt war“. 


Die Auffassung der heutigen litauischen Forscher, die sich 
zu dem Problem geäußert haben, zeigt der Artikel des litaui- 
schen Literaturprofessors Vaclovas BirZiSka, Kaunas, 1935 im 
4. Band der „Lietuviska Enciklopedija“ recht gut. V. Birzi5ka 
charakterisiert Bretke, den er Bretkünas nennt, als den be- 
deutendsten litauischen Autor des 16. Jahrhunderts in ‚Klein- 
litauen“. Nach einer kurzen Wiedergabe der Auffassung 
E. Hermanns, Gerullis und ihrer Anhänger, die geneigt seien, 
Bretke für einen Deutschen zu halten, fährt V. Birziska fort: 
„Die andern und besonders die litauischen Autoren und Vac. 
Birziska, der ihre Auffassungen in seinem Buche „Lietuviy 
knygy istorijos bruoZai“ (1930) in Einklang gebracht hat, halten 
Br. für einen reinen Litauer. Diese Auffassung stützte ]J. Bertoleit 
(„Die Ref...“, folgt Zitat) kürzlich mit neuen Beweisen. Br. 
wurde in Bamboliai bei Friedland eben gerade auf der Grenze 
der von den Litauern bewohnten Wildnis und dem deutsch- 
polnischen Kolonisationsgebiet geboren. Die Äußerung, die 
aus seinem Briefe von 1563 entnommen ist: „parentum meorum 
petitionibus ex superiori Germania reuocantibus“ besagt 
durchaus nicht, daß Br.s Eltern aus Oberdeutschland stamm- 
ten, denn der Auszug wird nicht richtig vorgenommen: Im 
Briefe steht „ab amicis in studiis artium promotus sum, paren- 
tum meorum petitionibus, ex superiori Germania reuocanti- 
bus“; hieraus kann verstanden werden, daß der Ausdruck 
„Oberdeutschland“ nicht auf die Eltern bezogen wird, sondern 
auf seine Studiengenossen (]. Bertoleit). Eine andere Äußerung 
des gleichen Briefes „Lituanicam et prutenicam linguam medio- 
criter teneam“, die geschrieben ist, als Br. nach Labiau berufen 
wurde, zeigt, daß Br. nicht erst während des Pfarrdienstes Li- 
tauisch gelernt hat, sondern bereits von klein auf konnte; aber 
das eigene Litauisch pflegte nicht nur Br. mit „mediocriter“ zu 
bezeichnen, sondern auch eine Person, wie der aus Zemaiten 
stammende Jomantas (Jamund), der genau so ohne jeden Zwei- 
fel Litauer war. Schließlich zeigt die Tatsache, mit der Her- 
mann arbeitet — daß nämlich Br. bei seiner Übersetzung der 


#° „Deutsche Kulturpolititk im sogenannten Preussischen Litauen“, S. 262. 


152 


Bibel viele Wörter nicht sofort litauisch wiedergeben konnte 
und an zweifelhaften Stellen deutsch aufschrieb — lediglich, 
daß es dem ersten litauischen Bibelübersetzer, Bretkünas, der 
auf der Universität Lateinisch studiert hatte, an litauischen 
Ausdrücken fehlte, während er die entsprechenden deutschen 
finden konnte, wenn auc in der deutschen Bibelübersetzung. 
Der nicht-literarische litauische Wortschatz, den Bretke ohne 
Zweifel von Hause, aus dem Dorfe, mitbrachte, konnte bei 
weitem nicht für eine so gewichtige Übersetzung wie die der 
Bibel ausreichen. Auch die späteren litauischen Schriftsteller 
mußten genau so wie die anderer Völker, ob sie wollten oder 
nicht, bei der Übersetzung eines Werkes aus einem neuen 
Fach auch zu fremden Ausdrücken greifen, die sie auf den 
Schulen gelernt hatten. Höchstwahrscheinlich hat audı Luthers 
Handschrift bei seiner Übersetzung der Bibel ins Deutsche nicht 
besser ausgesehen als die Handschrift Bretkes. Alle diese Tat- 
sachen, sowie Br. gründliche Kenntnis des Litauischen und 
sein Interesse für die Belange der Litauer, das er seinen Nach- 
fahren vererbte (Matthäus Praetorius), zwingen, nicht daran 
zu zweifeln, daß Br. Litauer war. 

Seinen Namen schrieb Br. selbst „Bretkunas“, lateinisch: 
„Bretkius“, deutsch: „Bretche““. (Es folgt die Behandlung des 
Lebens und der Werke Bretkes.) 

Gerullis behandelte das Thema (1935) nochmals. Er durch- 
suchte die Bammeln und Umgebung betreffenden Akten des 
Königsberger Staatsarchivs aus der Zeit des 16. Jahrhunderts 
nach Angaben über die Bewohner Bammelns und legte das 
Ergebnis im Teil II „Welcher Nationalität gehörte Bretke an?“ 
des Aufsatzes: „Zu Johannes Bretke“” vor. 

Nach Ausweis der Akten wohnten in dem Dorfe, das neun 
Jahre nach Bretkes Geburt als: „Bammeln prewsch‘“* bezeich- 
net wird: „Ein preusch freyer“, zwei Bauern „Blasien fischer“, 
„Caspar fustigk“ und ein Hirt ohne eigenes Anwesen. Die 
beiden Bauern waren dem Heino von Döberitz und später An- 
dreas von Flans hörig®®. Das preußische Freigut von 45 alt- 


5577 Stud. Balt. V (1935-36), S. 55 ff. 

58 B,M. 137 f A. 

55 Steueranlage von 1539: Ostpr. Fol. 911a 11, S. 3ff.; Ostpr. Fol. 918, 
S. 463 ff, und Ostpr. Fol. 912, S. 1 ff. 


153 


kulm. Hufen und 10 altkulm. Morgen (81,25 ha) besaßen zur 
Zeit der Geburt Bretkes bis mindestens 1553 die Brüder „Brose 
vnd greger Warnin“, die nach einem Schreiben ohne Datum 
in den Jahren danach durch Andreas von Flans zu einem 
Tausch ihres kleinen Gutes gegen ein anderes Freigut in Schal- 
len (siehe Karte, oben, S. 7) gezwungen wurden”. Das Freigut 
in Bammeln war lange in der Familie Warnin, wie die Wen- 
dung der „Freyen von Bammell“ in einem Schreiben von 1553 
an den Herzog zeigt, in dem sie ihn bitten, nicht zuzulassen, 
daß sie dieses Gut verlieren: „Dieweil vnser Für Eltern vnter 
E.F.G.“, wol erhalten sein worden“, desgleichen in einem 
undatierten Schreiben: „gütter, gelegen zu Bamblen, so vns 
von vnseren lieben vetern angeerbet“, das heißt also, daß 
mindestens der 1543 genannte Besitzer, der Freie Fabian’® und 
der 1532 erwähnte Urban zur Familie Warnin gehörten”, mög- 
licherweise aber auch schon die 1415 nachweisbaren Brüder 
Nicklas, Michel und Mate, die die Brüder des „Gaudinne“ ge- 
nannt werden und damals 5 Haken „jnn dem felde zu Bam- 
beln“ frei von Zehnten und Scharwerksdienst erhielten”; 
sicher waren sie aber genau so wie die um 1405 in dem preu- 
Rischen Scharwerksbauerndorf Bammeln erwähnten Regiil, 
Lickucz, Lubarth, Serune, Hindricke, Orute, Gintar und Ge- 
daute Preußen”, denn ihr Bruder „Gaudinne“ war offenbar 
der um 1405 in „Annegow“ bei Bammeln ansässige preußische 
Freie Gaudinne’“, 


Bretke kann also nur entweder in der Familie der beiden 
altpreußischen Scharwerksbauern oder im Hause der altpreu- 
Rischen Freien Warnin geboren sein. 


Es ist nun von vornherein wahrscheinlicher, daß Bretke zur 
Familie der Freien Warnin gehört, denn: 1. Er heiratete 
1563 die Tochter des deutschen Adligen Christoff von Werthern, 
dem das kleine Gut Engelau unweit Bammeln gehörte (siehe 


soo A.a.O., und Ostpr. Fol. 356, S. 130 ff. 
sei Eure Fürstliche Gnaden. 

522 W,M. 137d B. 

568 Ostpr. Fol. 911a, S. 35. 

sa E.M. 18e 3 Nr. 81 Fol. 1. 

5e5 Ostpr. Fol. 118, S. 518. 

568 Ordens. Fol. 111, S. 97r. 


154 


ee ee en = Zn 0 0 A nd 0. 


Karte, S. 7), was kaum möglich gewesen wäre, wenn Bretke 
aus einer Familie eines hörigen preußischen Bauern der näch- 
sten Umgebung stämmte. 2. Er hielt sich später in Friedland 
auf. 3. Er spricht in einem Brief von 1580°° von seinem Pa- 
trimonium. 4. Bei der Erbauseinandersetzung nach dem Tode 
des Brose Warnin 1575°® zwischen der „Erbaren vnd thugent- 
samen Magdalenen Ambrosij Warninen Von schallen sehligen 
Nachgelassene Wiettfrau“ und ihren Kindern sind „herr 
Christoff alzunen vnd Pauel Plebe Bürger Meister der Stadt 
allenburgk“ Vormund der Witwe, aber die Kinder stehen 
unter der Vormundschaft „des würdigen vnd woll gelarten 
herren Johannij Bredtkij Pfarhersh zu Labijau, vnd Peter 
Dehnen“; es muß also ein zwingender Grund vorgelegen haben, 
den Labiauer Pfarrer zum Vormund der Kinder eines preu- 
Rischen Freien in Schallen zu bestellen. 

Die Mutter Bretkes war wahrscheinlich eine Warnin, auf 
jeden Fall stammte sie aber aus einer preußischen Familie. 
Schwieriger steht es mit der näheren Bestimmung der Volks- 
zugehörigkeit des Vaters. Der Name Bretke kommt in den 
recht genau geführten Amtsrechnungen um Bammeln nicht vor, 
doch findet er sich in einer erhaltenen Liste der steuerzahlen- 
den Bürger Friedlands aus dem Jahre 1575°°, wo zweimal ein 
„Vallten Prattke“, „Valten Bretke“ angeführt wird; dessen 
Name ist dort durchstrichen und der des neuen Bürgers dar- 
über geschrieben. In diesem Valten Bretke darf mit ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit der Vater Breikes vermutet werden, der 
demnach 1575 gestorben wäre. So würde auch das „Friedland- 
densis“ der Matrikel gut passen, denn Bammeln gehörte da- 
mals nicht zu Friedland. Das „pupillus“ der Königsberger Ma- 
trikel könnte dann nur mit dem Tode der Mutter erklärt wer- 
den, doch der Vater müßte wieder geheiratet haben, da Bretke 
im erwähnten Briefe von 1563” von seinen Eltern spricht. 

Die sprachliche Zugehörigkeit des Namens steht nicht ein- 
deutig fest: „Bretke“ und „Brettchen“ scheinen als nieder- 


s” Qu., S. 426, Z. 11; siehe zu „Patrimonium“ oben, S. 31 Anm. 100. 

58 E,M. 137 d Sch. 

5® Depositen der Stadt Friedland: „Grundzins-Buch der Stadt Friedland“ 
von zirka 1550 (verb. aus 1500) ab, Bl. 2r und 30”. 

5” Qu. S. 418, Z. 3. 


155 


und hochdeutsche Formen aufgefaßt worden zu sein. Da Bretke 
von Behörden und Kollegen stets „Bretke“ oder „Bretkius“ 
genannt wurde, ist anzunehmen, daß er seinen Namen in seinen 
litauischen Schriften zu „Bretkünas“ litauisiert hat. Doch es 
ist auch möglich, daß Bretkes Vorfahren wirklich den litaui- 
schen, oder wegen seiner stammpreußischen Verwandtschaft 
eher altpreufischen Namen Bretkünas führten, und die ger- 
manisierten Vorfahren das baltische Suffix -ünas ablegten, und 
daß in der Familie noch Erinnerungen daran lebendig waren. 
Doch kann der Name auch deutsch sein und nur zufällig an 
das baltische „Bretkünas“ anklingen, wie der deutsche Name 
„Wille“ an den altpreußischen „Willune“, lit. „Viliünas“. 

Doch der Name „Bretke“ kam auch in dieser Form, wahr- 
scheinlich sogar mit der entsprechenden dialektischen Eigenart, 
im Samland (&>i) vor: in „Neplacken ein preusch dorff“”" wird 
1542/43 ein unfreier Bauer „Jorge Bretkij“ verzeichnet, der 
1550 „Jorge Prettkij“ heißt. 

Bretkes Vater stammte also wohl aus einer deutschen Fa- 
milie, die vielleicht früher altpreußfisch war. 

In Bammeln konnte Bretke noch Preußisch lernen, jedoch 
wahrscheinlich nicht Litauisch, weil die Akten über Litauer 
in der Gegend schweigen. 

So wird verständlich, daß Bretke das Litauische so gut er- 
faßte und auch noch Kurisch gelernt hat. So würden auch seine 
Prussizismen erklärlich (folgen Beispiele wie: ausas = Gold, 
balgnas = Sattel usw. aus dem lexikalischen Anhang zu Bez- 
zenbergers „Beitr. zur Gesch. der lit. Spr.“)'”, oder, fragt Ge- 
rullis, sollten diese Prussizismen dem Litauisch um Labiau an- 
gehören? 

Auch Forstreuter schloß sich (1937) den Darlegungen Ge- 
rullis’ an; es wäre mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß 
Bretke von Vatersseite Deutscher, von Muttersseite Altpreuße 
war. Forstreuter fügt hinzu: „Die Frage der Polonismen in 


rt Ostpr. Fol. 3427, S. 189, und Ostpr. Fol. 3434, S. 84” (unpaginiert). In 
letzterem heißt es: „if mr ((= 1% M.)) Jorge Prettkij i} huben ll auf mar- 
tinj || ix 8 ((= 9 Schilling)) Wardgeld“. 

#2 Siehe die Sammlung von Prussizismen unten, $. 202 ff. 


578 „Zeitschr. f. sl. Philol.“ XIV (1937), S. 3. 


156 


Fi 


u 0. u 


seinen Schriften ist nicht durch die Annahme seiner Herkunft 
aus Großlitauen zu erklären.“ 

Der Überblick über die Geschichte der Bretkeforschung 
zeigt, daß sich in Ermangelung eindeutiger ardivalischer Nach- 
richten das Hauptinteresse der Forschung notgedrungen dem 
Namen und der Sprache zugewandt hat, da keine andere Mög- 
lichkeit zur Bestimmung der Volkszugehörigkeit bleibt. 

Es sollen nun im Folgenden der Name und die Sprache auf 
breiterer Grundlage untersucht werden, als das bisher ge- 
schehen ist. 

Der Name Bretkes. 


Die Belege des Namens Bretke im 16, 17. 
und 18. Jahrhundert. 


Erst seitdem feststeht, daß Bretke mütterlicherseits aus einer 
altpreußischen Familie stammt, kommt auch der sprachlichen 
Zugehörigkeit des Namens seines Vaters eine größere Bedeu- 
tung in der Untersuchung der Volkszugehörigkeit Bretkes zu. 

Nun ist aber die Bestimmung der Sprache sehr vieler Per- 
sonennamen sowie ihre Deutung ohne Belege aus den Jahr- 
zehnten ihrer Entstehung eine problematische Angelegenheit 
und wird es wohl immer bleiben. 

Um aber eine möglichst sichere Basis für die weitere Unter- 
suchung zu schaffen, sind 1. sämtliche erreichbaren Belege der 
gleichen oder einer ähnlichen Namensform anderer Personen 
aus dem 16. bis 18. Jahrhundert buchstabengetreu der Über- 
sichtlichkeit halber in einer Tabelle zeitlich geordnet zusam- 
mengestellt; dabei enthält Spalte 1—5 die Belege des Namens 
unseres Bretke, während Spalte 6 mit eigener Herkunftsangabe 
Belege für gleiche oder ähnliche Namensformen anderer Per- 
sonen bietet (siehe die Tabelle am Schlusse dieses Bandes). 

Die Anmerkungen geben die Fundstelle usw. an. Von mir 
stammende Datierungen sind durch ein Sternchen vor der 
Jahreszahl kenntlich gemacht. che Begründung hierfür in der 
jeweiligen Anmerkung. 


Der Gebrauc der deutschen, lateinischen und 
baltischen (litauishen) Namensform. 


Wie die Tabelle zeigt, waren zu Beginn des 16. Jahrhunderts 
die Formen des Namens „Bretke“, „Pretke“ usw. häufiger, 


157 


während die Formen „Bratke“, „Pratke“ usw. etwa vom letzten 
Drittel des gleichen Jahrhunderts ab die Oberhand gewinnen. 
Auch Valten Bretke in Friedland wird nach 1554 „Bretke“, 
1575 jedoch „Pratike“ genannt, während aber unser gelehrter 
Johannes Bretke bei der einmal angenommenen Form mit in- 
lautendem e blieb. 

Die Tabelle läßt auch im Gebrauch der Formen „Bretke“ 
(„Bretchen“) und „Bretkius“ („Bretchius“) deutlich eine zeit- 
liche Reihenfolge erkennen: Vor dem Rektor der Königsberger 
und der Wittenberger Universität nennt sich der 19- bzw. 
21jährige Student „Bretke“”“*, denn wie eine Durchmusterung 
der Matrikeln zeigt, wurden die Namen oft nicht latinisiert, 
auch die nicht, wo es leicht möglich gewesen wäre, wie auch bei 
unserm Bretke, vielmehr wurden sie offenbar genau so in der 
volkstümlichen Form verzeichnet, wie sie der Rektor aus dem 
Munde des Immatrikulanden hörte; im gleichen Semester, in 
dem Bretke sich in Königsberg einschreiben ließ, zeigen von 
den 18 Namen der neuen Studenten nur zwei eine latinisierte 
Form, und zwar ein „Johannes Runcelius, Pomeranus, Steti- 
nensis“. und „Bonauentura Czesselius Regiomantanus“. Dem- 
gegenüber stehen 16 zweifellos volkstümliche Namen, wie z.B. 
„Jacobus Kochanouski, nobilis Polonus“, „Johannes Bilinski 
ex Billingsdorff, nobilis Prutenus“, „Georgius Purna Kaunen- 
sis, Lithuanus“, „David Perger, Libmulensis Prutenus“ usw.; 
so auch die Form „Bretke“, Selbst im lateinischen Briefe an 
den Herzog von 1563 braucht Bretke die nicht-latinisierte Na- 
mensform. 

Bis 1580 unterzeichnet er mit „Bretke“ und wird von an- 
deren so genannt, lediglich in dem erwähnten Kanzleikonzept 
von 1579 stehen zwei lateinische Formen, desgleichen unter- 
schreibt Bretke die beiden kirchenpolitischen, höchstoffiziellen 
Dokumente, das Corpus Doctrinae (1567) und die Concordien- 
formel (1579) mit „Bretkius“, während sonst aus der Zeit nur 
„Bretke“ belegt ist. 

Ab 1580 dagegen verwendet Bretke regelmäßig die latini- 
sierte Form „Bretkius“ oder „Bretchius“ und wird auch bald 


57% Die Wittenberger Form „Brecke“ ist, wie S. 42 Anm. 139 schon gesagt, 


Lesefehler; auch im Kanzleikonzept vom 11. 9. 1578 (siehe Tabelle) stehen 
die Schreibungen „Bretkij“ (G) und „Brecklij“ (G) (!) nebeneinander. 


158 


nur mit dieser Form bezeichnet. So geht es durch zwanzig 
Jahre. In dem Taufbuch der Altstädtischen Kirche, das Bretke, 
seine Frau und seine Tochter oft als Paten anführt, erscheint 
nur die latinisierte Form; auch deutsche Briefe unterzeichnet 
Bretke jetzt mit „Bretkius“, 

Um so seltsamer ist es, daß der alte Bretke in dem letzten 
Schreiben von seiner Hand, das wir besitzen, etwa sieben Mo- 
nate-vor seinem Tode wieder zu der Form „Bretke“ zurück- 
kehrt. 

Die Tabelle zeigt auch, daß schon zur Zeit Bretkes neben 


den Namensformen auf der Basis on tk-“ solche auf der Basis 


„bretch-“ hergingen, von der gleichfalls latinisierte Formen 
gebildet werden, wenn die Fälle der Ableitungen von „bretch-“ 
unter den Belegen auch bedeutend in der Minderzahl sind; 
es sind folgende: Bretke selbst nennt sich zweimal „Bretchius“ 
(ca. 20. Juli 1580 und 14. April 1599), von anderen wird er zu 
seinen Lebzeiten einmal „Bretchen“ genannt, und zwar in 
einem lateinischen Kontext von seinem guten Bekannten und 
‘Amtsbruder Hennenberger (1595), und Ende des 17. Jahrhun- 
derts sehr oft von seinem Tochtersohn (?) M. Praetorius, und 
einmal (1684) von Hartknoch. 

Diese Formen scheinen nach der Tabelle erst später auf- 
getaucht zu sein und sich immer mehr, nach Bretkes Tode aber 
ganz, eingebürgert zu haben, denn daß die Formen von der 


RD sc en : : 2 : 
Basis „—-r =tk- die primären sind, unterliegt bei der Ausschließ- 


lichkeit ihres Vorkommens während der ersten 25 Jahre, aus 
denen Belege vorliegen, wohl keinem Zweifel. 

Sicherlich sind die Formen „Bretke“ tatsächlich als nieder- 
deutsch aufgefaßt und dann „hochdeutsch“ gemacht worden, 
wie Gerullis vermutet’; vielleicht begünstigte der Gleichklang 
der Neubildung mit dem damals in Preußen ziemlich bekann- 
ten Schloß und Gebiet „Bretchen“” ihre Einbürgerung. 


575 Stud. Balt. V, S. 59. 

57% Acta Borussica, Bd. II, S. 29, Artikel „Respublica Prussiae“ (1686) „Cul- 
menses Capitanei sunt: (8) Bratianensis. (zu Bretchen)“; M. Praetorius, 
„Deliciae Prussicae...“ (1698), Teil III, S. 44: „Bretchen Schloß, soll von 
einem reichen Pohlnischen Edelmann Johann Sandomir, l den man Brat 


159 


Adlig ist Bretke nicht gewesen, und sein Enkel Praetorius 
adelt ihn nachträglich wohl lediglich, weil sein Großvater (?) 
eine von Werthern geheiratet hat und so mit adligen Herren 
verwandt wurde”, 

Die litauische Namensform „Bretkünas“ findet sich lediglich 
in Bretkes Werken von seiner eigenen Hand und im litauischen 
Titel der Rehsaschen Ausgabe der Psalmen Bretkes: ein Beleg, 
daß Bretke von andern so genannt worden sei, findet sich sonst 
nicht. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß er in Friedland und 
Bammeln offiziell mit der litauischen Endung „Bretkünas“ 
oder preußisch „Bretkune“ benannt worden sei und sein Vater 
sich selbst so bezeichnet hätte, denn was hätte damals für ein 
Grund vorgelegen, den Namen soweit zu germanisieren, daß 
nicht nur die Flektionsendung, sondern auch das baltische Ab- 
leitungssuffix -ün- fortgelassen worden wäre, zumal Personen 
mit der preußischen Namensform auf -une in hohe Staats- 
stellen gelangten, wie das Beispiel des ebenfalls aus Friedland 
stammenden Alzunius (Alzune) zeigte? 

Es könnte natürlich sein, daß der Name in früheren Ge- 
nerationen germanisiert worden ist, und daß Johannes Bretke 
an eine gewisse Familienüberlieferung anknüpfte. Seit aber 
der Name „Bretke“, „Bretkij“ durchaus lebendig in der preu- 
Rischen Bevölkerung belegt ist”*, wird sehr wahrscheinlich, daß 
die Familie nicht nur von den Deutschen, sondern auch von 
den Preußen „Bretke“, „Bratke“, „Pretke“, „Pratke“ genannt 
worden ist. 

Für die Entstehung der litauischen Namensform in den 
Werken Bretkes liegt die Annahme nahe, daß unser Johannes 
Bretke von dem scheinbar ziemlich zahlreichen litauischen Ge- 
sinde in und um Bammeln mit dem „Adelssuffix“ -ünas, das 
nur Freie zu führen pflegten — und vielleicht von den dortigen 
hörigen Preußen mit der entsprechenden preußischen Endung 
-une — benannt worden ist, weil er zu der Familie der Freien 


Jan, daß ist Bruder Johann genennet, und dahero noch dieses SchloR- I 
Bratian heißet, Aö 1254 erbauet seyn.“ 

577 M. Praetorius, „Deliciae Pruss.“, Teil I, S. 5: „der Herrn von Hohendorff, 
und der Herrn von |j Schlieben, die ihme ohndeß verwandt gewesen.“ 
#78 Gerullis, Stud. Balt. V, S. 60, sowie Tabelle (am Ende dieses Bandes), desgl. 

oben, S. 156. 


160 


Warnin gehörte, wie ja höherstehende Personen damals, wie 
heute noch in Litauen und Polen auf dem Lande, von den 
Untergebenen gerne mit möglichst ehrenden Bezeichnungen 
angeredet zu werden pflegen. Außerdem hat es vielleicht da- 
mals in Litauen Angehörige der Szlachta dieses Namens ge- 
geben, wie die Belege der Tabelle zeigen, wenn diese auch 
dort mit polnischen Suffixen erscheinen; jedenfalls soll der 
Name nach Östermeyer rund 250 Jahre später in Preußen 
häufig gewesen sein, was aber zumindest heute nicht der Fall 
ist, da sich nach Ausweis der modernen Adreßbücher ostpreu- 
fischer Ortschaften die Namensform „Bretkuhn“ selten findet, 
während Formen wie „Bratke“, „Bratkus“, „Brattka“ usw. im 
Verhältnis dazu häufig vorkommen. 

Johannes Bretke hat also höchstwahrscheinlich diese litaui- 
sche Namensform, die ihn als Angehörigen von Freien bezeich- 
nete, seinen Litauern gegenüber und somit in seinen litauischen 
Schriften beibehalten, während er sich sonst immer nur 
„Bretke“, „Bretchen“, „Bretkius“ „Bretchius“ nannte. 


Die litauishen Formen des Vornamens 
„Johannes“ bei Bretke. 


Wie die Tabelle zeigt, verwandte Bretke bei der Schreibung 
seines Vornamens in litauischem Text zeitlich nacheinander ver- 
schiedene Formen, und zwar zuerst 1579 die Form „Janan“ (A) 
und „Jana“ (A), die er 1580 „Jonas“ (N) usw. schreibt, nur um 
die Jahresmitte schwankt er vorübergehend, wohl unter dem 
Einfluß der Vulgataform, zwischen „Jona“ (A) und „Joana“ (A). 
Als sich 1589 wieder Belege zeigen, ist Bretke zur Form 
„Jana“ (A) usw. zurückgekehrt, die er bis zum Schlusse der 
Bibelübersetzung beibehält. Er ist aber später während der 
zehn Jahre seiner Beschäftigung mit der Bibelkorrektur wieder 
zur Schreibung „Jonas“ zurückgekehrt, da eine Reihe von For- 
men, auch von den zeitlich letzten, in „Jonas“ verbessert wor- 
den sind. 

5” Die einmal am 11. 12. 1589 auftauchende Form „Johan“ steht als einzige 
deutsche Form 19 sofort richtig den litauisch niedergeschriebenen Formen 
gegenüber, so daß hier offensichtlich ein Versehen des in deutscher Um- 
gebung in Königsberg mit einer deutschen Frau lebenden und ständig 


sich außer mit lateinischen auch mit deutschen Büchern beschäftigenden 
Bretke vorliegt. 


11 Falkenhahn, Bretke 161 


Zieht man die genau 154 Fälle der Nennung biblischer Per- 
sonen mit Namen Johannes aus der Bibelübersetzung heran, 
wo bei jeder Form feststeht, daß Bretke sie selbst nieder- 
geschrieben hat, ohne zunächst die spätere Verbesserung zu 
berücksichtigen, und ordnet man sie nach den Daten der Nie- 
derschrift, so ergibt sich eine viel genauere Datierung der ver- 
schiedenen Schreibungen des Namens. 

Bretke schreibt (etwa am 6. bis 7. März 1579) in Le. 1,13: 
„Joannes“ (also lateinisch: später verbessert in „Janas“)*, 
Lc. 1,60: „Johannes“ (also deutsch: später verb. in „]Janas“)’* 
und Le. 1,63 wieder „Joannes“ (später verb. in „Janas“)*, und 
zwar sicher, weil er den Vulgata- und Luthertext aufgeschlagen 
neben sich hatte und er sich über die Wiedergabe der biblischen 
Namen noch nicht im klaren war. Darauf schreibt er Le. 3,2 
aber „Janap““, um dann dabei zu bleiben“: 21mal in Le., ein- 
mal in Gal. 2, 9°, und noch am 16. März 1580 schreibt Bretke 
‚im Titel zum 1. Joh.: „Jano“ (verb. in „Jono“)’, scheinbar noch- 
mals versehentlich, nachdem er schon am 2. März seinen eigenen 
Namen „Jonas“ geschrieben hatte, um am nächsten Tage in 
dem Titel zu 2. Joh. und 3. Joh. zu „Jonas““” überzugehen, und 
in Apoc. mit 5, in Act. mit 24 und in Joh. mit 20 Fällen (bis 
zum 7. Mai 1580) dabei zu bleiben (nur Joh. 1,6 findet sich 
mitten unter den anderen Formen einmal „Janas“ (verb. in 
„Jonas“*). Am 8. Mai 1580 schreibt Bretke dann plötzlich in 
Me. 1,19% wieder „Jana“, wobei er mit 25 Fällen in Mc. und 
noch 14 Fällen in Mt. (letzter Fall Mt. 11,13°° bis zum 12. Mai 
1880 bleibt, um dann am 13. Mai 1580 in Mt. 12, 18% plötzlich 
zu einer Kreuzung zwischen der lateinischen und litauischen 


580 V]], 109v 11vu. 

5: VII 111v 3vu. 

582 V]JI, 112r 3vu. 

588 VI], 1157 5vu. 

54 7.B.: VII 116r 6—7; VII 116r 9vu, 6—7, und so fort. 
585 VIII 88r 2vu. 

586 VII], 1687 2vo. - 
587 VI], 174r 2vo, 175r 2vo. 
ses VII, 173v 10vu. 

se VII, 70: 5vu. 

50 VII, 26r 9vu. 

51 VII, 26v ivu. 


162 


Form, zu „Joanas“, überzugehen, die er bis zum Schluß des 
Mt. (letzter Fall: Mt. 21,32%) bis zum 15. Mai 1580 im ganzen 
12mal anwendet. Als sich 1589 in den beiden Makkabäer- 
büchern wieder Belege finden, ist Bretke zu „Janas“ über- 
gegangen, das da im ganzen 19mal vorkommt. 

Es zeigt sich also in dem Schwanken Bretkes zwischen den 
Formen „Janas“ — „Jonas“ einerseits und „Joanas“ anderer- 
seits keineswegs, daß er besser Deutsch oder Lateinisch als 
Litauisch konnte, sondern lediglich, daß er sich über die Wie- 
dergabe des Namens in seiner Übersetzung im unklaren ist. 
Bretke erweist sich hier wie auch sonst in der stetigen Schrei- 
bung entweder „Jonas“ oder „Janas“ viel zu konsequent, als 
daß er zwölfmal hintereinander versehentlich „Joanas“ schrei- 
ben sollte, nachdem er bereits 49mal „Jonas“ und 73mal „Ja- 
nas“ geschrieben und diese Form doch offenbar als litauische 
gekannt hatte. 

Vielleicht hat ihn schließlich Gallus, der selbst in der von 
Bretke ausgelassenen Stelle „Jonas“ übersetzte” darin be- 
stärkt, bei „Jonas“ zu bleiben. Bezüglich „Jonas“, „Janas“ siehe 
den Abschnitt über o in der Grammatik zur Sprache Bretkes. 


Etymologie des Namens Bretke. 
Die Sammlung der gleichen und ähnlichen Formen des Na- 


mens von der Basis uaratk-" in Spalte 6 der Tabelle zeigt, daß 


diese Namensformen sich in niederdeutschem, vor allem aber 
in slavischem Sprachgebiet und in Gebieten mit slavischer 
Einwanderung fanden. In hochdeutschem Sprachgebiet sind 
Formen wie z. B. „Bretner“ (1621, Freiburg)’, „Bretten, Pret- 
ten“ (1648, Naumburg)“ usw. vertreten. Daher ist eine Ablei- 
tung vom Niederdeutschen „Brett“ „Brettke“ (— kleines Brett) 
oder vom Slavischen „brat“ „bratko“ wahrscheinlich. 

Viele Belege in Spalte 6 legen nahe, an eine ursprünglich 
slavische Herkunft des Namens, mit der Basis „brat-“ und dem 


5»2 VII, 49r 9vu. 

»s VI], 126r 13vo. 

#2 G. Erler: „Die Jüng. Matr. Leipz.“, Bd. I, S. 47: „Bretner Joh. Friburg“, 
S.S. 1621. 

s5 Fbenda, Bd. II, S. 48: „Bretten, Pretten Joh. Naumburg“, S.S. 1648. 


Ar 163 


Deminutivsuffix -ka, -'ka, -ko, -ko” zu denken, das im Weiß- 
russischen°”, im Ukrainischen® und im Polnischen’® belegt ist 
und besonders zur Zeit Bretkes verbreitet war”. 


Der Übergang des hellen a des Slavischen zum breiten a 


des Deutschen ist verständlich, wobei Volksetymologie („dat 
Bretke“ = kleines Brett) mitgeholfen haben mag. Aber selbst 
wenn eine ursprüngliche slavische Herkunft des Namens an- 
genommen wird, so zeigt seine Umgestaltung doch, daß die 
Träger bereits vor geraumer Zeit in niederdeutsches Sprach- 
gebiet übergegangen sein müssen; auch die Wirkung der 
Volksetymologie fordert eine längere Zeit und zeigt, daß die 
Träger des Namens bereits germanisiert waren und die Be- 
deutung der Wurzel nicht mehr erkannten. 

Entsprechend den litauischen Namensformen „Simkus“ aus 
dem slav.: „Szimko“": „Simkünas“, „Jankus“, slav.: „Janko“: 
„jJankünas“, „Rimkus“, slav.: „Rimko“": „Rimkünas“ usw. 
würde auch auf Grund eines „Bratko“ ein „Bratkünas“ ver- 
ständlich, das sich aus dem Litauischen nicht erklären läßt, 
desgl. von der niederdeutschen oder germanisierten ursprüng- 
lich slavischen Form des Namens „Bretke“ ein lituanisiertes 
„Bretkünas“, dessen Basis aus dem Litauischen ebenfalls nicht 
erklärbar ist. 

Die Schreibungen „Bretkij“ (N) und „Prettkij“ (N) im Sam- 
land (siehe Tabelle) sowie „Bretke“ und „Prettke“ in Natangen 
zeigen vielleicht, daß der Name bei den Stammpreußen ver- 
breitet war oder doch von ihnen als preußisch aufgefaßt wurde, 


s° Henr. Ulaszyn: „Siowotwörstwo“ in „Gramatyka Jezyka Polskiego“ von 
T. Benni, J. Lo$ usw., S. 230. 

#7 7.B.: Bpärtka = Brüderchen, Bäupka = Vater: Hexpamssiu — Baükoy. 

58 7.B.: Bpatko = Brüderchen, Tarko = Vater: TpwyeHko, CA. yKP. 93. 

5» 7.B.: Janko, Szymko, wie überhaupt die Personennamen auf -ko Jasko, 
Przemko usw.; Jan Lo$: „Gramatyka Polska“, cz. II, $ 205. 

60 Siehe die Fülle von Vornamen auf -ko in dem Zinsregister der Städte 
Georgenburg (Jurbarkas, Jurborg) und Nowa Wolla von der Hand Tho- 
mas Gedkants (1561, unten, S. 356): S. 105r „Rimko pliaplis“, S. 105Y 
„Narko vpitisskis“, S. 106r „Jan Tilzanin“, ebenda „Dabko wilkiisskis“, 
S. 108r „Jan TilZanin petko Krawiecz“, S. 111r „Schimko stankvnas“ usw., 
und daneben die Menge von „Zunamen“ auf „-k -ünas“: S. 101r „grig 
woitkvnas“, S. 105r „Macziei stankvnas“, S. 111r „Schimko stankvnas“ 
USW. USW. 

601 Siehe Anm. 600. 


164 


PR Or GER: 


da er sogar von den Eigentümlichkeiten der altpreußischen 
Dialekte beeinflußt zu sein scheint. Aus dem Preußischen das 
jedoch nur sehr fragmentarisch überliefert ist, läßt sich der 
Name aber nicht erklären; er müßte in dem Falle, daß die 
Schreibung -ij ein i wiedergeben soll, von den Preußen als 
einer der vielen preußischen Personennamen auf -e°” aufgefaßt 
und ganz prussiziert worden sein”, was wiederum nur mög- 
lih gewesen wäre, wenn die Träger dieses Namens durch 
längere Zeit im engsten Konnex mit den Stammpreußen gelebt 
hätten und selbst als Preußen aufgefaßt worden sind. 

Es ist aber möglich, daß die Schreibung -ij den schwa- 
artigen niederdeutschen Laut mit i- oder e-Tönung in offener 
Endsilbe wiedergeben soll. Dafür könnte sprechen, daß in einer 
Aussage in einem Friedländer Gerichtsprotokoll vom 7. Juli 
1595. die Tochter eines Bürgers „Caspar pollen‘“““, die offenbar 
„Urte“ oder “Orte“ hieß, „Orttij“ geschrieben wurde, wie ja 
der Amtsschreiber die bereits erwähnte Magd des Amtes Ta- 
piau ebenfalls 1536 als „Orthie“ verzeichnete‘. Auch heute ist 
eine Person, die das Niederdeutsche ganz unbefangen hört, 
durchaus im Zweifel, ob sie das niederdeutsche „dat Mäke“ 
ebenso, d. h. zum Schluß mit -> oder „dat Mäki“, d. h. mit -i 
schreiben soll. 

Die Untersuchung des Namens „Bretke“ führt also zu 
keinem eindeutigen Ergebnis: niederdeutsche und ursprüng- 
lich slavische Herkunft der Familie ist danach möglich, auch 
unfreie Preußen dieses Namens hat es allem Anschein nach 
gegeben”. 

Die Muttersprace Bretkes. 


Die Sprachkenntnisse Bretkes, besonders naturgemäß die 
des Deutschen, Litauischen, Preußischen, ja, auch des Kurischen 
und Polnischen sind von verschiedenen Forschern als Argu- 
mente füreinander z. T. widersprechende Behauptungen über 
die Volkszugehörigkeit Bretkes herangezogen worden. 

Da die Arcive bis jetzt keine direkte Antwort auf die 


02 Trautmann, Personennamen (passim). 

63 & im Samländischen zu i; Trautmann, Sprachdenkm., S. 120. 
e04 Depos. Friedl., Paket (rot) 35. 

605 Siehe oben, S. 30. 

606 Siehe Gerullis, Stud. Balt. V, S. 60, und oben, S. 156. 


165 


Frage nach der Muttersprache Bretkes gegeben haben, bleibt 
nur die sorgfältige grammatikalische Untersuchung der Sprache 
Bretkes an den von seiner Hand stammenden Texten unter 
Berücksichtigung der sich auf Bretkes Sprachkenntnisse be- 
ziehenden archivalischen Nachrichten und alles dessen, was 
wir sonst von den Sprachen seiner näheren und ferneren Um- 
welt wissen. 

Bedenkt man aber, daß Texte mit zusammenhängender 
Rede von Bretkes Hand nur in litauischer, deutscher und la- 
teinischer Sprache vorliegen‘”, rein textlich aber nur zwei grie- 
chische Wörter seine griechischen, ein preußisches Wort und 
einige Prussizismen, viele Polonismen und vielleicht auch 
einige Kuronismen seine preußischen, polnischen und kurischen 
Sprachkenntnisse verraten, und beachtet man weiter, daß z. B. 
das Litauische, das damals in Preußen gesprochen wurde, nicht 
sicher bekannt ist — wahrscheinlich war es infolge der Ein- 
wanderung kein einheitlicher Dialekt —, ja daß nicht einmal 
alle vorhandenen altlitauischen Texte eine wissenschaftliche 
grammatikalische Bearbeitung erfahren haben, so wird ohne 
weiteres klar, daß in diesem Kapitel nur eine kleine Auswahl 
von sprachlichen Erscheinungen, die vielleicht eine nähere Lo- 
kalisierung der Sprache Bretkes gestatten, und auch diese nur 
mehr oder weniger andeutungsweise, behandelt werden 
können. Eine ausführliche Darstellung aller dieser Probleme, 
soweit sie im besonderen das Litauische betreffen, soll in dem 
II. Teile dieser Arbeit: „Die Sprache Bretkes“, gestützt auf 
eine grammatische Darstellung seiner Sprache in den einzelnen 
Übersetzungsperioden, geboten werden. 


Das Litauisch Bretkes. 


Weitaus am günstigsten steht es dank der erhaltenen um- 
fangreicheren Texte um die Kenntnis des Litauischen Bretkes. 
Der erste archivalische Beleg für seine litauischen Sprac- 
kenntnisse stammt von Anfang 1563 „...Et docendi Euan- 
gelij christi munus in oppidulo |} Labiau, cum Lituanicam [et] 
607” Genaueres siehe im Abschnitt über die Werke Bretkes im 2. Teile dieser 
Arbeit. 
es E.M. 102e 4: Lateinischer Brief Bretkes an den Herzog von Mitte Januar 
1563 (Qu., S. 418, Z. 5—9). 


166 


Prutenicam linguam mediocriter”” || teneam, ex mandato Celsi- 
tudinis tuae, per clarissimum [et] || doctissimum uirum dominum 
praesidem, mihi imponi passus sum.“ D. h., daß Bretke bereits 
damals so gut Litauisch konnte, daß er aus diesem Grunde 
(cum + Conj.!) das Pfarramt gerade in Labiau angenommen 
hat”. Er dürfte in den gleich darauf folgenden Jahren mit 
Übersetzungsarbeiten begonnen haben, jedenfalls übersetzte 
er zwischen wahrscheinlich‘ Ende Mai 1567 und spätestens 
Herbst 1569 das „Kleine Corpus Doctrinae“ von Judex ins Li- 
tauische“, vielleicht auch schon zu eben der Zeit oder vorher 
einige-der auf dem Zettel bei dem Briefe an den Herzog von 
Sommer 1591°° genannten Schriften. 


Jedenfalls zeigt ein Blick auf den am 6. März 1579 geschrie- 
benen Abschnitt VII 109° 4—11vo, Lc. 1,1—4 — die ersten be- 
kannten litauischen Zeilen von seiner Hand —, daß Bretke 
bereits erhebliche Erfahrungen im Übersetzen haben mußte, 
als er diese schwierige lateinische Periode in ein verhältnis- 
mäßig so gutes Litauisch übersetzte (Abb. 6, T.V). 


(1) Kadangi daugia apsieme su- 
taisiti I raschta tu daiktu kurie 
musip nussidawe, I (2) kaip tai 
dawe mumus, thie kurie isch pra- 
dzia || patis regeia, ir tarnais 
szadza buwa: (3) regeias l ir man 
ischtirusiam wissa, isch pradzia 
pilnai pakarcziu taw raschiti 
mielas T'heophile, 


(4) ieib szinatumbei tu szadziu, 
ape kurius isch- || makintas essi, 


(1) Quoniam quidem multi conati 
sunt ordinare narrationem, 

quae in nobis completae sunt, 
rerum: (2) sicut tradiderunt 
nobis, qui ab initio ipsi vi- 
derunt, et ministri fuerunt 
sermonis: (3) visum est et 

mihi assecuto omnia a princi- 
pio diligenter, ex ordine tibi scri- 
bere, optime Theophile, 


(4) ut cognoscas eorum verborum, 
de quibus eruditus es, veritatem. 


tiesa. 


oo» Der Ausdruck „mediocriter“ ist, wie Bertoleit gezeigt hat (Die Reforma- 
tion unter den preuß. Litauern, 5.42), lediglich damals übliche Bescheiden- 
heitsfloskel und nicht wörtlich zu nehmen; auch Jamund, der zweifellos 
fließend Litauisch und Polnisch konnte, bezeichnet sein Litauisch mit 
„mediocriter“. 

%10 Bezüglich der Anforderungen, die an die Sprachkenntnisse des Labiauer 
Pfarrers gestellt werden, siehe oben, S. 52 ff. 

#11 Sjehe oben, S. 76. 


612 Siehe oben, S. 109. 


167 


Weiter zeigen diese Zeilen, daß Bretke sich seine Ortho- 
graphie nicht selbst gemacht hat, sondern von jemandem 
litauisch schreiben gelernt haben muß, denn er schrieb die 
gleiche litauische Orthographie, wie sie die andern altlitaui- 
schen Sprachdenkmäler aufweisen — abgesehen natürlich von 
den weiter unten behandelten Punkten: ge, ke oder gie, kie, 
o, ü oder ou, i oder y usw., worin die altlitauischen Texte von- 
einander abweichen. 


So hat er die Nasalbezeichnung durch untergesetzten Punkt, 
die sich nur in altlitauischen Handschriften findet“ und wohl 
sicher durch den polnischen Nasalstrich angeregt sein wird; 
doch ist sie den polnischen Handscriften in dieser Form 
fremd“. Weiter hat er die allen gemeinsamen Bezeichnungen 
des Lautes 2 durch ß, z, des & dur cz, die aus dem Polnischen, 
des $ durch sch, die aus dem Polnischen und Deutschen kamen, 
sowie die Bezeichnung des litauischen ie, die weder durch das 
Deutsche noch durch das Polnische angeregt sein kann, sondern 
im 16. Jahrhundert eigens für das Litauische erfunden sein 
muß. 


Texte von seiner Hand (die Drucke sollen nicht berück- 
sichtigt werden, da in ihnen nicht sicher feststeht, was von den 
Korrektoren stammt oder auf Rechnung des Setzerkastens 
geht, dem gewisse Typen fehlten) liegen aus folgenden 13 Zeit- 
abschnitten vor (genauere Angaben siehe in der chronologi- 
schen Tabelle der Bibelübersetzung im 2. Teile dieser Arbeit), 
1. 6. März bis 30. März 1579%, 2. 9. Oktober bis 6. November 


#3 Wolfenbütteler Postille, sowie Gallus (z. B.: „kürios regi ka ius | ve 


gite...“ (VII 135v 6—-8vu; Le. 10,23), „...nügabena ghi...“ (VII 136r 
3vu; Lc. 10,34), „sziwata“ (A) (VII 146v 12vo; Lc. 14,26) usw.), Zach. 
Blothno d. A. (z. B.: „...pa iju galwos...“ (V 92v 12—14vu), „Scheschora 


bei Annita“ (A) (V 94r 1vu), „ischwida ghi sunu sawa“ (V 94r 19vo) usw.) 
und J. Gedkant (X,) („swecziu l hukis“ (VII 99: 2—-3vu; Mc. 14, 14)), 
wenn letztere drei auch daneben den Nasal in polnischer Art oder noch 
häufiger gar nicht angeben. 

1 Mitteilung von Herrn Prof. Koschmieder, damals Wilno. 

615 Le.: VII, 109r—170v. 


168 


Dr Kan kun nn 
u 


1579%, 3. 8. Februar bis 7. Juli 1580°, 4. Anfang Februar 1584“, 
5, 12. November bis 11. Dezember 1585", 6. 26. Februar bis 
8. Juni 1586°°, 7. 3. Juli bis 5. September 1588, 8. 18. Februar 
bis 20. März 1589, 9. 13. September 1589 bis 11. April 1590, 
10. 26. Juni bis 25. Juli 1590°*, 11. 26. August bis 3. September 
1590, 12. 13. Oktober bis 29. November 1590°, 13. 1591—1601, 
aus welcher Periode außer Textverbesserungen in der Bibel- 
handschrift noch eine neue, von der Bibelübersetzung unab-. 
hängige Version von Joh. 20,21b—23 (vom 14. April 1599) vor- 
liegt”. 


Wo hat Bretke nun das Litauisch gelernt, das uns in diesen 
seinen Schriften entgegentritt? Ist es jenes Litauisch, das er 
während seiner Kindheit jahrelang in täglichem Umgang in 
und bei Bammeln mit jenen Litauern und Litauerinnen lernte, 
die sich dort als Gesinde verdangen, worunter aber durchaus 
auch ältere, würdigere Personen gewesen sein können, die aus 
allerlei Gründen, wohl sicher größtenteils im benachbarten 


ss Röm.: VIII, 4r—36v, Gal. Ephes. Col. Phil. 1. u. 2. Thess.: VIII 86—135r. 

7 4. u. 2. Tim, Tit,, Phil.: VIII, 136*—151v, 1. u. 2. Cor.: VIII, 38r—82v, 
1. u. 2. Petr., 1.—3. Joh., Jac., Jud., Ebr., Apoc.: VII, 154—236r, Act.: 
VII, 227-—297r, Joh.: VII, 173r—222v, Mc.: VII, 69r-—106v, Mt.: VII, 5r—68v, 
Ps.: VI, 3r—131r. 

18 Fidesformel, von einem Schreiber abgeschrieben: E.M. 102b 2 in der 
Mappe mit Akten in Sachen Poerner (siehe Gerullis, Stud. Balt. V, S. 49), 
sowie oben, S. 82. 

610 Sir.: V, 98r—144r, Tob.: V, 84r—97r, Prov.: III, 184.—207r. 

#0 Jon.: V, 22r—24v, Sus. et Dan. Bel., Drac.: V, 228r—232v, Eccl.: III, 208— 
216r, Sap.: V, 681r—-83r, 

621 1, Mos.: I, 37r—56v. 

#2 Judith.: V, 52r—66r, Bar. 1. Makk. (bis Kap. 2,70): V, 142r—153v. 

%8 Jos., Judic., Ruth. 1. u. 2. Sam,, 1. u. 2. Reg. (außer Kap. 7: II, 159 — 
556r), 1. u. 2. Chr., Esr., Neh., Esth.: II, 2r—232r und III, 2r—146v, Asar., 
Ges. d. 3 Männ. Geb. Manass.: V, 234r—237v, Cant.: II], 218r—225r, 
Stücke in Esth.: V, 292r—226r, 1. Makk. (ab 3,1) und 2. Makk.: V, 153,— 
221v, Job.: III, 148r—182r1, Jes., Jer., Threni.: IV, 2r—160v. 

624 Fz., Dan.: IV, 164r—264v. 

#5 Hos., Joel, Am. Ob. Mi, Nah. Hab. Zeph. Hagg. Sach., Mal.: V, 
2r—51V, 

#26 2,—5. Mos.: I, 58r—281v, 1. Reg. Kap. 7: II, 153v—156r. 

%” Im Stammbuch des Joachim Mörlin (Sohn des Bischofs), Kopenhagener 
Univ.-Biblioth. Thott 385—8°, I, S. 178 (T. VII, Abb. 9). 


169 


litauischen Siedlungsgebiet, Haus und Hof verlassen hatten 
und nun eine neue Lebensmöglichkeit suchten? Ist es jenes 
Litauisch, das Bretke dann 1555, 19jährig, sprah und nad 
sieben Jahren Studium (in Königsberg 11 Jahre, in Witten- 
berg und irgendwo in „Oberdeutschland“ 5% Jahre) noch so 
beherrschte, daß man ihn, weil er Litauisch und Preußisch 
konnte, aus Oberdeutschland zurückrufen ließ, um ihm den 
schwierigen Pfarrposten in Labiau zu übertragen? Heißt es 
doch in dem schon mehrfach zitierten lateinischen Briefe von 


Anfang 1563: 
»...Quare [et] ego... parentum meorum petitionibus, ex superiori I 
Germania reuocantibus ed libentius cessi... Et docendi Euangelij 


christi munus in oppidulo l Labiau, cum Lituanicam [et] Prutenicam 
linguam mediocriter®?® I teneam... mihi imponi passus sum... .“@® 

Nach den vorliegenden ardivalishen Nachrichten müßte 
diese Frage mit Ja beantwortet werden, und auch Zemaitisie- 
rende Züge in der Sprache Bretkes“, die sehr wohl der Mund- 
art jener Litauer in und bei Bammeln wie auch dem Litauisch 
um Labiau®” eigen gewesen sein können, sprechen für diese 
Annahme. 

Berücksichtigen wir jedoch nur die angegebenen Quellen, 
ohne die Sprache Bretkes selbst genauer zu untersuchen, so 
läge nach allem bei rein theoretischer Betrachtung die Erwar- 
tung nahe, daß das Litauisch Bretkes, wie es uns in seinen 
Schriften begegnet, übervoll von allerlei Germanismen und La- 
tinismen sein müßte, denn woher sollte der arme Bretke, dem 
nach unserer Annahme nur der litauische Wortschatz des Dorf- 
lebens und die entsprechenden syntaktischen Ausdrucksmittel 
geläufig sein-konnten, die ihm für den höheren Stil der religiö- 
sen Sprache und vor allem für die Bibelübersetzung fehlenden 
Vokabeln und Wendungen sonst hernehmen als aus dem La- 


#8 Wegen des „mediocriter“ siehe: Bertoleit: „Die Reformation unter den 
preuß. Litauern“, I, S. 42 (siehe auch oben, S. 167 Anm. 609). 

2 Qu., S. 417, Z. 36 8f. 

62° Erinnert sei nur an Bretkes Formen wie „paukschtei“, „szadei“, „ipatei“ 
usw. neben „kalbecziau“, „bucziau“ u. a. Siehe hierzu F. Specht: „Litua- 
nica. 5. Eine angebliche lit. Instrumentalkonstruktion und die Anfänge 
einer lit. Schriftsprache in Ostpreußen“, K. Z. 57, 1930, S. 279 ff., beson- 
ders S. 289 ff.; ebenso Bezzenberger, B.G.L.S., S. 73f. 

61 Gerullis — Stang, Fischerlitauisch, S. 19 ff. 


x 


170 


teinischen und Deutschen, worin ihm all diese fehlenden Aus- 
drücke von seinem Studium her vertraut waren und zur Ver- 
fügung standen? Die Polonismen der kirchlichen Terminologie 
konnte Bretke ja vielleicht zur Not während seines eineinhalb- 
jährigen Aufenthaltes in Königsberg von Willent gelernt 
haben. 

Ehe wir aber die Sprache Bretkes auf die angedeuteten 
Fragen hin untersuchen, wollen wir die Urteile hören, die 
litauischsprechende Geistliche des 16. und 17. Jahrhunderts 
nach Durchsicht der Texte Bretkes über seine Sprache und 
Übersetzung abgaben. 


Es sind folgende: 


1. Das Approbat des kalvinistischen Geistlichen Albertus 
Strischka in Widzy, nördlich von Wilna, der zwischen 1580 
und 1582 die Übersetzung des N. T. so, wie sie vorliegt, gut 
hieR’*. 

2. Im Schreiben der Postillenkorrektoren „Simon Wai- 
schnarus“, „Daniel Gallus“, „Zacharias Blothno“, „Johannes 
Höpfnerus“, „Johannes Bielauck“ und „Alexander Radonius“ 
von Ende Mai 1590 an den Herzog, die „...in rebus...“ und 
in „... phrasibus bedencken....“ gehabt haben“. 

3. J. Behm‘’* in der Vorrede zu der 1625 erschienenen Psal- 
menausgabe ]J. Rehsas, daß die Bretkesche Übersetzung 
»... Dicht in allem perfect...“ gewesen sei”. | 

Was aber bei der Bewertung der Sprache Bretkes und der 
Bestimmung ihrer Stellung innerhalb des Altlitauischen von 
ihrer Beurteilung durch zeitgenössische und später lebende 
Amtsgenossen Bretkes zu halten ist, wonach „seine Sprache 
fremdartig sei und dem preußischen Litauisch nicht recht 
entspräche“, zeigt das Schreiben des Konsistoriums an den 
Herzog”, in dem es von einer geplanten Konferenz zur Kor- 
rektur der Bibelübersetzung Bretkes u. a. heißt: „...auch 
wolte es Viel reißens geben, Vndt || ein lange raume tzeit darzu 


632 Sjehe unten, S. 395, und Abb. 76. 

#33 Siehe oben, S. 105f., Signatur, ebenda, Anm. 398. 
632 Siehe unten, S. 319. 

635 Bei Rehsa, S. 9v. 

sse Qu., S. 434, Z. 20 ff. 


171 


gehoren....“, vielmehr solle Bretke selbst korrigieren, worauf 
der Herzog die einzelnen Teile 
s... den 

Pastoribus im Ragnitischen, als Waschmaro, Muss Vndt 

Gotkanto auch denen Zur Tilse Vnndt Insterburgk ((Rand: zu senden)) 

ihr Judicium Von der Version erfordern, Doch inen 

alles Vnnotiges grubeln Vndt stacheln Verbieten, 

Wo nichts wider den sensum scripturae gefunden wur- 

de, wo aber sie oder ein ider in Sonderheit was No- 

tabile Hetten, das auf tzeichneten, Vndt anhero sen- 

deten, auch Hernach eine gewisse tzeit ihnen ansetzen 

das sie selber sich beij dem Consistorio alhier ein 

stelleten, Vndt daselbst Vrsachen Contradictionis 

antzeigten....“ 


Das Konsistorium hielt auf Grund seiner Erfahrungen eine 
derartige Maßnahme für nötig. Das Urteil eines Amtsbruders, 
der ohne Hemmung kritisieren konnte, war damals sicherlich 
einseitig. 

Bemerkenswert ist, daß nur der im fernen Osten des litaui- 
schen Sprachgebiets lebende Strischka die Sprache so gut heißt, 
wie sie vorliegt, obwohl ihr alle für das Ostlitauische charak- 
teristischen Züge fehlen, während die in Preußen lebenden 
Pfarrer sie sämtlich verändern wollen. 


Doch wenden wir uns der Sprache Bretkes selbst zu! 


Im Folgenden nun der Vergleich einiger Figentümlichkeiten 
des Litauisch Bretkes, soweit sie in diesem Zusammenhang 
von Interesse sind, mit den entsprechenden Erscheinungen der 
Sprache der anderen altlitauischen Texte des 16. Jahrhunderts 
und der ersten Jahrzehnte danad. 


1. Zur Lautlehre und Orthographie. 
a) Die Erweichung von gundkvor e. 


Die Erweichung von g-und k durch nachfolgendes e zu -gie, 
-kie besonders in den Texten aus den älteren und noch aus 
den mittleren Übersetzungsperioden Bretkes ist, vom Schrift- 
litauischen aus betrachtet, eine auffällige dialektische Erschei- 
nung oder mindestens eine stark abweichende orthographische 
Gepflogenheit. Sieht man aber die altlitauischen Texte der an- 
gegebenen Zeit daraufhin durch, so erkennt man bald, daß 


172 


u en 


eine Reihe von ihnen die gleiche Erscheinung aufweisen, wäh- 
rend sie in anderen fehlt. 


Der Übersichtlichkeit halber seien die Texte, die die gleiche 
Erweichung wie die Schreibweise Bretkes in seiner älteren 
und mittleren. Periode zeigen, in zwei Spalten nebeneinander 
mit einigen Beispielen, die lediglich veranschaulichen sollen, 
zusammengestellt. Die Stellenangabe bezieht sich auf die Seite 
der Edition, bei den nicht edierten Texten aber auf: „Senieji 
Lietuviy Skaitymai“ von Gerullis, die eine Auswahl charakte- 
ristischer Stellen aus den Werken altlitauischer Autoren ent- 
halten, und hier zur Veranschaulichung der Sprache der für 
die meisten Leser nicht leicht zugänglichen Texte herangezogen 
wurden. Dabei soll von Liedersammlungen abgesehen werden, 
da hier die Frage nach dem Verfasser und, wie weit der Text 
überarbeitet ist, nicht immer feststeht. 


Die Erweichungen gie, kie 
haben: 


„Catechismvsa ...“, Mosvid, 
8. Januar 1547. 

Druck: Weinreich, Königsberg. 
(Siehe Stang, „Die Sprache des Alt- 
lit. K.“, S. 50, $ 25, und S. 9, $ 77,2; 
Edition: Gerullis, „Mosvid“, S. 1 bis 
79). 

Z. B.: Regiety, 8,8vo; giera, 9,6vu; 
gieiski, 20,2vo; Gierkiet, 26,1vu; gie- 
rai, 31,8vo.; 

makiesit, 9,10vu; Kietwirtas, 
21,9vu; makie, 23,3vo; skiel, 35,8vu; 
natriskiess, 37,5vu. 


Die Erweichung fehlt ganz 
oder fast ganz in: 


„Giesme S. Ambraszeijaus...“, 
Mosvid, vor Ostern 1549. 

Druck: Weinreih, Königsberg. 
(Edition: Gerullis: „Mosvid“, S. 80— 
92.) 

Z. B.: geidz, 81,5vo; ischgelbe- 
ghima, 86,1vo; pagedintas, 90,2vo; 
gelbeija, 92,1vo; 

tewischke, 88,1vo; nusitikeijom, 
89,1vu; priekelima, 90,7vu; kele, 
92,4vo. 


„Paraphrasis...“, Mosvid, zwischen 
1558 und 1562. 

Druck?, Ort? (Edition: Gerullis, 
„Mosvid“, S. 135—148. Die Erwei- 
chung kommt in dieser Schrift in 
einigen wenigen Fällen vor.) 

Z. B.: drauge, 135,7vu; pagedin- 
tas, 156,9vu; pagelbetu, 138,5vo; 

nukesti, 137,4vo; nussitikekem, 
137,10vu; tikeghimu, 139,9vu; Gerket, 
143,1vo. 


173 


„Polski z Litewskim Katechism ...“ 
Pietkiewiez, 1598. 

Druck: St. Wierzeyski, Wilna 
(Siehe Brückner, Arch. f. sl. Ph. 13, 
S. 562f., Gerullis, „Skait.“, S. 148— 
153.) 

Z. B.: draugie, 149,11vo; giarame, 
149,6vu; nuregieti, 155,16vu; 

kielasi, 149,9vo; tikiet, 150,14vu; 
kieleywiu, 152,7vo. 


Postille von 1600, Verfasser? 

Druck: J.Morkunas, Wilna, (Ge- 
rullis, „Skait.“, S. 157—168). 

Z. B.: giära, 157,3vu; gieriaus, 
158,7vo; regieimas, 160,8vu; smirdin- 
giesni, 164,1vo; gierima 164,15vu; 

prikielima, 157,16vu;  kialtis, 
157,7vu; kieykima 158,13vu; vzmo- 
kieima, 162,19vu; kienczanti, 166,2vo. 


174 


„Enchiridion...“ u. „Euangelias bei 
Epistolas...“, Willent, 1579. 
Druck: Osterberg, Königsberg. 

(Bearbeitet u. herausg. v. Fr. Bech- 

tel, doch behandelt B. das Problem 

nicht, obwohl er es sah: S. XXXV, 

CXXVIH Die Erweichung kommt 

ziemlich selten vor.) 

Z.B.: gieidzie, 1,6; nekieiktum- 
bim, 7,16, aber: regeyes, 1,14, gerau- 
sey, 3,13;- geiduleis, 15,22; regeia, 
53,7; negerai, 167,29; 

ketwirta, 5,3; keltisi, 15,23; pa- 
kelti, 88,24; perdreske, 166,31. 


„Kathechismas...“, Dauk$a, 159. 


Druck: ?, Wilna. (Ausg.: E. Sittig: 
„Der polnische Katechismus des Le- 
dezma“ usw.) 

gereus, 8,25; izgelbetoies, 15,12; 
gördami, 19,20; izgelbety, 52,11; 
daugö&sn, 34,20; 

waik&lei, 8,2; prakeikimo, 14,11; 
keldamie$, 19,17; Keles, 34,14; K&t- 
wirta; 63,17. . 

(Beachte auch z. B.: bragä&usio, 
30,20, Kok&s A.Pl. 62,17; Pirmidus, 
63,9.) 


„Postilla...“, DaukSa, 1599. 


Druck: Jesuitendruckerei, Wilna. 
(Edition: M. Birziska, „Dauk$os 
Postile“.) 

Z.B.: Siehe Druckfehlerberichti- 
gung S. 628ff, wo Dauk$a die Er- 
weichung stets beseitigt: geidziamas, 
628,22vo; Regeieu, 628,19vo; regeda- 
mi, 650,11vo; gelezimi, 632,21; 

kelo, 638,23vo; szäuke, 628,22vo; 
pakelt, 628,23vo; sukerszimus, 
629,14vo. 


ee ° 


„Kathechismas“ von 1605, Verfasser? 

Jesuitendruckerei, Wilna (Sittig: 
„Der polnische Katechismus des Le- 
dezma...“. Brückner, Arc. f. sl. 
Ph. 13, S. 312, sagt, daß nach k, g die 


Erweichung regelmäßig bezeichnet 
würde)”. 

Z. B.: regietu, 21,27; gierü, 39,6; 
gieydziame, 59,15; sergiet, 85,12; 


tyngieimu, 160,13; 

tikieimo, 22,6; kieles, 34,15; isz- 
mokie, 60,30; pasikielimo, 88,25; Kie- 
turi 106,18. 


„Pvnkty Kazan“, Sirvyd, 1629 
und 1644, 

Jesuitendruckerei, Wilna. (Bearb. 
und ediert: Fr. Specht: „Syrwids 
Punktay sakimu“, S.11: „Die Ortho- 
graphie steht stark unter poln. Ein- 
fluß.“ „Nach Gutturalen k, g... wird 
oft kie, gie..., auch kia, gia... ge- 
schrieben, ke, ge usw. ist verhältnis- 
mäßig selten.“) 

Z. B.: draugie, 5,2vo; regieis, 
42,7vu; regieio, 74,11vu; giero, 
76,15vu; gieys, 337,2vu; 

kialu 5,8vo; kielo, 41,8vu; szla- 
kieley, 79,12vu; kier$iio, II, 68,5vu; 
tikieio, II, 138,2vu. 


„Margarita Theologica...“, 
S. Waischnarus, 1600. 
Druck: Osterberg, Königsberg. 
(Gerullis, „Skait.“, S. 171—185.) 
Z.B.: geribes, 176,5vo; knigelems, 
177,1vo; gerai, 179,14vo; ischgesus, 
182,7vu; daugesni, 185,5vu; 
pasiteketi, 176,13vo; ketweropi, 
177,10vo; dulkes, 182,16vo; prikeltu, 
183,15vo; prakeiktas, 184,12vo. 
(Waischnoras hat auch z. B.: 
reike, 180,5vu; nereikema 184,15vu; 
kure, 185,6vu.) ; 


„Psalteras Dowido“, J. Rehsa, 1625. 


Druck: L. Segebad, Königsberg. 
(Gerullis, „Skait.“, S. 212—216. Die 
Erweichung fehlt ganz, obwohl 
Bretkes Vorlage sie oft zeigt.) 

Z.B.: (Br.: gierai) gerrai, 213,7vu; 
(Br.: gielbe- || kem) gelbek man, 


214,16vo; (Br.: gielbti) gaelpti 
215,13vu; (Br: kieliu) kaelio, 
213,13vu; (Br.: Kielkes) Kaelkis, 


214,16vo. 


Die Zusammenstellung zeigt, daß Mosvid in seinem Kate- 


chismus, den er während des ersten halben Jahres in Preußen 
während seines Königsberger Studiums übersetzte", die Er- 
weichung stets hat“, während sie in seinem Ambrosianischen 
Lobgesang, den er nach rund dreijährigem Aufenthalt in Preu- 
ßen schrieb, ebenso grundsätzlich fehlt, obwohl beide Über- 
setzungen in der gleichen Druckerei hergestellt sind. In seiner 
Paraphrasis, die er um 1560 nach etwa 14jährigem Aufenthalt 


637 Die Erweichung fehlt jedoch oft da, wo der Anonymus stark von Dauk5a 
abhängig ist. 

#38 G,. Erler: „Matr. Königsb.“ I, S. 6, Herbst oder Winter 1546: „Martinus 
Moswidius“, aber schon den 8. 1. 1547 erscheint der Katechismus. 

6 Stang: „Die Sprache des litauischen Katechismus von Mosvid“, S. 50, $ 25; 
S. 96, $ 77, u. öfter. 


175 


in Preußen übersetzt haben dürfte, fehlt die Erweichung, sie 
taucht nur gelegentlich wieder auf. In den Arbeiten Willents, 
die er nach rund 30jährigem Aufenthalt in Preußen geschrie- 
ben haben wird, fehlt die Erweichung meist, sie steht nur ge- 
legentlich: einem Worte in dem Drucke, das ohne Erweichung 
steht, folgt eine Zeile weiter das gleiche Wort mit Erweichung; 
sicher ist Willent dafür verantwortlich zu machen, nicht der 
Drucker. 

Die Erweichung findet sich regelmäßig oder doch fast regel- 
mäßig bei Pietkiewiez, in der Postille von 1600, im Katechis- 
mus von 1605, die sämtlich in Wilna gedruckt- sind, wie auch 
bei Sirvyd. 

Dagegen fehlt sie in den Arbeiten, die Dauk$a redigierte, 
der eine eigene Orthographie schuf, desgl. in der „Margarita“, 
die Waischnarus nach etwa 30jährigem Aufenthalt in Preußen 
geschrieben haben dürfte“, ebenso in den Arbeiten Sengstocks, 
der aus Lübeck stammte und sein Litauisch in Preußen gelernt 
hat, ja, er korrigiert die Erweichung, die er bei Willent fand; 
desgleichen fehlt sie restlos in dem Psalter J. Rehsas, der aus 
Tilsit stammte; auch er hat die zahlreichen Fälle von Erwei- 
chung in Bretkes Psalter, der bekanntlich seine Vorlage war, 
beseitigt. 

Offensichtlich schreiben diejenigen Autoren, die aus pol- 
nischem Kulturbereich stammen“, die Erweichung, denn sie 
ist eine typische polnische orthographische Erscheinung, wäh- 
rend die aus deutschem Kulturbereich stammenden Personen 
sie nicht kennen. Besonders stark zeigt sich das bei denjenigen, 
die in deutschen Kulturbereich übergegangen sind, und die 
hier offensichtlich mit mehr oder weniger Erfolg gegen die 
polnische Gepflogenheit der Erweichung ankämpfen. 

Daß es sich dabei zweifellos um eine Eigenart der Polen 
oder Menschen mit polnischer Bildung handelt, ihnen schriftlich 
nicht geläufige Sprachen wiederzugeben, mag folgender kurzer 
Brief des polnischen Geistlichen „Johannes seclucian[us]“ in 
Königsberg zeigen, den er 1564 schrieb’*: 


0 G, Erler: „Matr. Königsb.“ I, S. 43: Wintersem. 1568 (15. 10.): „Simon 
Wosnarus, Lithuanus“; die „Margarita“ erschien 1600. 

#1 Außer Dauk$a, der seine eigene Orthographie erfand. 

&2 Herzogl. Briefarch. I;, Kasten 1564. 


176 


„Gestrenger herr burgrab. ich thu ewer hersaft 
tzu wisen. das im rosgarten ein weib ist. Seiner 
Furstlichen durchleichtigkeit vnterthan, die do 
gieret®® siben iar krank gielegien hatt. vnd kiem 
Doctor vnd kiem mensch ehr nicht hefen kan 
vnd auch nicht viel tzu vertzeren hatt, vnd hatt 
sich vor mier biklaget, das sie noch von irem 
vatter vnd von irer mutter, erpteil tzu hoben hatt 
ein weinig gielt, in dem stedtchien Biscupiecz** 
vnd lest euch bitten, im gottes willen, giestrenger 
lieber herr burgrab, das ewer hersaft michte, 
befelen, das sie muchte ein klein brifkien bekom 
an den erbern ratt, von wegien seiner firstli 
chen durchleichtigkäeit, das sie durch den tzeiger 
des solchen briwes i muchti bekomen, was ehr 
tzu kumpt (?), ich verhofe das ewer hersaft in 
gottes willen das thun wirdt.%45 
Der namen ist des weibes anna, nah dem man 
olsenska vnd nach dem vatter kupcowna von 
Biscupiecz 
: Ewer williger diner 
Joannes seclucian[us] 
Polnsch (!) prediger“ 


Nachdem ihm also die ersten drei Zeilen einigermaßen ge- 
lungen sind, schreibt er: gieret (= bereits?) gielegien, zweimal 
kiem (= kein), gielt, stedtchien, giestrenger, brifkien, wegien 
durchleichtigkieit. 

Prüft man nun daraufhin. die handschriftlihen Texte 
Bretkes aus den verschiedenen Übersetzungsperioden, so zeigt 
sich, daß er, der zweifelsohne mitten in Preußen, in deutschem 
Kulturbereich geboren ist, zwar auf den vier ersten Seiten der 
Lukasübersetzung die Erweichung meidet und „gentaine“ 
(VII 1107 4vu, Lc. 1,36), „tikeiei“ (VII 110" 8vo) usw. schreibt, 
doch bereits auf der 5. Seite hat er: „kielusis“ (verbess.: -sijs: 
VII 111" 4vo, Lc. 1,39), auf der 6.: „gientis“ (VII 111’ 9vu, 
Lc. 1,58) und so fort. Die Fälle der Erweichung nehmen wei- 
terhin zu, auf der 21.Seite schreibt Bretke: „gielbekes“ (VII 
11% 5vo, Lc. 4,23), „matrischkiesp“ (10vu), „passikiele“ (4vu) 
und wahrscheinlich (Lesung nicht ganz sicher): „tewischkiej“ 


“3 gereits — bereits (?). 
642 Bischofswerder. 
&5 Schnörkel. 


12 Falkenhahn, Bretke 177 


(8vo), auf der ganzen Seite findet sich nur noch „kerschtu“ 
(5vu) ohne Erweichung. So bleibt es mit geringen Schwankun- 
gen bis zum Schluß des Lukas und damit der ersten Über- 
setzungsperiode am 30. März 1579. Als Bretke am 9. Oktober 
1579 die Arbeit mit dem Römerbrief wieder beginnt, schreibt 
er die Erweichung auf den ersten Seiten nur spärlich, um sie 
später wieder bedeutend öfter anzuwenden. 


Von geringen Schwankungen abgesehen, zeigt sich, daß 
Bretke die Erweichung bei g+e und k-+ e während der ersten 
Perioden bis zu 90 von 100 aller Fälle hat, in den mittleren da- 
gegen etwa bis zu 50, in den letzten jedoch nur noch rund bis 
5 Prozent der Fälle. Bemerkt sei, daß Worte wie „Euangelija“, 
„Angelas“ usw. nicht mit herangezogen werden dürfen, da 
hier das lateinische Schriftbild störte. (Siehe z. B. die Text- 
proben bei Gerullis, Skait.) 


Bretke müßte danach sein Litauisch — oder doch mindestens 
seine litauische Orthographie — entweder von Menschen aus 
dem polnisch-litauischen Kulturbereich oder in dem Gebiete 
selbst gelernt haben. 

b) ia für e. 

Die Schreibung ia für e (ie) ist keine Schreiberlaune, son- 
dern beruht auf einer dialektischen phonetischen Eigentüm- 
lichkeit, wie Dauk3as nach der Verbesserung von „kiälo“ in 
„kelo“, „bat“ in „bet“ sagt: „Cze turi zinot iog teip’ biaurei 
kalba || kaune büdinikai ir Witinnikai ku- || rie trielüie südinas 
ir Witines ir kiti |} netikelei kurie wörcze töki e ing a...“ 
usw.” die Klein — jedoch über 50 Jahre später — für die 
Gegend von Insterburg bezeugt. 


In der fraglichen Zeit haben die meisten Arbeiten der aus 
deutschem und aus polnishem Kulturgebiet stammenden 
Autoren e oder &, so: 

Mosvid (Stang, 1. c., S. 74): regit, 10,12vu, zeme, 259,7vu usw.; 

Willent: gera, 6,19, Szeme, 12,19; 

Waischnoras: zeme, 176,8vo, khele (= kelia), 176,14vo; 

der Ostlit. Katechismus von 1605: kielo, 13,27, Z&mey, 44,6 
(Brückner, 1. c,, S. 312); 

Sengstoc&k, Willent, Rehsa: kalio, 213,13vu, galbek, 214,4vu; 


es 5. 528, 6ff. v. 0. 


178 


v TA 


dagegen haben drei Wilnaer Drucke neben e, ie auch ia, und 
zwar: 

Pietkiewicz, 1598 (Brückner, 1. c., S. 562ff.): Waykialey, 149,10vo, 
riagime, 149,15vu, giaradeyste, 149,3vu; 

Postille von 1600: kialtis, 157,7vu, daugiäsnio, 158,1vo, ziämes, 
158,12vo giära, 166,5vo; 

Sirvyd, 1629: kialu, 5,8vo, Mialas, 14,12, Ziame, 16,13vo, diagintu, 160,2. 

Bretke hat nun in seinen ersten Übersetzungsperioden 
gleichfalls neben meist ie oder e auch ia, z. B. gialeschies VIII 
228° 7vu, gielaszies VIII 231" 6vo, giaresna iemus butu VIII 
165" 12vu, giaruiam VIII 175’ 4vo, Gialumbe VIII 1847 12vo, 
gialoszies VIII 2167 1vo usw. 


Das ist phonetisch und orthographisch ein Zug, der seine 
Sprache gleichfalls mit der in litauisch-polnischem Bultureebiet 
lebenden Autoren verbindet. 

c) 0, ü und wo. 


Bei der schriftlichen Bezeichnung des fraglichen Lautes 


‚(schriftlit. uo) durch o, ü oder uo in den altlitauischen Texten 


handelt es sich sicher zum großen Teil nur um ein rein ortho- 
graphisches Problem. Aber auch orthographische Gepflogen- 
heiten sind zuweilen regional gebunden. 

Auf einem leeren Blatte des N. T. (S. VII 11’, Mt.) hat 
Bretke folgende Fragen notiert, die er offenbar an jemand, 
vielleicht an Gallus, richten wollte, die einen kleinen Einblick 
in seine Übersetzungsarbeit gewähren und auch u. a. zeigen, 
daß er verschiedene Schreibungen des uo-Lautes kannte und 
nun die „richtige“ zu erfahren suchte. (Die Datierung der 
Notizen siehe unten, S. 181f.): 


„quo m[od]o uelint appellari 

pharisaeus 

Vel. ((mit anderer Tinte:) weidamainis 

y ubi ponendu[m] 

D. sapulus. (?) 

Differentia inter C. et K. 

An sit differentia inter x et ks. 

Litora ((verbess.: Litera)) o post v. aut uero supra u 

ponenda vt Duona. 

Differentia inter A. et O. 

Vocabulu[m] Beatus, quo (?) uero (?) modo reddendu[m] (?) 
((mit anderer Tinte?:)) paschlowintas.“ 


12 179 


Diejenigen Autoren, die ihr Litauisch in Preußen gelernt 
haben, zeigen ü, oder dafür ü, was aber sicher Schuld der 
Druckerei ist. Außerdem hat J. Rehsa handschriftlich einmal o; 
„tuszisios“ (1. Sg. Fut. Refl.; VI 10’ 5vo, Ps. 13,3). 

Sengstock (Bechtel XCIX ff., daher die Beispiele): düst... düs, CIX, 
3vo; raupsütas, CIX, 12vo. 

Rehsa: Dübe, 215,4vu; jpüle, ebenda; nedüst, 216,4vu. 

Die aus litauisch-polnishem Kulturgebiet kommenden 
Autoren zeigen folgende Schreibungen: 

Mosvid Katechismus 1547: fast immer o, selten, im L.Pl. der 
a-Stämme u, wie auch Bretke (Stang, S. 55 f., $ 31 und S. 85, $ 61) z. B. doty, 
9,6vu; nog, 11,3vo; padotas, 38,5vo. 

Mosvid „Giesme S. Ambraszeijaus“ 1549: nur u, z. B. 
neischmeruta, 85,1vo; branguiju, 87,5vo; duk, 88,2vo. 

Willent 1579: meist ü, in ganz wenigen Fällen o oder u (Bechtel, 
S. XXIX£.), z. B.: kiemüsu, 1,15; düta, 68,16 prapüle, 106,2. 

Waischnoras: meist ü (ü), auch u, z. B. czesüsa, 176,7vo; padümi, 
182,15vo; apiükima, 185,12vu. 

Die im litauisch-polnischen Sprachgebiet lebenden Autoren 
haben: 

DauksSa: ü, gelegentlich uo, z. B. Katechismus: düst, 9,10; nüg, 39,11; 
nüdemes, 105,20. ? 

Postille: Anuo metu, 1,6v0; düst, 386,2vo; nüg, 592,3vo. 

Pietkiewicz: uo, z. B.: tuose namuose, 149,12vo; kokiuo budu, 
155,1vo; duotu, 155,13vo. 

Postille von 1600: uo, z. B.: nuog, 15855vo; tuo budu, 161,6vo0; 
Duokig, 168,13vo. : 

Der Ostlit. Katechismus (1605): ü und uo, und zwar meist ü, 
wo er von Dauk$a abhängig ist, dagegen uo, wo er selbständig schreibt, 
z. B.: Metüsu, 7,2vu; nuog, 11,13; nüg, 15,18; düd, 86,21. 

Sirvyd: meist uo, selten o (Specht, S. i8ff., $ 23), z. B.: nuog, 3,4vu; 
priduost, 229,13vu; impuolä, 123,17vo; Wando, 189,9vo. 

Bretke schreibt nun März 1579 nur o, z. B.: dona (VII 146: 
9vo, Lc. 14,15); doti (VII 112" 3vu); dotu nog (VII 157, 9vu) (wie 
Mosvid im Katechismus, wie selten Sirvyd und später Chy- 
linski). 

In den nächsten Perioden hat er zu Anfang noch o, geht 
aber um den 12. Oktober 1579 zu ü über, das bisweilen mit u 
vertauscht wird (doch besteht o, wenn auc in oft erheblicher 
Minderzahl, weiter), z. B.: 12. Oktober 1579: dübe (VIII 9 
10vo, Röm. 3,13); 6. November 1579: düna (VIII 134 1vu, 
2. Thess. 3,8); Frühling 1580 tauchen Formen mit uo auf, die 


180 


aber zunächst in der Minderheit bleiben, z. B.: 7. April 1580: 
duonos (VII 232: 12vo, Le. 2,42) und 4. Mai 1580: Duona (VII 
187” 1vo, Joh. 6,35), die bisweilen mitten unter Formen wie 
„düna“ stehen; ab 12. Mai 1580 geraten die Formen mit uo in 
die Mehrheit, z. B. ebendann duona (VII 15’ 14vu, Mt. 6,11); 
ne duokite (VII 17’ 7vo); Tuo (VII 21' 12vo), Bretke kehrt 
jedoch schon am 14. Mai wieder für eine Zeit zu ü zurück, z. B. 
ebendann: Dünas (VII 36° 6vo, Mt. 15,2); in den Psalmen (ab 
20. Mai 1580) wird der Laut wieder fast nur uo geschrieben 
mit einigen Ausnahmen wie: donos (VI 35: 7vo, Ps. 37,25) 
neben 6. Juli 1580: (VI 117° 12vu, Ps. 127,2). 

In fast allen Formen ist der Laut in ü verbessert. 

In den nach rund fünfjähriger Pause darauf folgenden 
Perioden hat Bretke als Regel ü, wie z. B.: 7. Dezember 1585: 
dünos (III 187: 1vu, Prov. 6,8), was er bis zum Schluß beibehält, 
doch kommen auch Abweichungen vor, wie z. B. 3. Juli 1588: 
duo- || na (Ir 14vu, 1. Mos. 3,19) und wie in den Tagen des 18. 
und 19. Februar 1589, wo er einige Seiten (V 52:56’) wieder 
fast nur o schreibt, z. B.: nog (V 55" 7vu, Judith 5, oft) neben: 
dünas (ebenda 15 vu). 

Auch die anfängliche Schreibung o und etwas später uo hat 
Bretke mit Autoren gemein, die, wie Dauk$a, Pietkiewicz, 
die Verfasser der Postille von 1600 und des Katechismus von 
1605, sowie Sirvyd in litauisch-polnischem Kulturbereich leben 
oder, wie Mosvid (im Katechismus!), eben von dort gekommen 
sind. Es gab, soweit bekannt ist, 1580 keinen litauischen Druck, 
der die Schreibung uo aufwies. Jedenfalls zeigt seine ü und uo 
betreffende Frage, daß er die Schreibung uo durchaus kannte 
und nur nicht weiß, welche „richtig“ ist. Bretke muß sie 
also doch wohl von jemandem gelernt haben, der sie ihm auf- 
schrieb. Wie die Beispiele oben wahrscheinlich machen, müßte 
das ein Mensch aus litauisch-polnischem Sprachbereich ge- 
wesen sein, oder Bretke hatte sie von einem hypothetischen 
Aufenthalt dort im Gedächtnis. 

Die Angaben oben (S. 179) darüber, wie Bretke o, ü in der 
-Bibel verwendet, legen die Annahme nahe, daß er die Fragen 
über die Orthographie Mai 1580 niederschrieb. Auch andere 
Tatsachen machen diese Datierung wahrsceinlih, so die 

Frage, wie „pharisaeus“ zu übersetzen sei, die sich doch sicher 


181 


auf den am 15. Mai 1580 übersetzten Vers Mt. 23, 13 (VII 52 8—9) 
bezieht: „Beda iumus Raschtinikamus ir || Phariseuschams ius 
Waidamainei...“; vorher und nachher übersetzt Bretke das 
Wort mit „Phariseuschas“; weiter übersetzt er bis zum 10. Mai 
1580 „selig“ mit „ischganitas“ (VII 106° 2vu, Mc. 16,16), am 
11. Mai aber sofort im Text „paschlowinti“ (VII 12" 9vu, 
Mt. 5,3), was er für die nächste Zeit neben „ischganitas“ bei- 
behält. 
Viij. 

Bekanntlich ist der häufige Gebrauch von y ein auffallen- 
der Zug aller aus dem polnisch-litauischen Kulturbereich stam- 
menden Drucke mit Ausnahme der Dauk$as, deren Recht- 
schreibung aber überhaupt eine Sonderstellung einnimmt. Der 
Buchstabe steht nicht nur für i+j und j-+i, sondern be- 
sonders häufig nach polnischem Vorbilde (Specht, Sirwyd, 
S. 11* $ 2, Brückner, Arch. f. sl. Ph. 13, S. 562) zur Bezeichnung 
der 2. Komponente in den Diphthongen ay, ey, uy, aber auch 
sonst bei manchen Autoren wahllos für heutiges langes und 
kurzes i. 

So hat 

Pietkiewicz y fast nur in Diphthongen (Brückner, Arch. f. sl. Phil, 
13, S. 560 £.), z.B.: waykialump, 149,8vo; eykit, 153,8vu, tärnuy, 155,8vu (da- 
gegen: dariti, 149,15vu; idant, 155,9vu; ira, 155,35vu); 

die Postille von 1600 genau wie Pietkiewiez, z.B. däyktu, 157,12; tey- 
sibes, 165,3vu; Diewuy, 166,12vu (aber auch: Zädeghimais, 157,8vu; isipildit, 
157,3vu; Ponui Diewui, 165,10vu); 

der Ostlit. Katehismus (1605) meist in Diphthongen, aber 
auch oft für modernes i oder y, z. B.: skäytitoiuy, 11,11; Tey Zynäu gierey, 
11,16; täkuy, 11,28; miletys, 47,30; prytaryt, 75,33. 

Sirvy.d meist als 2. Komponente, aber auch sonst wahllos für schriftlit. 
i, y (Specht, Sirwyd, S. 11, $ 2), z. B.: szwyntays, 4,3vo; teysibes, 51,2vo; 
zydamus, 138,5vo; Eyk, 249,7vo; Kuniguy, 249,8vo. 

Entsprechend dem in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts 
schon recht spärlichen Gebrauch des y im Deutschen (siehe die 
aus der Zeit stammenden Texte in der Quellensammlung) 
haben die länger in Preußen lebenden altlitauischen Autoren 
das y bedeutend seltener; zuerst schwindet es wohl bei allen 
als. zweite Komponente von ai und ui, nur in ey hält es sich, 
wo es auch in deutschen Texten relativ am häufigsten er- 
scheint. Zäher hält sich das y an Stelle von modernlitauischem 


182 


i, y, aber auch da kommt es allmählich in Preußen fast ganz 
außer Gebraud. 

So hat Mosvid in den ersten Jahren in Preußen 

im Katechismus regellos i, y für modernes langes und kurzes i 
(Stang, S. 56, $ 33), doch findet sich ey und ay nur in einigen Fällen (Stang, 
S. 58, 8 35), z. B.: Bralei, 8,4vo; Diewui, 35,3vo; Pataisik, 39,1vu; byla, 8,2vo; 
nosimynusias schyrdies, 35,10vu; 

in der „Giesme $S. Ambr.“ wieder meist für die zweite Kompo- 
nente: Angelay, 82,2vu; ischgaleyey, 86,3vo; warduy, 81,8vu; Pilny, 83,2vu; 
apsaugoty, 89,2vo; 

Willent y fast nur im Diphthong ey, sonst für modernes i und y, 
doch weit seltener als Mosvid im Katechismus, z. B.: jpaczei, 1,15 (neben 
ney, 1,20); Ponui, 23,30; kaip, 79,2; 

Waischnarus fast nur i, z. B.: pilnai, 176,3vo; Biskupui, 183,7vo; 
prakeiktas, 184,12vu. 

Bei Sengstock fehlt y, wo er ganz selbständig schreibt, z. B.: Diewui, 
199,11vu; Ragaines, 200,16vu. 

Rehsa hat y nur gelegentlich in ey, sonst bisweilen für modernes 
langes i, z. B.: ghissai, 213,8vu; Teissuju, 213,3vu; Artimui, 216,9vu; pagim- 
dys, 215,6vu; Teisybes, 216,1vo. 

Bretkes Handschrift hat y fast nur an Stelle von i+j oder 
j+i, sonst aber in den allermeisten Fällen nur i. Betrachtet 
man jedoch die Texte in ihrer zeitlichen Reihenfolge, so zeigt 
sich, daß Bretke in der ersten Periode (Lucas, März 1579) noch 
öfter y schreibt, und zwar meist für modernes langes y, doch 
bisweilen auch für i, z. B.: ischlaikys (VII 132" 3vu), akys 
(N.Pl. VII 1387 5vu), garstycziu (VII 144 4vu), sakykite (VII 
145° 2vo), raschyta (VII 53’ 4vu) usw., aber auch kielusys (VIII 
199’ 2vu), kity (N.Pl. VII 137 8 und 10vu), numariny (2.P.Sg. 
Präs. VII 145" 9vo), skiely (VII 149’ 7vo), passilyks (VII 150* 
3vo), tury 2.P.Sg. Präs. VII 153’ 2vo). 

Die Schreibung mit i ist jedoch weit häufiger. Bretkes Zwei- 
fel in diesem Punkt bezeugt eine jener oben bereits mitgeteil- 
ten Fragen”: „y ubi ponendu[m]“*, die ihn sichtlich in dieser 
Zeit bewegt hat, denn in den nun folgenden Perioden gibt er 
y (bis auf die Schreibung für i+ j und j+i) ganz auf, um erst 
im Sommer 1588 wieder vorübergehend darauf zurückzukom- 
men, z. B.: Gilybes (I 3" 6vo), Szaltys (1 5" 3vu) usw., aber bald 
verläßt er die Schreibung y für langes i aufs neue und geht im 


e S. 179. 
ss VII 1ir Avo, 


183 


Herbst des gleichen Jahres zu j über, z. B.: Temnjezos (I 447 
14vu), trjs (I 45’ 1vu) usw. Das y als 2. Komponente kommt 
nur sehr selten vor, z. B. ateydawa (Il 84 7vo). 

Der Gebrauc des y in der ersten Periode läßt als möglich 
erscheinen, daß Bretke das y früher häufiger verwendete, viel- 
leicht gar so oft wie die Autoren aus dem litauisch-polnischen 


- Gebiet. re 


Das harte polnische I ist natürlich regional gebunden. Es 
zeigt sich bei Dauk3a, z. B. im Katechismus: galwa (37,23), bei 
Pietkiewicz, z. B.: gäletumbim (150, 8vu) in der Postille von 
1600, z.B.: prisiklausem (157,3vu), im ostlit. Katechismus 
(1605), z. B.: labiäus (11,19) und bei Sirwyd, z. B.: Zinklas 
(289, 2vo). 

Bei den in Preußen gedruckten Schriften fehlt dieses Zei- 
chen, obwohl die gleichen Druckereien auch polnische Typen 
besaßen. 

Bretke hat dieses polnische 1, doch sehr selten, z. B.: laukie 
(= draußen) (VII 129 7vo), nekaltoio (VI 12” 10vo), welda 
(I 17° 19vu und ebenda 11vu), placzio (in: „ikki placzio (!) 
Muro“, III 117 6vo). Doch zeigen diese Fälle, die hier wohl 
als Versehen zu deuten sind, daß Bretke dieses Zeichen auch 
geschrieben hat, und zwar geschah ihm dies Versehen, weil er 
Polnisch konnte und das harte I vielleicht früher einmal auch 
bei der Niederschrift litauischer Texte mit verwendete. 


2. Zur Formenlehre. 

Aus der Formenlehre sei hier nur ein wohl besonders 
charakteristischer Zug andeutungsweise behandelt und die aus- 
führliche Darstellung der Probleme der oben erwähnten Ar- 
beit über die Sprache Bretkes überlassen. 

Zur folgenden kurzen Darstellung ist Hermann, Litauische 
Studien, S. 16 ff., weitgehend benutzt worden. 


Die verkürzte Form m{i), t(i) des Personalpronomens 
der 1. und 2. Personen im Dativ und Akkusativ. 
Die Verteilung der Formen über die altlitauischen Texte 
der angegebenen Zeit ist folgende: 
2 Die Angabe der Seitenzahl der litauischen Texte soll eine annähernde 


Vorstellung von dem Umfang der Texte vermitteln, in denen sich die 
Formen finden. 


184 


Mosvid: keine Form (127 Seiten 4%), nur z. B.: imkiet mani, 8,4vo. 

Willent:nur 1 Beleg (300 Seiten 4°): primiwerte, 1,10; sonst nur z.B.: 
pagelbek man 74,53vo; Sakiket man, 75,29; Paczupoket mane, 83,16. 

Dauk3äa: im Katechismus: keine Form (190 Seiten 16°): Sakai man, 
12,17; Sakikig man, 14,14; Pazink manne, 125,4 (siehe die gleichen Stellen im 
Ostlit. Katechismus!). j 

In der Postille: 8 Fälle (siehe Hermann, Lit. Stud., S. 44 und 49) 
(632 Seiten-2%) (?); sonst: Susimilsk maf, 113,18vu; düd mafı, ebenda, 11vu. 

Pietkiewicz: 5 Fälle (508 Seiten 8%) (Brückner, Arch. f. sl. Phil., 
13, S. 566); z. B. (Beispiele Brückners): bukim sargu dusios mäno, 77; Diewe 
mans gialbiem mäne, 89; sudikim, 51; gialbiem mane (Doppelsetzung!);. 
wedeim, 52. 

Postille von 1600: 43 Fälle (ca. 379 Seiten 2°, z. B.: Beispiele aus 
Hermann, 1. c., S. 28 und 47): bukim, 50,31; pamisakikit, 125,37; duotiot asz, 
18,17; daweti, 318b 36. 

Waischnoras: 5 Fälle (ca. 620 Seiten 8%), z. B. (Beispiel aus Her- 
mann, 1. c,, S. 23 und 46): apsaugokem, XLVIII, 15; sakikim, 12,4; meldczuot 
A.M., 5,16. j 

Ostlit. Katechismus (1605): 10 Fälle (95 Seiten 12°), z. B.: Pami- 
säkay, 12,18; Sakäymi, 14,15 (siehe diese Stellen bei Dauk$a!); kaypmi regis, 
11,24. 

Sengstock (12 Fälle, von Willent und Bretke übernommen; siehe Her- 
mann, 1. c., S. 23 und 46). 

Rehsa: 15 Fälle (Bretkes Psalter hat 134 Belege, somit hat Rehsa 119 
gestrichen). 

Sirvyd: 14 oder 15 Fälle (641 Halbseiten 4%)65% (siehe Specht, Syrw., 
S. 35*), z. B. (Beispiele aus Specht, 1. c.): pamirodik, 175,31; bosto mi, 1076; 
gardumi, 290 b. i 

Bretke hat nun auf rund 1500 Seiten 4°, die er zwischen 
6. März 1579 bis 7. Juli 1580 niederschrieb (N. T., Ps.), 164 Be- 
lege (Hermann, 1. c., S. 17 und 46), auf den rund 2450 Seiten 2° 
(A. T. ohne Ps.) 167 Fälle (Hermann, |. c., S. 19 u. 46), z. B.: ne 
mi muczik, VII 129’ 7vo; prjmkime (verb.: -kitiem), VIII 79 
10vu; pamidare VIII 147° 6vu; Parodikem, VIII 178° 4vu; 
duosuot, VIII 206° 5vo; Duomiet, VIII 2097 3vo. 

Sieht man von Sengstock ab, der ein äußerst nachlässiger 
Korrektor war (Bectel, Willent, S. CVIff.), so macht Rehsas 
starke Dezimierung der Fälle sehr wahrscheinlich, daß diese 
Pronominalformen in Preußen nicht beliebt waren, was doch 
heißen würde, daß sie nicht recht gebraucht wurden (die Mög- 
lichkeit, daß sie als vulgär galten, schließt der häufige Ge- 
brauch bei Bretke aus). Doch auch im litauisch-polnischen Kul- 


650 Die Hälfte der Seitenfläche wird durch polnischen Text eingenommen. 


185 


turbereich muß es in manchen Gebieten ähnlich gewesen sein, 
wenn auch die Belege überall häufiger sind als in preußischen 
Drucken. Vielleiht wirkten dort polnische Formen wie „daj 
mi“, „möwie ci“, die doch einem großen Teile der Bevölkerung 
bekannt und geläufig waren, konservierend auf die lautlich 
und bedeutungsmäßig entsprechenden Formen im Litauischen. 

Die relative Häufigkeit des Vorkommens dieser enkliti- 
schen Pronominalformen bei Bretke stellt seine Sprache — nun 
schon auf keinen Fall mehr nur seine Orthographie — auf die 
Seite derjenigen Autoren, die in litauisch-polnischem Kultur- 
bereich lebten. 

So würde auch die erhebliche Abnahme der Belege in den 
späteren Perioden erklärlich. 


3. Zur Satzlehre. ! 

Wiederum nur einige Erscheinungen: 

a) Objekt+Partizip in gleihem-Kasus. 

Der außerordentlich häufige Gebrauch dieser Konstruktion 
besonders in der ersten Periode gibt der Sprache Bretkes ein 

einzigartiges Gepräge. 

i Z. B.: „atrada ghi ...sedinti ...klausantj iu ir klausenti ios“, „inter- 
venerunt ilum ...sedentem... audientem illos et interrogantem eos“ (VII 
114v 1ff. vu, Lc. 2,46); „szinaia ghi santi Christu“, „quia sciebant ipsum 
esse Christum“ (VII 120r 6vo, Lc. 4,41); „szina Jana praraka santj... Ir 
atsake save ne szinanczus“,; „certi sunt emim, lIoannem prophetam esse. 
Et responderunt se nescire...“ (VII 157: 5ff. vo, Lc. 20,7 ff). „Gieresnia 
((verb.: Ger-)) butu tam Szmogui, negimmusiam.“ „Bonum erat ei, si non 
esset natus homo ille“ (VII 99v 8f. vu, Mc. 14,21); „regesit Suny szmogaus 
besedinti ((verb.: sed-)) ...ir atenti...“, „videbitis filium hominis sedentem 
...et venientem (VII 63r 6ff. vu, Mt. 26,64). 

Auch andere altlitauische Autoren kennen diese Konstruk- 
tion, nur kommt sie bei ihnen bei weitem nicht so häufig vor, 
zum Beispiel: 

Willent: „regit mane turinti“, 83,26 (Br. ebenso); 

Dauk3a Postille: „pamätte iaunikäiti besedinti...“, 184,6f. vu. 

Diese Erscheinung ist um so auffälliger, als ihre Erklärung 
in einer größeren Zahl der Fälle bei Bretke durch das Latei- 
nische und Deutsch nicht möglich ist. 

Aus welcher Sprache läßt sich diese Erscheinung erklären? 
Theoretisch kommen das Altpreußische und das Altpolnische 


186 


in Frage, falls es keine Erscheinung des Altlitauischen sein 
sollte, die sich aus irgendwelchen Gründen nur in Bretkes 
Sprache findet, was aber unwahrscheinlich ist. 

Das Altpreufische ist zu wenig bekannt, als daß sich mehr 
als eine Vermutung aussprechen ließe. Es ist freilich sehr wahr- 
scheinlich, daß der Gebrauch der Partizipien im Altpreußischen 
sehr lebendig war, da es gerade einige Partizipien sind, die 
sich in dem sonst sklavisch vom Deutschen abhängigen Satz- 
gefüge des preußischen Katechismus von 1561 erhalten haben, 
obwohl das Deutsche hier den Infinitiv zeigt: „stan wirst tans 


pogauuns“, „das wird er empfahen‘““; „wirs... powierpuns“, 


„wird... verlassen‘“®; „wirst boüns“, „werden sein“*, 
Wahrscheinlich war auch im Urlitauischen der Gebrauch der 
Partizipien sehr verbreitet. 
Sicher ist nur, daß die altpolnische religiöse Sprache fast 
die gleichen Konstruktionen zeigt, wie sie Bretke so reichlich 


hat (siehe auch ]J. Los, Gramatyka Polska, III, S. 265). 


b) kaip= daß. 

Der außerordentlih häufige Gebrauch des litauischen 
„kaip“, das sonst „wie“ bedeutet, für „daß“ in den ersten 
Perioden Bretkes, die später meist in „iog“ verbessert wurden, 
bilden auch eine auffällige Erscheinung. 

Z. B.: „tadelei, kaip ((nach 1590 verb.: iog)) ne tikeiei“; „pro eo quod non 
credisti“ (VII 110r 8vo, Lc. 1,20); „supratusi kaip (nach 1590 verb.: iog) Jesus 
sedeia“, „ut cognovit quod accubuisset“ (VII 127 9vo, Le. 7,37); „uszusiginsi 
kaip (nach 1590 verb.: iog) manes ne I paszinstai“, „abneges nosse me“ (VII 
1637 1vo, Le. 22,34); „Gieresnia (verb.: Ger-) taw ira, kaip (nach 1590 verb.: 
iog) wienas tawo I Sanariy pagenda“ (VII 13v 7vu, Mt. 5,29); „Girdeiot kaip 
(nach 1590 verb.: iog) Seniemus sakita ll ira“ (VII 13v 8vo, Mt. 5,27) usw. 

Doch daneben beginnt Bretke bald auch das sonst gebräuch- 
liche „iog“ zu verwenden, das bereits 1585 dieses „kaip“ fast 
ganz verdrängt hat. 

Z. B.: 9. Juni 1580: Todiel (verb.: del) iog ne tikeia“ (VI 69r 15vo, 
Ps. 78,22); 18. November 1585: „Atmink. Jog mums wissiems bus mirt (V 
104r 9vo, Sir. 7,7); 3. Juli 1588: „regeia, iog nug to Med- l czio gier... wal- 
giti“ (IT 5v 13vo, 1. Mos. 3,6); 20. November 1590: „teipo buwa... papikens... 
Jog passibaszija“ (I 235r 13vu, 5. Mos. 4,21). 


651 Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 61, 4. 


025177C.,.9..63,728, 
65 L. c., S. 63, 29. 


187 


Woher dieser auffällige Gebraud des „Kaip“? 

Heranzuziehen sind wieder zunächst das Altpreußische und 
das Altpolnische. 

Im Altpreußischen heißt das dem litauischen „kaip“ = „wie“ 
lautlich sehr ähnliche „kai“ sowohl „wie“ als auch „daß“; so 
lautet z.B. im 3. altpreußischen Katechismus von 1561°* trotz 
der sonst sklavisch vom deutschen Text abhängigen Über- 
setzung der Satz: „So ist das ewer Trost/das jr || wisset vnd 
gleubet / wie ewer Standt für Gott an- || genehm... ist“ fol- 
gendermaßen: „Tit ast sta iousan Glands / kai ious waiditi || 
bhe druwetei kai ious bousennis pirsdau Deiwan...“ 

Im Altpolnischen ist nun „jako“, das heute ausschließlich 
„wie“ bedeutet, in der feierlichen Sprache der Bibel und in 
den gerichtlichen Eidesformeln auch in der Bedeutung „daR“ 
ganz geläufig”. 

Z. B.: „sic jurabunt: Iaco to swatczo, iaco Staszek szedi...“es® (Posen); 


„Testes... Jako wemi yss:..“ (Krakau); „Brzanezco... ducit testes... Ja- 
koswa przy tem byla...“ (Krakau). 


Doch auch in dem Deutsch des 16. Jahrhunderts kommt 
„wie“ für „daß“ vor”; siehe z. B. oben, S. 51 Anm. 193, und 
oben, S. 65 Anm. 259. 

Im Altlitauischen kenne ich außer bei Bretke nur noch drei 
Belege, und zwar zwei bei D. Gallus (Mc. 9,45, VII 89 (unten, 
T. XVII, Abb. 34) und Joh. 18, 7—8, VII 214 („...jhesus at- |] 
sake, Esch esmi iumus sakes, || kaip esch tas || esmi“) und einen 
im Eide der Ona Jurgaite aus dem Wilnagebiet (1651), wo 
es heißt: „Asz... prysiekiu..., anto kaip Avis mana wlas- 
nes... 
In diesem Falle dürfte kein Zweifel bestehen, daß dieses 
„kaip“ durch das polnische „jako“ veranlaßt ist. 

Da vieles in der Sprache des Daniel Gallus ganz deutlich 


62 Siehe Trautmann, Sprachdenkm., S. 66 ff. 

655 Mitteilung Herrn Prof. Koschmieders, Wilna. 

68 Siehe Witold Taszycki: Najdawniejsze zabytki Jezyka polskiego Bibljo- 
teka Narodowa, Nr. 104, S. 73 ff. 

67 Mitteilung Herrn Prof. Ziesemers, Königsberg. 

#8 „Zapiski Imperatorskoj Akademij Nauk“, Bd.49, S. 15—17, oder Gerullis, 
Skait., S. 243. Einen 4. Beleg von „kaip“ = „das“ siehe in „Berichtigungen 
u. Ergänzungen“. 


188 


zeigt, daß er in engster Beziehung zum litauisch-polnischen 
Kulturbereich gestanden haben muß‘®, er aber ebenfalls dieses 
„kaip“ hat, so ist wahrscheinlich, daß auch Bretkes „kaip“ für 
„daß“ durch das „jako“ der altpolnischen gehobenen Sprache 
angeregt worden ist, das ja bei Bretke, der Preußisch verstand, 
besonders guten Boden vorfand. 


c) Konstruktion der Verben. 


Die Konstruktion der Verben zeigt zwar nicht selten deut- 
schen Einfluß, doch sind die Fälle, in denen scheinbar das Pol- 
nische die Ursache eines Fehlers im Text Bretkes ist, weit 
häufiger. So ist er z. B. wohl sicher vom Deutschen abhängig, 
wenn er schreibt: 

»...taw H nussitikiu...“, das Rehsa in „...tawimi nussitikiu....“ ver- 
bessert (VI 12v 16—17vu, Ps. 16,2); weiter: 

„»...idant nuog l Welino buty gundintas“, Luth.: „... Auff das er von 
dem Teuffel versucht würde“ (VII 9v 1—2vo, Mt. 4,1); 

»... weskite I sziwata iusy...“, Luth.: „...füret ewren wandel“ (VIII 
155r 11vu, 1. Petr. 1,17); 

„+... Kurie... ne buwa...“, 1. Mos. 2,5; 

„...manens iüoksis“, Luth.: „...der wird mein lachen“ (I 23r 12vo, 
1. Mos. 21,6) usw. 


Bretke ist im Gebrauch der Verben, die im Deutschen einen 
anderen Kasus verlangen als im Litauischen oder Polnischen, 
nicht sicher; z. B. ie5koti: „...ieschkaiame tawe“ (VII 115" 5vo, 
Le. 2,48ff), aber in der nächsten Zeile: ,„...ieschkaiat 
manes...“; auch hat Bretke nicht selten statt des Akkusativ- 
objekts nach transitiven Verben ein Genitivobjekt, wie es das 
Slavische bei lebenden Wesen verlangt, 


2. B.: „... weisdekit Szmogaus...“, wo Bretke zwar erst: „...Szmo- 
gu...“ schrieb, es aber selbst in: „Szmogaus“ verbesserte, Luth.: „...sehet 


% Sei es, daß Gallus von dort stammte oder dort studiert hat; so zeigt z. B. 
die Übersetzung des „Hypocrita“ (Vulg. Mt. 7,5) und „Heuchler“ (Luth.) 
durch „pridenktassis“ (VIII 17 4vo) bei Gallus, daß ihr Urheber ein ge- 
bildeter Litauer aus Großlitauen gewesen ist, denn er verwechselt die 
Silbe „-crit-“ mit dem sav. „kryty“. Falls diese Wiedergabe nicht von 
Gallus selbst stammen sollte, so zeigt sie doch seine enge Verbindung mit 
litauischen Theologen aus polnisch-litauischem Kulturgebiet. Die polnische 
Erweichung, die seine Sprache anfangs hat, macht sehr wahrscheinlich, 
daß er entweder in Großlitauen oder von einem Großlitauer in Preußen 
litauisch schreiben lernte und somit auch sicher sprachlich entscheidend 
beeinflußt wurde. 


189 


einen Menschen ...“, Vulg.: „...videte hominem....“, Radz.: „... Ogladaycie 
cZlowiekä...“ (VII 181r 4vo, Joh. 4,29); 

„Ghis l wadin Elioschaus“, Luth.: „...Der ruft den Elia“, Vulg.: „Eliam 
vocat iste“, Radz.: „Eliasza ten I wola“ (VII 667 5vo, Mt. 27,47); j 

„...idant io dassilite- N tu. Jr kada ischwisdawo io Neczistos H Dwa- 
sias...“, Luth.: „...auff das sie jn anrüreten, Vnd wenn jn die vnsaubern 
Geister sahen...“, Vulg.: „...ut illum tangerent... Et spiritus immundi, 
cum illum videbant...“, Radz.: „...äby sie go do || tykäli... I A gdy 
go duchowie niesczy$ci zäyZ l reli...“ (VII 73v 8—9vu, Mc. 3,10—11); doch 
heißt es wiederholt: „...ir dassiliteio io l Ruba...“ (z. B.: VII 78r 4vo, 
Mc. 5,27). 

Bretke braucht auch Wendungen wie „dziaukties isch“ = 
„cieszy6C sie z“ (+ Gen.) (Beispiel bei „chwartunos“ bei den 
Fremdwörtern aus dem Weißrussischen), „gaileties ant“ = 
„zmilowa6 sie nad“, weiter z. B. eine Wendung wie „...regeia 
sapnije“ (I 31 6vu, 1. Mos. 28,12) für Luth.: „...jm trew- 
met...“, poln. „widzial wesni“, desgl.: „...idant taw gierai 
passiwestu“, die dem polnischen Ausdruck „powodzi6 sie komu 
dobrze czyli zle“ genau entspricht, und in der nächsten Zeile 
wieder: „...kaip antai duschiai tawo gierai passi- || weda...“, 
Luth.: „...das dirs wolgehe vnd gesund seiest, wie es denn 
deiner Seele wolgehet...“, Vulg.: „...prospere te ingredi... 
sicut prospere agit anima tua...“ (VIII 175" 6£. vo, 3. Joh. 1,2). 

Da sich der Einfluß einer fremden Sprache selbst bei einem 
Gebildeten noch lange am ehesten in Wendungen verrät, die 
aus der andern Sprache übersetzt sind, deuten auch diese 
Eigentümlichkeiten bei Bretke auf enge und lang anhaltende 
Verbindungen Bretkes mit dem litauisch-polnischen Kultur- 
bereich. 

4 Zum Wortscatz. 


Obwohl Bretke sehr viele Wörter hat, die uns in der. heu- 
tigen litauischen Literatur begegnen‘, ja sogar eine ganze Reihe 


solcher kennt, die höchstwahrscheinlich altes baltisches Sprach- 


so „Audenis“ (VII 291v 12vu, Act. 27, 14; modern; audinis = Nordostwind), 
„grasze“ (in: „...schüttelten ihre Häupter“, VII 104r 11vo, Mc. 15,29; 
modern: graiyti), „pabanga (galas)“ (VIII 51v 6vu, 1. Cor. 10,11), „pa- 
laikg“ (A) (Luth.: „...die vbrigen...“, I 34r ivu, 1. Mos. 30, 36), „plasch- 
takomis“ (I. Pl) (Luth.: „... Backen streiche“, Vulg.: „...alapas“; VII 
2167 7vu, Joh. 19,3; modern: plaStaka), „sakinti“ (Infin.) (Luth. „...be- 
fragen...“, Vulg.: „...torturi“; VII 281r 3vu, Act. 22,29), „Sostas“, „szi- 
nauti“, „wartai“ usw. 


190 


— 


gut sind, doch im modernen Litauischen fehlen“, fällt an seinem 
Wortschatz der Reichtum an Lehnwörtern und auch Lehnüber- 
setzungen auf, die zu rund 95 von 100 aus dem Polnischen und 
Weißrussischen, nur zu etwa 5 von 100 aus dem Deutschen, 
Preußischen und aus anderen Sprachen stammen. In der Fülle 
der oft nur notdürftig litauisierten slavischen Lehnwörter 
unterscheidet er sich in nichts von den aus dem polnisch-litaui- 
schen Sprachgebiet stammenden Autoren. 

Doch hat auch das damals in Preußen gesprochene Litauisch 
zweifellos eine große Menge dieser slavischen Lehnwörter in 
lebendigem Gebrauch gehabt, wie die Bearbeitung der Bretke- 
schen Psalmen durch den aus Tilsit stammenden J. Rehsa’” 
zeigt, denn dieser übernimmt mehr als die Hälfte der Bretke- 
schen Slavismen wie „grieschnuiu“ VI 3" 5vo, Ps. 1,1, „cziesu“ 
(Rehsa: „czesu“) 3" 11vu, Ps. 1,3, „Sude“ 3’ 5vu, Ps. 1,5 usw., 
doch beweist die Selbständigkeit, mit der Rehsa eine größere 
Zahl dieser Lehnwörter übernahm, daß er sie schon vorher 
kannte und wußte, daf sie vom Volke verstanden würden, so 
ersetzt er z. B. Bretkes lautlich ganz polnische „gwaltu“ durch 
das im Litauischen lautlich zu erwartende „gwoltu““®, desgl. 
Bretkes „palaciu“ usw. durch „palliociaus“, für Bretkes „per- 
szegnoghimas“ setzt Rehsa „Szegnone“ usw. 

Während Rehsa einerseits gute litauische Wörter bei Bretke 
durch Fremdwörter ersetzt (z. B.: „reikos“ durch „bedos“ 
(Ps. 10,1), „darba“ durch „proce“ (Ps. 10,7), „pamatus“ durch 
„grunta“ (Ps. 11,4), „ankscheziosiuos“ durch „tuszisiüs“ (13, 2), 
„prota“ durch „Roda“ (Ps. 14,7) usw.), ersetzt er andererseits 
viele Slavismen durch litauische Wörter (z. B.: „ischpustijami“ 
durch ‚isch 'gaischinamos“ (Ps. 12,6), „pustijancziu“ durch 
„kurie... suardo“ (Ps. 17,9), „czestawota“ durch „pagirtas“ 
(Ps. 18,47) usw.), wobei es ihm oft nur auf die Bedeutungs- 
färbung ankam, da er die bei Bretke an einer Stelle getilgten 
Vokabeln an anderer Stelle selbst wieder braucht. 

Doch merzt Rehsa eine Menge von Slavismen konsequent 
aus bzw. setzt eingebürgerte Slavismen dafür ein. Hier handelt 


61 Siehe die altlitauischen Wortbeispiele S. 192 ff. 

82 {jber Johannes Rehsa siehe unten, S. 300 ff. 

®® Genaueres zu den Beispielen in der kleinen Sammlung von Lehnwörtern 
weiter unten, S. 195 £f. 


191 


es sich sicher um Wörter, von denen er wußte, daß sie im Volke 
nicht recht oder gar nicht verstanden würden, was aber heit, 
daß sie damals in Preußen nicht gebraucht wurden und sich 
somit zum Teil nur bei Bretke, zum Teil auch bei den einge- 
wanderten litauischen Geistlichen fanden (z. B. brauchte er 
für „prawodik“: „gaelbek“ (Ps. 7,10), für „nekwartuna“: „ne- 
palaima“ (Ps. 7,17), „ezudus“: „Stebbuklus“ (Ps. 9,1), „pischi- 
nase“: „puikawos“ (Ps. 10,2), „bewainos“: „be nütarties“ 
(Ps. 19, 16), „praparcze“: „Kariung“ (Ps. 20,6) usw., sowie z. B. 
für „rabata“: „Beda“ (Ps. 10, 14). 

Diese Wörter konnte Bretke also nicht von Personen ge- 
lernt haben, die in Preußen beheimatet waren. Da die Voka- 
beln z. T. auch in den erhaltenen Arbeiten Mosvids und Wil- 
lents nicht vorkommen, muß Bretke sie notwendig von Land- 
fremden haben. 

Beachtet man dazu die Fülle von polnischen Lehnwörtern, 
die Bretke entweder allein oder nur mit den Wilnaer und 
Kedainer Drucken gemeinsam hat, sowie die Schreibung und 
Umgestaltung mancher Wörter, die die lebendige Einwirkung 
des Polnischen verraten (wie die Interjektion „Ifui“* für 
Luth.: „Pfui dich“, poln. „tfu“, ferner „kielicha“, „Kollacien“, 
„Lina“ „Palaciuna“, „ischparsamde“ —= wydawa€ usw.) — ge- 
nau wie sich seine deutschen Sprachkenntnisse in der Weise 
zeigen lassen (siehe die Beispiele unten) —, so wird wieder 
sehr wahrscheinlich, daß Bretke lange Zeit in engstem Kontakt 
mit Personen gestanden hat, die aus dem litauisch-polnischen 
Kulturbereich kamen, oder daß er selbst da gewesen ist. 

Kurz, wenn nicht archivalische Belege eindeutig zeigten, 
daß Bretke in Bammeln, in Preußen, geboren ist, würde uns 
seine Sprache zu der Annahme führen, daß Bretke aus Groß- 


litauen stammt. 


a) Beispiele altlitauisher Wörter bei Bretke: 
*arraikis Grenze (Bezzenberger, B.G.L.S., S. 63); 
*attakis Rache (Bezzenberger, B.G.L.S., S. 98); 
*biloti, *bilau, *bilojau (Post, S.5: „bilotu“, VII 123v 10vu: „bilau“); 
„dauksiaus“ (Komper.?) (VII 197r 3vu, Joh. 10,11: „...ir dauksiaus 
turetu“, Vulg.: „...et abundantius, habeant“); 


sea VII 104r 12vo, Mc. 15,29. 


192 


ET. 


„dauksingesne“ (Komper.) (VIII 137: 10vo, 1. Tim. 1,14: „malone || 
id... || dauksingesne buwa“, Vulg.: „superabundavit“; 

„daugsinoios“ (3.P.Sg. Prät) (Vulg.: crescebat, Luth.: „nahm zu“, 
VII 2397 1vu, Act. 6,7); 

„gramschkle“ (N.Sg.) (Randverb. für „...bedugno“; Luth.: „...Ab- 
grunt...“; VIII 215v ivu, Apoc. 9,1); 

„Medijas“ (N.Sg.) (Luth.: „Jeger“; I 13r 4vu, 1. Mos. 10,9); heute selten: 
„medejas“ für „medZiotojas“); 

„Medighistos“ (G.Sg.) (Luth.: „Weidwerg“; I 28r 6vu, 1. Mos. 25,28; 
heute selten „medejyste“ für „medziokle“); 

„nodemais“ (Adv.) (Luth.: „allerdinge“ = durchaus; VII 270r 41vu, 
Act. 18,21) und: „nüdemais ne“ (Adv.) (Luth.: „überhaupt nicht“; VIII 
61v 7vo, 1. Cor. 15,29); 

„pawaislu“ (-stu?) (L) (Luth.: „...an Gebärden...“, Vulg.: „habitu“; 
VIII 112v 2vo, Phil. 2,7); 

„reikos“ (G.Sg.) (Luth.: „...der Noth...“; VI 8v 2vo, Ps. 10,1); 


„szmo“ (N.Sg.) (Luth.: „...der Mensch...“; VII 127r 2vo, Lc. 7,34); 
„apszolimeio“ (verbess.: -line; 3.P.Prät.) (Luth.: „...bezauberte...“, 
Vulg.: „...seducens...“; VII 2457 7vo, Act. 8,9); 


„Taloka“ (N.Sg.) (Randverb. für: „...Merga...“; I 38v 17vu, 1. Mos. 
34,12) 08; 

sW x alawa“ (3.P.Sg.Prät.) (Randverb. für: „...dirba“; VII 106v 2vu, 
Me. 16,20). 

Ebenso Bretkes „... Wara (verb.: Wora) rikschte“. (N. Sg.) 
(am Rande dafür „Dangaus lankas“; VIII 210: 9vo, Apoc. 4,3), 
das zum litauischen „orärykste“ — „Regenbogen“ gehört und 
den altpreußischen Vorschlag von w vor anlautendem o und u 
zu haben scheint, doch kommt diese Erscheinung auch in litaui- 
schen Dialekten vor (Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 158 ff., 
$ 60). 

Dazu kommen altertümliche Wortformen wie ,‚...wienas 
liekas...“ (N. Sg.), VIII 234 3vu, Apoc. 21,20, Luth.: „...der 
elfte...“, „...antras liekas...“ (N. Sg.) VIII 234 2vu, 
Apoc. 21,20; Luth.: „...der zwölfte...“; „...biti buwen...“ 
für „...buwa...“ (3. P. Perf. ?), 1. Mos. 2,5, usw. Erwähnt 
sei, daß bei Bretke wie auch bei einigen anderen altlitauischen 
Autoren „szmones“ noch weiblich ist, z. B. „...szmones... |} 
...piktas buwa...“, I 16° 15vo, 1. Mos. 13,13; „...Dweios 
szmones...“ (N. Pl.) I 28: 18vu, 1. Mos. 25,23. 


Im Folgenden Beispiele zur Veranschaulichung des Fremd- 


665 Siehe hierzu E. Fraenkel, KZ. 51 (1923), S. 250. 


13 Falkenhahn, Bretke 193 


wortbestandes bei Bretke*. Unter dem Titel: „Geschichte“ ist 
in manchen Abschnitten die Übersetzung oder der Gebrauch 
eines Ausdrucks im Laufe der Arbeit Bretkes an der Bibel 
verfolgt. 

b) Germanismen. 

Auffällig ist die verhältnismäßig ganz geringe Zahl von 
Germanismen bei Bretke, die direkt aus dem Deutschen ent- 
lehnt sind; sie zeigen zum allergrößten Teil die typischen Um- 
gestaltungen des Slavischen, kommen also aus dem Polnischen 
oder Weißrussischen. Der aus Preußen stammende Bretke hat 
scheinbar bewußt die allzu deutsch klingenden Wörter ver- 
mieden; so hat das Altpolnische z. B. „plantowa€“ und „flanco- 
wa“ für „pflanzen“, Breike aber schreibt: „plantuoti“ (siehe 
unten, S. 196). 


a) Unmittelbar aus dem Deutschen entlehnte Germanismen. 


„Tintu“ (1.Sg.) VIII 67v 3vu; Rand Br.: „Tinten“. 

Geschichte: Am 3. März 1580 schreibt Bretke im Text: „...Ne tintu, bet l 
Dwase“ und an den Rand: „Tinten“ (VIII 67v 3vu, 2. Kor. 3,5), später, na 
Durchstreichung des „Tintu“, schreibt er darüber: „(czernilu)“, und an den 
Rand zu „Tinten“ fügt er „czernilas“; am 17. März 1580 im Text: „...Tintu 
(czernilu)....“, an den Rand nach 1590: „inkaustu“ (VIII 174v 6vu, 2. Joh. 12); 
am 7. April 1590 im Text: „...raschiau... czer- I nilu...“ und am Rande 
„tinte“, später am Rande dazu „inkaustu“ (IV 1287 11vo, Jer. 36,18). 


„Wardelija“ (L.Sg.) VIII 204v 7vu; deutsch: Werder. 


Geschichte: Am 25. März 1580 im Text: „...buwau I Werdelija Wardu 
Pathmos“, am Rande nach 1590: „Salloie“ (VIII 204v 7vu, Apoc. 1,9), wohl 


am gleichen Tage Text: „... Werdelei...“, Rand nach 1590: „Salos“ (2137 
9vo); 21. April 1580 Text: „...Werdelis...“, Rand: „Insel“, später über 
Text: „(Salas)“ (wann?), nach 1590 an den Rand: „Salawas“ (VII 256r 2vu, 
Act. 13,6); 3. Mai 1580 Text: „...ateijom Salosp (Werdelop) ....“ (VII 291v 


9yu, Act. 27,16), so noch zweimal in Act.; 9. Juni Text: „Karalei... Salu...“ 
(VI 63r 3vo, Ps. 72,10), ebenso nochmals im Psalter; in allen späteren Texten 
nur „Sala“ usw. 


Einige Lautveränderungen verraten Einfluß des Deutschen, 


2.B.: „scheferu“ (G.Pl.) (VII 149r 6vu, Lec. 16,1), statt „schefaru“, wie es 
nach dem poln.: „szefarz“ heißen müßte; wohl weil Bretke an deutsch: 
„Scheffer, Schaffner“ denkt. An anderer Stelle schreibt er auch: „Scheffarui“ 
(D. Sg.) (VII 45v 4vu). 


666 Zu diesem Abschnitt ist Pr. SkardZius, „Die slav. Lehnw. im Altlitaui- 
schen“, weitgehend benutzt. 


194 


Auch eine Schreibung wie ,„Hertzigistu“ (VIII 99v 3vo, Eph. 1,21), die 
offensichtlich durch das deutsche „Hertzig“ des 16. Jahrhunderts beeinflußt 
ist, während Bretke sonst auch z. B. „Hertcikiu“ (VII 241r 9vu, Act. 7,10) 
usw. hat, zeigt, daß Bretke deutsch kann; gleich in derselben Reihe schreibt 
er die Affrikata c, nämlich in dem aus dem Polnischen entlehnten Worte 
„maces“ (siehe Gerullis, Lit. Erbeid von 1572, in: Arch. f. sl. Phil., Bd. 40 
(1926), S. 300). 


£) Über das Polnische oder Weißrussische entlehnte Germa- 


nismen im Litauischen Bretkes. 


„falschiwa“ (A.Sg.M.) VII 256v ivo; Dauk., Mt. Wolf.P.; poln.: 
„falszywy“. 

Geschichte: Während Bretke am 16. Oktober 1579 „falsch“ wie folgt 
übersetzt: „Malane testaw ne kitrauianti“ (VIII 28v 12vu, Röm. 12,9), gibt 
er das Wort seit dem 17. Oktober durch „falschiwas“ wieder; „...falschiwi 
Brolei...“ (VIII 88: ivo, Gal. 2,4); 21. April 1580: „...rado... falschiwa 
Praraka“ (VII 256v 1vo, Act. 13,6), und öfter bis etwa 17. Mai 1580: „...iesch- 
koia falschiwo (neteisaus) liudi- Il mo...“, (VII 63v 3vo, Mt. 26,60), 24. Mai 
1580: „...schad- l liwos (falschiwos) burnos“ (später verb.: „schkadliwos“; 
VI 137 Zvu, Ps. 17,1), ab 26. Mai 1580 meist: „...neteisus liudini- | kai“ 
(VI 25v 10vo, Ps. 28,12), 8. Dezember 1585: „Swaras ne tikras...“ (Ill 191r 
1vo, Prov. 11,1) und so ähnlich bis 21. November 1590; „...neteisiaus Liu- 
dimo...“ (I 2358r 5vo, 5. Mos. 5,17). 

Doch kehrt er in Königsberg wieder zu „falschiwas“ zurück: z. B. 18. Ja- 
nuar 1590: „...falschiwa Dwase...“ (III 687 13vu, 2. Chr. 18,21). 


„Gualta“ (G.Sg.) VII 116r 2vo; nur Bretke; Dauk., Rehsa und Chyl.: 
„gwoltu“ usw.; poln.: gwalt. 

Geschichte: Etwa ?. März 1579: „...Gualta... ne darikite“, später (vor 
1590) überschr.: „Newalios“ (VII 116r 2vo, Lc. 3,14), so öfter, bis 21. Mai 
1580: „...stumda... ubaga gwaltu (sila)“ (VI 9r 2vo, Ps. 10,10). Danach 
übersetzt Bretke mit „sila“ und, wie auch schon vorher, mit „mace“, doch 
kehrte er nach 1590 wieder zu „gwolto“ zurück (Randbemerkung II 156r 8vu, 
2. Sam. 22,3). Rehsa setzt für Bretkes „gwaltu“: „gwoltu“, er kannte es also. 


„Kelika“ (A.Sg.) VII 162r 6v0o; Mosv., Waischn. und Will. haben 
„kilikas, kilicha“ usw., Dauk., Sir. haben „kielikas“ usw.; poln.: kielich. 

Geschichte: Mitte März 1579: „...kelika“ (VII 162r 6vo, Le. 22,17) und 
oft. 22. Februar 1580: „...kelichas“ (VII 52r 7vo, 1. Kor. 10,16) und öfter 
bis 14. Mai 1580 ff, wo Bretke „kielicha (VII 46v 12vu, Mt. 20,23) schreibt; 
so öfter vermischt mit „kelichas“, 1590: „kelichas“, 


„Lina“ (A.Sg.) VII 287 1vo (verb. nach 1590 in „knata“ (weißr. oder 
poln.)); Sir.; poln.: lina. 

Geschichte: Am 13. Mai 1580 übersetzt Bretke „Lina“ (siehe oben, 
Mt. 12,20), am 19. März 1590: „...knata smilkstanti...“, doch schreibt er 
zweifelnd an den Rand: „glimmende tocht“. 


13% 195 


„plantawa“ (später verbess.: „czepija“) (3.P.Prät.) VII 152r 10vo, 
Le. 17,28; Luth.: „...pflanzten...“; altpoln.: plantowad. (Auch „plantija“ 
VII 157v 12vo, Lc. 20,9; Luth.: „...pflanzte...“.) 

„plona“ (später verb.: „klüna“) (A.Sg.) VII 9r 4vo; Mt. 5,12; Luth.: 
„»... Tenne...“; altpoln.: plan; (preuß.: plonis). 

Geschichte: 11. Mai 1580: „...Ghissa () plona (kloghima) sawa 
schluos...“ („plona“, verbess.: „klüna“; siehe Beispiel). 5. September 1588: 
„...Klünus (plana)“ (A.); 5 Zeilen weiter: „...pas Plana...“ (am Rande 
nach 1590: „kloghima“ (I 56r 17 u. 21vu, 1. Mos. 50,10 f.); 28. August 1590: 
„... wissi pla(?)nai (verbess.: klünai)...“ (V 7v 18vo, Hos. 9,2)). 

„Riceriste“ (A.Sg.) VIII 231r 4vu; Rand: „heer“; das von „Ricerus“ 
„helt“ (N. Sg.) II 43r 14vo; poln.: rycerz; Dauk.: ricierius („...regeiau... 
in Riceriste (pulkus)....“). 

Geschichte: Bretke verwendet die Wörter gelegentlich während der gan- 
zen Zeit, wenn er’ auch „Heer“ öfter mit „...kari...“ übersetzt (z. B. VII 
50v 8vo, Mt. 22,7). 

„schirmawoiu“ (1.P.Sg.) VIII 51r 7vo; Wolf. P, Will.; altpoln.: 
szyrmowa& („...schirmawoiu (kariauiu) ne ora muschdams...“. 

Geschichte: Am 21. Februar 1580 übersetzt Bretke „fechten“ wie das 
Beispiel zeigt (1. Cor. 9,26), am 2. März mit: „...karawau...“ (später 
„kariawau“; VIII 61v 13vo, 1. Cor. 15,32). 

„szalnerius“ (A.Pl.) VII 125v 5vo; Dauk., Will, Chyl. haben Szal- 


nierus usw.; poln.: zolnierz („...turis... szalnerius...“). 
Geschichte: Stehender Ausdruck für „Kriegsknecht“. 


y) Aus dem Deutschen oder über das Polnische entlehnte 
Germanismen. 

„bota“ (A.Sg.) VII 291 Zvu; Wolf. P.: „batas“; deutsch: „Boot“ oder 
altpoln.: „bat“. 

Geschichte: Am 3. Mai 1580 im Text: „...sugrebem Walti (bota) ...“ 
(VIT 291v 7vu, Act. 27,16); am 9. Mai 1580 im Text: „...idant iam Boteli 
gata- ll wa turety...“ (VII 73v 13vu, Me. 3,9); am 12. Mai 1580 im Text: 
„»...ıir Laiwas H wilnimis apdengiams buwo...“ (VII 20r 15vu, Mt. 8,24). 

„trapump“ (III.Pl.) VII 279r 7vo; 2. Kön.: „stuffe“; deutsch: „Treppe“ 
oder alipoln.: trepy. 

Geschichte: 1. Mai 1580 Text: „...ataijo trapump...“, darüber nach 
1590: „Kopecziump“, ebenso am gleichen Tage Text: „...ant trapu...“, 
darüber nach 1590: „Kopecziu“ (VII 279: 7vo und 4vu, Act. 21, 35 und 40); 
31. Dezember 1589 Text: „nori de- || schimti trapy...“, Rand: „stuffe“, nach 
1590 „schinksniu“, „pakopa“, „pakopu“ (II 222r 4vu, 2. Kön. 20,9). 


Lehnübersetzung aus dem Deutschen oder Polnischen ist. 
z. B.: „...pristaket...“ in „...pristaket ie...“ VIII 34’ 8vu, 
Röm 16,2; Luth: „...tut ihr Beistand...“, poln.: przystad = 
sich anschließen, zu jemand treten. 


196 


rg 


c) Slavismen. 


a) Beispiele polnischer Lehnwörter bei Bretke. 


„Anialui“ (D.Sg.) VIII 205 9vo; Mosv.: Pietk. und Post. 1600 haben 
„Aniolas“ usw.; Dauk., Sir, Chyl. haben „anielas“ usw.; poln.: aniol, alt- 
poln.: aniel. 

Geschichte: Mitte März 1579: „...Angelas...“ (VII 113r 10vo, Le. 2,9), 
so bis 25. März 1580; „...Anialui...“ (später verb.: „Angelui“, VIII 205v 
9vo, Apoc. 2,1), so oft, 7. April 1580: „...Anielas“ (später verb.: „Angelas“; 
VII 237v 4vu, Act. 5,19), so oft, 3. Mai 1580: „...Anialus“ (später verb.: 
„Angelus“) (VII 175v 7vu); 6. Mai 1580: „...Anielas...“ (später verb.: „An- 
gelas“; VII 204v 11vo, Joh. 12,29), so oft, 20. Juni 1580: „... Anialams...“ 
(später verb.: „Angelams“; VI 82v 5vo, Ps. 91,11), so noch oft; 25. Juni 1580: 
»... Anialus...“ (später verb.: „angelus“; VI 91r 13vu, Ps. 104,4); 22. No- 
vember 1585: „...Angelas...“ (V 87v 4vu, Tob. 3), so oft; 28. Juli 1590: 
»...Angelu...“ (V 9v 17, Hos. 12,5), so bis zum Schluß. 


„assabliwai“ (Adv.) I 54v 9vu, 1. Mos. 48,22; „assabliwa (A. Sg.) 
I 687 17vu, 2. Mos. 8,22; poln.: osobliwy; siehe Bezzenberger, B.G.L.S., 
S. 273. 


„bespiecznas“ (N.Sg.) IV 14v 4vu; nur Br.; poln.: bezpieczny. 

Geschichte: 8. Dezember 1585: „...tur stipra (ischtikima) Pilli...“ (III 
193v 7vu, Prov. 14,26); 31. Oktober 1589: „...bespiecznai giwe- | naces 
(TI 149v 18vu, 1. Reg. 5,5); 19. Januar 1590: a: Obivekleiee| usit be- 
spieczni...“, Rand: „sicher“, nach 1590 auf Rand: „spakaini“ (Ill 7iv 12vo, 
2. Chr. 20,20), so noch öfter. 


„brona“ (N.Sg.) VII 18r 2vo „pforte“; nur Bretke und 1653 Knyg. 
Nob.; altpoln.: „brana“. 

Geschichte: 12. Mai 1580 Text: „...brona (Wartai) ira ardwus...“, » 
Rand: „Pforte“ (Mt. 7,13), doch 14. Juli 1588 Text: „...schieze ira Duris, 
(Langa, l Wartai) Dangaus“ (I 32r 14vo, 1. Mos. 28,17). 


„Galileiczi- l kas“ (N.Sg.) (später verb.: „isch Galileiu sze- I mes“) 
VII 102v 3vo, Me. 14,70; Wolf. P.; Will.; Luth.: „...ein Galiläer...“, poln.: 


galilejczyk. 


„Gre- || kais“ (I.Pl.) VII 2487 12vo, Act. 9,29; Luth.: s... mit den 
Griechen ....“; poln.: grek. 


„BEgijpciakai* (N.Pl.) VIII 199r 8vu, Hebr. 11,29; Luth.: „...die 
Ägypter“; poln.: ?, 

„ralmusznas“ (A.Pl.) VIlv 7Zvu; Wolf. Pl, Dauk.; poln.: jalmuzna. 

Geschichte: Nur zu Beginn der 1. Periode, etwa Mitte März, schrieb 


Bretke das erstemal: „...ialmosznas“ (VII 139r 13vu, Lc. 11,41), später 
immer „ialmusznas“ usw. 


„inkaustu“ (l.Sg.), Luth.: „...Tinte...“; poln.: inkaust (siehe Bei- 
spiel im Abschnitt über „Tintu“, S. 194). 


19% 


„Kollacien“ (A.Sg.) I 23r 16v0; Wolf, P., Dauk., (doch diese haben 
„Kalacija“ usw., Br. hat in der ersten Silbe o wie poln.: kolacja, aber wohl 
auch unter dem Einfluß des lat. collatio, denn er schreibt wiederholt: 
„Collacia“, VII 121v 7vu, 146r 3vo, desgl. III 135r, 9 und 19vo, das er nach- 
träglich in „Kollacia“ verändert) („...pakiele dide Kollacien ...“). 

Geschichte: Bretke hat das Wort stets; er hatte zu Anfang „Col-...“. 


„krapele“ (Bretke später Rand: „tupslis“) (N.Sg.) VII 12v 4vu, 
Mt. 5,18; Rand: „tittel“; altpoln.: kropia (Bezzenberger, B.G.L.S., S. 296). 


„uszmeschkoia“ (3. Präs.) VIII 166r4vo und öfter; nur Bretke; poln.: 
mieszka& („...ne trukin, (ne uszmeschkoia) Paszadeghima ...“). 

Geschichte: Bretke übersetzt „verziehen“ noch März 1579 mit „trunka“ 
(VII 142v 2vo, Lc. 12,45 und VII 152v 11vu, Le. 18,7); am 16. März 1580: 
„... uszmeschkoia“ (siehe Beispiel, 2. Petr. 3,9), danach 25. März 1580: „...ne 
trukdams...“ (VIII 197r 12vo, Hebr. 10,37); am 16. Mai 1580: „uszutruka...“ 
(Prät.) VII 57r 1vu, Mt. 25,5; 29. Mai 1580: „ne truk“ (Imper.2.Sg.; VI 36 
11vu, Ps. 40,18), ebenso 16. und 19. November 1585 (V 101v 5vo, Sir. 5,8 und 
V 111v 2vo, Sir. 18,22); 25. August 1588: „...meschkoia...“, Rand nach 1590: 
„trukka“ und 4. September: „...meschkoie...“, Rand nach 1590: „trukke“ 
(I 387 2vu und 49r 8vo, 1. Mos. 34,19 und 43,10); 20. September 1589: „...usz- 


truka...“ (Prät. II 137 17vo, Jos. 10,13); 1. Oktober 1589: „...trunka...“ 
(Präs. II 35: 3vu, Judic. 5,28); 1. September 1590: „...unsztrunk...“ und 
„»... usztruks...“ (V 35r 17 u. 18vu, Hab. 2,5); 20. Oktober 1590: „...trun- 


kanti...“ (I 1057 10vo, 2. Mos. 32,1). 


„Nazarenska“ (A.Sg.M.) VII 1687 3vu; Will; poln.: Nazareiski; 
„Ape Jesu Nazarenska“). 


„palaciu“ (A.Sg.) VII 138r 4vo; Will.; Dauk.; Sir. und Rehsa, Ps. 45 
(letzterer hat „palliociaus“ für Bretkes „namy“, er kannte es also; Br. 
schreibt ebenda Vers 16 an den Rand: ‚„ palaciuna): poln.: palac. 


Geschichte: Bretke schreibt Mitte März 1579: „...palaciu...“ (siehe Bei- 
spiel, Lc. 11,21), doch unterschied er damals a und o nicht; später, als er 
a und o auseinanderhält: „...palocius...“ (10. Mai 1580, VII 99v ivo, 


Me. 14,15); 9. Juni 1580: „...dwaras...“, nach 1590 überschrieben: „Pala- 
cius“ (VI 63v 12vu, Ps. 73,4); 6. Juli 1580: „dwarosyu...“, Rand nach 1590: 
„Palaciosa“ (VI 115v 14vu, Ps. 122,7); 28. März 1590: „...Palacius...“ (VI 
86r 15vu, Jer. 9,20); 29. August 1590: „...Palaciu...“ (V 18r 2vu, Amos 6,8). 


„patskarbinikas“ (N.Sg.) VIII 36r 9vu; nur Bretke altpoln.: pod- 
skarbnik (,„...miesta patskarbnikas...“). 
Geschichte: Immer beibehalten. 


„prawodik“ (2.P.Sg. Imperat.) VI 67 5vo; nur noch 1655 Knyg. Nob.; 
poln.: prowadzic; Rehsa ersetzt es Ps. 7,10 durch „gaelbek“; („...prawodik 
Teisiuosius...“). 

Geschichte: 21. Mai 1580: „...prawodik...“ (siehe Beispiel, Ps. 7,10), 
später übersetzt Bretke „fördern“ mit „paskubinti“, so am 29. Mai 1590: 
»... paskubin...“ (VI 35r 1vo, Ps. 37,23). 


198 


„rasgrieschitis“ (Infin. Refl) I 200r 15vu; nur Bretke; poln.: roz- 
grzeszy6 sie. 

Geschichte: 30. Mai 1580: „... Atgriekauk mane“ (VI 45v i1vu, Ps. 51,9); 
14. November 1590: „...atsigriekauti...“, Rand: „entsündig[en]“, später 
auf Rand zugeschrieben: „rasgrieschitis“ (siehe Beispiel, 4. Mos. 19,13). 

„Samaritan-|| ka materischke“ (N. Sg.) VII 179v 10vu, Joh. 4,9; 
Luth.: „...das samaritische Weib...“; poln.: samarytanka. 


„Sezepona“ (A.Sg.) VII 244v 15vo, Act. 8,2; Will.; altpoln.: Szezepan. 


„serce“ (A.Sg.) I 231v 16vu; nur Bretke; poln.: serce. 

Geschichte: 25. März 1580: „...dumoia...“ (VIII 200r 14vo, Hebr. 12,3); 
18. März 1590: „Duma prota...“, Rand: „Mut“ (IV 39r 3vo, Jes. 37,7); 
20. November 1590: „...usskietawa io dwasse“, Rand: „Mut“, später auf 
Rand zugeschrieben: „serce“ (siehe Beispiel, 5. Mos. 2,30). 

„newdzenczni“ (in Klammern hinter „nediekingi“) (N. Pl.) VIII 146r 
11vo, 2. Tim. 3,2; Luth.: „...undankbar...“; poln.: niewdzieczny. 

„Wlachu“ (G.Pl.) VII 269: 5vo; nur Bretke und Dauk. (letzterer hat: 
„Wiaküse“ (L.Pl.); poln.: Wiochy („...isch Wlachu sze- I mes...“). 

Geschichte: 26. März 1580: „...isch Italios (isch Walachu szemes)“ 
„...isch Italios...“, Rand nach 1590: „walachu Szemes“ (VIII 205r 2 u. 4vo, 
Hebr. 13,24 und 25); 28. April 1580: „...isch Wlachy sze- I mes...“ (VII 269r 
5vo, Act. 182); 2. Mai 1580: „...ing Wlachy szeme...“ (VII 290v 9vo, 
Act. 27,1). 


ß) Lehnübersetzungen. 


Viele Wortbildungen bei Bretke sind nicht, wie nach seiner 
Herkunft sowie seinem Bildungsgange — soweit er bekannt 
ist — zu erwarten wäre, aus dem Deutschen oder Lateinischen 
zu erklären, sondern sind offensichtlich Lehnübersetzungen 
aus dem Polnischen, die Bretke zum Teil allein, aber zum Teil 
mit großlitauischen Autoren gemeinsam hat; diese Lehnüber- 
setzungen verraten auf jeden Fall ein Litauisch, das nicht 
unter deutschem, sondern unter polnischem Einfluß steht”. 
So z. B.: 

„ischparsamde“ (3.Prät.) VII 49v 3vo; poln.: wynajmowa& (,„...isch 
parsamde ig Winicznika- || mus.. =): 

„perszegnoghimas“ (N.Sg.) VI 4r 8vu; altpoln.: przezegnanie; 
Rehsa dafür: „Szegnone“ (Ps. 3,9), er kannte das Wort also; in der Form 
von „szegnosiu“ Bretke, I 14v 2vu und „Szegnone“ noch Will, Dauk., Piet.; 


poln.: zegna6, zegnanie („...ir tawa perszegnoghimas ant || tawa Szmo- 
DIUN ... 


87 Siehe auch unten, S. 224 f. 


199 


Geschichte: „Segen“ übersetzt Bretke: 17. Oktober 1579: „...szegna- 
ghimu...“ (VIII 34: 5vu, Röm. 15,29), so bis 20. Mai 1580, von wo ab Bretke 
auch „perszegnoghimas“ (siehe Beispiel, Ps. 3,9) verwendet, so bis zum 
Schluß; 26. November 1590: „...Perszegnoghimas...“ (I '279v 16vo, 5. Mos. 
33,1). 

„perszegnaia“ (3.Prät.) VII 170v 1vo; nur Bretke (1653 Summa Th.); 
poln.: przezegnae. 

Geschichte: Etwa 7. März 1579: „...szegnaia l iemus Simeon“ (nach 
1590 Rand: „(paschlowina)“) (VII 114r i1vu, Le. 2,34); 30. März 1579: „...ir 
(Jesus) perszegnaia ios...“ (darüber vor 1590: „atsisueikima (!)...“) und 
»...kaip || perszegnaia ios“ (Rand nach 1590: „paschlowina || iemus“) (V II 
170v 1 und 2vo, Lc. 24,50,51); 27. Oktober 1579: „...szegnaia mus...“ 
(VIII 98: 11vu, Eph. 1,3); 7. April 1580: „...idant ius perszegnotu ...“ (VII 
. 234r 7vu, Act. 3,26), so bis zum Schluß; 15. November 1590: „kuri I tu szeg- 
noghi...“ (I 204v 19vo, 4. Mos. 22,6). 


„prasideio“ (3.Prät.) VIII 176v 14vu, Jac. 1,15; Luth.: „...emp- 
‘ (poln.: pocza€ = beginnen, 


fangen hat...“, Radz.: „...paciawszy...' 
schwanger werden). 
„sunkiamus“ (D.Pl.Fem.) VII 1607 1vu, Le, 21,23; Luth.: „...den 


Schwangern...“; altpoln.: ciezka = schwanger. 


y) Beispiele weißrussischer Lehnwörter im Litauischen 
Bretkes. 


nechwalczewo- I to“ (G.Sg.) (Bretke Rand, nach 1590, für Text: 
»... cZisto...“) VII 203r 5vo, Joh. 12,3; Luth.: „...ungefälschter“; weißruss.: 
„XBanbinasämg“eee, (D. Gallus schreibt: „ne qwaleziawaiem“, Rand VIII 
69r 2vo, 2. Cor. 42; für Br. Text: „...ne smirdawodami (kitraudami)...“ 
und Br. Rand: „felsch[en]“). 


„ezeresla“ (A.Sg.) VII 207°: 3vu; nur Bretke und Gallus (siehe Bei- 
spiel „Kolita“ S. 202; weißr.: yepecno. 


„ezer-Iniliu“ (1.Sg) (Br. Rand.: „tinte“, später Br. Rand: „in- 
kaustu“) IV 128r 11vo, Jer. 36,18; weißruss.: yapHina®® (siehe Abschnitt über 
„Tintu“, S. 194). 


„prissigadija“ (3.Prät.) VII 265r 1vo; Wolf. P.; weißr.: Tansimma® 
(„... prissigadija, kaip eiom....“). 


„kwarschini“ (2,P.Sg.Präs.) (Gallus Rand: „pabosti“) VII 78v 8vu, 
Me. 5,35; Luth.: „...mühest du...“ Auch Z. Blothno kennt das Wort: er 
übersetzte Tob. 2,23 (V 867 11vo): „Tokeis ir tam ligeis szodzeis ghi ll ghij 
ija wargiu dielei kibinoia l aın ((von Bl. durchstr.)) od[er] kwarschinoia“ 
(Bretke: „...mete ghi iam uszu akis io || wargus...“; Gallus schrieb an den 


008 Neuweißrussisch: DaubımaBäurp (Hekpamssiy-baükoy). 


e® HocoBHYB: YEPHANO. 
0 HocoBHyp: TOomaTbca. 


200 


Rand: „warff sie jm sein elend fur 1 permete ghi jam ja wargus‘). Vulg.: , 
»... vexas...“; altweißruss.: *xBapmmmp?81 (Siehe poln.: „forsa“; Brückner, 
„Siown. Etym.“) Siehe auch Bezzenberger, B.G.L.S., S. 297. 


„nekwartuna“ (N.Sg.) VI 6v 6vu; nur Bretke, weißr.: xBopTyHa.%”? 

Geschichte: 21. Mai 1580: „...nekwartuna...“ (siehe Beispiel, Ps. 7,17; 
Rehsa ersetzt es durch „nepalaima“); 5. Juli 1580: „...palaima“ (VI 115v 
13vu, Ps. 122,6); 18. November 1585: „...palaims bei nepaleims“ (N. Sg,, 
später nach 1590 verb. in: „palaima bei nepaleima“, V 106r 9vu, Sir. 11,14); 
25. November 1585: „...welidami iam chwar- l tunos, dzaukdamies wissi 
su iü isch chwar- l tunos, kure iam Diewas buwa darens“ (V 94v 8—11vu, 
Tob. 11,17); 2. Dezember 1585: „...Durnuiu palaimas nuszawin iüs...“ (III 
184v 15vu, Prov. 1,32). 


„melniczas“ (G.Sg.) VII 151r 5vo; Sir; Dauk.: weißr.: MejIbHAuNa 
(„...akmo malu- || na (melniczas) ...“). 


„pahani“ (A.Sg.) VIII 141r 5vo, 1. Tim. 5,8; Luth.: „...ein Heide...“; 
weißruss.: IOTäHB.87% 


„plemes“ (G.Sg.) VIII 136r 6vu; Wolf. P, Dauk.; weißr.: unema 
(„... Reijstru plemes...“). 


1. „Welbludo“ (G.Sg.) VII 69r 9vu, und 2. „Werbludy“ (G.Pl. 
I 157 2vo. 

1. Mosv.; 2. Will; Dauk.; weißr.: Ben6noAB Bep6nomp* („... Wel- N 
bludo gaurais...“, „...iam buwa Werblu- l dumas)s 


Eine Lehnübersetzung aus dem Weißrussischen ist z. B.: „...uszei- 
kite...“; Luth.: „...Kehret ein... “5; weißr.: 3axansiub = herangehen, be- 
suchen. 


6) Lehnwörterbeispiele aus dem Weißrussischen oder Pol- 
nischen. 

„daswalik“ (2.P.Imp.) V 22v 6vu; nur Bretke; weißr.: NasBöninp®”® 
oder poln.: dozwolic. 

Geschichte: 26. Februar 1586: „...ne daswalik mums prapulti...“ (später 
darüber: „dük“) (siehe Beispiel, Jon. 1,14); 20. Oktober 1590: „...pamileisk, lt 
idant mana kerschta... ikirsch- ll tu...“ (I 1057 16vu, 2. Mos. 32,10). 


„Gunias“ (A.Pl.) VII 269r 12vo; Rand: „Teppich“; Sir.; weißr.: Tyna, 


#ı Neuweißrussisch: Dapciup = wichtig tun, prablen, Hekpamasiy Baikoy. 
672 Neuweißrussisch: Dapryna. 


#8 Zu dem Weichheitszeichen -p, das das litauische *pahanis fordert, siehe 
Hekpamasuy-baikoy, S. 392. 


67% Neuweißrussisch: BapOnton. 
#75 ] 21r 12vo, 1. Mos. 19,2. 
6° HoCoOBHYB! NO3BÖNHTB. 


201 


poln.: gunia („...dariti || kaurus (alij Gunias)....“). Beide Substantive sind 
nachträglich in den im Text leer gelassenen Platz eingetragen, und zwar das 
erstere nach 1585, da Gallus zu Bretkes Randbemerkung „tepich“ und zu 
dessen Text „dakieis“ vom 7. Dezember 1585 „kaüras“ und „kaurais“ 
schreibt (III 188r 3vo). Bretke kannte das Wort also 1585 noch nicht. Die 
erstangeführte Stelle (VII 269r 12vo) befindet sich in Act, das Gallus nicht 
korrigierte”, die zweite in Prov.; am 23. März 1590 schreibt Bretke im 
Jesaiatext sofort: „...ischklok kaurus“ (IV 59r 19vu), dagegen schreibt er 
nach 1590 zu allen drei Stellen „Gunia“ usw., dabei beging er sogar damals 
noch den elementaren Schnitzer, zwar am Rande „Gunia“ neben „tepich“ 
und Gallus’ „kaüras“ zu schreiben, doch im Texte änderte er sein „dekieis“ 
und das „kaurais“ von Gallus in „guneis“! 


„Hetmanas“ (N.Sg.) VII 258r 6vu; so nur Bretke; Will, Dauk. und 
die Postille von 1600 haben „Hetmonas“ usw. (Bretke unterschied damals 
o und a schon sehr genau!); weißr.: T'ermaH® oder poln.: hetman, wahr- 
scheinlicher ist jedoch, daß Bretke durch das Polnische beeinflußt ist); 
(„...nueija I Hetmanas (Wiriausis su Tarnais)....“). 

„kolita (A.Sg.) VII 207 3vu; Sir.; weißr.: kanmtä, altpoln.: kalita 
(„... Judoschus I kolita (czeresla) tureio...“; später Rand: „(maiszeleli)“; 
zu dem etwas später geschriebenen „...penigu iostoia...“ bemerkt Gallus 
am Rande; „im gurtel Cziariasle“ (VII 80r 14vo), etwa 8% Jahre später, 
schreibt Bretke im Text sofort „czeresleli, wozu er jedoch zweifelnd an den 
Rand „bündlein“ notiert. Hierzu setzt Gallus nun wieder „rischuli“ (I 48V 
8vo); siehe auch weißr. Beispiel „czeresla“.) 


„praparcze“ (A.Sg.) VI 18r 1ivo nur Bretke; weißr.: Ipamopeyb 
oder poln.: proporzec; (,„...pakieliam l praparcze“ verb. in „Karuna (wie- 
luka)“, am Rande „Panir, uexillu[m]“, später schrieb Bretke an den Rand: 
„Karuna || Draucze || plrlapartis || kapie“. Diese Textstelle ist am 25. Mai 
1580 niedergeschrieben; vorher am 3. Mai übersetzte er noch „Szenkla“, wozu 
er noch an den Rand „Panier“ setzt; erstere ist später mit „Karuna“ über- 
schrieben, zu letzterem fügte Bretke „prapartis“; 11. März 1590: „prapar- 
cziu“ (A. Sg.), verb.: „Karuna (wieluka)“, IV 7v 12vo; 13. März desgl. (zwei- 
mal)). 

„Stracha“ (A.Sg.) VII 55r 3vu; nur Bretke, der hier sonst a und o 
unterscheidet. Piet. und Chyl. haben „strochas“ oder das im Litauischen 
lautlich richtige „strokas“ usw.; („...ischwisite Neapi- l kanta (Stracha) 
ischpustighimo...“; Bretke gibt das Lehnwort auf: 23. November 1590: 
»... Neapikanty (biau- I ribiu) ...“ I 256r 17vo). 


&) Beispiele altpreufischer Lehnwörter. 


„Alwo“ (G.Sg.) III 162r ivu; preuß.: alwis. 

Geschichte: „Blei“ übersetzt Bretke am 1. März 1590: „Alwo“ (siehe Bei- 
spiel, Job 19,24); 30. August 1590: „Alwo wirwe“ (V 19r 1ff.vo, Amos 7,8 ff.); 
nach 1590: „schwins“ (I 79v 1ivu, 2. Mos. 15,10). 


#77 Siehe unten, S. 245. 


202 


„ausinas“ (N.Sg.) VIII 193v 1f.; preuß.: Ausis. 

Geschichte: Bretke übersetzt „Gold“, „golden“ usw.; 15. Februar 1580: 
„auksini“ (VIII 145v 13vu, 2. Tim. 2,20) usw.; 24. März: „au- I sinas“ (VIII 193v 
1£., Hebr. 9,4); 25. März 1580: „aukso“, „auksina“ (VIII 205r 11 und 15, Apoc. 
1,12££.); 25. März (VIII 211v 3£.vo, 210r 15vu, 211r 1vu) usw.: im ganzen 
18mal; am 30. April: „Aus- ll kale“ (am Rand nach 1590: „Salatorius“ N. Sg.; 
VII 272v 3f.vo, Act. 19,24); am 11. März 1580: „auksa“ (VII 7: 5vu, Mt. 2,11); 
12. November 1585: „auk- l sas“ (V 99r 15f.vo, Sir. 2,5) usw.; 3. Juli 1588: 
„auksas“ (I 4r 7vu, 1. Mos. 2,12) usw.; so bis zum Schluß, dabei aber: 
31. Januar 1590 „aus- |] kalljs“ (verb. in „Aukskalljs“; III 117v 5—4vo; 
Nehem. 3,8, siehe auch III 1187 oben, Nehem. 3,31 f.); 18. März 1590: „Auska- 
lis“ (Rand: „Salatoras“) „...auksu...“ (IV 45r 4f.vo, Jes. 40,19); 3. Sep- 
tember 1590: „Auskalio“ (Rand: „Salatoriaus“; V 50v 16vo, Mal. 3,2); 20. Ok- 
tober 1590: „ausinus“ (später verb.: „auks-“; I 107r 15vo, 2. Mos. 32,31). 


„pabalg- | nawa“ (3.P.Prät.) (I 24r 6f.vo); preuß.: balgnan. 
Geschichte: 15. August 1590: „pabalg- || nawa“ (siehe Beispiel, 1. Mos. 
22,3); 11. November 1590: „pabalgnawa“ (I 205v 3vo, 4. Mos. 22,21). 


„Buttai“ (siehe unten) und 


„Buda“(?) (N.Sg.) (Rand: „hutt[en]). In Randbemerkung Bretkes nach 
1590 zu 2. Mos. 26,9: „Taworelis. Buda aber || ist Preüsch“; preuß.: buttan 
Neutr.. 

Geschichte: Bretke übersetzt „hütte“ wie folgt: ? März 1579: „giweni- 
mus“ (VII 149v 7vu; Le. 16,9); 4. März 1580: „...szinnom, jei musu sze- 
misch- I ki... Namai (später verb.: „Buttai“, Rand: „hütten“) schyu Name- 
liu, N suarditi (verbess.: „ischarditi“) bus, kaip (verbess.: „iog“) budawone 
turrim I nüg Diewo budawota. Namus (später verbess.: „Buttus“) ne \ 
...daritus...“ und öfter so (VIII 70r 7—12vu; 2. Kor. 5,1f£.); ebendann: 
Text: „...Namelusu...“, dazu später am Rande: „Buttüsa“, das später 
durchstrichen und dafür: „Namelüsa“; 24. März 1580: „...Schetra...“ (VIII 
194r 1vo; Hebr. 9,11) und so oft abwechselnd mit „...namo- I su“, z.B. 
(VI 12r 3vu; Ps. 15,1): 4. Juni 1588 im Text: „...budoie...“ (Rand: 
„hutt[en]“, dazu Bretke: „schetre“, dazu D. Gallus: „Namme“, dazu Bretke: 
„Budeleie“) (I 12v 1vu; 1. Mos. 9,20) und so fort; 25. November 1590: 
»...Budele...“ (Rand: „Tabernakulana“) (I 276r 7vo; 5. Mos. 31,14). 

„burwalkus“ (A.Pl.) II 24r 4vu; synonym mit „Dwarus“ ebenda; 
preuß.: burwalkan. 

„Deiwatu (Bretke verb. später „-wot-“) (G. Pl.) VIII 13r 5vu, Röm. 5,6; 
Luth.: „...Gottlosen...“; preuß.: deiwuts; siehe Bezzenberger, B.G.L.S., 
Seite 280, 

„Giegals“ (N.Sg.) (Bretke verb. später: „Narras“) I 251r 4vo, 5. Mos. 
14,13; Luth.: „...der Teucher...“; preuß.: gegalis V. Siehe Bezzenberger, 
B.G.L.S., S. 284. 

„gurklei“ (D.Sg.) III 200r 12vu, Prov. 23,2; Luth.: „...an deine 
Kele...“; „...kaklui | (Gurklei)....“ (D.Sg.) III 2187 8vu, Cant. 2,5; Luth.: 
»... meiner Kele...“; preuß.: gurkle. Siehe Bezzenberger, B.G.L.S., S. 286. 


203 


„kreklas“ (N.Sg.) VIII 138r 2vu, Le. 11,27; preuß.: kraklan. 
Geschichte: So oft, doch auch: „prieg krutu augiwes“ (VI 19r 10vu, 
Ps. 22,10). 


„liginti“ (Inf.) VIII 184 2vo (Gallus korrigiert: „suditi“); preuß.: 
ligint, ligan. 

Geschichte: Bretke übersetzt „richten“ und „Gericht“ Mitte März 1579: 
„sudiju“ (VII 155r 5vu, Le. 19,22); so öfter bis 1. Mai 1580: „ligu (VII 285v 
9vo, Act. 24,25; 4. Mai 1580: „liginti“ (siehe Beispiel, Joh. 5,27), dies mitten 
unter Beispielen. von „Sudas“ und „suditi“; also sporadisch! 


„Mate“ (Gallus verbess.: „Matina“) (N.Sg.) VII 129r 7vo, Lc. 8,20; 
Luth.: „...Mutter...“; preuß.: „mothe“ V, „muti“ III (Trautmann, Sprachd., 
S. 381). 

Geschichte: Bretke übersetzt „Mutter“ Anfang März 1579: „...augiwe“ 
(VII 111r 13vu, Le. 1,43); Mitte März 1579 ebenso (VII 125v 6vu, Le. 7,12); 
ebendann „Mate“ (siehe Beispiel); 17. Oktober 1579: „...augiwes“ (VIII 
87 6vo, Gal. 1,15); 19. .Oktober 1579: „...Matina“ (Bretke verbess. später: 
„Motina“) (VIII 93v 5vo, Gal. 4,26); 15. Februar 1580: „...augiweie...“ 
(VII 144r 9vo, 2.:- Tim. 1,55); 31. März 1580: „...Mote...“ (VIII 226v 8vu, 
Apoc. 17,5); 3. Mai 1580: „...Motina...“ (VII 175v 1vu, Joh. 2,1), hinfort 
fast nur „Motina“, selten „Augiwe“. In der Postille (S. 100) auch „...gim- 
diwe...“. 


„medzio szwieris“ (Gallus Rand: „wilden thier l medinas szwie- 
ris“) (VI 7r Zvu, Ps. 8,8): preuß.: median?. 

Geschichte: Bretke übersetzt „wild“: 11. Mai 1580: „...Medu lauko...“ 
(Rand: „Wildhonig“; VII 8v 4-5vo, Mt. 3,4); 15. Oktober 1579: „... medins 
Oleiaus medis...“ (VIII 26v 7vo, Röm. 11,17); 15. Februar 1580: „...szmo- 
nes... bau- Il gus...“ (VIII 146r 12vo, 2. Tim. 3,3); 2. März 1580: „...su 
me- |] dinamis szwierimis...“ (VIII 61v 12—13vo, 1. Kor. 15,32) usw.; „wild“ 
von Menschen auch: „piktas“, „smarkus“. 


„nogna“? (A.Sg.) (Randverbess. Bretkes) II 32v 2vu, Judic. 3,22; Luth.: 
»... das hefft...“; preuß.: nognan V = Leder. 

Geschichte: Bei der Übersetzung des Luthertextes: „...vnd das fette 
das hefft verschlos...“ ließ Bretke zunächst das Wort für „das hefft“ aus: 
„ir taukai... l ...apdenge“, und schrieb an den Rand: „hefft“, neben das 
er später „capulus“, „turekla“, „ramezius“ setzte, was aber wieder durch- 
strichen wurde, und wofür er „nogna“ schrieb; in die leere Textstelle schrieb 
er gleichfalls später „an- l sa“, an den Rand schlieRlich „nogna apdenge“. 


„riedas“ (verbess.: „redas“) (A. Pl.) VI 55v 7vu, Ps. 65,11; preuß.: redo. 

Geschichte: 7. Juni 1580 siehe Beispiel; 6. Juli 1580: „...redas...“ (A) 
(VI 118r 2vo, Ps. 129,3); 8. Dezember 1585: „...redosu...“ (III 193r 15vo, 
Prov. 13,93); 28. August 1590: „...redu...“ (G.Pl; Rand: „furch“, später 
dazu: „wagga, tarpljsiu“; V 87 12vo, Hos. 10,4). Siehe auch Bezzenberger, 
B.G.L.S., S. 319. 


„saluba“ (A.Sg) (Rand: „Gemahl“) VII 6r 9vu; preuß.: salluban 
(A. Sg.). 


204 


Geschichte: Der am 11. Mai 1580 geschriebene Text: „...nessibi- || iak 
Marios taw paszadetos prijmti...“ wird vor 1590 von Bretke verbessert: 
„Maria tawa Saluba“ (VII 6r 9vu, Mt. 1,20); gleichfalls den Text: „...Prieme 
sawa Moteri (Paszadetanie)...“ überschreibt Bretke ebendann: „Saluba“ 
(VII 6v 7vo, Mt. 1,24). 


„Smilke“? (N. Sg.) (späte Randbemerkung Bretkes: „blesdinga Smilke“ 
zu Text: „...Kregszdes...“) V 148r 14vo, Baruch 6,21; Luth.: „...Schwal- 
ben...“; preuß.: Smicuto (Lesung ganz unsicher; Trautmann, Sprachdenkm., 
S. 92; Bezzenberger, B.G.L.S., S. 323 £.). 


„tautas“ (A.Pl.) (Bretke für Text: „...szemes...“) VI 7r 6vo, Ps. 8,2; 
preuß.: tauto, „lant“. 

Geschichte: Bretke übersetzt „Land“ und „Volk“ sonst mit „szeme“ und 
„szmones“, doch am 25. Februar 1589: „...Tautenikus nug Jerusales.,.“ 
(V 142r 9vu, Baruch 1,9). 


Wangos“ (N.Pl) V 12r 17vu; Joel 1,10; preuß.: wangus. ; 

Geschichte: Brekte übersetzt „Feld“ sonst mit „laukas“, doch am 
28. August 1590 (im Parallelismus zu „Laukai“ in der ersten Vershälfte): 
„... Wangos...“, also: „...Laukai esti isch- pustiti, ir Wangos (Dirwos) 
stow wargai...“ (Rand: „acker“, später: „dirwa“). 

Dazu kommen Wörter, bei denen man im Zweifel sein kann, ob es sich 
um Prussizismen bei Bretke handelt, oder ob sie aus dem Litauischen stam- 
men, das Bretke in Bammeln und später in Labiau hörte, lag doch sowohl 
Bammeln als auch Labiau am Westrande bzw. in der Nähe des von den 
Litauern besiedelten ursprünglich preußischen Sprachgebietes. So z.B. Bretkes 
„Dragges“ (G. Sg.)®; Luth.: „die hefen“ und „su Dragemis“ (I. Pl.)®; Luth.: 
„sampt den hefen“. Bezzenberger®° hält dieses Wort für preußisch (im El- 
binger Vokabular, S. 177%: „dragios Heueen“), während das heutige Fischer- 
litauisch nördlich von Labiau noch ein „dräges“ hat, das nach Gerullis- 
Stang‘ bedeutet: „was sich beim Kochen des Stints zwecks Trangewinnung 
am Boden absetzt“. 


Auch einige Erscheinungen der Lautlehre deuten auf Ein- 
fluß des Preußischen, so die verhältnismäßig häufige Umlau- 
tung des a zu o und u bei Bretke hinter Einpen; und Kehl- 
lauten”, 

2. B.: „...ghis ...akmeni pade- || ia... po galwy sawa...“, Luth.: 


078 Von Bretke später in „mieles“ verbessert: IV 567 1vu, Jes. 51, 17. 

67% Bretke verbessert später: „mielemis“: IV 57r 13vu, Jes. 51, 22. 

SHEBIG!TISETSE 28T: 

#1 In der Ausgabe von Bezzenberger, Simon: Tafel 177, bei Trautmann, 
Sprachdenkmäler, S. 87 und 322. 

2 Seite 82. 

%3 Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 109, $ 14, S. 118, $ 22. 

#%* Trautmann, Sprachdenkmäler, S. 183, $ 87. 


205 


»...eT... legte... einen Stein... zu seinen Heubten...“ (I 31v 7vu, 1. Mos. 
28,11), „...po || galwu sawa...“, Luth.: „...zu seinen Heubten...“ (I 32r 
16vo, 1. Mos. 28,18), „...pakuiu... turekite“ (VIII 131r 5vo, 1. Thess. 5,15), 
„»...alkona...“ (A.Sg.), Luth.: „...hungrig...“ (VII 59r i14vo, Mt. 25,57), 


ebenso (VII 59v 9vo, Mt. 25,44), „... pakobinot...“, Luth.: „...ihr... habt... 
gehangen“ (— gehängt) (VII 238v 11vo, Act. 5,30), „...Sokona...“ (A. Sg.), 
Luth.: „... Gesetz...“ (VII 191v 5vo, Joh. 7,50), so sehr oft, „...Pogo- 


nims...“, Luth.: „...den Heiden...“ (VII 91r 9vo, Mc. 10,33) u. a. mehr. 


Doch findet sich bei Bretke eine Umlautung von a zu o auch 
recht oft vor Gutturalen und Labialen sowie nad r, 

2.B.: „...Praroko...“, Luth.: „... Propheten...“ (VII 234 8vo, Act. 3,23), 
in den nächsten Zeilen wieder „...Praraku...“, sehr oft o statt a im Part. 
Pass. Präs. (Schriftlit.: -a-mas) und im Halbpart. (Schriftlit.: -damas), z. B.: 
». .. Praschi- N domies...“, Luth.: „...Flehen...“ (VII 2289 1vo, Act. 1,14), 
»...Seiomas....“, „pagiendomas...“ (VIII 62r 11—12vu, 1. Cor. 15,42), siehe 
weitere Beispiele wie „buduwa“, „dowonots“, „nuszowinno“ usw. bei Bezzen- 
berger, B.G.L.S., S. 60 ff. 

Ferner die Einschiebung eines t in die Lautgruppe s-+ r®, 
die sich sporadisch bei Bretke findet, 

2. B.: „strove“ Bretke Rand, zu Text: „...wilnis...“, Luth.: „...die 
Flut...“ (V 23r 14vo, Jon. 2,4), „...pas strowes wandeny“ (VI 3r 13vo, 
Ps. 1,3). 

Seltsam ist Bretkes Versehen, das ihm am 17. März 1580 
bei der Übersetzung von Jac. 4, 13 (VIII 180 11vo) unterlief; dort 
übersetzte er: „...was morgen sein wird...“ mit: „...kais 
ritoia bus...“. Sollte ihm bei der Verschreibung von „kas“ in 
„kais“ das Neutrum von preuß.: „kas“, nämlich „kai“ vorge- 
schwebt haben, und so die Mischform ‚„kais““ entstanden sein? 


5. Der Stil Bretkes. 


Vergleicht man den litauischen Stil Bretkes mit dem an- 
derer altlitauischer Autoren, von denen feststeht, daß sie von 
Jugend auf Litauisch sprachen, so zeigt sich, daß Bretkes 
Sprache in dieser Beziehung den Vergleich mit der seiner 
litauischen Amtsgenossen im allgemeinen aushält, ja, daß er 
bisweilen sogar einen Ausdruck findet, der Bewunderung er- 
regt, und den man bei anderen vergebens sucht. Zur Veran- 
schaulichung sei hier 1. Kor. 13,1—3 (VIII 56f.) in der Über- 
setzung Bretkes und der Willents nebeneinander gesetzt, 
denen beiden Luther als Vorlage diente. Die Verseinteilung 
ist zur Erleichterung des Vergleichens in Klammern zugefügt: 


685 Gerullis, Ortsnamen, S. 223, $ 26. 


206 


Bretke 
(geschrieben 1. März 1580) 


„(1) Iei esch Szmoniy ir Anialy 
lieszuwieis 


Willent 
(erschienen 1579) 


„(1) Kada esch kalbieczo lieszu 


z 


kalbecziau, o meiles weis || szmoniü ir Angelü ä meiles 
neturecziau, tada bu- l cziau ... neturieczo / tada buczio wariu 
(Omissio) .skambancziu waru skambanczu alba kankalu I SZWa- 
(kankalu). ganczu. 


(2) Ir kada esch mokeczia pra- 
naschau- l ti / ir szinoczo wisas 
paslaptines / ir wissus paszi- |] 
nimus / ir tureczo wissokie wiera / 
teip / iog ir kal- || nus perkelczo / 
a meiles netureczo / tadu esch nie H 


(2) Ir ||iei galecziau praneschauti, 
ir szinocziau || wissas paslaptines ir 
wissa szine, ir ture- cziau wissa 
Wiera, teip, iog kalnus perkel- || 
cziau, o meiles ne turecziau, tada 
niekas I ne bucziau. 


ku buczo. 
(3) Ir iei wissa mana turta (3) Ir kada düczo vbagams wissa 
Vbaga- || mus ducziau, ir dücziau mana || turta / ir perleisczia kuna 


mana kuna deginti, o meiles ne 
turecziau, tada man tatai nie- 
ne butu naudinga (deretu).“ 


mana deginti / a meiles I netureczo / 
tada nieks nebutu man nauding.“ 


kam 

Bretke hängt stark von der Vorlage ab, und doch verliert er 
selbst bei schwierigen Perioden meist die Herrschaft über die 
Sprache nicht; zur Veranschaulichung siehe die ersten litaui- 
schen Worte von seiner Hand, die bis jetzt bekannt sind 
(VII 109° 4-11vo, Lc. 1,1—4), und ihre Vorlage S. 167 und 
Abb. 6, T. V). 

Wie gut Bretke die litauischen Partizipialkonstruktionen 
beherrschte, z. B. auch den für das Litauische charakteristischen 
Dativus absolutus, mag folgende am 21. November 1585 ge- 
“ schriebene Stelle in Tob. 1 zeigen“: | 

„Ir kaczei ghis wis- || sy iauniausis wiras buwa, gimines Naph- |] tali, 
tacziau ne elgesi ghis kaip kudikis. || Ir wissiems kittiems slusziant wer- 
schims || aukso, kurius padaridinoio Jeroboam |] Karalius Israel, ghis tacziau 
takias biau |] ribes peike, eidams Baszniczon ir Diewui || sluszidams Jerusa- 
leie, ir the sluszidawa || PONVI, ir meldesi Diewa Israelo.“ 

So auch z. B.: „aiantiemus iemus“, „als sie gingen“ (VII 134 
9vo). 

Bretke weiß auch, daß im Litauischen der Genitiv vor dem 
dadurch näher bestimmten Worte stehen muß, wenn er diese 
Regel auch nicht immer beachtet; so schreibt er z. B. auf S. I 


se V 84r 5—13vu. 


207 


25T: Ayu: „...Daubs Dirwss Dirwos Daube...“ für Luth. 
1. Mos. 23,19 „...in der Höle des ackers...“ Er erkannte 
seinen Fehler also sofort nach der Niederschrift, strich „Daube 
Dirwos“ durch und schrieb die beiden Wörter in richtiger 
Anordnung nieder. 


Man sieht, Bretke schrieb eine Sprache, „wie nur ein 
Mensch, der von klein auf littauisch kann“, trotz der vielen 
Slavismen und auch der Germanismen. 


6. Die Fehler im Litauischen Bretkes. 


Trotz seines guten Litauisch macht Bretke von Zeit zu Zeit 
elementare grammatische Fehler, die einem Menschen, der in 
seiner Kindheit als Muttersprache das Litauische gesprochen 
hat, nicht in die Feder kommen könnten, Zwar sind viele Feh- 
ler mehr oder weniger deutlich Verschreibungen wohl infolge 
von Flüchtigkeit“*, aber es bleiben noch zahlreiche Fälle übrig, 
die sich kaum noch durch Flüchtigkeit erklären lassen: 


Bretke irrt sich bisweilen im Geschlecht der Substantive: 


z. B.: „patogus diena“, „ein gelegener Tag“, „dies Opportunus“ (VII 80r 
Zvu, Mc. 6,21); „Gromatos... ira siunkios ir macnus“, „die Briue... sind 
schwere vnd stark“ (VIII 77v 10f.vo, 2. Cor. 10,10); zweimal: „Darikite... 
duris... aukschtus“ (VI 2i1r 11 und 17vu), „Bet radose Brangumas..., be 
pirmoses“, (später von Bretke verb.: „pirmoio“) für Luth.: „Es kam aber 
eine Tewrung... vber die vorige...“ (I 28v 10vo, 1. Mos. 26,1), „... weis- 
deia Waikai Diewo Duk- || tery szmoniy, iog graszus buwa...“ (1. Mos. 6,2), 
„Ir szegnoia sekma diena ir paschwente |] ghi todel, iog tame atsijlseiens 
buwa...“ (Bretke verb. später: „ghi“ in „ghe“ und „tame“ in „toie“) (1. Mos. 
2,3), »... Karalista Dangaus ligus N ira“ (VII 33r 11vu, Mt. 13,45) (diese 
Wendung wiederholt sich dreimal), „...septini Perku- ! nai“ und in der 
nächsten Zeile: „septines || perkunai...“ für Luth.: „...die sieben Donner“ 
u. a. mehr. 


87 Gerullis, Skaitymai, S. 88, und oben, S. 151. 


e8 7.B.: „...ne gailinti...“ (A.Sg.) für Luth.: „...krank...“ (VIII 147v 
10vo, 2. Tim. 4,20), „...mauszausiam...“ (D.Sg.) für Luth.: „...dem 
Jüngeren...“ (VIII 22r 10vu, Röm. 9,12), „...saukau iumus...“ für 
Luth.: „...Ich sage euch“ (VII 79v 7vu, Me. 6,11), „...ankmeny...“ für 
Luth.: „...steinern....“ (VII 268v 5vo, Act. 17,29), „...neNo- l dingas...“ 


für Luth.: „on Geitz...“ was D. Gallus verbessert: „be gada” (VIII 202r 
10vo, Hebr. 13,5); daneben gibt es Fälle, bei denen es schon schwerer wird, 
an Verschreibung zu glauben, z. B.: „Ir || tu bau ne esmi wienas isch 
Mokinti- || niu...“ für Luth.: „...Bistu nicht seiner Jünger einer?...“ 
(VIL 215r 13vu, Joh. 18,25). 


208 


Bretke beherrscht die Präpositionen nicht sicher. 

Z.B.: „pagal... Sokono“ (VII 216r 7vo, Joh. 18,51), „...pagal schir- 
dies...“ (Bretke verb. später: „-di“), Luth.: „...nach dem Herzen...“ (VIII 
7ir 5vo, 2.:Cor. 5,12), aber auch „pagal prisakima“ (VII 167v ivu, Le. 23,56, 
„po manim“ „nach mir“, X,%® verb. „manes“ (VII 257v 13vo, Äct. 13,25), 
„pa walandai“ (VII 164r 7vu, Le. 22,59), „po koiu“ (VI 14v 14vo), „po pa- 
wesia (später verb.: -sio) tawa sparnu“ (VI 13v 14vo), „pa triu dienu“ (VII 
114v 3vu, Le. 22,46), „pas iusu“ (Bretke verb. später: „ius“) (VIII 120v 7vo, 
Col. 2,5), „...pas musu...“, Luth.: „...bei uns...“ (VIII 169v i1vu, 1. Joh. 
2,19). 

Dazu kommen Fälle wie „...ties koiu (VII 37 7vo, Mt. 15,30), „... Be 
ischmintim....“ (Bretke verb. später: „-ties“), Luth.: „...mit Vnverstand...“ 
(VIII 23v 4vu, Röm. 10,2) usw.®% 


Bretke braucht bei Zahlsubstantiven nicht immer den Ge- 
nitiv, 

z. B.: „dwilika pilnas reisges“ (VII 81v 7vo); aber „dwilikas Metu (VII 
114v 12vo). 

Er ist im Gebrauch des Genitivs nach verneinten tran- 
sitiven Verben nicht sicher, den das Litauische und Polnische 
verlangen, 

z. B.: „Po maszo, neregesit mane“ (VII 211v 2vu), „Po maszo, neregesit 
manes“ usw. 

Bretke verstößt bisweilen gegen die Regeln der Formen- 
lehre, 


z. B.: „...tikensis (Bretke verb. später: „tikjnsis“) su ne. tikuseis...“ 
für Luth.: „...der Gleubige mit dem Vngleubigen“ (VIII 72v 12vo, 2. Cor. 
6,15), „...ghis sake iosu Iskalosy...“ für Luth.: „...Vnd er predigete in 


jren Schulen...“ (VII 7ir 4vo, Mc. 1,39), „...per tris I menus“ (Bretke verb. 
später: „menusi[us]“ und noch später: „menesilus]“) (VII 111v 12vu, 
Le. 1,56°%, und selbst bei den Partizipien macht er manchmal Fehler: „...at- 
stakite nog manes wissi dari- || dami piktenibes“, für Vulg.: „discedite a me 
omnes operarii iniquitatis“ (VII 144v 11vu, Lc. 13,27), desgl. macht er Fehler, 
indem er z. B. „...weiland...“ mit „...walanda...“ übersetzte (VII 195v 
4vu, Joh. 9,15), u. a. mehr. 


Wie die Beispiele zeigen, haben sowohl die Korrektoren 
Bretkes wie auch Bretke selbst, der den Text doch wiederholt 
durchkorrigierte”, sehr viele Versehen und Fehler nicht be- 


0 Siehe S. 284 ff. 

600 Bezügl. des Gebrauchs der Präpositionen „nuo“ und „isch“ bei Bretke 
siehe Hermann, „Bemerk. zum altlit. Schriftt. in Pr.“, S. 117. 

®ı Siehe weitere Beispiele bei Bezzenberger, B.G.L.S., 5. 300. 

62 Siehe über die Textrevisionen Bretkes oben, S. 118f. 


14 Falkenhahn, Bretke 209 


merkt, was für die damalige Arbeitsweise in diesen Dingen 
bezeichnend ist. 
7. Shlußfolgerung. 
Die obige Untersuchung der Sprache Bretkes ergibt: 


1. Das Litauisch Bretkes ist, abgesehen von gelegentlichen 
Verstößen gegen die Elementargrammatik, im Vergleich zu der 
Sprache mancher anderer altlitauischen Autoren auffallend 
gut, aber der Geist des Litauischen so vorzüglich erfaßt, daß 
bei den damaligen Verhältnissen, wo die Sprache nur in münd- 
lichem Verkehr allenfalls in mündlichem Unterricht gelernt 
werden konnte, angenommen werden muß: Bretke hat mit 
dem Litauisch sprachlich unverbildeter Landleute von Kind- 
heit auf in Berührung gestanden, von denen er schon früh die 
Anfangsgründe des Litauischen erlernte. 

2. Die Verstöße gegen elementargrammatische Regeln, die 
Bretke gelegentlich immer noch unterliefen, zeigen, daß das 
Litauische nicht seine Muttersprache — also eine im Hause 
mit den Eltern und Geschwistern gesprochene Sprache — ge- 
wesen sein kann. 

3. Bretkes Wortschatz sowie einige Fehler in seinem Li- 
tauisch machen wahrscheinlich, daß ihm das Preußische näher 
lag als das Litauische, also vielleicht dieses seine Muttersprache 
gewesen sein könnte, was nach den vorliegenden archivali- 
schen Nachrichten hieße, daß Bretke als Kind wohl sicher mit 
seinen Verwandten mütterlicherseits in Bammeln, zweifellos 
aber mit den dort ansässigen Hörigen, Preußisch gesprochen 
hätte, was ihm wiederum bei der Erfassung des Wesens der 
litauischen Sprache helfen mußte. 

4. Die Fülle von Slavismen und besonders Polonismen, die 
Bretke trotz seines im Vergleich zu andern altlitauischen 
Autoren guten litauischen Stiles hat, die sich nicht selten bis 
in die Rektion der Verben hinein zeigen, zwingen zu der An- 
nahme, daß Bretke lange Zeit hindurch in engstem Kontakt 
mit gebildeten Litauern aus dem litauisch-polnischen Kultur- 
kreis gelebt hat, deren Sprache er sicherlich für ein „besse- 
res“ Litauisch ansah, oder gar selbst eine gewisse Zeit dort 
weilte. 


Wahrscheinlich ist, daß Bretke nach dem Besuch einer 


210 


Lateinschule bei einem litauischen Pfarrer aus litauisch-pol- 
nischem Kulturkreis mit polnischer Bildung, wie etwa Torty- 
lowiez-Batocki"*, Mosvid, Jamund u. a., die, wie alle damaligen 
Pfarrer, zu ihrer Hilfe junge begabte Leute bei sich hielten 
und sie zugleich ausbildeten, irgendwo im litauischen Sprach- 
gebiet, wozu ja auch das litauische Siedlungsgebiet in Preußen 
gehörte, „in die Lehre“ ging”, worauf er dann, 19jährig, nach- 
dem ihm „...gutte freünde...“ das fehlende Geld geliehen 
hatten, Sommer 1555 in Königsberg zu studieren begann. Mög- 
lich ist außerdem, daß Bretke als Student wie sein ehemaliger 
Mitbürger und sicherlich auch Verwandter Christoph Alzunius 
als Hauslehrer junger litauischer Adelssöhne in Litauen lebte 
und auch mit ihnen reiste”; ®, 


5. Wie der Wechsel in der Wortwahl während der Arbeit 
an der Bibel des öfteren zeigt, nahm Bretke noch während 
seiner Labiauer und Königsberger Zeit vereinzelt neue Slavis- 
men auf. Doch genügt eine gelegentliche Beeinflussung nicht, 
um viele Slavismen bis in den Satzbau hinein zu erklären. 


Das Deutsc Bretkes. 
Der erste Text, der Bretkes Deutsch zeigt, ist ein an die 


#53 Sjehe unten, S. 251 ff. 
6° Siehe unten, S. 248 Anm. 805. 
65 Siehe oben, S. 35£. 


®° Der Einwand, man könne die Sprache Bretkes von etwa 1562 nicht ohne 
weiteres nach der Sprache der von seiner Hand erhaltenen Texte be- 
urteilen, da der früheste, das Lukasevangelium, 1579 geschrieben sei, 
nachdem Bretke bereits 17 Jahre unter den Litauern in und um Labiau 
gelebt hatte und den Einwirkungen ihrer Sprache ausgesetzt war, ist un- 
begründet. Das Leben zeigt täglich, daß eine gebildete Persönlichkeit 
normalerweise ihren Dialekt nicht aufgibt und den Ungebildeter an- 
nimmt, besonders noch, wenn in unserem Falle Bretke in seiner Sprache 
offensichtlich von gebildeten Litauern aus dem litauisch-polnischen Kultur- 
gebiet entscheidend beeinflußt ist, und er diesen Dialekt gegenüber dem 
der Bammeler und Labiauer Knechte, Mägde, Bauern, Tagelöhner und 
Fischer für „Hochlitauisch“ und somit für die der Bibel angemessenere 
Sprache hielt. In solchem Falle spielen selbst größere Zeiträume keine so 
bedeutende Rolle. Auch heute sprechen ja die Pfarrer und Lehrer auf 
dem Lande selbst in rein niederdeutscher Umgebung gewöhnlich nur das 
Schriftdeutsch der Gebildeten, ohne niederdeutsche Spracheigentümlich- 
keiten anzunehmen. 


14* . 211 


Regimentsräte gerichtetes Schreiben, das am 18. Dezember 
1568 erledigt wurde”. 

Dieser Text zeigt nicht die geringste Spur davon, daß 
Bretke das Deutsche fremd wäre; es ist ganz im Gegenteil im 
Vergleich etwa zu dem Briefe Seclutians (S. oben, S. 177) eine 
Sprache, wie sie sich in vielen andern Schreiben im damaligen 
Preußen findet‘*. 

Das wäre auch kaum anders, wenn Bretke — um den un- 
günstigsten Fall zu setzen — bis zum Schulbeginn etwa nur 
Preußisch gesprochen hätte. Er. war, als er den Brief schrieb, 
rund 32 Jahre alt und hatte — wahrscheinlich doc in Fried- 
land — die Lateinschule besucht, wo ja die Unterrichtssprache, 
natürlich abgesehen von den obersten Klassen, deutsch war, 
wo er in einer deutschen Umgebung lebte; er hatte seit Juni 
1555 bis Ende 1556 in Königsberg nicht etwa im Alumnat, son- 
dern unter einer zum allergrößten Teile deutschsprachigen 
Bevölkerung gelebt, denn, wie das Beispiel Mosvids zeigt, der 
nach eineinhalbjährigem Studium noch kein Wort deutsch 
sprach, konnte man im Königsberger Alumnat leben und stu- 
dieren, ohne deutsch sprechen zu müssen, da die Unterrichts- 
und Umgangssprache das Lateinische war”. Weiter hatte er 
damals einen rund sechsjährigen Aufenthalt in Wittenberg 
und Oberdeutschland hinter sich und predigte schon sechs 
Jahre in Labiau genau so deutsch wie litauish und lebte 
ebensolange mit einer deutschen Frau, der geb. von Werthern. 
Nun hat Bretke aber sicher wohl das Deutsche schon bei sich 
zu Hause gehört, wenn seine Verwandten mütterlicherseits 
auch wahrscheinlich zum mindesten Preußisch noch verstanden 
haben dürften, da in Bammeln und Umgebung sowie in der 
Umgebung von Friedland das Preußische damals noch lebendig 
war, wie wir oben (S. 16ff.) gesehen haben. Weiter zeigen nach 
dem erwähnten Briefe chronologisch geordnet noch folgende 


#7 E,M. 102e 4, Erled.: 18. 12. 1568 (Qu., S. 419 ff.). 

68 Urteil des Herrn Prof. Dr. Ziesemer, der die Briefe Bretkes daraufhin 
untersuchte. 

69 Mosvid schrieb 1549 nach mindestens dreijährigem Aufenthalt in Preußen, 
wovon eineinhalb Jahre auf das Königsberger Studium entfallen, in 
einem Briefe an den Herzog: E.M. 118e 2: „non calleo aliquantulum Ger- 
manice“ (siehe Gerullis, „Skait“, S. 2). 


212 


Dokumente sein Deutsch, wobei die vielen Abschriften und 
Zitate aus deutschen Werken Luthers, Melanchthons usw. auf 
leergelassenen Blättern in der Bibelhandscrift, sowie die 
deutschen Wörter aus der Lutherbibel am Rande dortselbst 
neben dem litauischen Text nicht mit herangezogen werden 
sollen’. 

Ein am 23. Februar 1569 beantworteter Brief an die Re- 
gimentsräte”“, desgleichen mit Datum vom 29. März 1570 an 
den Bischof Mörlin”®, dann nach zehn Jahren ein am 21. Juli 
1580 eingegangener Brief an den Herzog””, desgleichen an den- 
selben ein am 3. Juli 1584 erledigter Brief”*. In diesen Jahren 
mag Bretke auch schon an seinem „Chronicon des Landes 
Preußen“, dessen erstes Buch in zwei Abschriften in Gotha 
und Königsberg und ein weiterer Teil in Danzig erhalten ist, 
gearbeitet haben, da es Hennenberger 1588 und 1589 abge- 
schrieben hat”*. Folgt der Brief an den Herzog (eingeg. 27. März 
1587), in dem Bretke den Labiauer Pfarrdienst kündigt und 
sich um die Pillupöner Pfarrstelle bewirbt’*. Darauf wird 
Bretke in einem deutschen Schreiben im Namen Georg Fried- 
richs von den Regimentsräten aufgefordert (Datum 9, Mai 1587), 
sich nach Königsberg zu begeben’”. 

In der Folgezeit sind nur solche Briefe von Bretkes Hand 
erhalten, die seine Postille und seine Bibelübersetzung be- 
treffen, und zwar sind sie sämtlich an den Herzog gerichtet, 
so einer bezüglich der Postille (registriert 11. Mai 1590)’, 


0 Siehe im 2. Teile dieser Arbeit. 

”ı E.M. 102e 4 (Qu., S. 420 ff.). 

2 E.M. 102e 4 (Qu., S. 423 ff.). 

0» E.M. 102e 4 (Qu., 5. 425 ff.). 

3» E.M. 102e 4 (Qu., S. 427 ff.). 

705 Siehe Gerullis, „Bretke als Geschichtsschreiber“ in Archiv für slav. Philo- 
logie, Bd. 40, S. 117 ff. Die bisher unbekannte Abschrift befindet sich im 
Königsberger Staatsarchiv: „CHRONICON des Landes Preussen colligiret 
durch Johannem Brotkium (!) Pfarrern zw Labiaw. Das Erste Buch“. . 
Siehe „Verzeichnisse der Bolzischen "und Hennigschen, desgleichen .... 
Manuscripte...“ Am Schlusse findet sich die Notiz: „Angefangen zw 
lesen den 24 Janu. vollenndt den 19 february Ao @ 85“. Genaueres im 
2. Teile dieser Arbeit. 

0 E.M. 102e 4 (Qu., S. 428 ff.). 

77 E.M. 102e 4 (Qu., S. 431 ff.). 

”e E,M. 72f (Qu. S. 431 ff.). 


213 


worauf Bretke wieder in einem deutschen Schreiben der Re- 
gimentsräte im Namen des Herzogs aufgefordert wird, in Rag- 
nit an der Korrektorenkonferenz teilzunehmen (erled. 13. Mai 
1590)”®. Die übrigen sieben Briefe betreffen im wesentlichen 
die Bibelübersetzung: ihre Daten sind: 1. Eingeg. 18. Mai 
1593”, 2. Registr. 17. Juli 1595”, 3. Eingeg. 10. Dezember 1598”, 
4. Datum 24. Mai 1599”, 5. Eingeg. 19. September 1599”%, 6. Eingeg. 
28. Oktober 1600”, 7. Eingeg. 1. März 1602”*, 

Also 14 deutsche Briefe von Bretkes Hand und zwei an 
ihn ebenfalls deütsch, wozu wahrscheinlich als dritter noch 
der bei Bd. III Bl. 209 wenigstens als Rest erhaltene Brief 
eines Joachim von Eysersdorff zu rechnen ist, dessen leere 
Rückseite zu einer litauischen Parallelübersetzung für Eccle-. 
siastes 2,21 (III 209 3ff.vo) verwendet wurde. Wie die Buch- 
stabenformen zeigen, ist die Übersetzung vor 1590 geschrieben, 
womit also auch der Brief vor 1590 anzusetzen ist. 

Weiter enthält der Beginn eines Verzeichnisses von Bret- 
kes Hand einige deutsche Worte (IV 126" 1—5vo)’”. 

Das Blatt ist später zur Übersetzung von Jerem. 35ff. be- 
nutzt worden und der deutsche Text durchstrichen. Dieser 
Text ist gleichfalls vor 1590 anzusetzen, da Jerem. 35 am 
7. April 1590 übersetzt wurde. 

Die Sprache ist in allen diesen Texten genau wie im ersten 
Briefe die des gebildeten Deutschen. Bei der damaligen kul- 
turellen Lage in Preußen und bei dem Bildungsgang Bretkes 
ist das jedoch kein sicheres Zeichen für seine Zugehörigkeit 
zum deutschen Volkstum. Ein befähigter Litauer z. B., der als 
Knabe aus einem mehr oder weniger stark polonisierten 
litauischen Sprachgebiet bei Wilna aus einer noch Litauisch 


0 E,M.72f, Aktenheft: „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590—1592“, 
Bl. 31£. 

„0 E,M. 72f (Qu. S. 435 £.). 

1 E.M. 72f£ (Qu., S. 456 f.). 

r2 E.M. 72f (Qu., S. 438£.). 

713 E,M. 72£ (Qu. S. 440 £.). 

za E.M. 72f (Qu, S. 441). 

715 E,M. 72f£ (Qu., S. 442£.). 

ze E.M. 72£ (Qu. S. 443 f.). 

717 Siehe Hermann, „Bemerk. zum altlit. Schrifttum in Preußen“, S. 118. 


214 


sprechenden Familie kam, spricht nach entsprechendem Bil- 
dungsgang auf polnischen Schulen und Universitäten so aus- 
gezeichnet Polnisch, daß nur ein sehr feines Ohr den Nicht- 
polen erkennt. Es ist selbstverständlich, daß ihm die Diskussion 
über gelehrte Dinge und besonders die schriftliche Mitteilung 
hierüber in litauischer Sprache schwer fallen wird, wenn er 
auch zu Hause über Fragen des täglichen Lebens mühelos 
spricht. Wenn er gar sieben Jahre auf den polnischen Hoch- 
schulen Theologie studierte, dort Kirchenlieder in der polni- 
schen Übersetzung auswendig lernte und 27 Jahre ständig 
neben litauischem auch polnischen Gottesdienst halten mußte, 
dann ist es nicht verwunderlich, wenn er beim Zitat des litaui- 
schen Textes eines Kirchenliedes vom polnischen Text beein- 
flußt wird, wie es Bretke, der den gleichen Werdegang, nur 
in deutschem Kulturgebiet, durchmachte, auf S. 118 (Nr. 75) 
seiner „Giesmes‘“ geschehen ist. Es ist auch selbstverständlich, 
daß sich Behörden an ihn in polnischer Sprache wenden, des- 
gleichen wird er seine Eingaben polnisch, zur Zeit Bretkes 
polnisch oder lateinisch machen, desgleichen werden seine pol- 


nischen Bekannten nicht litauisch an ihn schreiben‘*. 


Wenn Bretkes deutsche Kursive, in der er für sich — höch- 
stens mit dem Gedanken an seine ebenso gebildeten Korrek- 
toren — Worte aus dem Luthertext an den Rand schrieb, 
schwerer zu lesen ist als sein in meist erheblich größeren 
Buchstaben und viel deutlicher geschriebener litauischer Text, 
so ist auch das kein Beweis für seine Volkszugehörigkeit, denn 
auch jener Litauer, der in Krakau sieben Jahre polnische und 
lateinische Kollegs mitgeschrieben hat usw., würde bei solchen 
Texten eine viel flüssigere Handschrift entwickeln als bei 
litauischem Text, denn in der Sprache hat er während der Zeit 
doch höchstens einige Briefe nach Hause geschrieben; aber 
der litauische Text Bretkes ist für den Drucker bestimmt ge- 
wesen und sollte etwa das sein, was heute ein Manuskript 
in Maschinenschrift ist. 


Auch die Worte, die Bretke aus der Lutherbibel an den 
Rand schrieb, sagen leider bei der ganzen Sachlage nichts über 
seine Volkszugehörigkeit aus, denn ein systematisches Studium 


718 Siehe S. 150. 


215 


dieser Randbemerkungen zeigt, daß es sich fast ausnahmslos 
um Synonyma handelt, deren jedes einzelne Bretke bekannt 
war, da er sie bereits in voraufgehenden Perioden verwendete, 
deren Bedeutungsabgrenzung ihm aber entweder im Deutschen 
oder im Litauischen nicht klar war; so z. B. brauchte Bretke 
bereits am 3. Juni 1580 für „Fittich“ das Wort „spar- || nu“ 
(G. Pl., VI 53 15vu; Ps. 61,5), ebenso am 20. Juni 1580 „sparnais“ 
(VI 82: 15vu; Ps. 91,4) usw., für „Flügel“ am 15. Mai 1580 
„sparnu“ (VII 54° 6vo; Mt. 27,37) usw., am 17. März 1580 für 
„Feder“ „plunksnomis“ (VIII 175’ 6vu; 3. Joh. 13) usw. 

Am 4. Juli 1590 aber übersetzte Bretke Hes. 17,3 ganz, wie 
man es erwarten würde: „Didis Arelis dideis Sparnais ir ilgais 
skre- || leis ir pilnas plunksnu....“, doch schrieb er sofort an 
' den Rand: „flugel || fittig || ferdern....“, wozu er später setzte 

„Sparnai || pasparnes || pukaj“, und wobei er auch seinen Text 
entsprechend verbesserte. 

Auc das Wort .augenlid[er]“, das sich auf den 2. Halbvers 
Prov. 4,25 (III 186 14vo) bezieht und auf den Rand geschrieben 
ist, steht in Parallelismus zu „akis“ in der ersten Hälfte des 
Verses. 

Genau so übersetzte Bretke Nehem. 3 (III 117’f), wo eine 
Tür zur Verteidigung mit Riegel und Querbalken versehen 
wird, ohne Besinnen: „...spi || nas ir ussklandas...“, doch 
schrieb er zweifelnd an den Rand: „rigel“. 

Wäre es erstaunlich, wenn unser hypothetischer Litauer 
mit polnischer Bildung nicht wüßte, was auf litauisch „Stadt- 
viertel“, „Hinterhalt“ usw. usw. heißt? 

Ähnlich bei Bretke, nur daß bei ihm das Litauische als Mut- 
tersprache nicht in Frage kommt’. 

Seine Muttersprache kann das Preußische und das Deutsche 
gewesen sein. Wahrscheinlich ist, daß Bretke im Hause seines 
Vaters in Friedland deutsch gesprochen hat, während er bei 
den Verwandten seiner Mutter in Bammeln Preußisch sprach. 


Das Preußisch Bretkes. 
Preußische Sprachkenntnisse Bretkes werden durch seine 


719 Bezüglich des Verhältnisses der Bretkeschen Perikopenübersetzung in der 
Postille zu der Willents siehe in dem die Werke und die Sprache Bretkes 
behandelnden 2. Teil meiner Arbeit das Kapitel über die Postille. 


216 


Herkunft aus den Ortschaften Bammeln und Friedland, die 
im 16. Jahrhundert in jenem sich vom Samland bis nach Na- 
tangen hinziehenden Streifen lagen, in dem für die Bevölke- 
rung preußische Tolken gehalten werden mußten, sehr wahr- 
scheinlich. Wie schon gesagt, ist durchaus damit zu rechnen, 
daß Bretke im Hause seiner Mutter, in Bammeln, das Preu- 
Rische noch hörte. Er muß es aber auf jeden Fall in seiner 
Kindheit auch selber gesprochen haben, denn wie auf S. 47 
schon gezeigt, wurde Bretke 1562 aus Oberdeutschland ge- 
rufen, um in Labiau den Pfarrposten anzunehmen, weil er 
„...Lituanicam [et] Prutenicam linguam...“” sprach, wie 
Bretke Mitte Januar 1563 in seinem lateinischen Brief an den 
Herzog schrieb. Da er aber mindestens seit Mitte des Jahres 
1555 von Hause fort war, in Königsberg und Wittenberg stu- 
dierte, wo er sicher nicht Preußisch zu lernen begonnen haben 
wird, es aber nach mindestens siebenjährigem Aufenthalt in 
der Fremde noch so beherrschte, daß er daraufhin das schwie- 
rige Pfarramt Labiau bekam, muß er in seiner Kindheit und 
im Knabenalter gut Preußisch gesprochen haben. 

Wie schon gesagt, dürfte Bretke das Preußische auch ge- 
holfen haben, ein so ausgezeichnetes litauisches Sprachgefühl 
zu erlangen, das er trotz seiner bisweilen sehr elementaren 
Fehler hat. 

Es ist eigentlich sonderbar, daß Bretke, der doch sicher in 
seiner Jugend ebensogut Preußisch als Litauisch gekonnt hat, 
sich später allem Anschein nach so ausschließlih auf Über- 
setzungen ins Litauische beschränkte, wo er doch, mindestens 
zu Anfang, ebensogut hätte theologische Schriften ins Altpreu- 
Rische übersetzen können. 

Wer aber selber in einem Grenzland mit gemischter Be- 
völkerung aufgewachsen ist, in dem der eine Bevölkerungsteil 
hauptsächlih den sogenannten unteren Schichten angehört, 
seine Sprache daher von den oberen zumeist dem anderen 
Volksteil angehörenden Schichten nicht sehr geachtet wird, 
der kennt die Tatsache, daß es gewöhnlich Fremde sind, die 
sich die Sprache und Literatur der unteren Klassen angelegen 
sein lassen; die jungen Menschen, die aus diesen sogenannten 


70 Qu., S. 418, 2. 6f. 


217 


unteren Schichten hervorgegangen sind, wenden sich selten 
der Pflege der eigenen Sprache und des eigenen Schrifttums 
zu. Es wäre daher psychologisch durchaus verständlich, wenn 
auch Bretke, der mindestens mütterlicherseits aus einer preu- 
Rischen Familie stammte, sich nicht für das Preußische ent- 
scheiden konnte. 


Für ihn, den protestantischen Pfarrer, mag auch mitbe- 
stimmend gewesen sein, daß die Preußen wenigstens äußer- 
lich protestantische Christen waren, während die Litauer im 
Großherzogtum Katholiken oder auch Kalvinisten, in Preußen 
aber, obwohl Protestanten, bereits fühlbar der Gegenrefor- 
mation ausgesetzt waren” und dabei zum großen Teile noch 
am Katholizismus hingen”. 

Dazu kam, daß die Zahl der Litauer weit größer war als 
die der damals noch Preußisch sprechenden Bauern, so daß eine 
litauische Arbeit eine viel stärkere Wirkung versprac. 


Aber gerade sein Litauisch zeigt lexikalische und lautliche 
Erscheinungen, die sich nur aus dem Preußischen erklären 
lassen. 

Das Kurisc Bretkes. 

Daß Bretke auch Kurisch konnte, ist in dem schon öfter 
zitierten Briefe des Konsistoriums an den Herzog (eingeg. 
21. April 1587) bezeugt. Dort sagen die Konsistorialräte, daß 
Bretkes Kirche in Labiau, 


»... Weill sonderlich bei sommer 
Zeitten, viel frembdes volcks alda wanckett, vnd nicht 
alleine Littauen, sondern auch Kuhren vnd Preussen, 
daselbst hatt, Ihren Pfarrer, welcher der Sprachenn, 
der leutte vnnd gelegenheitt der Kirchen Kundigk .. “72? 


schwerlich entbehren könnte, 

Es ist aber wohl sicher, daß Bretke das Kurische erst in 
Labiau lernte, was für jemand, der Litauisch spricht, eine ge- 
ringe Mühe bedeutet. 


721 Siehe betr. der litauischen jesuitischen Postille des Canisius oben, S. 100 
Anm. 391. 


722 Siehe die von Gerullis in Tauta ir Zodis veröffentlichten Briefe Mosvids 
(Inhaltsangabe siehe unten, S. 404). 


723 Qu., S. 430, Z. 14—18. 


218 


Die Untersuchung der Sprache Bretkes zeigt, wie kaum 
anders zu erwarten, nur wenige Erscheinungen, die sich als 
Einfluß des Kurischen deuten lassen könnten. 

Vielleicht ist Bretkes: „...Diewam...““ für Luthers 
>... dem Gott...“ in: „...PONV]J esch noriu giedoti, PO- || 
NV]J Diewam (Bretke verbesserte später: -wui) Israelo...“ 
(II 34’ 7vo) und bei Luther: „... Dem HERRN dem Gott Israel 
wil ich spielen...“ (Judic. 5,3) durch das Kurische veranlaßt. 
Dieser Fehler unterlief Bretke am 1. Oktober 1589, nachdem 
er also schon über zwei Jahre in Königsberg war. Sicher hatte 
Bretke auch in Königsberg zuweilen Kurisch zu sprechen”, 
und somit könnten auch damals noch Fehler durch das Kurische 
veranlaßt sein, wenn natürlich auch ebenso nahe liegt, an 
ein Verschreiben Bretkes zu denken. 

Möglicherweise gehören die Bildungen wie „Schiskat“, 
„laskat“ und „Anskat““* zum Kurischen. 

Diese und ähnliche Beispiele können natürlich auch dem 
Litauischen bei Labiau angehört haben, genau so wie man 
z. B. Bretkes „be wainos“””, Luth.: „on wandel“ vom lettischen 
„vaina“ = „Gebrechen, Mangel“ ableiten kann, wie es Bezzen- 
berger tut”, obwohl bei Bretke die Ableitung von dem groß- 
litauischen vainä näher liegt. 

Bezzenbergers Beispiel „ne papinnoia...“ (später von 
Bretke in „papinna“ verbessert), das Bezzenberger zu lettisch 
„Pit“: „sich einlassen mit jemand, nahen Umgang pflegen“ 
stellt (B.G.L.S., S. 310), ist aber allem Anschein nach „paszin- 
noia“ zu lesen, denn Bretkes p und R sind bisweilen nicht zu 
unterscheiden. Die Vorlage mit dem Bretketext lautet: 
„»...moch eine Jungfraw, vnd kein Man hatte sie erkand...“ 
(1. Mos. 24,16) und: „...dabar Merga, || Kurios ne wiens Wiras 
ne pa(*)innoia...“ (1 26" 5vo). 

Das Polnisch Bretkes. 

Daß Bretke mindestens etwas polnisch konnte, ist bei 
seinem Interesse für Sprachen und unter den damaligen Ver- 
74 Bezzenberger, B.G.L.S., S. 128. 

725 Siehe oben, S. 129 f. 
720 Bezzenberger, 1. c., S. 176. 


727 „...du Je- I relliu be wainos...“ I 140v 13vu, 3. Mos. 10. 
28 B.G.L.S., S. 336; dort weitere Belege. 


219 


hältnissen — schon in Friedland begegneten ihm polnische 
Knechte und Mägde, in Königsberg, Wittenberg und vielleicht 
auch in „Oberdeutschland“ studierte er zusammen mit pol- 
nischen Studenten, später in Königsberg war eine starke pol- 
nische Gemeinde in seiner Kirche — kaum anders zu erwar- 
ten, doch wird es nirgends ausdrücklich gesagt. 


Im Gesuch der polnischen Gemeinde in Königsberg von 
Anfang November 1602”® heißt es: 


„...Der Littauische Pfar spricht er seij auff die 

Pohlen nicht bestellet, mit Zweijen oder dreijen persoh- 

nen das er sie in numerum seiner Communicanten neme 
ließe es sich thun, Aber mit 40.50 oder 100keines weges...“ 

Etwa fünf Monate später sagen „Die Vorsteher der || Kir- 
chen aufm Stein- || tham Ambt der || Polnischen gemein“ in 
einem Schreiben’”” an den Herzog: 

»...So ist doch die große Vngelegenn- 

Heitt Vorgelauffen. Das seine”! Confitenten 
Hernach Keiner in numerum seiner Communican- 
ten nehmen wollen. Der Littawsch Pfhar 

saget. ehr seij nur auf die Littawenn 

Bescheiden ...“ 

Bretke lehnte also nur ab, einer größeren Zahl von Polen 
am Sonntage, an dem die Kirche von der litauischen Gemeinde 
benutzt wurde, das Abendmahl zu geben; das heißt aber, daß _ 
er auch Polen das Abendmahl zu spenden imstande war; doch 
beweist dies noch nicht viel für Bretkes Polnisch, denn die 
Beichte, die vor dem Abendmahl abzulegen war, hatten die 
fraglichen polnischen Kommunikanten schon am Tage vorher 
vor dem polnischen Pfarrer abgelegt, so daß Bretke bei der Aus- 
teilung des Abendmahls kaum mit ihnen zu sprechen hatte. 


Eine Nachricht, daß Bretke den polnischen Pfarrer vertre- 
ten hätte, ist nicht erhalten, während andererseits feststeht, 
daß der polnische Pfarrer Bretke vertreten hat, denn der Her- 


722 Liegi dem Schreiben der „...Burgermeister. vnd Räthe || der beijden 
Städte, Alten- || stadt vnd Kneiphoff...“ bei; E.M. 72f., Aktenheft: „Die 
Litthauische Pfarrstelle in Königsberg betr. 1603/4 54 Blatt.“ 

70 Fingeg. 30. 3. 1603, Qu., S. 446, Z. 29-32. 

”1 D. h. des polnischen Pfarrers auf dem Steindamm. 


220 


zog sagt iin einer am 13. Mai 1590 registrierten Aufforderung’* 
an Bretke, sich nach Ragnit zur Korrektur seiner Postille zu 
begeben: 
„...Inmittelst aber wollet Ihr ll euer Ambt alhie mitt dem I Pol- 
nischen Prediger dergestelt I vnond also bestellen, damitt I nich allein 


die Kirch“ vpieläbinder || Gottes wortt vnnt Pre- || digten versehen, 


sondern I auch sonsten, was euer Ambt l erfordert, nichts verseumet I 
werden möge...“ 


Dabei entsteht die Frage, in welcher Sprache der Pfarrer 
zu den Litauern gesprochen und gepredigt hat. Sollte der da- 
malige polnische Geistliche Leonhard Dembowius, der vorher 
polnischer Diakon in Bartenstein, seit November 1574 aber 
Adjunkt und später Nachfolger Seclutians an der Steindammer 
Kirche war””, von Hause aus auch litauisch gekonnt oder in 
den 16 Jahren wohl täglicher Berührung mit der litauischen 
Gemeinde Willents und Bretkes so viel gelernt haben? Mög- 
lich ist ja auch, daß er deutsch oder polnisch predigte, obwohl 
unter den Litauern ,...viell einfeltiger leutte, || seindt welche 
weder polnisch Noch deutzsche vorstehen ...“”*. 


Auch der Zettel, von dem Bezzenberger (B.G.L.S., S. XVII) 
spricht, enthält leider keine eindeutige Mitteilung; es liegen 
bei 2. Chron. 35,5 (III 95°) aber nicht nur ein, sondern zwei 
kleine Zettel, auf die Bretke zwei litauische Parallelüber- 
setzungen des fraglichen Verses geschrieben hat’”. Wie die mit 
Tinte gezogenen Linien beweisen, sind beide aus einem Buch 
oder Heft geschnitten, das als Verzeichnis oder dergl. diente. 
Auf der Kehrseite dieser Zettel sind jeweilig in das gleiche 
durch die senkrechten Tintenstriche gebildete Fach mit grö- 
Reren Buchstaben folgende Eintragungen gemacht: „Dieten- 
bergij Germ || Cracouiana Polon“ und: „Lituanica“. Es han- 
delt sich hier also offenbar um den Rest eines Verzeichnisses 
von Bibelübersetzungen, das sich unser Bretke angelegt hat, 
denn „Dietenbergij Germ“ bezieht sich doch sicher auf die 


732 W,M. 72f, Aktenheft: „Litthauische Postille von Bretkius betr. 1590— 
1592“, Blatt 3 ff. : 

33 Arnoldt, Nachr. I, S. 42. 

734 Qu., S. 445, Z. 4f. 

735 Beide Male gibt er die Quelle an, und zwar: 1. „hie Lutheri I editio sit 
edita g anno go 37.“ und 2. „Heb:“ (= Hebraica). 


221 


1534 und öfter gedruckte bekannte katholische Übersetzung der 
Bibel ins Deutsche, die aus der Feder des Dominikaners und 
zuletzt Mainzer Kanonikus und Professors Johannes Dieten- 
berger stammt, während mit „Cracouiana Polon“ offensichtlich 
die erste vollständige in Krakau gedruckte polnische Bibel- 
übersetzung, die sogenannte „Leopolita“ vom Jahre 1561 oder 
ihre Neuausgaben (1574 und 1577), gemeint ist. In das Ver- 
zeichnis hatte Bretke auch seine eigene „Lituanica“ eingetra- 
gen. Der litauische Text auf der anderen Seite der Zettel 
stimmt aber mit keiner polnischen Bibelübersetzung des 
16. Jahrhunderts überein. 

Das gleiche gilt von der ebenda”* angeführten Übersetzung 
des lutherischen: „...afftergeburt...“. Bretke hat, wie die 
Tinte und die Schrift zeigen, die Stelle frei gelassen, als er 
am 25. November 1590 den Passus übersetzte, und an den Rand 
„afftergeburt“ geschrieben. Später fügte er auf dem Rande 
hinzu: „secundina“ (= Nachgeburt) sowie: 

„CZepczius ko.“ 

marschkinelei Mer 
Desgleichen füllte er die Lücke im Text aus durch: ‚„marsch- 
kineliu kurie“ (siehe diese Stelle im Textzusammenhang unten, 
S. 223 f.). Die Krakauer Bibeln von 1561—1577 haben aber dafür 


»... plugawosci opläwow äbo lozyskä...“ bzw. „...pluga- 
wos6i lozyskä...“, die „Brester“ oder „Radziwillsche“ von 1563: 
»... 2 lozyskiem...“, Budny (1572): „...cze- || pkowi...“, und 
Wujek (1599): „...cze- || pkä...“. Bretke hat den Ausdruck 


„marschkinelei waiko“ also aus keiner polnischen Bibelüber- 
setzung. 

Dagegen beweist die Randbemerkung Bretkes zu 
3. Mos. 11,30 (I 135 u.)””, daß er nach der Niederschrift seiner 
Übersetzung eine polnische Bibelausgabe herangezogen hat, 
also doch polnisch gekonnt haben muß: Bretke ließ, wie wieder 
die Tinte und die andere Feder zeigt, bei der Übersetzung von 
Luthers: „Der Igel, der Molch, die Aydex, der Blindschleich, 
vnd der Maul worf“ die Stelle für die Wiedergabe von „der 
Molch“ frei und schrieb das Luthersche „Molch“ mit den an- 


”° B.G.L.S., S. XVII und 299 ff. 
EB GH. S54S. XVl. 


222 


deren deutschen Tiernamen an den Rand. Später fügte er auf 
dem Rande hinzu: „Kürkljs“, was er auch im Text ergänzte, 
und bemerkte daneben: „Koach heb:“ (= hebräisch) „Polonus 
transtulit Sala- || mandra“. Zu einer anderen Zeit schrieb Bretke 
dazu noch „Chamaeleon“, was er später in „Chamaeleonas“ 
veränderte und „Vide Pel- || licanu[m]...“ dazufügte. Von 
den polnischen Bibeln übersetzt die Krakauer (1561) den frag- 
lichen Vers: „Jesz / || Slimak / Krzeczek / Jäszczorkä | y 
Kret...“, doch die Brester (1563) hat: „Jez / ? Chämäleon / 
Jäsztzorka /|| Slimak / y Kret.“ (Am Rande:)?P Drudzy wyklä- || 
daig Salamändrä ...“, Budny (1572): „... Jez / Sälämändrä / || 
Jäszczorkä / slimak y kreth...“, Krakauer (1577): „Jesz / Kä- 
meleon / Krzeczek / Jaszczorkä / y Kret:...“, Wujek (1599): 
»...Mygäle / S Cämele- ||on (Rand: S äbo Pilch) / y täräntulä 
(Rand: / abo krzeczek) | y iäsczorkä y kret:...“ 


Es war also wohl sicher die Übersetzung Budnys, die Bretke 
nachträglich zu Rate zog*. 

Auch der Vergleich des Bretkeschen Textes mit dem der 
polnischen Bibeln zeigt, daß Bretke bei der Übersetzung selbst 
keinen polnischen Text benutzt hat, sondern erst später bei 
der Korrektur auch die polnische Übersetzung mit heranzog. 
Zur Veranschaulichung der Verschiedenheit der Texte sei hier 
die bereits (oben, S. 222) erwähnte Stelle 5. Mos. 28,56 u. 57 in 
der Übersetzung Bretkes, der polnischen Bibeln des 16. Jahr- 
hunderts und Luthers mitgeteilt: 

Bretke (I, 27ir 1vuff.): Moterischke tarp iusu, kurri || pirm leepei ir giei- 
duliosa (Br. nach 1590: achwotnei) giwena, ll Kurri nemeginna padus 
koiu et, ant Szemes pastatiti delei lepistes || ir gieiduliu (Br. 
später: raschkoschies), ta wirui sawam I) ios (später gestrichen) gle- 
bije, ir sawam Sunui ir I Dukterei ginsis (Br. später: newaelis) 
düti (pawides) I marschkineliu kurie isch ios paczios I rietu ischeia. 
Priegtam ir sunus, I Kurius ghi pagimde...“ 

Krakauer Bibel (1561): „Mioda Päni ä roskossna / ktora niemo- I gla kiedy$ 
po Ziemi chodzi& / y kthora prze l piessczote ä roskosz wielka / 
niecheiälä y sta- || pi€ nä Ziemie / bedzie tesz zäzrzälä mezowi I 
swemu wlasnemu / miesä syna y corki swey / I y plugäwosdi oplä- 
wow äbo lozyskä kthore || z niey wychodza pızy porodzeniu / 


ss Die Bibel des Budny ist die einzige handliche Quartausgabe der polni- 
schen Bibeln des 16. Jahrh., ist aber zugleich schlecht gedruckt, alle ande- 
ren Ausgaben sind Folianten mit guter Ausstattung. 


223 


tudziesz || y dziatek kthore sie they godziny vrodzily: || Abowiem 
beda dziedi ies&E w täiemnosei...“ 

Brester Bibel (1563): „Thä kthora tez miedzy wämi ko- || chänkä y pie- 
szczotna byla / ä kthora || zäledwe, noga ziemie dostepowälä / || dla 
roskoszy y pieszcezoty swoiey / zay I zre& bedzie mezowi swemu 
wlasne- I mu / synowi / y corce swey. 

57 Niemowiatku ktore wychodzi z || zywotä iey zlozyskiem / y 
dziatkom I ktorych narodii / äbowiem bedzie ie ies& || potäiemnie.. oh 

Budny (1572): „56 PieszcZona (niewiästä) ä rosko ll sznicä v ciebie / ktora 
(przed tym) |] nie Smiälä stopa nogi swey cho- || dziö po ziemi odroz- 
koszy y piesz- I cZoty zäwidowä@ bedzie okiem I swym mezowi lonä 
swego / y syno || wi swemu swemu y corce swey. 57 Y cze- || pkowi 
swemu wychodzacemu od || nog swoich y synom swym / ktore I VTO- 
dzilä || bo ie ies& bedzie potä- || iemnie / ...“. 

Krakauer (1577): „56 Niewiästä pieszczona ä roskoszna / ktora nie moglä 
po l Ziemi chodzid äni stopa zstapi prze rozkosz y pieszcZote wielka: 
bedzie zay- ll zrzälä meZowi swemu ktory lezy nä lonie iey / miesä 
synä y corki swoiey / y plugäwosci lozyskä ktore z niey wychodzi / 
y dziatek ktore sie tey godziny I vrodziüy: äbowiem beda dziedi iese 
w täiemnosci...“. 

Wujek (1599): „56 Niewiästä piesczona ä roskosz- |] nicä / ktöra po Ziemi 
chodzi& nie mo- I gla / äni stopy nög postäwid / od ro- || skoszy y 
piesczoty wielkiey / bedzie zay- || Zrzälä mezowi swemu / ktöry lezy 
nä || tonie iey dla miesä synä y cörki / 57 y eze- || pkä / ktöry wy- 
chod2i z posrzöd lonä || iey / y dla dziatek / ktöre sie tEyze go- || 
däiny vrodzily. bo ie beda ie$& pota- || iemnie / ...“. 

Luther (mit Varianten): „56 Ein Weib vnter euch, das zuuor Zertlich, vnd 
in lüsten gelebet hat, das sie nicht versucht hat jre Fussolen auff die 
erden zusetzen fur zertligkeit vnd wollust, Die wird dem Man in jren 
armen (Var.: yhrem schos), vnd jrem son vnd jrer Tochter vergönnen, 
57 die afftergeburt die zwisschen jr eigen Beinen sind ausgangen, dazu 
jre Söne, die sie geboren hat Denn sie werden sie fur allerley mangel 
heimlich essen.“ 


Hat Bretke aber keine polnische Übersetzung bei der ersten 
Niederschrift seines Bibeltextes benutzt, so ist klar, daß die 
vielen Polonismen und Lehnübersetzungen aus dem Polnischen, 
die er gleich niederschrieb, dem Litauischen angehörten, das 
er selbst sprach. Ein solches Litauisch ist aber nur unter 
engstem Kontakt mit dem Polnischen denkbar, und zwar ist 
Bretke, wie schon gezeigt, in seinem Litauisch entweder von 
ganz polonisierten Litauern nachhaltig beeinflußt worden und 
somit sicher in engste Berührung mit dem polnischen Kultur- 
kreis gekommen, oder, was viel wahrscheinlicher ist, war selbst 


224 


wie sein ehemaliger Mitbürger und sicherlih Verwandter 
Alzunius, im litauisch-polnischen Sprachgebiet. 

Sowohl das eine wie das andere ist bei den damaligen Ver- 
hältnissen kaum anders denkbar, als daß Bretke selbst auch 
Polnisch gekonnt hat, zumal er doch sicher, wie schon gesagt, 
seit seiner Kindheit ständig mit Polen in Berührung gekommen 
ist, so in Friedland mit dem damals dort wohl noch vereinzel- 
ten polnischen Gesinde und während seines Studiums mit pol- 


nischen Studenten. In Labiau waren unter dem „...viel 
frembdes volcks...“, das „...sonderlich bei sommer- || Zeit- 
ten...“ „...alda wanckett...“, wo „...der || frembde Mann 
mit hauffenn hin Vnnd her || reiset...“, sicher auch viele Polen, 


in Königsberg aber hatte Bretke die polnische Gemeinde und 
die polnischen Pfarrer gar in seiner Kirche und in seinem Hause, 
wenn auch Leonhard Dembowius aus Polen gebürtig war”“, 
so hatte er doch sicherlich genau wie Stephan Wilkau deutsche 
Bildung genossen. 


Zusammenfassung und Würdigung. 

In der Untersuchung der Volkszugehörigkeit Bretkes sind 
die im Artikel von Gerullis „Zu Johannes Bretke‘”” mitgeteil- 
ten Archivalien betreffs der Volkszugehörigkeit der Mutter 
Bretkes entscheidend. Sie war Stammpreußin und war wohl 
sicher eine geborene Warnin. 

Die Etymologie des Namens „Bretke“ führt zu keinem ein- 
deutigen Ergebnis. Die Familie des Vaters Bretkes kann da- 
nach ursprünglich slavischer und niederdeutscher Herkunft sein, 
auch preußische Abstammung ist möglich, lebte doch noch in 
der Mitte des 16. Jahrhunderts ein „Bretky“ als „preußischer“ 
Bauer im Samland’", wenn der Vater Bretkes selbst auch Bür- 
ger.in Friedland gewesen zu sein scheint. 

Die Untersuchung der Sprache Bretkes in den verschiedenen 
Texten zeigt zusammen mit den bekannten archivalischen 
Quellen, daß die Muttersprache Bretkes mit großer Wahr- 
scheinlichkeit das Preußische und Deutsche gewesen ist, daß 
er aber gleichfalls von Kindheit auf Litauisch gesprochen hat, 


7388 Siehe oben, 5. 93. 
38 Siehe oben, S. 153 ff. 
”20 Siehe oben, S. 156, Stud. Balt. V, S. 60. 


15 Falkenhahn, Bretke 225 


jedoch — wohl im Jünglingsalter — von gebildeten Litauern 
aus litauisch-polnischem Kulturgebiet litauisch schreiben lernte 
und sein Litauisch von ihrer Sprache tiefgreifend beeinflußt 
wurde, ein Prozeß, der sich in seiner Labiauer und Königs- 
berger Zeit noch fortsetzte. 

Darüber hinaus sprach Bretke auch Kurisch (Lettisch) und 
sicher auch Polnisch. 


Bezzenbergers Urteil über Bretke, das er aus der Lektüre 
seiner Predigten in der „Postilla“ mit ihren nüchternen Ab- 
handlungen über Krankheiten u. dergl. gewonnen hat: „Bret- 
ken war kein Mann von großen geistigen Fähigkeiten‘, ist 
richtig. Genialität ging ihm ab, wenn man auch gerade bezüg- 
lich der Predigten zu einem milderen Urteil gelangt, wenn 
man eine plastische Vorstellung von den Menschen und ihrem 
Leben gewonnen hat, zu denen Bretke sprach. Aber auch in 
seinem „Chronicon“ — soweit sich aus den beiden erhaltenen 
Bruchstücken erkennen läßt — schrieb er, nach Gerullis’”, 
nicht besser, aber auch nicht schlechter als seine Zeitgenossen. 

Doc sein Interesse an Heimatgeschichte, wie es sich in der 
Arbeit an dem „Chronicon“ zeigt, sowie seine theologische 
Gelehrsamkeit und Belesenheit, die sich in den vielen Rand- 
bemerkungen des Bibelmanuskripts verraten, gingen weit über 
das Maß seiner Brüder im Amte hinaus: er hat wie kein an- 
derer noch nach dem Examen auf seiner Pfarre weiter ge- 
arbeitet. Aber vor allem seine treue Hingabe an den Gedanken 
Luthers, auch den Verachtetsten und Geringsten das Wort 
Gottes in der Muttersprache nahezubringen, sowie seine Ge- 
wissenhaftigkeit und sein unermüdlicher, selbstloser Fleiß, mit 
dem er unter Hintansetzung seines persönlichen Vorteils über 
seine offiziellen Amtspflichten hinaus den Litauern — sicher- 
lich dachte er nicht nur an die Litauer in Preußen — das- 
jenige vermitteln wollte, was ihm selbst das Höchste war, näm- 
lich die Heilige Schrift und damit das lutherische Christentum, 
zeigen ihn uns menschlich von einer sehr schönen Seite. 


a1 B.G.L.S, S. XV. 
”2 „Bretke als Geschichtsschreiber“, Arch. £. sl. Phil. 40 (1926), S. 1261. 


226 


Bretkes Korrektoren. 


Seite 102 ff. wurde gezeigt, daß einige Geistliche, die als gute 
Kenner des Litauischen bekannt waren, die Postille Bretkes 
durchkorrigiert haben. Aus der Postille selbst geht das nicht 
hervor”®. Vom Gesangbuch ist nirgends gesagt, ob jemand 
außer Bretke verbessernd mitgewirkt hat. Anders steht es um 
die Bibelübersetzung, denn sie ist nur im Manuskript erhalten, 
und so ist die Möglichkeit geboten, die Tätigkeit der Korrek- 
toren, die genau wie bei der Postille arcivalisch belegt ist’*, 
an der Bretkeschen Bibelhandschrift, in der uns ihre Eintra- 
gungen erhalten sind, selbst nachzuprüfen, wenn auch nur aus- 
nahmsweise dort der Name des Helfers angegeben wird. In den 
meisten Fällen muß erst aus den verschiedenen Handschriften 
der Korrektoren durch Handschriftenvergleihung auf ihre 
Person geschlossen werden, weshalb die Paläographie in der 
folgenden Untersuchung eine wichtige Rolle spielt. 


Auch das ungeübte Auge erkennt in der Bibelhandscrift 
neben den Korrekturen und Anmerkungen von Bretkes eigener 
Hand aus den verschiedenen Zeiten im Text, am Rande und 
auf beigegebenen Zetteln deutlich solche, die ganz offensicht- 
lich von andern Personen geschrieben sind. Bei sorgfältiger 
Durchsicht des ganzen Bibelmanuskripts zeigen sich Verbesse- 
rungen in sieben verschiedenen Handschriften, von denen sich 
jede sowohl von der Schrift Bretkes als auch von jeder der 
anderen Korrekturen ganz deutlich unterscheidet, und zwar 


”3 Auch im Vorwort auf S. As findet sich lediglich die Wendung: „...Quare 
cum hanc Euangeliorum ex- I plicationem.... aliorum judicio subijce- 
rem, illig[ue] studium [et] labo- || rem meum qualemcung[ue] compro- 
barent...“, die jedoch nichts besagt, da sich solche und ähnliche Wen- 
dungen oft in Vorreden aus der Zeit finden, so daß hier ein „literarischer 
Stil“ vorliegt. 

„4 Siehe oben, S. 113 ff. 


15* 227 


finden sie sich in folgenden Büchern: 1. Moses”, Proverbien”, 
Ecclesiastes’””, Jesaia”*”, Jeremia’”*®, Threni””, Hesekiel”*, Da- 
niel””, Jona”, Tobith (Tobias)”*, Sirach”®, Sus. et Dan.”*, Bel 
in Babel”, Drache von Babel‘, Psalmen”®”, sowie im gesamten 
Neuen Testament”” mit Ausnahme des 2. Johannesbriefes”“, 


der jedoch nur 1% Quartseiten umfaßt. 


In den meisten Fällen hat immer nur je ein Korrektor ein 
Buch bearbeitet, doch Matthäus”® und Marcus”® weisen beide 
Verbesserungen von zwei ganz verschiedenen Händen auf, das 
Buch Tobith zeigt gar Anmerkungen in drei deutlich vonein- 
ander abweichenden Händen. Einige Seiten dieses Buches sind 
davon geradezu übersät, so z. B. S.V 87' und 86”, von denen 
Abb. 12 und 13 einen Ausschnitt wiedergeben. 


1. So erscheint z. B. auf S. III 191Y (zu Proverb. 11,25) eine 
Korrektur: „Dusche kuri dauksei || düst, Sütüks, Jr kuris |} 
pagirda, bus wel pa- || girditas“ (Abb. 14). 


Diese Handschrift ist durch ihre eckigen, gemalten, meist 
unverbunden nebeneinander gestellten Buchstaben mit ihren 
kurzen Ober- und Unterlängen, desgleichen durch ihre senk- 
rechten Abstriche charakteristisch (vergl. auch die Worte 
„sawrediste |] raschkasis“ in der Mitte von Abb. 12, T. IX, 


735 ] 3r — I 56v, 

ae III 184r — III 207r. 
a7 III 208r — III 216r. 
ns IV 2r— IV 71v. 

ae IV 72r— IV 154. 
70 IV 1557— IV 160v. 
751 ]V 1642 — IV 264v. 
2 IV 244r — IV 264v. 
753 V 22r—_V 24v, 

ma V 84r— V 97r, 

755 V 98r—_V 141V, 

70 V 228r — V 230r, 
757 V 230v—V 231v, 

78 V 231v—V 232v, 

759 VI, 

760 VII — VIII. 

0 VIII 174r — VIII 174v. 
702 VII 5r — VII 68V. 
es VII 69r — VII 106v. 


228 


sowie „die nachkomen || patomkai“, Abb. 13, ebenda, von der 
gleichen Hand). 

Korrekturen in dieser Handschrift finden sich außer in den 
Proverbien noch in folgenden Teilen der Bibel: 1. Mos., 
Proverbien, Ecclesiastes, Jona, Tobith, Sirach, Sus. et Dan., 
Bel in Babel, Drache von Babel, Psalmen, sowie im gesamten 
Neuen Testament außer Actorum’* und 2. Joh.’*, 

Die Zahl der Verbesserungen, die von der gleichen Hand 
stammen, beträgt etwa 1000. 

Da sich der Korrektor nirgends selbst nennt, sei er zu- 
nächst mit X, bezeichnet. 

2. Eine ganz andere Handschrift zeigt z. B. eine Verbesse- 
rung auf S. V 94, von der Abb. 15 einen Ausschnitt zeigt (vgl. 
auch die Worte „Ir niekad su...“ usw. auf Abb. 12, T. IX, sowie 
„teze kregszdie...“ auf Abb. 13, T. IX, die von der gleichen 
Hand geschrieben sind). 

Die Handschrift hat durch ihre Buchstaben in lateinischer 
Kursive mit stark geneigten Abstrichen, die oft dicke Balken 
darstellen, etwas Auffälliges. 

Korrekturen von der gleichen Hand finden sich nur im 
Buche Tobith. Ihre Zahl beträgt etwa 200. 

Der gleichfalls unbekannte Korrektor wird als X, angeführt 
werden. 

3. Eine dritte Hand schrieb z. B. die Anmerkung auf S. V 86' 
(zu Tobith 2,14): „F jr (verbess.: Bet) kurio budu karalei || 
schwentaghi IOBA || apiokie“, Abb. 16, T. X (vergl. auch 
„bene“, „furwiz vnd...“ usw., „Anfechtung hoc...“ usw., 
Abb. 12, T. IX, und „kregszdie isch...“ usw., „paskutiniei“, 
Abb. 13, T. IX). 

Die Schrift unterscheidet sich durch ihre bald ganz kurzen, 
bald hoch über die kleinen Buchstaben in Mittellängen hinaus- 
ragenden Oberlängen, auch stehen sie bald über, bald unter 
der Linie. 

Dieser Korrektor hat nur einige Seiten des Buches Tobith 
mit rund 110 Anmerkungen versehen. 


za VII 227 — VII 297r. 
res Vielleicht zufällig, da der Brief, wie schon gesagt, im Bretkeschen Manu- 
skript nur 1% Quartseiten umfaßt. 


229 


Ein Name ist nirgends angegeben, daher sei der Helfer bis 
auf weiteres X, genannt. 

4. In Actorum”” hat ein unbekannter Korrektor rund 65 
Verbesserungen angebracht, die wieder eine sehr charakteristi- 
sche Handschrift zeigen, so z. B. S. VII 2427 9-10vu’”” (Abb. 17), 
deren Text: „ir dairinaia iuos || Derina darbineia“ lautet. 

Diese Handschrift zeigt klobige, unverbunden nebenein- 
andergestellte lateinische Buchstaben, bei denen ganz im 
Gegensatz zu X, die Horizontalstriche durch erhöhten Druck 
betont und Buchstabenrundungen wie bei a, d, o durch einen 
besonders angesetzten wagerechten Balken oben abgeschlossen 
werden. 

Nennen wir ihn zunächst \X.. 

5. Auf den ersten 24 Blättern der Psalmenübersetzung (VI) 
finden sich rund 80 Verbesserungen, die fast alle mit einer 
mehr oder weniger gelbbraun schimmernden Tinte eingetra- 
gen sind. Wie z. B. die Korrekturen auf S. VI 3”® zeigen 
(Abb. 18), wo dieser Helfer die Worte „Sutraukime“ und über 
Bretkes Korrektur ‚„pamietoia“ noch „niekinna“ schrieb, ist 
auch diese Handschrift durchaus charakteristisch. 

Er soll bis auf weiteres X, genannt werden. 

6. In Jesaia, Jeremia, Threni, Ezechiel und Daniel finden 
sich etwa 60 Korrekturen in einer zierlichen, deutschen Kur- 
sive, die, wie z. B. die Eintragungen auf S. TV 189”® (Abb. 19) 
zeigen, von den vorigen Handschriften deutlich verschieden ist. 
Der Text lautet: „prissiwerskite nü wissu per || zengimu jusu 
jeib ne pul || tumbit diel nussidejimu (Hebr.: jeib nussidejimas 
jems || nebutu isztikkimu).“ 

Wie zu sehen, erinnert die Orthographie an die Daniel 
Kleins, was für diesen Korrektor besonders charakteristisch 
ist. Wir nennen diesen Korrektor zunächst X,. 

7. Matthäus und Markus endlich versah eine ganz andere 
Hand mit rund 25 Verbesserungen, z. B. auf $. VII 38 


zes VII 2277 — 297r, 
707 Zu Act. 7,26. 
78 Zu Ps. 2,5—4. 
7® Zu Hes. 18, 30. 
77 Zu Mt. 16, 4. 


230 


(Abb. 20), wo sie: „Ebrechische Art. || wencziawanistes perszen- || 
gentij gimmine angu || weisle.“ eintrug. 
Dieser Helfer soll als X, zitiert werden. 


Wer waren diese Personen, die Bretkes Bibelmanuskript 
ganz oder zum Teil in die Hand bekamen und so gut Litauisch 
sprachen oder zu sprechen glaubten, daß sie Bretkes Text ver- 
bessern konnten? 

Es versteht sich von selbst, daß diese Frage nicht nur für 
die Bretkeforschung, sondern darüber hinaus für die altlitaui- 
sche Sprach- und Literaturgeschichte von Bedeutung ist. 

Die Bestimmung dieser Helfer Bretkes bereitet Schwie- 
rigkeiten, da eindeutige schriftliche Angaben, wer diese und 
wer jene Eintragungen in das Bibelmanuskript gemacht hat, 
fehlen. Doch kommen 

1. von vornherein mit größerer Wahrscheinlichkeit die- 
jenigen Personen in Frage, deren Name sich entweder in dem 
Bibelmanuskript selbst findet, oder die sonst” als Korrektoren 
dieses Werkes genannt wurden. 

a) Am Schlusse des Buches Tobith (V 97°) lesen wir: „Hujec 
lithuanico Tobiae limam |} adhibuit. Zacharias Blothno Tilsen- 
sis || Diacon[us] 1585“, doch, wie schon gesagt, in Tobith finden 
sich die Handschriften dreier verschiedener Korrektoren, die 
hier die „Feile angesetzt“ haben, und die der genannten Ein- 
tragung stimmt mit keiner der drei überein (Abb. 28). 

b) Am Schlusse der N. T.-Übersetzung (VIII 237”) findet sich 
folgende Eintragung: „Ego Albertus strischka Cathechista 
widzensis || in districtu Magnifici Domini Stanislai Narusche- 
wic || Magni procuratoris Wilnensis, Testor hoc meo || p[ro]prio 
CHyrographo me versionem Noui Testa- || menti Reuerendi 
viri joannis Bretkij Pasto- || ris in Labia approbare. Et cum 
hactenus || nulla prorsus scripta in nostra lingua litua- || nica 
edita sint non dubito quin haec versio || Ecclesiae lituanicae 
si ederetur magnum fru- || ctum sit allatura: —“ (Abb. 76). 

Strischka sagt nur, daß er die Übersetzung approbiere, nicht 
aber, daß er sie korrigiert hätte, was natürlich trotzdem der 
Fall sein könnte; seine Handschrift hat sogar auf den ersten 


1 Siehe oben, S. 114. 


231 


Blick mit der des Korrektors X, einige Ähnlichkeit, doch 
macht eine sorgfältige Vergleichung beider Handschriften ihre 
Identität sehr unwahrscheinlich. 


In den oben”” genannten Akten werden folgende vier Geist- 
liche als vom Herzog beauftragte Korrektoren des Bibelmanu- 
skripts genannt: Simon Waischnarus, Georgius Musa, Johannes 
Gedkant und Friedrich Masalski; tatsächlich kamen sie auch 
mit Bretke in Ragnit zusammen, doch dauerte die Konferenz, 
nachdem sie frühestens am 25. September 1592, wahrscheinlich 
aber später, begonnen hatte, bis zum 10. Oktober, wo die vier 
Pfarrer die Sache schon aufgaben und an den Herzog schrie- 
ben, daß sie sich „...Viel Zu geringe, schwach, || vnd vnuor- 
mogen Dar Zu erkennen...“, und baten, er solle ihnen ‚„...auff 
eine gelegene Zeit etzliche gelarte || menner in hebraischer 
sprache erfaren, || Zuordnen, damit solches hohes nötiges || vod 
christliches werck mochte vorrichtet || vnd in Druck gebracht 
werden...“ 


Offenbar hatten die vier Geistlichen in Ragnit festgestellt, 
daß sie der Aufgabe, in Gegenwart Bretkes seine Bibelüber- 
setzung zu korrigieren und auf seine Fragen zu antworten, 
nicht gewachsen waren. Sie hatten sich wohl gedacht, sie wür- 
den, weil sie teils Litauer von Geburt, teils anerkannte Ken- 
ner des Litauischen wären, den armen Bretke mühelos ver- 
bessern können, doch müssen sie einsehen, daß er ihnen in- 
folge seiner jahrzehntelangen Übersetzungspraxis turmhoch 
überlegen war. Ihre Angabe, man brauche Hebraisten zu der 
Arbeit, ist doch offensichtlich eine Ausrede, denn ihre Auf- 
gabe war, eine einwandfreie litauische Übersetzung der Luther- 
bibel zu liefern, und niemand hatte von den bescheidenen 
Landpfarrern in Preußen verlangt, Luthers Monumentalwerk 
zu verbessern. 

Doch geht .wohl aus ihrer Angabe hervor, daß sie sich in 
den höchstens zwei Wochen mit denjenigen Teilen der Bibel 
beschäftigt haben, deren Urtext hebräisch ist, was bekanntlich 
beim N.T. und den alttestamentlichen Apokryphen, wozu das 
Bud Tobith gehört, nicht zutrifft. 

Da an sich wahrscheinlich ist, daß sie die Arbeit mit den 


772 Oben, S. 114 f. 


‘232 


5 Büchern Moses begannen, wo Bretke wegen der kulttech- 
nischen Texte besondere Schwierigkeiten hatte, dürften sie 
höchstens die Genesis bearbeitet haben. Dieses Buch ist aber 
von X, korrigiert worden, dessen Handschrift mit keiner der 
vier Pfarrer übereinstimmt (Abb. 32—37, T. XVI£.). 

In den weiteren 4 Büchern Moses, sowie in den anschließen- 
den Teilen des Alten Testaments, wie Josua, Richter, Könige, 
finden sich nur Eintragungen von Bretkes Hand; somit wird 
sehr unwahrscheinlich, daß diese vier Geistlichen bei jener 
Ragniter Konferenz eigenhändig das Werk korrigiert haben. 
Doch da — wie wir gesehen haben — das Bibelmanuskript 
Verbesserungen in sieben verschiedenen Handschriften auf- 
weist, würden ohnehin noch drei weitere Korrektoren anderswo 
zu suchen sein. 


Es muß somit der mühevolle und unsichere Weg beschritten 
werden, möglichst alle archivalisch oder sonstwie erfafbaren 
Personen festzustellen, die als Korrektoren der Bibel in Frage 
kommen, in den entsprechenden Archiven Autogramme dieser 
Personen aufzusuchen und ihre Handschrift mit der der Korrek- 
toren zu vergleichen, denn es bleibt keine andere Möglichkeit, 
die Persönlichkeiten der Helfer zu bestimmen. 

Unsicher ist dieses Verfahren: a) es ist nicht wahrschein- 
lich, wirklich alle gebildeten Personen, die gleichzeitig Li- 
tauisch konnten und das Manuskript Bretkes korrigiert haben 
könnten, zu erfassen; b) durchaus nicht von allen in Frage 
kommenden Personen gelingt es, in den Archiven Autogramme 
zu finden; c) der Handschriftenvergleich ist schwierig, denn 
ein und derselbe Mensch schreibt meist anders, wenn er 
Deutsch, anders, wenn er Lateinisch schreibt””. Dazu kam da- 
mals noch eine große Verschiedenheit zwischen der Kursive in 
privaten Aufzeichnungen und Mitteilungen sowie der Schön- 
schrift in hochoffiziellen Dokumenten’“; letztere konnte sich 
bei den verschiedenen Personen sehr ähnlich sein. Sie wird 
heute im Zeitalter der Schreibmaschine nicht mehr geschrieben. 


3 Siehe z. B. die Handschriftenproben Bretkes Abb. 2 und 3, T. II, sowie 
Abb. 8 und 10, T. VII. 

ma Siehe z. B. Bretkes Brief an den Herzog Abb. 2 und 3, sowie Abb. 4, 
T. III, und Abb. 5, T. IV. 


233 


Somit kommt der Tatsache, daß zwei Handschriften über- 
einstimmen oder voneinander abweichen, nur dann stärkere 
Beweiskraft zu, wenn beide durchaus markant oder besonders 
charakteristisch sind. 2 


Die Ermittelung eines Korrektors ist aber als gelungen an- 
zusehen, wenn zu einer Übereinstimmung der markanten oder 
besonders charakteristischen Handschrift einer Persönlichkeit, 
die das Bibelmanuskript korrigiert haben könnte, mit der eines 
Korrektors noch weitere Umstände hinzutreten, wie z. B. 
nächste Nachbarschaft mit Bretke, die eine Mithilfe bei der Ver- 
besserung der Bibel ebenfalls wahrscheinlich machen, u. dgl., 
worüber dann jeweils besonders zu handeln sein wird. 


Als Personen, die in Bretkes Bibel Verbesserungen vor- 
genommen haben können, kommen außer den oben unter 1. 
genannten in Frage: 


2. gebildete’”” Litauisch sprechende Zeitgenossen Bretkes, 
d. h., in allererster Linie Pfarrer, in zweiter Linie vielleicht 
noch einige Schulmeister (aber kaum Laien, wenn sie auch 
gebildet waren), die in den Jahren zwischen 1579, wo Bretke 
im März die Übersetzung begann, und 1602, wo er sie end- 
gültig dem Herzog überlieferte, und die acht Manuskriptbände 
in die herzogliche Bibliothek gestellt wurden, in dem Alter 
waren, daß sie zu einer solchen Bibelverbesserung als befähigt 
galten, und zwar von diesen Gebildeten in erster Linie wieder 
diejenigen, die in Bretkes Nähe, also hauptsächlich in Preußen 
lebten, da, wie sich unten zeigen wird, die Entfernung bei dem 
Maße der Beteiligung der einzelnen Helfer an der Korrektur 
eine große Rolle spielt. Weiter können 


”s Fs sei daran erinnert, daß zu der Zeit, wo in einem Gesuch des Fleckens 
Labiau um einen neuen Schulzen eigens betont werden mußte, daß dort 
eine besonders tüchtige Person gebraucht würde, die lesen und schreiben 
könne, eine heute in den meisten europäischen Ländern kaum vorstellbare 
Kluft zwischen den wenigen Gebildeten, die ihre Bildung in lateinischer 
Sprache erhalten hatten und dadurch Fremdlinge im eigenen Volke ge- 
worden waren, und der großen, vollkommen ungebildeten Masse bestand, 
die, wie immer wieder geklagt wird, nicht einmal das Vaterunser zu be- 
halten imstande war. 


234 


3. diejenigen Geistlichen Fintragungen in das Bibelmanu- 
skript gemacht haben, die es später zu ihren Bibelübersetzun- 
gen mit heranzogen; es sind: 

a) Johannes Rehsa zu seiner 1625 gedruckten Psalmenaus- 
gabe, wo er in der Vorrede S. 4'f. schreibt: 

„Als ist... mir durch E. Churfürstl. Dhtt. I hinterlassene Preussche 
Regierung in Gnaden be- | fohlen worden / das Werck für die 
Hand” zu nehmen / |] mit fleiß zu revidiren, welches ich dann auch 
mit al- || len trewen / vnd nach dem vermögen / das GOtt dar- || ge- 
reichet / verrichtet / den von Herrn Bretken vertir- | ten Littawschen 
Psalter trewlich vnd wolbedächtlich / | vnd sonderlich mich nach 
der deutschen version Her- | ren D. Lutheri S. richtende / vber- 
sehen / ins reine l versetzt /...“ 


b) Daniel Klein und die Pfarrer jener Kommission, die 1638 
auf Vorschlag des Konsistoriums unter dem Vorsitz D. Kleins 
das Bretkesche Bibelmanuskript druckfertig machen sollten, wie 
aus der handschriftlichen Fassung des „Recessus || Generalis“ 
(siehe weiter unten) hervorgeht. 

c) Kalvinistische Geistliche, die wohl von 1662—1664 (siehe 
weiter unten) in Kedainen an einer Bibelübersetzung arbei- 
teten und zu dem Zwecke durch Vermittelung des Fürsten 
Boguslaw Radziwill das achtbändige Bretkesche Bibelmanu- 
skript aus der kurfürstlichen Bibliothek in Königsberg leih- 
weise erhielten”, denn wie aus den Kedainer Synodalakten 
von 1664 im Kanon 10 hervorgeht, erklären „wir“, d. h. die 
Synodalmitglieder, so schnell wie möglich alle acht Bände 
durch zuverlässige Hände heil und unbeschädigt zurückzusen- 
den. Wie aus dem langen, halb lateinischen, halb polnischen 
Satzgebilde hervorgeht, handelt es sich um eine litauische Bibel 
“ aus der kurfürstlichen Bibliothek, die durch Vermittelung des 
„Stallmeisters des Großfürstentums Litauen“, also jenes Ra- 
dziwill, entnommen, sowie ihnen von dem Professor und 
Bibliothekar Contius’”® durch Herrn Krainski übersandt wor- 
den ist: 


7 D.h. Bretkes Bibelmanuskript, von dem Rehsa im Vorhergehenden sprach. 

77 M. Stankiewiez, „Biblia Litewska“, S. 18. 

8 Andreas Concius, geb. (25. 11.) 1628 in Narzim bei Soldau, studierte in 
Königsberg und Wittenberg, reiste nach Holland; 1654 in Königsberg Pro- 
fessor für Mathematik, 1658 daneben Kurfürstlicher Bibliothekar, 1664 
Rektor der Altstädt. Schule in Königsberg, t (16.5.) 1682 als Rektor; siehe 
Arnoldt, Hist. Un. I, S. 336; II, S. 108, und Fortges. Zus. S. 46 ff. 


235 


„Biblie Litewskie z biblioteki kurfirszta jego Mci. 
Biblia Litwanika z biblioteki kurfirszta jego Meci., 
za interposita Xiazecia jego Mci pana Koniuszego W.X.L. wziete, a 
Clarissimo Domino professore et Bibliotecario Domino Concio per 
Venerabilem Dominum Krainski, nobis transmissa declaramus 
integra, in toto, et sine noxa przez pewne rece odeslad, iako bedzie 
mogto bijdz naijpredzej wszystke octo Volumina“’”®, 
Es handelte sich also offenbar um das Bibelmanuskript 
Bretkes. 
Aus einer Eintragung in die Synodalakten von 1663 läßt 
. sich erkennen, wozu sie das Bretkesche Manuskript brauchten; 
dort heißt es, daß der Seniorpfarrer von Zemaiten, also sicher- 
lich Jan Borzymowski, und der Pfarrer Skrocki” die zum Teil 
gedruckte, zum Teil handscriftlih vorliegende litauische 
Bibel”® durchgesehen hätten, und dafß diese voll von Fehlern 
sei. Darum hätte der Seniorpfarrer von Zemaiten zusammen 
mit den Geistlichen, die zur Tagung nach Kedainen gekommen 
waren, das Neue Testament ins Litauische übersetzt. Der frag- 
liche Passus lautet: 


»...kwoli czemu tenze Xiadz Senior Zmuydzki collatis consilijs z 
Bracia ktorzy sie na Sessiq Kieijdanska zjechali partitis operis, znimiz 
na litewski jezyk, Nowy Testament vertowal, y juz ta praca jest 
wygotowana ...“782, 


Das Neue Testament solle gleich in England unter Aufsicht 
des Bruders, also kalvinistischen Geistlichen, Minvid gedruckt, 
und inzwischen sollten Ezechiel, Daniel, die Kleinen Propheten 
übersetzt werden; der „Pfarrer-Superintenden“, also wohl 
sicher wieder Jan Borzymowski, würde dafür sorgen, daß die 
Klagelieder Jeremiae, Ezechiel und die Kleinen Propheten 


”® Chr. S. Stang, „Arch. Phil.“ III, S. 30 ff. 

80 Über Jan Borzymowski d. Ä. siehe Gerullis, Skait., S. 267, und Waclaw 
Gizbert Studnicki im Siownik Biograficzny, Bd. II, S. 369. Über Georg 
Skrodzki siehe Arnoldt, Nachr. I, S. 43 ff.; E. Oloff, Polnische Lieder- 
geschichte, S. 169 ff., und Gerullis, Skait., S. 279 Anm. 2. Skrodzki war 
zu der Zeit polnischer Vikar an der Steindammer Kirche in Königsberg. 
Zu beiden siehe auch Chr. Stang, Arch. Phil, Bd. III (1932), Artikel 
„Archivlia“, S. 27 ff. 

’sı D. h. die Samuel Boguslaus Chylinski in England übersetzt hatte, siehe 
hierzu Chr. S. Stang. ]. c., S. 32, und St. Kot über Chylinski im „Siownik 
Biograficzny“. 

82 Chr. S. Stang, Arch. Phil. III, S. 30. 


236 


korrekt übersetzt würden. Zum Tage des Bartholomäus 
(24. August) soll die Arbeit gleichfalls nach England zum Druck 
gesandt werden. Die Apokryphen wurden laut Synodalbeschluß 
nicht übersetzt: 


„...unanimi consensu decernimus, abij... Nowy Testament druko- 

wany byl, praesidente typis Fratre Minvidio, poko Ezechiel, Daniel 

cum minoribus Prophetis sie wygotuie, a interea temporis adhibebit 

curam X Superattendent, aby Lamentationes Jeremiae, Prophetia 

Ezechielis et Minores Prophetae bijli quam correctissime transfero- 

wani, ij wcezesnie okolo swietego Bartlomieja... do Analiey byli 

przyslani: Apokrypha moga byc opuszczone, ij zgola declaruje Syaad 

S. zebij ich nie drukowac. “783 

d) Die Geistlichen, die bei der im Auftrage des Königs an- 

gefertigten und 1735 gedruckten Bibelausgabe Joh. Jakob 
Quandts mitgearbeitet haben, denn in der Vorrede schreibt 
Quandt“: 

»...und 2) hat 

man sich ausser dem 1701 gedruckten Litthauischen Neuen Testament 

auch der geschriebenen Bibel des oberwehnten Joh. Bretkii bedienet 

und das darinn befindliche Gute gegen- 

wärtiger Übersetzung mit 

Dank einverleibet...“ 


Doch kann das nicht viel gewesen sein, denn gleich auf 
der nächsten Seite sagt Quandt: 


‚... Was vor Mühe und Fleiß 

zu dieser Uebersetzung angewandt worden, achtet man nicht nöthig 
weitläuftig anzuführen, um sich so viel mehr dem unreifen Vor- 
wurf eines unverantwortlichen Eigen-Ruhms zu entreissen. Unpar- 
theijische Gemuther werden es von selbsten zugestehen, daß es weit we- 
nigere Mühe und Zeit erfordere, eine bereits über setzte Bibel von Wort 
zu Wort abdrucken zu lassen, als eine durchgehends neue Uebersetzung 
aus der rauhen Wurtzel hervorzuziehen, undin einer Sprache, der es zum 
Theil an nöthigen Hülfs-Mitteln mangelt, herzustellen...“ 


In seinem Bericht an die Königliche Regierung vom 3. Ja- 
nuar 1730 wird Quandt noch deutlicher; dort heißt es von 
Bretkes Übersetzung”®: 


83 Chr. S. Stang, Arch. Phil. III, S. 30. 

4 Johann Jacob Quandt, geb. 17. 3. 1686 in Königsberg, 1717 Pfarrer im 
Löbenicht, 1721 Oberhofprediger und 4. Theologieprofessor, 1732 1. Theo- 
logieprofessor und Kirchenrat. Berühmter Kanzelredner. Lernte litauisch. 
7 17. 1. 1772, Siehe über ihn Nietzki und Gilde. 

785 Nietzki, J. Jak. Quandt, S, 7£. 


237 


»...Sie ist aber nach der Labiauschen Mundart, so mit der Curischen 
Sprache verbunden ist, geschrieben; dahero sie auch von den reinern 
Litthauern in den Insterburg -Ragnit-und Tilsitschen Aemtern, die 
doch die weitläuftigsten sind, weder verstanden noch angenommen 
werden kann und einer durchgängigen Verbesserung von Wort zu 
Wort bedarf. Schon a. 1625, als der Psalter Davids in Quarto allhier 
in lietth. Sprache aufgelegt wurde hat die Version von des Bretckii?® 
Successor Rhesa von neuem revidirt und verbessert werden müssen, 
so daß wenig davon überblieben... Als ich die neue Auflage des 
N.T. und des Psalters unter den Händen gehabt, habe ich die Version 
des Bretcki?® zwar zugezogen, aber sehr wenig Nutzen davon ge- 
schöpfet, ausser daß in der Apostel-Geschichte die Benennung der 
Winde gebraucht werden konnte, darauf sich die Cuhren und Labiauer 
mehr denn die andern Litthauer verstehen...“ 


Somit besteht nur eine geringe Möglichkeit, daß einer seiner 
zehn Mitarbeiter das Bretkesche Manuskript benutzt hat. 

e) Johannes Ludwig Rhesa und seine Mitarbeiter an der 
Bibelübersetzung, die 1816 in erster Auflage erschien. Rhesa 
schreibt in der Vorrede (S. VI£.), daß: 

„»...Das Wesentliche, wo- 


durch die neue Bearbeitung sich von den frühern Ausgaben vom 
Jahr 1735 und 1755 unterscheidet...“ 


u.a. darin bestehe, 
»...daß die schätzbare Handschrift von Janus Bretke aus 
dem sechszehnten Jahrhundert, welche in 5 Folianten und 
3 Quartbänden auf der hiesigen Königl. Bibliothekvor- 
handen ist, bei den abzuändernden Stellen sorgfältig zu 
Rath gezogen und manche glückliche Bereicherung der 
Lithauischen Sprache hiedurch bewirkt worden.“ 

Desgleichen schrieb ]J. L. Rhesa eigenhändig auf das Vorsatz- 
blatt des VII. Bretkeschen Bibelmanuskriptbandes (S. 1’) die 
Worte: 

„Dieses Manuscript von der litthauischen Bibel ist bey der neuen, ver- 
besserten Ausgabe der litthauischen Bibel in den Jahren 1811, 1815 u 1816 
von mir mit dem litthauischen Text verglichen worden. 

D. Rhesa.“ 

Von einer späteren Heranziehung des Bretkeschen Manu- 
skripts zu einer Bibelübersetzung ins Litauische ist nichts be- 
kannt. 

Es folgt nun eine Zusammenstellung aller archivalisch oder 
sonstwie bekannten Personen, die Korrektoren sein könnten: 


ee A. Nietzki liest „Brelcki“ usw. 


238 


Die unter 1. genannten siehe S. 231f. Die unter 2. genannten 
Personen sind folgende”: 


Aldus, Johannes, lit. Diakon, Memel 

Antonick, Leonhard, (lit.?) Diakon, Insterburg 

Bacchius, Joachim, lit. Pfarrer, Gumbinnen 

Balthasar, Isaak, lit. Diakon (?), Tilsit 

Bielauk, Johannes, Pfarrer, Georgenburg 

Blothno, Nicolaus, Pfarrer, Pillupönen (heute Schloßbach) 

Blothno, Zacharias, d. ]J., Pfarrer, Wischwill 

Buchholz (Buchholker), Laurenz, (lit.?) Pfarrer, Goldap 

Clocowius, Theodor, (lit. ?) Pfarrer, Koadjuten, Ruß 

Düben, von, siehe Frese 

Frese (oder von Düben), Christoph, Pfarrer, Nennersdorf 

Fuhrmann, Bartholom,, lit. Pfarrer, Memel 

Fuhrmann, Benedict, lit. Pfarrer in Memel (?), Ruß. 

Gallus, Daniel, Pfarrer, Laukischken 

George, Laurentius (Vilnensis), Pfarrer, Schittkehmen (heute Wehr- 
kirchen) 

Hartwich, Ambrosius, Pfarrer, Kuckerneese 

Heidmann, Martin, (lit.?2) Pfarrer, Schirwindt 

Heidemann, Valentin (?), Schneider, Pfarrer, Piktupönen 

Hoffmann, Jacob, (lit. ?) Pfarrer, Kattenau 

Hoffmann, Paul, (lit. ?) Pfarrer, Muldten (heute Mulden) 

Hollstein, Johann, Pfarrer, Stallupönen, Gawaiten 

Höpfner, Johannes, Diakon, Insterburg 

Klein, Balthasar, (lit.?) Pfarrer, Kraupischken (heute Breitenstein) 

Krause, Florian, Pfarrer, Koadjuten 

Kytlickowski, Paul, Pfarrer, Schittkehmen (heute Wehrkirchen) 

Landenberg, David, Pfarrer, Goldap 

Liebermann, Christoph, Pfarrer, Kunzen 

Machlet, Kaspar, (lit.?) Pfarrer, Kattenau 

Marcianus, David, (lit. ?) Pfarrer, Schittkehmen (jetzt Wehrkirchen) 

Musa, Stanislaus (Vilnensis), Pfarrer, Lasdehnen (Haselberg) 

Musa, Daniel, Pfarrer, Lasdehnen (Haselberg) 

Oehlert, Urban, (lit. ?) Pfarrer, Petersdorf 

Paskeitis (PoSkaitis) oder Poczka, Andreas, Pfarrer, Prökuls, Piktu- 
pönen 

Poplin, Ambrosius, Pfarrer, Tilsit 

Pusch, Laurentius, (lit.?) Pfarrer, Kussen 

Pusch, Valentin, lit. Pfarrer, Norkitten, Gumbinnen 

Radunius (Ruddowius), Alexander, d.Ä., Pfarrer, Kuckerneese 

Radunius (Ruddowius ?), Alexander, d.]J., Pfarser, Kuckerneese 


’s Wenn in den Quellen nicht ausdrücklich gesagt wird, daß die betreffende 
Person litauisch sprach, dies aber sehr wahrscheinlich ist, wird es durch: 
„(lit?)“ angegeben. 


239 


Radunius, Caspar, Pfarrer, Prökuls 

Rohd, Alexander, (lit.?) Pfarrer, Gumbinnen 

Rodau, Bonifatius, (lit. ?) Pfarrer, Petersdorf 

Ruddowius, siehe Radunius 

Sappuhn, Michael, Pfarrer, Schittkehmen (Wehrkirchen), Kussen, Pillu- 
pönen (Schloßbach) 

Schmidt, Albrecht, (lit. ?) Pfarrer, Schittkehmen (Wehrkircen) 

Scultetus (Schultz), Zacharias, lit. Pfarrer, Memel 

Sengstock, Lazarus, lit. Pfarrer, Diakon, Werden (Heydekrug), Ruß, 
Memel 

Seel, Dominicus, (lit.?) Pfarrer, Engelstein 

Seel, Johannes, (lit.?) Pfarrer, Engelstein 

Siautil, Nicolaus, Pfarrer, Ruß 

Sitt, Thomas, Hutmacher, Pfarrer, Koadjuten 

Sperber, Gabriel, Plibischken?®# 

Sperber, Samuel, lit. Pfarrer, Schittkehmen (Wehrkirchen), Stallu- 
pönen (Ebenrode) 

Stephani, Bartholom., stud. theol., später Pfarrer in Petersdorf (?) 

Stimer, N., (lit. ?) Pfarrer, Stallupönen (jetzt Ebenrode) 

Tortilowitz, Johannes, (lit.?2) Pfarrer, Trempen, Neuhoff 

Waisznarus, Simon, Pfarrer, Ragnit 

Walter, Andreas, (lit. ?2) Pfarrer, Kunzen, Koadjuten 

Welwer, Partoclus, lit. Pfarrer, Kraupischken (Breitenstein), Tilsit 

Willent, Barthol., d. A., lit. Pfarrer, Königsberg 

Willent, Barthol., d. J., Pfarrer, Trempen, Kraupischken (Breitenstein) 

Wirezinski, Andreas, (lit.?) Pfarrer, Salau, Schabienen (?), (heute 
Lautersee) 

Wirezinski, Leonhard, Pfarrer, Schabienen (Lautersee) 

Wirczinski, Stanislaus, Pfarrer, Schabienen (Lautersee). 


Die unter 3. genannten Personen sind folgende: 

a) Wie Professor Johannes Behm, Königsberg, in seiner Vor- 
rede zur Rehsaschen Psalterausgabe (S. 10°) angibt, haben außer 
Joh. Rehsa am litauischen Text gearbeitet: 


M. Petrus Nicolai, Erzpriester zu Insterburg, M. Georg 
Beselmann, Pfarrer zu Ragnit, Zacharias Blotnau, litauischer 
Pfarrer zu Tilsit, Valentin Feuerstock, Pfarrer zu Georgen- 
burg, Christophorus Sappuhn, Pfarrer zu Gr. Rudupönen, 
Gregor Wirtzinsius (Wirczinski?), Pfarrer zu Stallupönen, 
Christophorus vom Stein, litauischer Kaplan in Insterburg. 


88 W, M.137 d: Pfarrer von 1571—1607. Sein Sohn Andreas kann auch litauisch 
und wird von der Gemeinde als Nachfolger vorgeschlagen. 


240 


Doch hat kaum jemand von diesen das Bretkesche Psalmen- 
manuskript herangezogen, denn Rehsa schreibt im Vorwort zu 
seiner Psalmenausgabe S. 4°: 


»... Solch mein / durch Gottes bey- 
standt gefertigtes Werck / hat E. Churfürstl. Dhtt. 
hinderlassene Preussche Regierung etlichen in den 
Littawschen Emptern / in der Littawschen Sprach 
geübten vnd erfahrnen Pastoribus (plus enim vident 
oculi quam oculus) abermals ad revidendum vber- 
schickt / damit also der Littawsche Psalter in guter rei- 
ner Littawscher Sprache / so viel jmmer müglich / ans 
Taglicht kommen möchte. Welchem befehl sie dann 
auch trewlich nachgesetzt / in dem sie zu vnterschiedli- 
chen malen zusammen kommen / sich dieses Wercks 
herzlich angenommen / daß es nunmehr / wie am tage 
die selige Endschafft erreicht hat.“ 

Und Joh. Behm sagt in der genannten Vorrede, S. 10° £.: 
»...Als ist solch Werck 
anfänglich vorgemeldtem Herrn Johan Rehsen / 
höchstem fleiß nach / zu emendiren, corrigiren, vnd in 
allem / wo es von nöthen / zu verbessern vbergeben / 
welcher dan durch Gottes Gnade das seine dabey 
gethan / vnd sonderlich das gantze Werck de novo 
also verfertiget / vnd nebenst dem deutschen Psal- 
ter außgeschrieben. Darnach ist es andern Lit- 
tawschen Pastoribus, im Insterburgischen / Tilsischen 
vnd Ragnitschen, als...“ (folgt Aufzählung der oben Genannten) 
»...Ad revidendum vberscickt / weche dan mit anruf- 
fung des Namens GOttes / das jhrige auch bey die- 
sem Werck / höchstem vermügen nach gethan / da- 
mit / wo müglich / der Psalter in guter und reiner 
sprach außgehen möchte.“ 


Den Pfarrern ist also aller Wahrscheinlichkeit nah nur 
das Manuskript Rehsas zugegangen, nicht aber auch zugleich 
der Psalmenband des Bretkeschen Bibelmanuskripts. 

Außerdem sind ihre Handschriften nicht besonders mar- 
kant; sie stimmen jedenfalls mit denen der Korrektoren nicht 
überein. 

b) Nach der handschriftlichen Fassung des „Recessus Gene- 
ralis“ wurde 1638 im Amte Insterburg eine Kirchenvisitation ab- 
gehalten, nach der folgende Pfarrer zur Bearbeitung des Bretke- 
schen Bibelmanuskripts vom Konsistorium bestimmt und dem 
Kurfürsten vorgeschlagen wurden: 


16 Falkenhahn, Bretke 241 


„1. Herr M: Daniel Kleinn, Liettawischer Pfarr Zur I Tielsieth ((durch- 
strichen: welcher Zwar Jung ist, Jedoch alss ll einn Gelarter, vnndt in 
denn Linguis er- l fahrner Mann,)) welches (!) dass Directorium haben, 
vnd || vleissiege achtunge darauf geben soll, Damit || ess alless nach 
((Rand: nach d[er] Version Lutheri Il vnd)) denn Fontibus so viel mug- 
lich, recht vnondt voll I gegebenn werde, \ 2. Herr Christophorus Sap- 
puhn, Pfarr Zu Entzunen, || 3. Herr Andreas Krause, Pfarr tzue Nie- 
budtzen, 4. Herr Gregorius Kewnitius, Pfarr zur Georgenbg, \ 
5. ((durchstr.: Herr Johannes Höpnerus, Liettauischer Pfarr || Zur Müm- 
mell)) mortu[us] [et?] interea l Vnd welche Cfl Dhl sonsten gnedigst 
weiter I Dazu verordnen wollen... .“788r 

Die Konferenz sollte in Ragnit stattfinden. Eine Liste nennt 
53 Personen, die entweder bereits z. T. größere Beträge zum 
Druck der Bibel gestiftet hatten (220 Taler) oder doch nach Be- 
ginn des Druckes zu helfen versprachen. Jene Stifter, von denen 
nur drei einen litauischen Namen tragen, sind größtenteils Pfar- 
rer (1—2 Taler) und höhere Beamte, wie z. B. der Hauptmann 
von Insterburg (50 Taler), Jägermeister Balthasar Ludwig (50 Ta- 
ler) usw. Es sollte außerdem ‚„...inn etzlichenn Vornehmen 
vnndt wollhabenden Städten, || ((Rand: vnd aufm lande || bei 
denen Vom || adel)) da noch nichtss gefallen...“ Sammlungen 
veranstaltet und in „Littauische[n] || Ämbternn“ 3 Groschen 
Schoß pro Hufe für den Bibeldruck erhoben werden. Weiter 
wurde der Kurfürst gebeten, die Konferenzteilnehmer mit den 
nötigen Lebensmitteln zu versehen, und den Rest der durch die 
Revision und die Drucklegung verursachten Kosten zu über- 
nehmen. 

Obwohl die Vorbereitungen zu dieser Korrektorenkonferenz 
schon so weit gediehen waren, scheint es zu keiner Sitzung in 
Ragnit gekommen zu sein, denn in dem 1639 gedruckten Rezef 
ist der ganze die Korrektoren betreffende Passus ausgelassen 
und dafür gesagt: nn 

„Dess Orts, Unkosten und Persohnen wegen, wird Ihr. Churfürstl. 
Durchl. selbst gnädigst anzuordnen wissen, wie es auffs eheste und 
beste ins Werck zu richten sey...“ 
Die Namen der Spender aber sollten im Vorworte aufgeführt 
werden (I. c., S. 277). 


788: E#,M. 55e Aktenheft: „Kirchenvisitation im Amte Insterburg. General- 
rezess. 1638“. In dem 1639 gedruckten Rezeß (siehe „Preuß. Provinzial- 
Kirchenblatt“ V, 1843, S. 259 ff.) ist der jene Korrektorenkonferenz be- 
treffende Passus (siehe unten) ausgelassen. 


242 


Es könnte jedoch sehr wohl sein, daß von den genannten 
Pfarrern wenigstens D. Klein, der sehr gute Beziehungen zur 
Königsberger Universität und zum Konsistorium hatte, und oft 
in Königsberg weilte, wie aus seinen Akten im Staatsarchiv her- 
vorgeht, bereits mit den vorbereitenden Arbeiten am Bretkeschen 
Manuskript begonnen und Korrekturen angebracht hat. 

c) Leider ist es unmöglich, mit Sicherheit alle Personen 
festzustellen, die in Kedainen Bretkes Manuskript als Hilfs- 
mittel zu ihrer Übersetzungsarbeit in-Händen hatten, da es in 
dem oben, S. 236 zitierten Synodalprotokoll vom Jahre 1663 
nur heißt, daß Jan Borzymowski (?) zusammen mit den Brü- 
dern, die zu der Tagung nach Kedainen gekommen waren, 
das Neue Testament ins Litauische übersetzt hätte. 

In den die „Kniga nobaznistes“ und die Bibel des Chylinski 
betreffenden Kedainer Akten werden einige Personen der da- 
maligen Zeit besonders und wiederholt als Verfasser und 
Korrektoren dieser beiden litauischen Bücher sowie der frag- 
lichen Bibelübersetzung genannt. Diese kommen natürlich in 
erhöhtem Maße in Frage, bei der Übersetzung Bretkes Manu- 
skript benutzt und bei der Arbeit Eintragungen gemacht zu 
haben. Es sind folgende: D. Samuel Boguslaus Chylinski, Jan 
Borzymowski””, Georg Skrocki”, ein „Frater Minvid“*, ein 
Pfarrer Krainski und der Kedainer Bürgermeister Stefan 
Jaugila Telega’”. 

Doch wie durch die Arbeiten Chr. Stangs” und St. Kots’* 
feststeht, ist Chylinski zu der fraglichen Zeit gar nicht in Ke- 
dainen gewesen; auch der Vergleich der Bibelübersetzung 
Chylinskis mit der Bretkes zeigt, daß Chylinski die Version 


8 Siehe oben, S. 236 Anm. 780. 

”0 Siehe oben, S. 236 Anm. 780. 

”1 Siehe oben, S. 236. 

2 „Steponas Jaugelis Telega“, wie ihn K. Jablonskis auf Grund der meisten 
Lesarten des Namens in den von ihm zuerst veröffentlichten Dokumenten 
(Arch. Phil. IV, S. 89 ff.) nennt, war 1631—1666 Bürgermeister in Kedai- 
nen und betrieb neben Landwirtschaft auf seinen Besitzungen noch Fx- 
porthandel nach Königsberg. Er gehört nicht dem Adel an, sondern war 
Bürger, wenn auch sehr vermögend. Siehe Chr. Stang, Arch. Phil. III, 
S. 29, und besonders K. Jablonskis, nn IV (1935), S. 86 ff. 

”3 „Arch. Phil.“ III, S. 32. 

7%» „Slownik Biograficzny“ über B. Chylinski. 


16* 


243 


Bretkes nicht benutzt hat, und daß Lukaszewicz sich irrt, wenn 
er in seiner „Geschichte der reformierten Kirche in Lithauen“, 
I, S. 171, sagt: 
„... Diese Königsberger Handschrift von Skrocki und einigen Andern 
verbessert, ist eben jene lithauische Bibel, die unter dem Namen 
Chylinski’s bekannt ist. Der Uebersetzer derselben ist Jan Bretkun, 
Pfarrer in Labiau.“ 

Auf Lukaszewicz stützt sich M. Stankiewiez (l. c.). 

Um die absolute Verschiedenheit der Texte an einem Bei- 
spiel zu veranschaulichen und so ein für allemal die Theorie 
Lukaszewiczs zu widerlegen, sei hier 3. Mos. 1,5—4 der beiden 
Übersetzungen nebeneinander gestellt: 


Bretke (I, 120r) Chylinski’”® 
„jei kas nor Sudeghinama affiera „> Jeygu afiera jo ira degama- 
affie- l rawoti, tada teaffierawoij afiera isz jauciu, tada afierawos to- 


Patineli (Wi- De ) kursai benu- bula patyneli: pas duris Nometa 
tarties ira, lauke uszu || Wartu Ta- sueygos afierawos ghi, pagal walos 
bernakulo u idant || sawo, po weydu WIESZPATIES. 
PONU miela buty nüg io. 


Jr tepapul- || da sawa Ranka ant 4 Ir uzdes raka sawo and galwos 
Sudeginamos (verb.: -njmos) affie- anos degamos-afieros, kad butu tey 
ros || Galwas, tada bus mielu PONV po jo mielu, numaldyt ghi.“ 

(verb.: -NVJ), ir ghi su- N dairins 
(suiednos).“ 

Es erübrigt sich, hier alle Mitarbeiter J. J. Quandts und 
J. L. Rhesas aufzuzählen, da diese, wie oben, S. 237 ff. und 241 
gezeigt wurde, kaum die Übersetzung Bretkes benutzt haben 
können, und auch ihre Handschrift mit der keiner der sieben 
Korrektoren übereinstimmt. Dazu sind die Mitarbeiter Quandts 
auf S. 10" (unpaginiert) der Vorrede zur Bibelausgabe von 
1735, sowie die J. L. Rhesas in der Vorrede zur Bibelausgabe 
von 1812 auf S. IV genannt. 


Es ist nun im Folgenden aus Raummangel unmöglich, bei 
jeder der angegebenen Personen die Untersuchung durchzu- 
führen oder auch nur im Bilde eine Handscriftenprobe zu 
bieten, wenn sich herausstellte, daß diese Person wegen ab- 
soluter Verschiedenheit ihrer Handschrift von der der Korrek- 
toren — was meist der Fall war — oder aus andern zwingen- 


705 Gerullis, Skait., S. 282. 


244 


den Gründen für eine Korrektorenschaft nicht mehr in Frage 
kam. 

Es werden daher nur solche Personen eingehend behandelt, 
die entweder zu Korrektoren bestimmt wurden, oder aber 
höchstwahrscheinlich mit diesem oder jenem Helfer identisch 
sind. 

Bestimmung der einzelnen Korrektoren. 


Der Korrektor \X.. 


Bei X, fällt zweierlei sofort auf: 1. die große Zahl seiner 
Korrekturen und 2. ihre eigenartige Verteilung über die Bü- 
cher der Bibel, wenn man gleichzeitig die Zeit der Übersetzung 
bzw. der. Niederschrift des betreffenden Buches beachtet, die 
Bretke fast stets zu Beginn oder am Ende seiner täglichen 
Übersetzung angegeben hat. 

Die Anzahl der Korrekturen von X, ist allein fast doppelt so 
groß wie die der anderen sechs Korrektoren zusammengenom- 
men: X, ca.” 1000 (81 Korrekturen mit mehr als 3 Wörtern), 
X, ca. 200 (46), X, ca. 110 (17), X, ca. 65 (2), X, ca. 110 (0), 
X, ca. 55.(5),.X,.22.(2). 

X,—X, haben also zusammen ca. 560 (70) Korrekturen. 

X, hat sich demnach aus irgendwelchen Gründen besonders 
stark an der Korrekturarbeit beteiligt. 

Nun aber die Verteilung der Korrekturen des X, über die 
einzelnen biblischen Bücher! Ordnet man die einzelnen Bücher 
der Bibel nach der Zeitfolge, in der sie von Bretke übersetzt 
wurden, so stellt sich heraus, daß X, von den 37 Büchern, die 
in Labiau übersetzt wurden, alle bis auf drei durchkorrigiert 
hat. Nicht korrigiert wurde: 

1. der 2. Johannesbrief, der jedoch, wie schon gesagt, viel- 
leicht auch nur zufällig keine Korrektur aufweist, da er nur 
1% Quartseiten einnimmt, 2. Actorum, das von X, korrigiert 
wurde, und 3. Sapientia, das letzte in Labiau übersetzte bib- 
lische Buch. Von den 44 biblischen Schriften, die in Königs- 
berg übersetzt wurden, fehlt in 43 jede Spur einer Anmerkung 


se Eine genaue Gesamtzahl der Korrekturen kann nicht angegeben werden, 
da einige Verbesserungen so wenig umfangreich sind (z. B. Streichung 
eines Buchstabens), daß sie sich keinem Korrektor mit Sicherheit zuweisen 
lassen. 


245 


von X,, nur 1. Moses, das erste in Königsberg übersetzte Buch 
der Bibel, ist in der alten Weise korrigiert. 

Die chronologische Anordnung zeigt, daß in den Jahren 
1586—1589 irgendeine Veränderung eingetreten sein muß, die 
die Mitarbeit des Korrektors X, an der Übersetzung sehr stark 
erschwerte oder unmöglich machte, was doch sicher Bretkes 
Versetzung nach Königsberg (1587) sein dürfte. 

Bei der Durchmusterung der Unterschriften der preußischen 
Pfarrer unter der Concordienformel des Königsberger Staats- 
archivs” von 1579 fällt sofort die Ähnlichkeit der Handschrift 
unseres X, mit der des Daniel Gallus’”® auf, der damals Pfarrer 
in Laukischken, 10 km ostsüdöstlich von Labiau, war, das auch 
Friedrichsdorf genannt wurde (Abb. 29). 

Das Staatsarchiv besitzt noch zwei Unterschriften von Da- 
niel Gallus, und zwar eine unter einem Brief an den Herzog” 
und unter einem Leumundszeugnis in einem Mordprozeß vom 
23. Februar 1602. Auch diese zeigen eine auffällige Überein- 
stimmung mit den Buchstabenformen des X, (Abb. 30 und 31). 

Da Daniel Gallus noch 1602 Pfarrer in Laukischken war 
(wo besonderer Wert auf Kenntnis der litauischen Sprache ge- 
legt wurde, wie aus den mit dem Morde in Zusammenhang 
stehenden Akten hervorgeht), ist er mindestens von 1579 ab 
nächster das Litauische beherrschender Nachbar-Amtsbruder 
Bretkes gewesen, bis dieser 1587 nach Königsberg versetzt 
wurde. In dieser Zeit hat ihm Bretke also offenbar jedesmal 
bald nach der Niederschrift der Übersetzung eines biblischen 
Buches diese zugeschickt, jedenfalls aber, ohne es selbst noch 
einmal durchzulesen, wie aus den unglaublichen Fehlern und 
den Auslassungen Bretkes, die Gallus korrigierte, hervorgeht 
(siehe z. B. Abb. 34, T. XVII). Dies wurde 1587 mit Bretkes Über- 
siedlung nach Königsberg anders. Sapientia, das als letztes 
noch 1586 übersetzt wurde, blieb aus irgendeinem Grunde un- 
korrigiert, 1. Mos. (1588), das erste in Königsberg, hat Bretke 
ihm noch von dort aus zukommen lassen, danach aber erfolgte 
nichts mehr. Alle weiteren 43 biblischen Bücher blieben, wie 
schon gesagt, unkorrigiert. 


”7 Herzogl. Briefarch. I, 2, 1579. 
788 Concordienformel, S. 15Y, 
”® ],, Herzogl. Briefarch. 1590, am 1. Juni 1590 eingegangen. 


246 


Daß die Entfernung zwischen Bretke und den Korrektoren 
bei der Zusammenarbeit eine große Rolle spielte, wird sich 
noch bei den anderen Korrektoren zeigen. 

X, ist also offenbar Daniel Gallus. 


Daniel Gallus. 


Der Name Gallus ist so vieldeutig und kommt in der frag- 
lichen Zeit, wie eine Durchmusterung der Matrikelbücher der 
Universitäten zeigt, als Namensübersetzung bei so verschiede- 
nen Völkern vor, daß daraus a priori nicht auf eine be- 
stimmte Nationalität unseres Daniel Gallus geschlossen wer- 
den kann, aber seine Bibelkorrekturen in einem ausgezeich- 
neten, manchmal geradezu modern anmutenden Litauisch, 
machen es zur Gewißheit, daß er von Hause aus Litauer war, 
und daß sein lateinischer Name höchstwahrscheinlich die Über- 
setzung des litauischen Personennamens Gaidys ist", 

Die archivalischen Nachrichten über Daniel Gallus sind so 
dürftig, daß sich über seine Persönlichkeit und sein Leben 
wenig sagen läßt. 

An einer deutschen protestantischen Universiät scheint 
D. Gallus nicht studiert zu haben, jedenfalls enthalten die ver- 
öffentlichten Matrikeln in der fraglichen Zeit keinen Daniel 
Gallus, Hahn, Gaidys, der unser Gallus sein könnte”, Somit 
hat er vielleicht in Polen studiert, obwohl er dort nicht nach- 
zuweisen ist, denn die polnische Matrikel gab damals meist den 
Familiennamen nicht an””. Jedoch die Eigentümlichkeiten seiner 
Sprache machen dies wahrscheinlich. Möglich ist auch, daß er 
bei einem aus dem polnisch-litauischen Kulturbereich stammen- 
den eingewanderten litauischen Pfarrer „in die Lehre“ ge- 
gangen ist, denn andererseits muß er auch Deutsch gekonnt 


800 Ostermeyer, Liedergesch., S. 243 ff., berichtet von einem „Michael Gallus“ 
des 17. Jahrhunderts, der „...von Littauischen || Eltern gebohren. Sein 
Vater hieß Gaidys || d- i. Hahn, und war ein Ackersmann im I) Dorfe 
Gaidelen Amts Haidekrug“. Siehe unten, S. 343. 

8% Untersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln der Universitäten Frank- 
furt a. O., Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königs- 
berg, Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. 

s02 Herr Professor St. Kot, Krakau, teilte mir auf Anfrage mit: „Keinen der 
von Ihnen genannten (Gallus, Siautil, Striszka) habe ich an irgend einer 
Universität getroffen, und ich habe die Abschriften von allen.“ 


247 


\ 


haben, denn er benutzte zu seiner Korrektur verschiedene Teil- 
ausgaben der Lutherbibel, die sich z. T. nicht mit der Vorlage 
Bretkes decken, die er vielleicht selbst besessen hat. Doch sollte 
sein Deutsch nicht gereicht haben, um jenes Gutachten von 1602 
zu schreiben, das im Ich-Stil abgefaßt ist und von anderer Hand 
stammt? Gallus hat es lediglich unterschrieben! 


Jedenfalls verraten seine Korrekturen einen so hohen Grad 
von Bildung, daß nicht anzunehmen ist, daß er noch zu jenen 
Pfarrern gehört, die ganz ohne Studium angestellt wurden, 
wie z. B. der Hutmacher Thomas Sitt in Koadjuten, der Schnei- 
der Valentin Heidmann in Piktupönen u. a., sondern möglich 
ist, daß er als wandernder „Schulmeister“.nach Laukischken 
kam und später Pfarrer wurde, wie z. 1% Nikolaus Siautil in 


Ruß’®, Joachim Schenk in Labiau‘* u. a. 


Seine litauische Orthographie und esilshre zeigen viele 
Merkmale, die die aus litauisch-polnischem Kulturkreis stam- 
menden Autoren aufweisen. 


Bezüglich der Erweichung der Gutturale g und k schwankt 
Gallus anfänglich zwischen der polnischen Bezeichnung der- 
selben durch -gie, -kie und der deutschen Orthographie, die 
sie unbezeichnet läßt, z. B.: S. VII 121’: „pagielbeia“, S. VII 
123": „uszkiele“, und S. VII 127: „pagelbeia“, S. VII 116: 
„Ketwirtainiks“, und zwar geht er so weit, daß er mitten in 
einem Buche, das er bisher, ohne die Erweichung anzugeben, 
korrigiert hat, plötzlich ebenso konsequent überall die Er- 


803 Siehe unten, S. 286 ff. 

804 Siehe oben, S. 56. 

805 Die Tatsache, daß viele Pfarrer des 16. Jahrhunderts ein gewisses Maß 
von Bildung verraten, obwohl sie wahrscheinlich keine Universität be- 
sucht haben, da ihr Name in den Matrikelbüchern fehlt, erklärte Herr 
Professor St. Kot, Krakau, brieflich wie folgt: „Viele von ihnen haben 
sic niemals zu einer Universität durchgearbeitet. Doch auch. derartige 
(d. h. lutherische) Seminare für Geistliche gab es nicht. Sie waren also 
zweifellos Autodidakten, die lediglich bei irgend jemand praktizierten, 
um die Ausübung des liturgischen Gottesdienstes zu erlernen und sich 
die Anfangsgründe anzueignen, wonach sie sich selbst weiter bildeten. 
Wir haben Beispiele unter den bedeutendsten Verfechtern der Reforma- 
tion (Szymon Budny), die zeigten, daß es ohne Universitätsstudium mög- 
lich war, ein bedeutender Theologe, ale Drucker, Sprachkenner 
usw. zu werden.“ 


248 


weichung setzt. Schließlich entscheidet sich Gallus aber doch 
für die deutsche Orthographie und läßt die Erweichung un- 
bezeichnet, so daß er die gleiche Entwicklung durchmact wie 
Mosvid und Bretke. 

Vor D. Gallus läßt sich nur um 1554 ein Pfarrer Theophilus 
in Laukischken nachweisen”, der aber nicht sein unmittel- 
barer Vorgänger gewesen sein kann, wie aus den uns bekann- 
ten Lebensdaten des D. Gallus hervorgeht. 

Fest steht, daß D. Gallus 1579 bereits dort Pfarrer war. 
Wahrscheinlich hat er in diesen Jahren geheiratet, nachdem 
er kurz vorher in Laukischken, das damals eine bis Kreu- 
zingen‘” reichende Pfarre war, angestellt wurde (siehe weiter 
unten). 

In dem Erbvertrage zwischen seinen Kindern vom 29. März 
1620 nach dem Tode seiner Frau®® wurde diese ....des Se: 
Daniel Hanen gewessenen || Pfarrherrs Zu Lauckischeken nach- 
gelassene || Wittwe...“, „Euphrosina“ genannt. Da sie die Mut- 
ter aller Kinder und auch des Anfang der achtziger Jahre ge- 
borenen Sohnes Andreas war, dürfte Euphrosina damals seine 
Frau geworden sein. 

1579 begab sich Daniel Gallus wie alle damals amtierenden 
preußischen Pfarrer (mit Ausnahme des Erzpriesters von Tilsit 
und die ihm unterstellten Pfarrer®”) auf Verlangen des Her- 
zogs nach Königsberg und unterschrieb die Concordienformel 


als Pfarrer von Laukischken“. 


08 Supplikation, auf die jetzt eine moderne Hand: „1554 Pf. zu Laukisch- 
ken“ geschrieben hat, klagt ein „Theophilus pfarher || Zw Laukischken“ 
dem Herzog, daß ihn die Kirchenväter Weihnachten abgesetzt und einen 
andern Pfarrer angenommen hätten, der aber jetzt gestorben sei, auch 
hätten sie ihm den Dezem, eine Kuh und ein Pferd vorenthalten. Er bäte 
um eine andere Pfarrstelle. Auf Seite 2 steht der Vermerk: „hierauf 
ist an Hauptmann I Zu Labiaw geschriebenn I worden den 28. May“. 

807 Hieß früher Skaisgirren (Niederung). 

808 Ostpr. Fol. 210, Labiauer Hausbuch, Bd. 2, S. 77: ff. 

8% In der Concordienformel heißt es Seite 17r: „alhie solte der Ertz-Priester 
von Tilsit sambt sei- l nen Zugeordenten Pastoribus vnd Schuldienern 
vnterschreiben, Weil er aber nicht verhanden, l Volget l Ampt Jnster- 
burgk...“ Zacharias Blothno (siehe unten, S. 259 ff.) unterschreibt daher 
später an einer ganz anderen Stelle, die Unterschrift Alexanders Radu- 
nius’ d. Ä. (siehe unten, S. 276 ff.) fehlt sogar ganz. 

810 Ahb. 29, T. XV. 


249 


In jener Zeit begann auch seine enge Zusammenarbeit mit 
seinem nur 10 km weiter wohnenden Amtsbruder Bretke, dem 
er fleißig durch Korrekturen an der Bibelübersetzung half, und 
den er sicherlich auch sonst in Dingen der litauischen Sprache 
beriet. 

Das wurde, wie gesagt, 1587 mit Bretkes Fortgang von 
Labiau anders. Bretke schickte ihm von Königsberg aus nur 
noch einmal ein biblisches Buch zur Korrektur zu“, wie er 
den weiter entfernt wohnenden Korrektoren überhaupt nur 
einmal je ein Buch übersandt hat. 

Über sein Leben läßt sich sonst wenig sagen. 


In dem Erbvertrage von 1520 werden fünf Kinder genannt, 
und zwar zwei Schwestern, Catharina und Christine, sowie 
drei Brüder, Daniel, Georg und Andreas. 


. In dem Erledigungsvermerk der Regierungskanzlei in Kö- 

nigsberg auf dem Briefe Bretkes, in dem er dem Herzog seine 
Postille zum Druck anbietet”, wird Daniel Gallus mit Joh. 
Höpfner, Sim. Waischnarus, Zach. Blothno, Joh. Bielauk und 
Alex. Radunius auch zur Korrektur der Postille nach Ragnit 
bestimmt; es sind das diejenigen Geistlichen, derer das her- 
zogliche Schreiben an Bretke“® als „...vnnserer der Littawi- 
schen Sprach Kundigen Theologen...“ gedenkt. 


Daniel Gallus begab sich darauf nach Ragnit, wo er an der 
Konferenz teilnahm, die vom 17. bis gegen Ende Mai währte““, 
und wo er den am 1. Juni eingegangenen Brief an den Herzog 


mit unterschrieb“. 

Im Wintersemester 1599 wird ein „Andreas Gallus, Fride- 
ricoburgensis“*° (Friedrichsburg ist Laukischken) in Königs- 
berg immatrikuliert, was offenbar sein Sohn Andreas war”, 
der, wie gesagt, Anfang der achtziger Jahre geboren sein 
dürfte. 


#11 Siehe oben, S. 245 ff. 

812 Registr. 11. Mai 1590; siehe oben, S. 101 f. (Qu., S. 433, Z. 1). 
83 Firled. 13. Mai 1590, siehe oben, S. 102f. 

814 Siehe oben, S. 103. 

815 Abb. 30, T. XV. 

816 Erler, Königsb. I, S. 147. 

87 Arnoldt, Nachr. II, S. 54. 


250 


Andreas zahlte genau so viel wie die meisten anderen, die 
mit ihm gleichzeitig immatrikuliert wurden, nämlich 30 Schil- 
linge, was annehmen läßt, daß die Familie Gallus in Laukisch- 
ken in guten Verhältnissen lebte. 


Gatte der Tochter Catharina wurde „...der Ehrwürdige 
vnd wolgelahrte || Herr Johannes Seehl. Pfarrh[err] Zum || 
Engelstein ...“, der sie später bei dem Erbvertrage „...in Ehe- 
licher vormundt- || schafft...“ sowie die Kinder ihrer verstor- 
benen Schwester Christine vertrat. 


Bemerkenswert ist vielleicht, daß der Pfarrerssohn aus 
Engelstein, Johannes Seel, Catharina Gallus heiratet, die in 
dem 71 km Luftlinie nordwestlich von Engelstein gelegenen 
Laukischken aufgewachsen war, was damals eine erhebliche 
Entfernung bedeutete. 


Er mag sie zufällig auf seinen Wanderungen als Schul- 
‚meister oder Diakon in der Studentenzeit kennengelernt ha- 
ben, doch die z. T. polnische Art, das Litauische zu schreiben 
(Erweichung), sowie die Polonismen in dem Litauischen des 
“ Daniel Gallus, dem Bretke in sprachlicher Beziehung offen-. 
bar viel verdankte, legen die Vermutung nahe, daß zwischen 
Gallus und dem Engelsteiner Pfarrer, Dominicus Seel oder 
Sela, wie ihn Arnold auch nennt”, der der gleichen Generation 
angehörte wie Gallus, dem Vater des Johannes, irgendwelche 
Beziehungen, vielleicht aus der gemeinsamen „Lehrzeit“, be- 
standen haben könnten. 


Dominicus Seel war als junger Mensch auf die Pfarre in 
Engelstein gekommen, die genau wie die Pfarre in Lyck einen 
Pfarrer brauchte, der litauisch und polnisch sprach. Er wurde 
dort der Nachfolger des „Joannes Tortilovitz pastor Eclesie 
Engel: || steinen“ (!), wie er sich 1554 im „Catalogvs pastorvm 
Polonorvm || in Dvcatv prvssiae qvi subscripserunt““” selbst 
nannte. | 


Dieser Jan Tortylowicz-Batocki, wie ihn Jan Fijalek nennt, 
war „der erste Evangelische in Zemaiten und lutherischer 


818. Arnoldt, Nachr. II, S. 113. 
312 Jn „Artikel der Antwort“, S. 4r. 


251 


Apostel in Preußisch-Litauen“”, dessen Herkunft und Werde- 
gang eben gerade als erster gebildeter litauischer Geistlicher 
in Preußen, der sicher genau wie andere Pfarrer der damali- 
gen Zeit junge Leute zur Hilfe hatte, ausbildete und somit 
ihre kirchliche Sprache entscheidend beeinflußte, unsere be- 
sondere Beachtung verdient und in diesem Zusammenhang 
kurz behandelt werden mag”. Aber auch besonders deshalb, 
weil nach allem, was wir wissen, sein Leben und sein Werde- 
gang in den entscheidenden Punkten genau so verlief wie 
bei den anderen litauischen Geistlichen, die nach ihm über 
die Memel nach Preußen flohen, hier eine neue Heimat und 
Wirkungsstätte fanden, sowie eine Generation litauischer 
Pfarrer ausbildeten, zu denen vielleicht auch Gallus gehörte, 
deren Lebensweg wir aber nicht so verhältnismäßig genau 
kennen. 


Johann Tortylowicez-Batocki wurde offenbar in Batakiai in 
Zemaiten, 15 km nordöstlich von Tauroggen, in einer Familie, 
die dem niederen Adel angehörte, geboren. Er besuchte ent- 
weder die Kathedralschule in Varniai oder eine der städtischen 
Gemeindeschulen, von denen sich z.B. eine bereits zu Beginn 
des 16. Jahrhunderts in Tauroggen nachweisen läßt. In diesen 
Schulen „wurde ‚auch polnisch‘ gelehrt“, oder um die Sache 
richtiger darzustellen: „die Rektoren-Baccalauren in ihnen 
waren gewöhnlich Polen“, 1533 oder bald danach wurde Tor- 
tylowicz in Sileliai (wohl dem im Kreise Raseiniai) katholischer 
Geistlicher, muß aber sehr bald lutherisch geworden sein, denn 
er floh eine gewisse Zeit vor Mai 1536 über die Memel nach 
Tilsit, wo ihn der erste dortige lutherische Pfarrer, Simon 
Alector (Hahn), aufnahm, und wo er nach Ansicht Fijäleks 
in gewisser Weise Begründer der litauischen Kirche in Tilsit 
wurde. Alector sandte ihn mit guten Zeugnissen versehen zum 
Herzoge nach Königsberg, der den gebildeten, Polnisch, La- 
teinisch und Litauisch sprechenden Geistlichen gerne in seine 
Dienste nahm. In einem Briefe vom 30. Mai 1536 an den pome- 
sanischen Bischof Speratus spricht der Herzog in diesem Zu- 

N 

20 X. Jan Fijalek: „X. Jan Tortylowicz-Batocki“, in: St. Kot, „Reformacja 

w Polsce“ 1921, S. 97 ff. Auf diesem Artikel beruhen die Angaben über 
Tortylowicz größtenteils. Ausführlicher siehe dort. 


252 


sammenhange davon, daß die katholischen Geistlichen in Ze- 
maiten Polnisch, Lateinisch und Litauisch sprächen. 

Der Herzog bestimmte Tortylowiez für die bereits über 
ein Jahr unbesetzte Pfarre in Lyck, doch Tortylowicz wollte 
aus unbekannten Gründen nad Insterburg. Der Herzog emp- 
fahl Speratus darauf in dem genannten Briefe von Ende Mai 
1536, er solle sich selbst um einen Geistlichen für Lyck be- 
mühen, doch nur einen Polnisch und Litauisch sprechenden 
Kandidaten vorschlagen. Doch schon 1537 wurde Tortylowicz, 
nachdem er die Insterburger litauische Kirche begründet hatte, 
. nach Angerburg versetzt, wo er acht Jahre amtierte. 1545 sie- 
delte er nach Engelstein über, wo er nun blieb und zu Wohl- 
habenheit kam, denn am 29, September 1558 bestätigte ihm 
der Herzog seine dortigen Güter, wobei er ihn einen alten 
Diener des Wortes Gottes nannte. 

Ich glaube nicht, wie Fijalek annimmt, daß jener junge 
litauische Prediger aus Engelstein, den Speratus im Mai 1545 
an Rapagelanus nach Königsberg sandie, damit ihn dieser dem 
Herzoge zur Ausbildung als Lehrer für seine litauischen Volks- 
genossen empfehlen sollte, Tortylowicz gewesen sei, denn der 
Herzog hatte doch bereits genug mit ihm zu tun gehabt, außer- 
dem muß Tortylowiez doch damals schon über 30 Jahre alt 
gewesen sein! Es scheint mir näher zu liegen, daß es sich hier 
um einen jungen litauischen Predikanten handelte, der ohne 
Universitätsbildung bei dem damals einzigen gebildeten litaui- 
schen Pfarrer in Preußen „in die Lehre“ ging“ und sicher dort 
die polnische Art, das Litauische zu schreiben und die vielen 
Polonismen in seiner Sprache lernte! 

Nachfolger dieses Tortylowicz wurde, wie schon gesagt, 
Dominicus Seel, der 1579 die „Concordienformel“ als „Do- 
minicus Seel Pastor Ecclesiae Engelsteinensis“ unterzeichnete 
(S. 6") und sich im Wintersemester 1589 in Königsberg imma- 
trikulieren ließ”, wo er die Immatrikulationsgebühren in 


einem Monate zu zahlen versprach, „...quia pecunia desti- 
tuebatur....“; ein Jahr später, Wintersem. 1590, wurden ‚ — Jo- 
annes Seel — Fabianus Seel fratres, pastoris Engelsteinensis 


821 Siehe oben, S. 248 Anm. 805. 
2 Erler, Königsb. I, S. 103. 


253 


filij...“ — weil fast die ganze Habe des Vaters verbrannte 
und durch Vermittelung „... Domini Decani M. Perbandi...“ — 
umsonst immatrikuliert. Die beiden Söhne müssen noch unter 
15 Jahren gewesen sein, denn sie wurden „...propter aeta- 
tem...“ nicht vereidigt, sondern versprechen nur durch Hand- 
schlag Gehorsam®”. 2 

Bereits 1593 wurde Johannes Seel seinem Vater als Diakon 
‘zur Hilfe beigegeben, dem er 1609 nach dessen Tode im Amte 
folgt“. In diesen Jahren heiratete Johannes Seel, wie gesagt, 
Catharina Gallus aus Laukischken. Die Pfarre in Engelstein 
hat er bis zu seinem Tode, 1642, verwaltet. 

Wir kehren zu Daniel Gallus zurück. 

Das zeitlich nächste und gleichzeitig letzte bekannte Lebens- 
zeichen von Daniel Gallus ist das am 23. Februar 1602 unter- 

‚zeichnete, bereits erwähnte Leumundszeugnis, das ihn als 
guten Kenner seiner Gemeinde zeigt, über sein eigenes Leben 
aber leider nichts verrät. 

In den nächsten Jahren dürfte Gallus gestorben sein, denn 
bei der Kirchweihe der neuerbauten Laukischker Kirche am 
3. Advent 1607 durch den Labiauer Pfarrer Joachim Schenck ist 
bereits sein Sohn Andreas Gallus Pfarrer dortselbst’”, der nach 
Arnoldt durch eine Verordnung vom 12. Juni 1607 dort von 
Schenck eingewiesen worden war“. 


823 Fbenda, S. 106. 

#4 Arnoldt, Nachr. II, S. 313 £. 

825 Im Laukischker Pfarrhaus wird ein Dokument von 1624 aufbewahrt, in 
dem es in bezug auf die Kirchweihe am 3. Advent 1607 und die Voll- 
endung des Turmes 1611 heißt: „Zu dieser Zeitt ll ist diesses Gotteshauß 
mit nachfolgenden || dienern vndt Vorstehern versorget gewessen, || AIR 


der Herr pfarherr Andreas Gallus. || die Kirchenvätter... || ... Alberecht 
Kraußer Kruger Zu I Fridrichsburgk, vndt Hanß Sidtlen...“ 
80 Arnoldt, Nachr. II, S.54: „...Seine Introduction ward | 1607 den 12. Juni 


dem Pf. in Labiau aufgetragen.“ Im Kaufvertrag des Andreas Hirtzfelder 
vom 12, 11. 1629 (Ostpr. Fol. 210, Labiauer Hausbuch, S. 162r) wird von 
den „...Sehl. Andreae Gallij gewesenen || pfarrers Zu Laukischken 
Hinderlassenen I) geehlichten wittiben erben...“ gesprochen. Schon am 
19. 1. 1627 unterzeichnete Alexander Hardtwich als Pfarrer von Laukisch- 
ken zusammen mit_„Gregorius Kowenigk Pfarher Zu Georgeburg“ ein 
Dokument (ebenda, S. 87r), wonach Arnoldt, Nachr. II, S. 54, zu berich- 
tigen ist. Dieser Georgenburger Pfarrer stammte aus Laukischken. 1630 
heiratete A. Hardtwich dessen Schwester (Ostpr. Fol. 209, S. 294r). 


254 


In den Jahren vor 1620 muß Frau Euphrosina Gallus ge- 
storben sein, denn in dem öfter genannten Erbvertrage vom 
29. März 1620 setzten sich ihre Kinder über die Hinterlassen- 
schaft der Mutter, einen „...Gartten vnd etliche mobilien...“ 
dahin auseinander, daß sie dem „...Ehrwürdigen, vnd Wol- || 
gelahrten Andreae Gallo Jhrem || auch Leiblichen Brudern, 
vnd || Pfarrh[errn] Zu Laukieschken den gartte[n] || Zwischen 
der Kirchen Schmied vnd || Greger Kewenigs gartten gelegeln] || 
neben den wenig verhandenen || gewessen fahrnüssen ...“ für 
115 Mark verkauften, und Andreas jedem 28 M. und 15 Gro- 
schen auszahlte. 

Bemerkenswert ist, daß dieser Vertrag, der doch innere 
Angelegenheiten der Laukischker Pfarrfamilie betraf, von ‚Jo- 
hanes Wichman || pfarherr Zu Labiau“ mit unterzeichnet 
wurde; er gehörte also zu den „...darzu erbetenen || Herrn 
vnd Freunden ....“, die den Vertrag .,... mit eige- || nen || Hen- 
den vnterschriben, vnd mit Jhren || petschafften besiegelt...“ 


Der Korrektor \X.. 


Bei den 201 Korrekturen des Korrektors X, fällt auf, daß 
sie sich nur auf den 27 Seiten des Buches Tobith (Tobias)”” 
finden, während die übrigen 80 Bücher der Bibel keine Spur 
einer Korrektur durch X, aufweisen. 

Am Schlusse des Buches Tobith, V 97° unten, ist in kleiner 
Schrift angegeben: „Hujc Lithuanico Tobiae limam adhibuit 
Zacharias Blothno Tilsensis Diacon[us] 1585“ *, 

Daß Zacharias Blothno „dem litauischen Tobias die Feile 
angesetzt hat“, heit doch, daß er dieses Buch verbesserte, d.h. 
korrigierte. 

Welche Handschrift ist nun die Blothnos? Die des X, fallt 
fort, da X, als Daniel Gallus bestimmt ist‘*, bleiben also nur 
die von X, und X,, die sich auf das deutlichste voneinander - 


unterscheiden‘. Eine von beiden muß die Blothnos sein. 


827 V 84r0 — 97r u. 

828 Abb. 28, T. XIV. 

822 Oben, S. 245 ff. 

8% Abb. 38 und 39; siehe auch z. B. Abb. 22 und 23, Abb. 12 und 13, T. IX, 
usw. 


255 


Für X, spricht, daß sich seine Korrekturen ziemlich gleich- 
mäßig über das ganze Buch Tobith verteilen, während die 
des X, sich lediglich auf der 5.—9. Seite” finden. Sollte nun 
jemand, der von 27 Seiten eines Buches sechs korrigierte, 
sagen, er habe es verbessert? Wahrscheinlich ist es nicht; wahr- 
scheinlicher ist, daß sich diese Bemerkung auf X, bezieht, der 
wirklich das ganze Buch korrigiert hat. 

Das Königsberger Staatsarchiv besitzt nun eine Reihe von 
Unterschriften, die von Zacharias Blothno d. Ä. stammen sollen. 
Es sind dies einerseits je eine Unterschrift unter der „Con- 
cordienformel“ und unter dem Briefe der Postillenkorrektoren 
an den Herzog®”, sowie andererseits unter einigen 1601 ge- 
schriebenen Briefen‘*, die aber nicht recht mit den beiden erst- 
‘genannten Unterschriften übereinstimmen wollen. 

Zweifellos von Zacharias Blothno d.Ä. stammen aber die 
Namenszüge unter der „Concordienformel“ und unter dem 
Briefe an den Herzog®”, dagegen stimmen die Unterschriften 
unter den Briefen von ca. 1601 vollkommen mit denen seines 
Sohnes, Zacharias Blothno d. ]J., überein, die sich unter Briefen 
von 1603°* finden, wo Zacharias Blothno d. A. bereits ein Jahr 
tot war. Möglicherweise hat der jüngere Blothno die Briefe 
von 1601 für seinen alten Vater geschrieben, zumal es sih um 
seine eigene Bewerbung nach Ragnit handelte. (Siehe unten, 
S. 273 und 359 ff.) 

Außer dem Königsberger Staatsarchiv besitzt aber die Leh- 
rerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums zwei deutsche Briefe 
Zacharias Blothnos d.Ä., einen von Anfang Mai 1590 und 
einen von Ende Mai 1590 (?)°*, beide an die „Ratsmänner“ der 
Stadt Tilsit. Der Text des Briefes von Anfang Mai zeigt aber 
die gleiche Handschrift wie seine Unterschrift, die wiederum 
sowohl mit der Z. Blothnos d. Ä. unter dem Briefe der Postillen- 


si V 8571 — 87V. 

32 Herzogl. Briefarch. I, 2, 1579 und 1590, eingegangen den 1. Juni 1590; 
Abb. 30, T. XV. 

»33 E.M. 138ee, Aktenheft: „Erzpriester in Tilsit.“ E.M. 118ee, Aktenheft: 
„Stadt Ragnit. Kirche und Schule 1576-1601“, Blatt 14 ff. 

83 Siehe oben, S. 136 ff. 

835 Präsent. 7. 5. 1590, siehe unten, $. 266. 

838 Siehe unten, S. 267. 


256 


korrektoren an den Herzog von 1590 (Abb. 30, T. XV) als auch 
in den charakteristischen Zügen mit der unter der Concordien- 
formel (Abb. 40, T. XIX) übereinstimmt”. Wir haben es hier 
mit einem Brief zu tun, der ganz aus der Feder des älteren 
Z. Blothno stammt, während der andere genannte Tilsiter Brief 
von Ende Mai 1590 (?) wiederum nur die Unterschrift in der 
nun bekannten Handschrift unseres Z. Blothno d. A. zeigt. 

Für den Schriftvergleich sind also die Unterschrift unter 
der „Concordienformel“, der Brief von Anfang Mai 1590, 
die Unterschrift unter dem Brief von Ende Mai 1590 (?)** sowie 
die Unterschrift unter dem Brief der Postillenkorrektoren an 
den Herzog zu verwenden. 


Vergleicht man diese (Abb. 30, T. XV; Abb. 40, 42 und 43, 
T.XX) mit den Verbesserungen und Randglossen des Korrek- 
tors X, (z. B.: Abb. 41, T. XIX; Abb. 38, T. XVIIT; Abb. 22, T. XII; 
Abb. 15, T. X, sowie Abb. 12 und 13), wird klar, daß es sich 
überall um die gleiche Hand handelt, die einmal eine gezierte 
Schönschrift — das heißt, ohne die Balken bei den Abstrichen — 
schreibt (‚„Concordienformel“), in den deutschen Briefen sich 
bereits mehr gehen läßt (die „Balken“ treten deutlich hervor), 
während sie in den Bibelkorrekturen eine flotte, teils lateinisch- 
litauische, teils deutsche Kursive entwickelt®*. 


Auch der negative Beweis mag hier geführt werden: Ver- 
gleicht man die zweifellos von Zacharias Blothno d. Ä. stam- 
menden Schriftzüge mit denen der beiden anderen Korrek- 
toren X,°” und X,”, die, wie gesagt, ebenfalls das Buch Tobith 
korrigiert haben, und auf die sich die lateinische Anmerkung 
am Schlusse des Tobith ebenfalls beziehen könnte“, so tritt 
die völlige Andersartigkeit der drei Handschriftentypen deut- 
lich in die Erscheinung. 

Dazu kommt die an das Altpolnische erinnernde Konstruk- 
tion des Wortes büti+ Partizipium Activi, das z. B. Mosvid 


87 Abb. 42 und 43, T. XX. 

#8 Man beachte vor allem die charakteristische Neigung der Abstriche, die 
Federzüge bei dem g, p, s usw. 

## 7.B.: Abb. 14, T. X; Abb. 21, T. XII; Abb. 32 und 33, T. XVI, usw. 

&20 Abb. 16, T. X; Abb. 23, T. XIII; Abb. 39, T. XVIII; Abb. 44, T. XXI. 

si Abb. 28, T. XIV; siehe auch unten, S. 38f. 


17 Falkenhahn, Bretke 257 


verhältnismäßig selten hat”, bei X, und X, wohl nicht nur zu- 
fällig ganz fehlt, aber sowohl in Z. Blothnos Vorrede zur 
„Zemezuga Theologischka“ als auch in den Verbesserungen des 
Korrektors X, verhältnismäßig häufig vorkommt, z. B. 

In der Vorrede:#* 

„Diewa niewiens kartuntgqg ne est regeiens...“ (S. 172, Z. 12f.vo), 
„»... wiengimensis sunus... / tas mums ghi ischreischkens est“ (ebenda, 
Z. 13£.vo), „...ans darens est...“ (ebenda, Z. 15vo), „... anys ne est 
meile thesai prymti noreie...“ (S. 173, Z. 9f. vu), „...Simon Waischnarus... 
lietuwischkai perguldens est / ant naudos lietuwninkams / kuruiu mokitaiu 
ans isch Diewa likima... est essas...“ (S. 174, Z. 14 ff. vo), „... Dwasses... 
ischgu Diewa thos butu essancZos alba ne...“ (ebenda, Z. 8f. vu) usw. 

Bei X>: 

X, Eeeanzt (nach Bretkes: „...Antra nakti eik iospi wieschlibai, kaip || 
schwentieghi Prat Patriarchai“): „est dare“ (V 90v 2vu, Tob. 6,21), X, ver- 
bessert Bretkes „...buwa dawes...“ (im Satze „...kuriemus pirmai sawa 
Duk- l teri buwa dawes...“) in: „est paszadeiens“ (V 9ir 2vu, Tob. 7,11). 

Auffällig ist auch, daß X, recht oft schriftlit. e durch ie 
wiedergibt; noch heute wird ja bei Tilsit”*, Kuckerneese und 
im Fischerlitauisch‘” ie für schriftlit. & gesprochen. 

So hat X,: kregszdie (Abb. 13, T. IX; V 86" 4vo, Tob. 2, 11), 
dielei (V 86” 11vo, Tob. 2,23), nebegalies (3. P.Fut.) (V 90’ 7vo, 
Tob. 6,9) usw. 

Auch die Vorrede hat, wenn auch seltener, diese Erschei- 
nung, z.:B.: garbiespi (S. 173, Z.4vu), gallies (3. P. Fut.) (S.174, 
Z. 1vu) usw. 

X, ist also Zacharias Blothno d.Ä. 


Dabei bleibt die Frage offen, wer die Anmerkung am 
Schlusse des Buches Tobith schrieb: „Huje Lithuanico Tobiae“ 
usw. (Abb. 28, T. XIV). ; 


Der große Unterschied zwischen der Handschrift Bretkes 
im litauischen Text der Bibel und der in seinen lateinischen 
theologischen Anmerkungen in kleiner Schrift am Rande (ob- 
wohl beide in lateinischen Buchstaben geschrieben sind) (oben, 
T. V, Abb. 6, T. VI, Abb. 7 und S. 34, T. XVII) läßt immerhin 


92 7, B.: Gerullis, Mosvid, S. 139, Z. 7Zvo: „...da- I wens est...“; 3vu: 
»... palikens N esti...“ usw. 

#3 Stellenangabe bezieht sich auf Gerullis, Skait. 

84 Fenzlau, Formen, S. 8. 

85 Gerullis-Stang, Fischerlitauisch, S. 5f. 


258 


die Möglichkeit zu, daß es Zacharias Blothno d.Ä. selbst war, 
der dieses Testat in kleinen lateinischen Buchstaben am Ende 
seiner Korrekturarbeit hier einschrieb. Jedenfalls stammt die 
Eintragung von einer Person, die um die Verbesserung dieses 
Buces durch Z. Blothno genau Bescheid wußte. 

Durch diese Notiz können wir die Zeit recht genau be- 
stimmen, in der Daniel Gallus, Zacharias Blothno und X, das 
Buch Tobith korrigierten: 

Bretke vollendete die Übersetzung dieses Buches am 
„26 Nou[ember 1585]“ (ein Teil des Blattes ist abgerissen, doch 
schrieb Bretke zu Beginn der Arbeit (V 84): „...Ao 1585. die 
21 Nouemb...“ || ..... atqu[e] absolui intra 6. || dies. Laus Deo.“ 

Die Hand aber, die das erwähnte Testat: „Huje Lithuanico 
Tobiae...“ schrieb, gab rechts daneben, auf Abb. 28 (T. XIV) 
nicht mehr sichtbar, die Jahreszahl 1585 an. 

Nun zeigt aber der bereits erwähnte Konsens: „bene“ des 
Korrektors X, (Abb. 12, T. IX) zu der Übersetzung des Wortes 
„furwitz“ durch D. Gallus, daß X, nach diesem das Buch kor- 
rigiert haben muß. Auf Seite V 87’ 1vo findet sich eine Korrek- 
tur von X,: „schaukia“, die Z. Blothno wiederum zu „schau- 
kiassi“ verbesserte. Somit hat Z. Blothno nach X, korrigiert. 

Alle drei haben das Buch Tobith somit in der Zeit von 
frühestens 26. November bis spätestens zum 31. Dezember 1585, 
also in etwas mehr als einem Monat, korrigiert. 

Es ist wohl auch kein Zufall, daß Gallus in Laukischken 
und Blothno in Tilsit Pastoren waren: der eine wohnte nur 
10 km von Labiau entfernt, der andere in Tilsit, das genau 
wie Labiau an der vielbefahrenen Wasserstraße (siehe oben, 
S. 53 ff.) nach dem Osten lag, so daß Bretke sicher Gelegenheit 
hatte, ihnen kostenlos ein Buch zu übersenden. Vor allem war 
aber der Tilsiter Erzpriester und damit Blothnos Vorgesetz- 
ter ein Sohn des früheren samländischen Bischofs Joachim 
Mörlin, nämlich Hieronymus Mörlin, mit deren Familie Bretke 
näher bekannt gewesen zu sein scheint (siehe unten, S. 275 £.). 


Zacharias Blothno d.Ä. 


Der Name „Blothno“ gehört wohl sicher zum polnischen 
„bloto“, „blotny“ und dürfte, falls die Familie ursprünglich 


%4° Heute etwa Superintendent. 


i7* 259 


litauisch war, die Übersetzung des litauischen Personennamens 
„Purvinis“ sein. So, wie der Name vorliegt, bekommt er durch 
die Endung -o ein südpolnisch-ukrainisches Gepräge. 

Ob der Vater unseres Zacharias Blothno, Nicolaus Blothno, 
aus einer in Preußen angesessenen Familie stammte oder zu 
den aus Litauen eingewanderten Pfarrern gehörte, ist unbe- 
kannt. 

In dem von ihm ins Litauische übersetzten Liede (Gerullis, 
Mosvid, S. 415 ff.) ist die Erweichung von g und k vor e stets 
in der polnischen Art angegeben, z. B.: kieli (S. 415, 1vu), kien- 
teijei (S. 416, 9vu), tikiesij (S. 417, 4vu), Regiesim (S. 418, 11vu). 

Da die einzelnen Lieder in dem von Willent herausgegebe- 
nen Teile der Liedersammlung bezüglich der Erweichung 
durchaus verschiedenes Verhalten zeigen, wird sehr wahr- 
scheinlich, daß Willent bei der Herausgabe der Lieder an der 
Erweichung nicht korrigierte. 

Daher kann die Frweichung in dem Liede N. Blothnos dafür 
sprehen, daß er aus litauisch-polnishem Kulturbereich 
stammte. 

Unser Korrektor Zacharias Blothno d. Ä. wurde in Memel 
geboren, wo sein Vater bis 1557 litauischer Pfarrer war”, 
denn er unterzeichnete die Concordienformel: 

»... Zacharias Blothno Memlius lituanicus pastor Tilsensis“”*. 

Er war der älteste der drei Söhne Zacharias, Johannes und 
Nicolaus. 

Scloßbach (früher Pillupönen)“, wohin sein Vater 1557 
versetzt wurde, und wo Zacharias seine Kindheit verlebte, lag 
nur 2 km von der damaligen litauisch-polnischen Grenze ent- 
fernt inmitten von Kirchorten, in denen neben deutsch auch 
litauisch gepredigt wurde, wie Wehrkirchen (früher Schitt- 
kehmen), Tollmingen (fr. Tollmingkehmen) und Ebenrode 
(fr. Stallupönen). 

Wie aus einer Eintragung in dem „Haus-Buch des Amts 
Insterburg. Lit. A" hervorgeht, erhielt sein Vater dort im 


%7 Arnoldt, Nachr. II, S. 156; Ostermeyer, Liedergesch., S. 242. 

&8 Seite 17v, Abb. 40, T. XIX. 

#30 Wegen Schloßbach (Pillupönen) siehe oben, S. 85, die Bewerbung Bretkes 
um die dortige Pfarrstelle und das Gutachten des Konsistoriums dazu. 

850 Ostpr. Fol. 184, S. 408v ff. 


260 


Buena 1563 vom Herzoge 
ee hVdE: 

sein Vntertheniges bittenn, Vnnd Vmb seiner 

treiienn dienste willenn, die er vnss bisshe- 

ro geleistett, Vnnd hinfüro vmb souiell mehr 

thun Vnnd Leistenn soll Vnnd will, auss gna- 

denn Zwo huebenn Zu Philippenenn....“ 
frei von Scharwerk, so lange er und seine Frau leben, 

»...do auch 

seine Söene der geschickligkeitt werdenn möchtenn 

dass sie Zum Predigamptt Zu gebrauchenn ...“, 
sollten sie die Hufen ebenfalls auf Lebzeit haben. 

Über die Wirksamkeit des Nicolaus Blothno in Pillupönen 
und zugleich über die Verhältnisse, in denen Zacharias dort 
. aufwuchs, berichtet die Abschrift eines Gutachtens über den 
Vater unseres Zacharias in dem gleichen Hausbudh““, das 
»... Wolff frey- || herr von Heideck vnd Hanss von Tettaw || 
Hauptman Zur Insterburgk...“ auf Verlangen Georg Fried- 
richs am 3. Juli 1578 geschrieben haben. Nicolaus Blothno hatte 
sich nämlich mit einer Beschwerdescrift „...wider denn || 
Hohendorff....“, gegen den er die „...Dorffschafft...“ „...In- 
stigiret...“ haben soll, an den Herzog gewandt, in der er 
Hohendorf unrechtmäfige Jagd und offenbar noch manches 
andere vorgeworfen hat. In dem Gutachten sagt der Haupt- 
mann u. a.! 

(Seite 165v) 
»... Ingleichen[n] Haben wier die Beschwer so wider denn 
Hohendorff gethann auch Vorhoren Wollen der 
hohendorff alss der belagte (!) hatt sich eingesteltt 
vnd auff gewartt Aber die Cleger wid[er] in 
seindt nichtt erschienen Es ist der Pfarr 

(Seite 166r) 
Zu Pillupenen ein Vorsoffenner Godtloser Pfaffe 
der Zugleich Kruger vnd Piaff vnd bösses leben 
fuhrett, Dauon Zu seiner Zeitt gutter Berichtt 
geschehen Kann, wie auch das die Commission 
Ao 68 Clerlich aussweisset, Da er sich der gerichtt 
an gemassett die ich Heuptman ihm nicht gestatten 
Wollenn ihme auch seine gefencknus so er Tir- 
ranischer weisse gebauwet einreissenn 
lassen daruber er dan diesse vnwarhafftige 


81 Fbenda, S. 165 ff. 


261 


Supplication gestellet Zu derer er sich nicht 
einstellen wollen. Beschuldiget mich mit 

vnwarheit das er Ob godt will Nimmer dar- 
thuen soll, habe Je vnd alle wege einem Jden 
was er befugt die billigkeitt souiel in meinem 
Vormogen gewessen gern vnd willig mitgeteilet, 
- So ist mier Hohendorff nicht auff ein harr mit 
Bludtfrendtschafft Vorwandt, Vielweniger 

hatt es gedachter Pfaff mier Jhe geclagett 

od[er] auch die Dorffschafft, Die diesser Pfaff hirtzu 
insts Instigiret Derhalben e fl: G: dass frucht- 

gen Woll tzu merckenn. Er ist furwar dem 
Ministerio ein Greuel, den er ein Söffer SPiler [etc]. 
wart seines AmPts das es godt erbarm Am 

Kruge ist im mehr gelegen den an der Kirche...“ 


Der Hohendorf sei „...kein ferlicher Jeger, vnd ist || diess 
alles des Pfaffen angetrieb, gleuben || nicht das Hohendorff 
das Jharr vber 2 hassen || fang. Habens ihm aber gleichwoll 
vndter sagtt...“ 


Wir erfahren nicht, was aus der Sache geworden ist, jeden- 
falls Nicolaus Blothno blieb im Amte. 


Als Zacharias 1573 mindestens 16 Jahre alt war, begab sich 
sein Vater mit ihm und seinem jüngeren Bruder nach Königs- 
berg, wo sich alle drei am 4. Februar 1573 immatrikulieren 


ließen®*., 


Die -Matrikel lautet: 


„4. -Reuerendus vir Nicolaus Blotno (!), 
pastor ecclesiae Dei in pago Lithuaniae Pilupian, cui precium 
inscriptionis honoris gratia remissum fuit. 

-Zaccharias Blotno, filius pastoris Pilupianensis major 
gr. 5. 

-Johannes Blotno, fillius eiusdem natu minor gr. 5.“ 


Sicher begannen die beiden Brüder damals zu studieren. 
Zacharias Blothno hat wahrscheinlich nur in Königsberg stu- 
diert, da sich in den veröffentlichten Matrikeln der deutschen 
protestantischen Universitäten sein Name nicht findet“. 


85? Erler, Königsb. I, S. 52. 

858 Untersucht wurden noch die Matrikeln von Erfurt, Frankfurt a. O., Frei- 
burgi.Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Leipzig, Marburg, Rostock, 
Tübingen, Wittenberg. 


262 


Zacharias hat nur drei Jahre studiert; bereits 1576 wird er 
in Tilsit litauischer Pfarrer, wie Quandt°* und Arnoldt’* über- 
einstimmend angeben. 

Tilsit, das im 15. Jahrhundert im wesentlichen aus den bei- 
den Dorfschaften mit stammpreufischer Bevölkerung „Preu- 
ßen“ und „Splitter“ bestand”® und zur Zeit der Reformation 
bereits neben der deutschen Siedlerschaft an der „Burg“ ein 
verhältnismäßig starkes litauisches Element aufwies, hatte bei 
Z. Blothnos Ankunft rund 160 Bürger, so daß die Zahl der Ein- 
wohner, ganz grob geschätzt, 1000 betragen haben mag. 


Gar nicht so weit ab von der Stadt an der Memel, der viel- 
befahrenen Wasserstraße, begann die Wildnis, in der Rudel 
von Elchen und anderes Wild hausten‘”. 


Außer der Burg Tilsit beherrschten drei Gebäude das Bild 
der Stadt mit seinen Bürgerhäusern aus Holz: 1. das Rats- und 
Gerichtshaus, an der Stelle des heutigen Magistratsgebäudes, 
ein Fachwerkbau‘®, in dessen Nähe, wohl auf dem heutigen 
Schenkendorfplatz, Blothno die armen Sünder zum Hochgericht _ 
geleiten mußte, 2. die Deutsche Kirche, an der Blothno bis 1592 
deutscher Diakon war‘” (an der Stelle der heutigen Stadt- 
kirche an der Memel, umgeben von einem Friedhofe), die be- 
reits 1551 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden sollte, 
wozu es jedoch erst 1598 kam — die Vollendung des Neubaus 
1610 erlebte Blothno nicht mehr —, aber vor allem 3. die Litaui- 
sche Kirche auf dem heutigen Fletcherplatz neben der Deut- 
schen Kirche, in der Blothno die ganze Zeit als litauischer 
Pfarrer wirkte. 


Teubner sagt 1727 von dieser Kirche‘®: 


853 „Presb.“, Bd. 4 (MSC 21), S. 61v, Kapitel Tilsit, lit. Pfarre „1576. Zacha- 
rias Blothno, senior“. 

85 Arnoldt, Nachr. II, S. 141, Abschn. Tilsit, B. die lit. Kirche, Pfarrer: 
„2. Zacharias Blothno der ältere von 1576...“ 

856 Thalmann, Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 40 Anm. 2. 

857 Thalmann, 1. c., S. 21, und oben, S. 48f. 

88 Thalmann, Zehnbilderfolge Tilsit, doch noch ohne Turm (siehe Thalmann, 

Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 181 £. 

85 Arnoldt, Nachr. II, S. 141: „...verwaltet dabey (d. h. neben dem lit. 
Pfarrdienst) bis 1592 das deutsche Diaconat, da er sich dessen begab...“ 

800 Zitiert nach Thalmann, Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 289 Anm. 3. 


263 


„Gegen der Deutschen Kirche über stehet die Litthauische Kirche 
welche ein ziemlich grosses Gebäude ist, doch nur aus Fachwerk be- 
stehe, und nunmehro ziemlich baufällig wird. Diese Kirche hat 
weder einen Turm noch Glocken, derowegen man sich in Haltung des 
Gottesdienstes, nach der Deutschen Kirche richtet. So gehöret zu dieser 
Kirche auch nicht ein besonderer Kirchhoff... ..“ss1, 


Hier fand während des Neubaus der Deutschen Kirche auch der 
deutsche Gottesdienst statt. Überhaupt wurde die Litauische 
Kirche als zur Deutschen Kirche gehörig betrachtet, wie denn 
auch ihre Einnahmen der Deutschen Kirche zuflossen und dort 
registriert wurden. Erst am 28. Januar 1686 ordnete Kurfürst 
Friedrich Wilhelm an, daß die Einnahmen der Litauischen und 
der Deutschen Kirche gesondert geführt werden sollten”. 

Außer einer deutschen Schule war auch bereits eine litaui- 
sche Schule vorhanden”. 

Bald nach seiner Anstellung 1576 in Tilsit muß Zacharias 
Blothno d.Ä. geheiratet haben, denn im Herbst 1594 ist sein 
Sohn Zacharias bereits in der letzten Klasse der Tilsiter Par- 
tikularschule®®, und Ende 1600 hat dieser sein Studium abge- 
schlossen°*, 

Wie aus dem Klagebrief Z. Blothnos d.Ä. an die Tilsiter 
Stadträte von Anfang Mai 1590°® hervorgeht, bekam er anfäng- 
lich 55 M. Jahresgehalt, hatte aber nach der Stadtrechtsurkunde 
vom 2. November 1552 zwei Hufen“. 

Im Februar 1591 schildert Blothnos Vorgesetzter, der Til- 
siter Erzpriester Hieronymus Mörlin, in einem Bittschreiben 
an den Herzog die Amtspflichten Blothnos und des Tilsiter 
Kaplans‘” mit folgenden Worten: 


»... Vnnd aber vielfeltig dieselben Diener 

den Kirchen auf dem Lande müßen dienen vnd Zuspringen, 
AIR wo Irgendts die Pfarhern vf dem Lande Kranck, 
vorreist, oder mit Todt abgehen, wie den auch die Vbel- 
theter vnd Armen Sunder des Ampts wen sie hingericht 


s1 Thalmann, 1. c., Abb. 27 (die lit. Kirche mit 6- oder 8-eckigem Chor hinter 
der 1610 vollendeten deutschen Kirche mit Satteldachturm aus Holz). 

822 Thalmann, ]. c., S. 196. 

868 Genaueres unten, S. 270. 

862 Siehe unten, S. 273. Siehe auch Bericht. u. Erg. 

8065 Siehe unten, S. 267. 

s6 Thalmann, Bau- und Kulturgesch. Tilsits, S. 155. 

807 Siehe S. 268 £. 


264 


werden, mit Trost vnd lehr vnnd reichung der Sacrament 
mußen vorsehen, nichts dauon haben...“ 


Dazu betätigte sich Blothno wohl auch im Bedarfsfalle im 
Gericht, wie ja auch von Bretke bekannt ist‘®. Während er dies 
anfänglich unentgeltlich tat, wurde ihm auf seine Supplikation 
von 1585 ein nennenswerter Betrag zu seinem Einkommen ver- 
sprochen, wenn er auch, wie aus Blothnos Schreiben von An- 
fang Mai 1590 hervorgeht, bis dahin tatsächlich nur 15 M. be- 
kommen hatte®®. Auch sein Sohn Zacharias Blothno d. ]. 
schreibt’? am (Datum) 26. September 1608 von Piktupönen, wo 
er Pfarrer war, in dem Antwortschreiben auf seine Berufung 
nach Tilsit an die „Ehrentveste, Achtbare, wollweise, Hoch- 
vnnd Großgünstige || liebe h[er]rn: vnnd freunde“, d. h. an den 
Bürgermeister und die Ratsherren der Stadt Tilsit, daß sie ihn 


„...auss einhelligem |} schluss vnnd begehren, so woll eines woll- 
weisen Gerichts als an auch einer gantzen Erbarn Christlichen Ge- 
meine Zu sich || vor einen deutschen vnnd Littauschen Caplan forderen 
vand || gutte promotion verheisen... haben, wofür er ihnen... vor- 
nemlichen, benebenst auch einem wollweisen Ge- l richt vond der 
gantzen Christlichen Gemeine... sehr hohen vnnd grosen danck 
weiss... .“. 


Vielleicht hatte der ältere Blothno, der vielleicht außer Li- 
tauisch noch Polnisch konnte, wie sein seltsames Litauisch ver- 
muten läßt, auch noch auf dem Hause Tilsit als Übersetzer zu 
arbeiten, wie das von Mosvid, Jamund und wohl auch Gedkant 
in Ragnit feststeht‘”. 

1579 begab sich Zacharias Blothno mit dem Tilsiter „Schul- 
meister“ Matthias Rehse und dem ‚„Schulgesellen“ Caspar 
Frischeinz nach Königsberg und unterschrieb mit ihnen die 
Concordienformel, obwohl ihr Vorgesetzter, der Erzpriester 
Hieronymus Mörlin, gegen die Formel eingestellt war und mit 
den übrigen ihm unterstellten Pfarrern, wie z. B. A. Radu- 
nius d.Ä. in Kuckerneese, nicht unterschrieb. Blothno erschien 
aber auch nicht zu dem für die Pfarrer und „Schuldiener“ des 
Amtes Tilsit festgesetzten Termin, sondern unterschrieb später 


mit den beiden Schuldienern an einer ganz anderen Stelle“. 


868 Siehe weiter unten. 

8% Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums. 

870 Siehe unten, S. 273. 

#71 Herzogl. Briefarch., S. 177, Abb. 40, T. XIX. Siehe auch S. 249 Anm. 809. 


265 


Wie aus Blothnos Schreiben von Anfang Mai 1590°° hervor- 
geht, hat er gleich in den ersten Jahren um Einkommens- 
erhöhung gebeten, worauf ihm nach seiner Darstellung 
„»... durch einen gemeinen zu- || schub einer Erbarn Burger- 
schaft Jehrlichen || 40 (M) vber seine... besoldung zu geben || 
zugesagt worden...“ ist, wovon er jedoch nur 18 M. bekom- 
men hat, trotz wiederholten Zusagen des Rates, den Rest zu 
zahlen. Doch: „Hernacher“ hat „...die burgerschaft sich be- || 
schwert, vnd ein miesverstand vorbrocht (!) || als solt das bene- 
ficium semel pro || semper geschehen sein“. 

Darauf wurde Blothno 1585 beim Rate wieder dringlich, 
worauf ihm nach seiner Darstellung in dem Schreiben von An- 
fang Mai 1590 „...10 (M) Jehrlichen, neben einem Erbarn || 
gericht verheischen, wie auch von den || einkumften (!) des 
Hospitals 20 (M) || das also nu vordan mein solarium || solt sein 
110 (M)“. Dazu sollte er vier volle Pfarrhufen bekommen, 
»...die ein Erbar Raht von f,[ürstlichen] d.[urchlaucht] Zu 
wege Zu brengen (!) vermeldung thet...“ 

Im Dezember 1585 erhielt Z. Blothno die Übersetzung des 
Buches Tobith, die er mit 201 Korrekturen versah, nachdem X, 
nur einige Seiten korrigiert hatte. 

Aus der großen Einkommensverbesserung, die unserm 
Blothno nach seinen Angaben 1585 versprochen worden war, 
wurde jedoch nichts. 

Als im Februar 1588 eine herzogliche Kommission die Til- 
siter Kirchenrechnung prüfte, klagten Blothno und der Kaplan 
heftig darüber, daß sie keine Weide für ihr Vieh hätten. Dar- 
auf wurde einem jeden erlaubt, „...10 stuck thut 20 stuck 
gust...“ °° Vieh auf die abgemähten Wiesen des Herzogs zu 
treiben, doch sollten sie den Hirten mitbezahlen‘“. Von den 
versprochenen Gehaltszulagen hatte Blothno bis Anfang Mai 
1590 im ganzen vom Rat nur 10 M., von dem Hospital 40 und 
vom Gericht 15 M. bekommen, während die weiteren Pfarr- 
hufen allem Anschein nach ganz ausgeblieben waren. 


872 Präsent. 7. 5. 1590, Lehrerbibliothek des Gymnasiums zu Tilsit. 

#3 Nach Frischbier „güst“ — unfruchtbar, unbefruchtet. Nur von den Kühen 
gebraucht. 

#72 Ostpr. Fol. 371/a „Rothes Haus-Buch des Amts Tilsit Nr. 3“, S. 83. 


266 


Da wandte sich Blothno in dem am 7. Mai 1590 eingegange- 
nen Schreiben” erneut an die Ratsherren, stellte seine Be- 
mühungen und Mißerfolge in dieser Sache dar, woher wir sie 
kennen, und sagte, daß er durch den Betrag der „...noch hin- 
derstellig gebliben.... bey etzlichen leyten (!) in schulde ge- || 
rahten...“ Er bat den Rat, ihm zu seinem Gelde zu verhelfen, 


was ihnen „...widerumb vnd sonderlichen || mit...“ seinem 
„...pater noster Zuverschulden....“ er „...ieder Zeit willig 
vnd bereyt...“ sei. 


Als Bretke in dem am 11. Mai 1590 registrierten Schreiben 
an den Herzog diesem seine „Postilla“ zum Druck angeboten 
hatte, wurden auf dem gleichen Briefe in Königsberg die Na- 
men der Geistlichen vermerkt, die zur Postillenkorrektur be- 
stimmt waren; darunter befindet sich als dritter: „Zacharias 
Blotnaw || Capl.: zur Tilsit““; von diesen Pfarrern wird in dem 
am 13. Mai 1590 erledigten Briefe des Herzogs an Bretke, in 
dem er ihn zur Korrektur nach Ragnit beordert, als von 
„»... der Littawischen Sprach || Kundigen Theologen...“ ge- 


sprochen’”. 


Blothno nahm darauf an der Konferenz in Ragnit teil, die 
vom 17. Mai 1590 bis Ende des Monats dauerte, und unter- 
schrieb den am 1. Juli eingegangenen Brief der Konferenzteil- 
nehmer an den Herzog (Abb. 30, T. XV)®*, 

Während Blothnos Abwesenheit in Ragnit wurde sein Ge- 
such größtenteils negativ entschieden. 

Offenbar ließ Blothno gleich nach seiner Rückkehr”” einen 
Brief an die Ratsherren schreiben, den er lediglich mit seiner 
Unterschrift versah. Blothno sagt, er könne unmöglich auf die 
20 M. vom Hospital verzichten, die ihm infolge eines Irrtums 
nicht gegeben worden wären, desgleichen müsse er die vier 
Pfarrhufen voll bekommen „...wegen abruchs vnd || mißung 
eines Zimlichs stucks meiner || Iehrigen besoldung“. 


875 In der Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums; Abb.42 und 43, T.XX. 

878 Siehe oben, S. 103 ff. (Qu., S. 432, Z. 45). 

877 Siehe oben, S. 105 ff. (vgl. auch S. 99). 

878 Siehe oben, S. 103 f. 

87% Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums. Datierung nicht sicher; siehe 
weiter unten. 


267 


Da dieser Brief Blothnos besonderen Charakter zeigt und 
einiges Licht auf die Tilsiter kirchlichen Verhältnisse wirft, sei 
er hier weitgehend mitgeteilt: 

(Seite 1r) 
„»... Vnd das aber die Heren sagen, sie wolten 
mier gerne helffen, wan sie nur kundten 
vnd wusten, wo hero, ist mier nit allein 
wenig damitt gedienett, sondern auch 
schmerzlichen, dan ich einem solchen großen 
littauschen kirchsspiel vorstehen mus, von 
welches Decem, ich gar reichlichen, noch mitt 
einbehaltung eines gutten voraths, kundt 
besoldigett werden, dies meist theill wirdt 
nun (?) der litischen Kirchen abgeschnitten, vnd 
der andern Deutschen Kirchen Zugetheilt, 
Damitt die mitt allem thund woll möge 
bestellet werden, mus also diese darben, 
vnd die andere Florirn, ich auch sein das 
pferdt 
(Seite 1v) 
pferdt, welchs den haber vordienett, vnd ein 
ander aber denselben genißen soll. 

Gelangett derow&gen abermall mein freundt- 
liches bitten, die Hferre]n wollen wegen der vor- 
gefallenen irrung, die der. vergeßenheitt 
Zu Zuschreiben ist, vmb verhuttung allerlei[en] 
weitleifftigkeitt, mich klaglos machen, vnd 
mit einem andern vnd bessern abscheid 
verabscheiden, als am nechsten geschen. 

Ein solchs vmb meine grosgunstige herrn 

wiedervmb Zuverschulden, bin ich ieder Zeitt 

willig vnd bereitt, Bitt vmb ein schrifftlich 

vnd entlich antwortt. 
E.E.N.w. 
Dinstwilliger. 
Zacharias Blothno.“ 

Auf Seite 2’ dieses Schreibens befindet sich ein Kanzleiver- 
merk, der es mit großer Wahrscheinlichkeit zu datieren ge- 
stattet, und Blothnos weiteres Mißgescick zeigt: 

„Dat: 4 Jüny ist wegen dieser Sup- 
pljeation mit einer gantz[en] gemeine 
gerathschlaget worde[n], welche Hlerr]n Za- 
charie nichts willigen willens (?).“ 

Anfang Februar 1591 wandte sich dann, wie schon gesagt 
(S. 264 £.), Blothnos Erzpriester Hieron. Mörlin für ihn und für 


268 


den „...Caplan || zur Tilsit, so || der Littauischer vnnd deut- 
scher sprachen kundig“ um Gehaltsaufbesserung an den Her- 
zog“. Dort heißt es als Begründung: 


„»... Dieweil sie mit ihrem vnderhaldt 
sich nicht behelffen können, die Stadt auch ein mehrers 
nicht thun kan, Vnnd aber vielfeltig dieselben Diener 
den Kirchen auf dem Lande müßen dienen vnd Zuspringen 
AIß wo Irgendts die Pfarhern vf dem Lande Kranck, 
vorreist, oder mit Todt abgehen, wie den auch die Vbel- 
theter vnd Armen Sunder des Ampts wen sie hingericht 
werden, mit Trost vnd lehr vnnd reichung der Sacrament 
mußen vorsehen, nichts dauon haben...“ 

»... Mitt ganz demüttig[en] 

bitten E.Fl[en]. Dhlt. wollen genantten meinen 
Herren Collegen «un (?) bedrengniß in diefen schweren 
Zeitten, Fürstlich beherzig[en], vnd alß ein Nutricius 
Ecclesiarum, so nicht sonst anderweitt, doch damit 
endtsezen, damit ihr noth gestillet werde, Vnd sie 
nicht vor vrsacht werden an frömbde ohrtt von der 
Tilsitt sich Zu begeben, welches vn£ nicht ruhmlich 
den Kirch[en] aber viel wenniger dienstlich sein würde.“ 


Darauf entschied der Herzog am 23. Februar 1591, 


„...dass diese beide Diaconij 

gegen Jhre Verrichtung Zugeringen Vnderhalt. 
haben. Vnd dauor achten, das Ichnen (!) auss der. 
Kirchen Zu Köadiuten 15 (M) auss der Kirchen. Kucker- 
nesen. auch 15 (M) Vnnd aus der Pictupenischenn. 
Kirchen weil die selbe mehr einkauff (!) den Vorge- 
melte beyde kirchen haben. 30 (M) gar wol addiret. 
Vnd alsso iedern seine besoldung mit 30 (M) Verbessert 
werden Kaudte (!), Weiln wir dan daraus Ver- 
Merken das durch solhe (!) addition den andern dreyen 
Kirchenn nichts abgehet. Vnnd dieselben achne (verbessert: ohne) dass 
woll erhalten. werden können, So seindt wir inn 
gnaden Zu frieden Vnnd bewilligen hiemitt, dass 
dass Vonn den einkunfften mehr gemelter- 

(Seite 1) 
kunften mehrgsmelier dreyer Kirchen die 60 (M). 
genommen. Vnnd diesem bey dem (!) Diaconis Zugewendet 
wardenn, Jedoch wollen wir Vns hiemit Vorbehalten. 
habenn, iedesmals mi+ dieser Vnser gelegenheitt. Vnd. 


»s0 E,M. 138ee, Aktenpack: „Erzpriester in Tilsit“. 


1 Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums. Die Jahreszahl 1592 im Ori- 
ginal beruht offensichtlich auf einem Versehen. 


269 


erheischen der Notturff (!) nach mit dieser Addition. 
enderung VorZunechmen ....“ 

Die Kirchenväter der drei genannten Kirchen kamen dar- 
auf in Tilsit zusammen und erklärten sich bereit, das Geld zu 
zahlen, doch nicht für immer, denn sie wollten sich ebenfalls 
je einen Kaplan halten und das Geld lieber für besseren Un- 
terhalt ihrer eigenen „...vnuormugenden pfarhlerr]n vnd 
schul- || meistern“ verwenden“. 

Daß sie dieses Geld tatsächlich bekommen haben, machen 
die erhaltenen Kirchenrechnungen von Koadjuten und Kucker- 
neese sehr wahrscheinlich. So findet sich in den Koadjuter 
Rechnungen bis 1601 unter „Gemeine Aüsgab“ stets: 

»5 5(M) — Den Kirchen vettern 
Zur Tilse die F Dtl. 
der Kirchen daselbst so lange es Dtl gefelligk 
Jerlichen Zu geben befohlen Laudt eines Fl. befelichs 
vnd der kirchen vettern bekentnus Zedell“®#, 
in den Kuckerneeser Rechnungen aber: 
„55 M der Tilsischenn Kirchenn so Jehrlich aus 
Fr: Dehl. Verordnung gereicht wirdtt“e%, 

Sein Gehalt dürfte somit etwa 85—90 M. betragen haben. 

Aus diesen Kirchenrechnungen geht auch hervor, daß 
Blothno, der oft nur „der Herr Zacharias“ genannt wird, Koad- 
juten und auc z. T. Kuckerneese mit Abendmahlsoblaten be- 
lieferte; so z. B. 1602 in der Koadjuter Rechnung von 1602 
(S. 8°): „j (M) 30 sz dem herrnn Zacharias vor Ablath“ usw. 

Blothno hat anscheinend viele Kinder gehabt, denn in dem 
„Catalogus puerorum scho- || lae illustris Tilsensis.. .‘“® vom 
Jahre 1594 finden wir unter den fünf Schülern der 1. Klasse 
als zweiten einen „Zacharias Blo???o (später verbessert „Bloc- 
tro“), was doch offenbar der Sohn unseres Blothno und der 
spätere litauische Pfarrer in Piktupönen und Tilsit ist, in der 


532 Ostpr. Fol. 371 a: „rothes Haus-Buch des Amts Tilsit No. 5“. 

883 Original in der Lehrerbibliothek des Gymnasiums zu Tilsit. 

884 Originale im Kuckerneeser Pfarrhaus. 

885 Abgedruckt im Schulprogramm des Königl. Gymnasiums zu Tilsit 1875, 
S. 46. Dieses Schülerverzeichnis vom 9. 9. 1594 befindet sich auf S. 144f. 
eines Folianten in der Lehrerbibliothek des Tilsiter Gymnasiums, in dem 
die ältesten Dokumente der Schule in Abschrift (wohl aus dem 18. Jahr- 
hundert) erhalten sind. Über die Schule siehe unten, S. 303 ff. 


270 


u 


2. Klasse unter sieben Schülern einen „Johannes Bloh??? (spä- 
ter verbess.: „Blohtro“) Tilsensis“, in der 4. unter elf einen 
„Jeremias Blothno (später nicht verbessert!) Tilsensis“ und in 
der 5. Klasse unter 50 Knaben einen „Simon Blothno (später 
verbess.: „Blothro“) Tilsensis“. Bei genauerer Untersuchung 
der Abschrift in der Tilsiter Lehrerbibliothek wird klar, daß 
der Abschreiber des Originals wohl im 18. Jahrhundert ganz 
richtig „Blothno“ und „Blohtno“ gelesen hatte, und daß die 
Änderungen später vorgenommen wurden. Außerdem schrei- 
ben „...Burgermeister vnd Rahtt- || manne“ von Tilsit in 
ihrem Bericht vom 4. August 1586, den der Herzog bezüglich 
der Umgestaltung der Tilsiter Stadtschule zu einer Partikular- 
schule von ihnen angefordert hatte, in dem sie ihre Meinung 
und die des Tilsiter Pfarrers und Kaplans sowie ihre Vor- 
schläge mitteilen sollten, ausdrücklich: 
(Seite 4r) 

„»... Dieses aber wollen E.F. dht. gemeltte vnse- 

re Hferrn] Pastores vnterthenigst Zu gemutte ge- 

fuhret. vnd hiebey er]Jnnertt haben, Dieweil 

Jn den Littauschen Embtern, schlechte vnd ein- 

feltige Littausche Pastores gefunden, an 

etzlichen örttern auch dieses Furstenthumbs, 

wegen mengelung der Pfarhern, so der 

SPrachen Kundigk, gantz gefehrlichen durch 

Tolcken gePrediget wirdt, Vnd aber die Je- 

nigen, welche Jre Kinder proprijs sumptibus 

alhie hieltenn, dieselben ohne Zweiffell, 

vngeachtet dass sie Zum Predigambtt tuch- 

tig weren, Zu ihrer handtierung gebrauchen 

wurden, Etzliche aber, ihrer vnuermögenheit 

halben, ihre Kinder gar nicht Zur Schulen hal- 

ten Köndten, Alss were ihr vnterthe- 

niges guttachtten, dass E.Fl. dht. Zu befor- 

derung Gottes ehre, ein werck der Barm- 

(Seite 4v) 

hertzigkeitt vben wölle, vnd Jn solcher Par- 

ticular (!), eine gewisse anZahl Knaben, nach 

E. flfen]. dht. gnedigen willen vnd wolgefallen 

mit essen, Kleidern vnd anderer notturffit 

vnterhieltten, welche Jn dem neuwen ge- 

beude ihr Dormitorium vnd Contubernium 

hetten, Vnd dass furnemlich der Littau- 

schen Pfarhern vnd anderer vnuermögender 


271 


burger Kinder, bey denen ein Indoles gespu- 
ret wurde, dar Zu auf vnd angenohmmen 
wurden, welche nicht erst die SPrachen lehr- 
nen dörfften, sondern derselben albereit 
leufftig (!) weren...“. 


Es handelt sich also wohl zweifellos um Söhne Blothnos. 
Durchaus verständlich war also, wenn Blothno sich immer wie- 
der um Einkommenserhöhung bemühte. 


Zu der 1600 gedructen litauischen Übersetzung der „Mar- 
garita Theologica‘“*, die sein nächster Litauisch sprechender 
Amtsbruder, Simon Waischnarus in Ragnit, anfertigte, schrieb 
Zacharias Blothno d.Ä. auf S. XV—XXI ein Vorwort an den 


Leser“. 


Diese Vorrede zeigt, daß Blothno ein auffallend schlechtes, 
schwerfälliges Litauisch schrieb. 


Bezeichnend ist, was Blothno zum Schluß über die litaui- 
schen Übersetzungen sagt. Da diese interessante Stelle seine 
Individualität erkennen läßt, ihr Litauisch aber eine flotte Lek- 
türe ausschließt, sei ihre wörtliche Übersetzung hier mitgeteilt: 


„Und obwohl es wahr ist, daß wegen der Schwierigkeit der in 
unserer litauischen Sprache ungewohnten Wörter an einigen Stellen 
nicht übersetzt werden konnte, wie es sich gehört, so kann doch 
dieses teure und wertvolle Werk nicht um einiger Wörter willen 
getadelt werden, da doch (?) als (?) Übersetzung so großer Dinge 
dieses Werk jetzt das erste ist, das danach vom Verfasser und von 
andern von Tag zu Tag wird verbessert werden können, wo sich in 
kurzer Zeit (?) anstelle der uns nun fehlenden Wörter andere nach 
täglicher Erfahrung (?) finden werden, wodurch (?) auch diese unsere 
litauische Sprache wie die anderen Sprachen ruhmenswert werden 
wird. Daß es auch in andern Sprachen so gewesen, beweisen die 
Beispiele, betrachte nur Doktor Luthers erste und letzte ins Deutsche 
übersetzte Bibel, die erstere wird dir wie die Nacht, aber die letztere 
dafür (?) wie der Tag erscheinen. Daß unsere litauische Sprache 
auch dahin kommen könnte, bitte du gleichfalls den Herrgott, wie 
auch vor Alters (?) zuerst von allen litauisch gesungenen Kirchen- 
liedern, wie ich von alten Leuten sagen hörte, nur dieser Vers ge- 
wesen ist: Himmelslicht, leuchte auch uns, lehre Du uns den Herrn 
Jesus Christus recht erkennen. etc. So (?) haben sich wirklich jene 
in alter Zeit gebeteten Worte bei uns erfüllt, denn wir haben nun 


886 Zwei Exemplare sind bekannt, siehe unten, S. 410 u. ö. 
887 Abdruck: Gerullis, Skait., S. 172—175. 


272 


auch in litauischer Sprache gleichfalls viel Geschriebenes, es besteht 
nur der Mangel, daß wir nicht alles drucken zu lassen imstande sind. 


Vale 
Zacharias Blothno 
Lietuwos Klibons 

Tilszeie.“ 

Als Waischnarus, Erzpriester von Ragnit, 1600 gestorben 
war, hoffte Blothno, daß sein Sohn Zacharias, der damals aller 
Wahrscheinlichkeit nach sein Studium abgeschlossen hatte und 
ohne Amt war, die Ragniter Stelle bekommen würde, doch 
kam Johannes Gedkant aus Wischwill nach Ragnit. Wohl nicht, 
wie es nach der Darstellung Z. Blothnos (siehe weiter unten) 
aussieht, weil er in dem Ragniter Amtsschreiber einen persön- 
lichen Feind hatte, sondern sicherlich wegen der Vielsprachig- 
keit J. Gedkants; steht doch von Gedkants Amtsvorgängern 
Mosvid und Jamund fest, daß sie den fremdsprachlichen Schrift- 
wechsel des Ragniter Amtshauptmannes besorgten®, weshalb 
wohl auch nach dem Tode Jamundts Simon Waischnarus nach 
Ragnit kam und nicht J. Höpfner (wobei der damalige Amts- 
hauptmann Packmor ein persönliches Interesse an J. Höpfner 
gehabt haben muß, da seine Parteinahme für Höpfner sonst 
unverständlich bleibt“®. 


Die in der Sache Blothno-Gedkant erhaltenen Briefe und 
Abschriften von Anfang 1601 stammen, wie schon gesagt, von 
der Hand des jüngeren Z. Blothno, der sie für seinen Vater 
schrieb. Es ist das ein Brief an den Herzog nebst vier zu- 
gefügten Abschriften folgender Schreiben: 1. Brief Z. Bloth- 
nos d.Ä. an den Ragniter Amtsschreiber Johannes Otter vom 
21. Januar 1601, 2. dessen Antwort vom gleichen Datum, 
3. Schreiben des Tilsiter Erzpriesters Hieronymus Mörlin an 
den Amtsschreiber vom 1. Februar 1601 und 4. ein Brief Mör- 
lins an denselben vom gleichen Datum’"; sie stellen den ganzen 
Sachverhalt vom Gesichtspunkt des älteren Blothno aus dar. 


88 Fortsreuter, „Die Herkunft der preußisch-litauischen Reformatoren“, Zeit- 
schrift f. sl. Phil., Bd. 7 (1930), S. 131. 

se Siehe unten, S. 378 ff. 

800 Genaueres siehe oben, S. 256, und unten, S. 360. 

81 E.M. 118ee, Aktenheft: „Stadt Ragnit. Kirche und Schule (1576—1601)“, 
Bl. 14 ff. 


18 Falkenhahn, Bretke 273 


Als 1601 der Koadjutener Pfarrer ein Bein gebrochen hatte 
und nach längerer Krankheit 1602 starb, wie die Kirchenrech- 
nungen berichten, hat unter anderen auch Blothno dort ver- 
- tretungsweise gepredigt, denn 1602 heißt es auf S. *: „j (M) 
20 sz vor Ess[en] vnnd Trinck[en] wie d[er] herr Zacharias || 
Zu Coadiutt[en] gepredigett‘“”. Da es wie früher ohne Zusatz 
„dler] herr Zacharias...“ heißt, dürfte es sich um Z. Blothno d. A. 
handeln und nicht um dessen Sohn, der nach Arnoldt (Nachr. II, 
S. 142) erst am 5. November 1602 nach Piktupönen auf die 
Koadjuten benachbarte Pfarrstelle kam. 

Zu dem Überfall Blothnos auf den Tilsiter Schulgesellen und 
zu Blothnos Tode siehe Berichtigungen und Ergänzungen. 

Zacharias Blothno d. Ä. starb 1602 an der Pest‘. 


Der Korrektor \X,. 

Der 3. Korrektor, dessen nervöse Handschrift sich in dem 
Buche Tobith mit seinen 27 Folioseiten findet, war vorläufig X, 
genannt worden. Wie schon gesagt (S. 259), korrigierte er Ende 
November oder Anfang Dezember 1585 dieses biblische Buch, 
und zwar nach Daniel Gallus in Laukischken und vor Zacharias 
Blothno in Tilsit. 

Auffällig ist die Verteilung seiner etwa 110 Korrekturen über 
diese 27 Seiten, er beginnt nämlich erst auf der 4. Seite (V 85”), 
bringt da gleich 12 Korrekturen an, auf der 5. Seite sind es 17, 
auf den weiteren 24, 21, und auf der 8. gar 27 Korrekturen, um 
dann jäh abzubrechen. Nirgends sonst im ganzen Bibelmanu- 
skript findet sich wieder eine Spur seiner Handschrift. 

Diesem Korrektor hat also genau wie Blothno sicherlich nur 
das Buch Tobith vorgelegen, das er aber nicht, wie es Blothno 
tat, gleichmäßig durchkorrigierte. Das Buch Tobith nimmt somit 
unter den übrigen biblischen Büchern des Bibelmanuskriptes da- 


durch eine Sonderstellung ein, daß es drei verschiedenen Korrek- 


82 Durch die Koadjuter Kirchenrechnungen von 1602, S. 9v, wird auch Ar- 
noldt, Nachr. II, S. 142, berichtigt. Danach wurde „Theodorius Clocouius“ 
im Sommer 1602 „eingewidmet“, denn er bekam bis Michaelis noch ein 
Quartal von 18 M. 45sz. 

88 QJuandt, Presb., Bd. 4 (MSC 21), S. 61; Arnoldt, Nachr. II, S. 141. In Tilsit 
starben 1602 drei Prediger an der Pest (Thalmann, Bau- und Kulturgesch. 
Tilsits, Bd. II, S. 281). 


274 


toren zugestellt wurde, und zwar wie gewöhnlich (bis 1587) erst 
dem benachbarten Daniel Gallus, dann dem Korrektor X, im 
Orte X und danach Zacharias Blothno d. A. in Tilsit.** 

Der Schriftvergleich führt mit großer Wahrscheinlichkeit auf 
Alexander Radunius d. ]J., der zu dieser Zeit Pfarrer in Kucker- 
neese”” war. 

Leider besitzen wir von Alexander Radunius d. ]J. für den 
Schriftvergleich nur eine Schriftprobe, die mit Sicherheit von 
ihm stammt, nämlich seine Unterschrift unter dem Briefe der 
Postillenkorrektoren an den Herzog von Ende Mai 1590 (Abb. 30, 
T. XV). Bezüglich der Handschrift der Kuckerneeser Kirchen- 
rechnungen um 1600° siehe unten, 5. 284. 

Auffällig ist auch die Erscheinung, daß X, offenbar schriftlit. & 
wie ie gesprochen hat, was, wie schon gesagt‘®, noch heute bei 
Kuckerneese so gesprochen wird. 

Dazu kommt, daß Kuckerneese dem Erzpriester in Tilsit 
unterstand, und, wohl wegen der leichten Erreichbarkeit auf 
dem Wasserwege — sowohl Tilsit als Kuckerneese liegen un- 
mittelbar bzw. ganz nahe an der großen Schiffahrtsstraße der 
Memel — besonders eng mit Tilsit verbunden war. 

Wie oben, S. 76, gezeigt wurde, hatte Bretke schon dem Vater 
des Tilsiter Erzpriesters, dem Bischof D. Joachim Mörlin, eine 
litauische Schrift zugestellt, die er dann in einem Brief vom 
29. März 1570 wieder zurück erbat’®, nämlich „...das kleine 
Corpus doctrinae Judieis...“, also die Übersetzung einer Schrift 
Richters, und zwar wohl, weil inzwischen die von D. Joachim 
Mörlin und M. Martin Chemnitius im Auftrage des Herzogs aus- 
gearbeitete „Repetitio Corporis Doctrinae Prutenicae“ in der 
Generalsynode vom 26.—30. Mai 1567 in Königsberg angenom- 
men und unterschrieben worden war”. Da der Bischof nicht 
selber Litauisch konnte, sollte er offenbar ursprünglich die Über- 


8% Siehe oben, S. 259. 

®5 Später „Kaukehmen“ genannt; heute wieder Kuckerneese. 

86 Siehe oben, S. 103 ff. 

#7 Befinden sich im Pfarrhaus zu Kuckerneese; Genaueres siehe Potschka. 
88 Siehe oben, S. 258 und S. 282. 

8% Siehe oben, S. 76, und Qu,, S. 424, Z. 7 ff. 

200 Arnold, Kirchengesch., S. 314 ff. 


18* 275 


setzung korrigieren lassen und wohl auch den Druck in die Wege 
leiten. 

Es lag nun nahe, daß Bretke auch dessen Sohn, dem Tilsiter 
Erzpriester, ein Buch zusandte, um es korrigieren zu lassen, und 
daß der es seinen beiden nächsten ihm unterstellten litauischen 
Pfarrern, A. Radunius und Z. Blothno, zur Durchsicht übergab. 

Daß Bretke mit der Familie Mörlin näher bekannt gewesen 
ist, macht auch seine Eintragung in das Stammbuch Joachim 
Mörlins, des Bruders des Tilsiter Erzpriesters, wahrscheinlich’”. 

X, ist somit wohl sicher Alexander Radunius d. ]. 


Alexander Raduniusd.]. 


Der 'Name wird wie folgt geschrieben: vom Rektor der Uni- 
versität Königsberg: „Alexander Radonius“ (1547)°”, von dem 
Vater unseres Korrektors: „Alexander Radunius“ (1555)’”, so 
öfter „Gesmes Chriksczoniskas“ 2. Teil: „nüg Alexandra || Radui- 
nianies“ (spätestens 1570, von Mosvid oder Willent?)’*; der Rek- 
tor der Universität Königsberg: „Alexander Radunius“ (1573)°°; 
„Concordienformel“: „Casparus Radunius“ (Verwandter? 1579)"; 
Unterschrift unter dem Briefe an den Herzog 1590: „Alexander 
Radonius“”; Sengstock: „per Alexandra Rodoniu Jaunaghi“ 
(Giesmes, S. 85", 1612). Sein Bruder Heinrich wird jedoch in den 
unten, S. 234 Anm. 935f., genannten Akten meist „Rodanius“ ge- 
schrieben. 

Demgegenüber kommt die Form „Alexander Ruddowius“ 
(zweimal Arnoldt’*) und ‚„Rudovius“ (Quandt’®) nur einmal in 
einem Schreiben der Herzoglichen Kanzlei vom 14. Januar 1586 
vor (siehe unten, S.283): „Radouius“, also immer von Personen 
geschrieben, die den Namen nur lasen, und wohl n mit u ver- 
wechselten. Außerdem mag der Lesefehler z. T. durch den be- 


kannten Namen „Rudau“ mit veranlaßt sein. 


901 Siehe oben, S. 124, und Abb. 9. 

#0 Erler, Königsb. 1, S. 6. 

»03 E,M. 138 d.K. Aktenheft: „Pfarrer zu Kaukehnen. 6. Blatt“. 
90% Gerullis, Mosvid, S. 368. 

#05 Firler, Königsb. I, S. 53. 

906 Siehe unten, S. 279f., und Abb. 47, T. XXIII. ° 

#07 Sjehe oben, S. 103£., und Abb. 30, T. XV. 

908 Nachr. II, S. 147. 

see MSC 21, S. 67V. 


276 


Offensichtlich ist „Radonius“ usw. die latinisierte Form des 
litauischen, polonisierten „Raduinianis“, was nach Gerullis” be- 
deutet: „der aus Rodünia“, einem Ort, der heute litauisch „Ro- 
düne“, polnisch „Radun“ heißt und 22 km nordwestlich von 
Lyda im Wilnagebiet liegt.’ 

Der Vater unseres Alexander Radunius, der gleichfalls Alex- 
ander hieß, stammte also, wie sein Name sehr wahrscheinlich 
macht, aus ostlitauischem Sprachgebiet.” Er muß arm gewesen 
sein, denn er zahlte bei seiner Immatrikulation in Königsberg 
Ende 1546 oder Anfang 1547 nur einen Groschen, während im 
allgemeinen mehr (bis 10 Gr.) gezahlt wurde. Wie ein Brief 
von 1547 an den Herzog zeigt, hatte A. Radunius d. Ä. vom Her- 
zog ein Stipendium erhalten’. Aus der Unterschrift unter dem 
gleichen Brief geht hervor, wie Gerullis mitteilt, daß er bereits 
1547 Pfarrer in Kuckerneese war, auch Quandt nennt das gleiche 
Jahr, was allerdings mit den Angaben des Tilsiter Tischlers und 
Tolken im Nebenamt, Kanthun, in Widerspruch steht, der in 
einem Bittschreiben an den Herzog vom 28. Juni 1559” seine 
Dienste aufzählt und angibt, er habe dem Tilsiter Pfarrer 
„BaltZern“ sieben Jahre getolkt, und dann fortfährt: „...tZur 
Kuckernese nach mei- || nem vermugen hab ich den leuten funf 
iar Gottes wort forgetragen...“ Da aber Balthasar nach Ar- 
noldt”® 1544 abgesetzt wurde, und wahrscheinlich der aus La- 
biau stammende Siebeneich als Diakon nach Tilsit kam, müßte 
Kanthun bis 1549 in Kuckerneese den Gottesdienst versehen 
haben. 

Jedenfalls sagen der „pfarhere vnnd Kirspil (!). || Kinder Zu 
Kuckernesse[n]“ in einer am 9. August 1549 erledigten Klage- 
schrift an den Herzog, daß 

»...)n Kortz ver schinen[n] tagen|n] der H[err] pfarner I Das Kucker- 
nessische Kirchspil gevisitiret vnnd I Ein anzahl nemelich bey iiiz 


[Tausend] Selen[n] gefunden[n]...“ hätte, und er nun „...lewtte 
zu I) Kirchen vetteren .. “1° 


zu bestellen bäte. Bezeichnenderweise fügte er hinzu: 


210 Gerullis, Mosvid, S. XXXVI. 
#1 Gerullis, Skait., S. 26 Anm. 1. 
#12 Siehe unten, S. 288 Anm. 954. 
913 Nachr. II, S. 141. 


277 


„...weil Jme Der acker I bawe als Einem Selsorger beschwerlich Zu 

betreib[en] l Da durch Er Seinem betten lessen v[nd] studieren l for- 

hinndertt...‘, so möchte der Herzog doch jene Leute, wenn es nötig 

sei, ihm zur Hülfe kommen lassen. 
Auch die andern Anliegen, die A. Radunius hatte, machen den 
Eindruck, daß er erst in dieser Zeit in Kuckerneese angekommen 
ist: Von den beiden Kühen, die ihm gegeben worden wären, sei 
die eine schon gestorben, die andere aber uralt, so daß er um 
eine weitere Kuh bäte, „...Da mit Er || Sein Jung Erbenn Deste 
Stadlicher Erhaltten || muchte...“; weiter bäte er „...vmb 
Einen Junge Strentzvollen Damitt || Er auch als Ein Junger 
Haus wirdt Zum || ordt Farren kunndt...“. 


Die streng in „Dinstknecht“ und „Pawirpenn“ geteilten 3500 
Seelen, die A. Radunius d.Ä. hier zu betreuen hatte, und mit 
denen unser Korrektor, A. Radunius d. ]., aufwuchs, verteilten 
sich über 53 Dörfer und Einzelsiedlungen, die zum Teil 530 km 
vom Kuckerneeser Pfarrhause entfernt liegen.” Ihre Namen 
sind in einer Kirchenrechnung von 1596 aufgeführt und zeigen, 
daß es sich um überwiegend litauische Niederlassungen han- 
delt, deren Begründer eingewandert sein müssen, wie die Be- 
zeichnungen „Schemaiten“, „Bagdanen“ erkennen lassen, was 
natürlich größtenteils vor einigen Generationen geschehen sein 
wird. Wieder zeigt die nicht litauische Bezeichnung des zweifel- 
los weit älteren „Kuckerneese“, was hier vor sich gegangen ist. 


In diesen Jahren, wohl aber bald nach seiner Anstellung in 
Kuckerneese, hat A. Radunius geheiratet, da sein Sohn Alex- 
ander 1573°° in Königsberg immatrikuliert wird. 


Wie es zur Zeit der Kindheit unseres A. Radunius d. J. um 
das Pfarrhaus und in der Umgebung von Kuckerneese aussah, 
zeigen der öfters erwähnte Brief Georg Reichs an den Herzog“, 
sowie die Klagebriefe seines Vaters. Aus letzteren geht hervor, 
daß die Kirche immer noch kein ordentliches Dach hatte, so daß 


es während des Gottesdienstes auf die Gemeinde regnete und 


4 Frrechnet man den Flächenraum des Kuckerneeser Kirchspiels, so ergeben 
sich 2—3 Personen pro km?. 

915 Erler, Königsb. I, S. 53. 

218 Siehe oben, S. 51f., und Qu., S. 414 ff. 


278 


schneite; die „Schulmeister“ liefen fort, weil sie mit den 15 M. 
jährlich nicht auskommen konnten u. a. m.” 

Eine interessante Bemerkung über die Familie Radunius’ ent- 
hält eine am 30. Mai 1572 erledigte Bittschrift, in der „die gantze 
borgerschafft vnd etz- || liche dorffschafft der vndeuschen (!) || 


'sprache“ oder, wie es in dem Erledigungsvermerk genauer heißt: 


„Die Littau (!) zur Tilsze“, um einen „litischen prediger“ bitten. 
Sie teilen dem Herzoge darin nach einer ausführlichen Schilde- 
rung ihrer Not in dieser Zeit des „vurchteten fiebers“, in der sie‘ 
„bey 4 Jahren keinen shelsorger odder predieger || gehatt (!) 
haben“, mit, daß der 1571 bestellte Seelsorger schon wieder ge- 
storben sei, und bitten um A. Radunius d. Ä., 
»... weil dan l der her pfarher Zu Kuckernessen An der pagielgenn I 
gelegen siech gern Al hierher Zu vns begebenn |] wollen vnd seiner 
lieben Kienderchen halbenn l der deusche (!) sprachen ]Jn der schulen 
Zue lernenn .. .'%8 
Am 21. Mai 1573 wurde A. Radunius in Königsberg imma- 
trikuliert: 


„Alexander Radunius Lithuanus, jurauit, ob pauperiem (!) dedit 
gr. 2.7010 


Der Umstand, daß ihn der Rektor schwören ließ, zeigt, daß 
Radunius schon aus den Knabenjahren heraus gewesen sein 
muß, da nur Personen zum Schwur zugelassen wurden, die die 
Bedeutung des Eides bereits voll zu erfassen imstande waren”. 

Daß er „...ob pauperiem (!)...“ nur 2 Groschen gab, wäh- 
rend damals gewöhnlich 10 Gr. gegeben wurden, beweist, daft 
er sich als arm ausgab und auch dafür gehalten wurde. In den 
veröffentlichten Matrikelbüchern einer anderen deutsch-prote- 
stantischen Universität findet sich keine Matrikel von A. Radu- 
nius d. J.*" 

Die auf Seite 18°. der Concordienformel in der Rubrik: „Ampt 
Mimel vnd Greben“ erscheinende äußerst zittrige Unterschrift: 


»7 E.M. 138. d. K., Aktenheft: „Pfarrer zu Kaukehmen. 6. Blatt“, erled. 24. 9. 
1555. Ausführlicher siehe Potschka. 

#13 E,M. 138, Paket: „c2—e2“. 

910 Frler, Königsb. I, S. 53. 

920 Siehe Erler, Königsb., S. LXXXVI. 

®1 Untersucht wurden noch: Frankfurt a.O., Freiburg i.Br., Genf, Greifs- 
wald, Heidelberg, Jena, Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. 


279 


„Ego Casparus Radunius pastor Lituanicus 
memle sub subscripstit (!) ((verbessert in: subscrijpsi)).“* 


stammt von dem damaligen Pfarrer in Prökuls; er war wohl ein 
Verwandter unseres Alexander Radunius und nicht, wie J. Sem- 
britzki in der „Geschichte des Kreises Memel“”* vermuten möchte: 
»... vielleicht identisch mit dem in der Königsberger Universi- 
tätsmatrikel 1573 erwähnten“ „Alexander Radunius, Lithuanus, 
pauper.“ 

Dieser Caspar Radunius starb, wie ]J. Sembritzki auch weiß, 
am 29. April 1587. 

Ein Buch scheint die Kuckerneeser Kirche nach den seit 1595 
erhaltenen Kircheninventaren nicht besessen zu haben. Nur in 
den Schulinventaren wird gesagt: „...Ein Deutsche Biblia ge- 
stehet 7 M 30 sz, Welche der || Pfarherr bei sich hatt... .“”*. 

Unser A. Radunius d. J. schloß am 17. August 1579 sein Stu- 
dium ab, nachdem er — wie der „Rector [et] senatus || Accade- 
miae regiomontane“ dem Herzoge am 18. August schrieben — 
„4 (!) Jahr lang“ Alumnus gewesen sei und diese Zeit über 


„»... bei vns studir[et] || das er seinne principia nicht allein in Artibus“ 


sonder[n] I auch in Theologia (!) der massen begriefen, das Zu hoffe[n] 
er wuerde. Kirch vnnd schullen'nutzlich dienen konnen...“ Er hätte 
»... Je vond allewege einen feinen stillen [wan-] |] dell bei vnns ge- 
fueret, vnnd seinen studijs vleisilg ob] Il gelegenn .. .“?25 
In dem lateinischen Abgangszeugnis vom 17. August heißt es 
gar, er hätte von frühester Jugend in dem heißen Verlangen ge- 
lebt, aus. Liebe zum Fortschritt der menschlichen Gesellschaft 
und der Kirche jene „salutaria studia“, nämlich Theologie, zu 
betreiben, und er nun nach einem eifrigen Studium den Grund 
»...im Artibus, dicendj, ac in philo || sophia... in pietatis porto (!) 


ac Religionis doctrina...“ gelegt und Fortschritte gemacht hätte, „... 
abhorrere ab omnibus fanaticis I opinionibus [et] erroribus pugnanti- 


bus, Cum uera doctrina || de filio dej.. .“25 
Am 1. Januar 1580 wurde A. Radunius seinem alten und 
schwachen Vater als Kaplan und Schulmeister beigegeben. Die 
Introduktionsschrift des Tilsiter Erzpriesters Mörlin lautet’”: 


#22 Siehe unten, Abb. 47, T. XXIII. 

93 S, 101. 

94 Im Kuckerneeser Pfarrhaus; Potschka. 

225 Ostpr. Fol. 368, „Des Furstl. Hauses Tilsitt aeltste Haus-Buch 1551, 1578“, 
S. 579 ff. (neu), 139 ff. (alt). 


280 


„... Gottes erkentnus, gnade vnnd segen, durch Chriestum || vaseran 
einigen lieben erloser vnnd heilant wunsche || ich Magister Mörlino (!) 
ertz priester vnnd pfarherr || Zuer Tilsit, der Chriestlichenn gemein 
Zuer Kuckernesse || vnnd fuege hiemit Zu wiessenn. das fr d in 
el erfahrenn vnnd Angesehen. des wierdiegen herrn Alexa- || 
nder Radonij des eltern lange Treue Dienste. alhie vnd |] vnuormog- 
lichen in der halben Zu geordnet hat. Zue || einem Caplan vnnd ge- 
hulffen, Zu gleich auch des schul- l mesters Ampt Zuorwalten, auch 
den wierdigenn l Alexander Radonj denn Jungern, welchen Diesenn || 
Kierchspiell denn drauf nicht vorlengst. unnd liebe vor- I gestelt. 
Vnnd von euch ist gehoret wordenn. auch belie- || bet ist worden. vor 
einen Caplan vnd schulmester Zu hab- |] enn vnd AnZunehmen. Dem- 
nach Von dem hochwierdige[n] in Gott. Herren bischof. Johannj 
wiegandi Doctori der J heilligen schrieft. Zu dem Ambt. Tuchtig er- 
funden. vnd || mit auf legunge der Hennde. ist bestetiget vnnd Con- 
firm[i]- l ret do er dan auch Zu 'gesaget bei Keiner lehre, wuerde 
in gottes wort Augstburgischer Confessionn vnnd Cor- I pori doctrinj 
prutenico verfasset ist bestendiglich. du- || Durch Gottes wordt vnnd 
gnade Zuuorhoren (!) allen Currup- | telen vnnd sectten. so mit grun- 
des (!) gotlichen wortes sint || verworfen Zuuermeiden. vnd das hohe 
ambt des geistes || mit Treue vnd vleis, in gottes furcht Zu furen. 
vnnd || mit Chriestlichen wandell Zu Ziehren. als hat sein ll hochwier- 
den mier beuohllen. Jn bej euch Zu ]ntro I duciren vnnd Zu bestetigen. 
Demnach bestetige ich || vnnd beuehll euch. Kraft Tragendes Ambts 
denn || wierdigen herrnn Alexandrio Radonium fur einen || gehulfen 
im predigtambt, vnd schulmeister Zu Kau- ||’kemen, in dem Namen 
vonsers herren Jhesu Christ[i] || ich vermane aber hier bej woll- 
gedachten herrnn I Alexandre Radonium das er in dem. Kirchen 
Ambt I vnond dienst, wollgedachten, Treulich woll angeleg[en] I sein 
lassenn. vleisig studiren. vnnd die gemein gottes || alda so Christus 
mit seinem blut erkauft hat, in || Gottes wort einfellig (!) vnnd Recht 
vnterichtenn, vnd | in allen der Kierchen Ordnunge vnd Reces. Nach 
sich gemes verhalten wolle. also verman ich auch || herwieder die 
kierchspils Kiender. das sie denn wierdigen H: Alexander fordernus, 
als einenn ordentlichen pfarherren vnnd schulmester, vnnd als |J ein 
Diener Jhesu chriesto (!) Annehmen lieben vnd ehre[n] || Gottes er- 
kentnus von ihm, oder Von dem alten nach || gelegenheit lehrnn. Vnd 
die predigt. des. Kathismj (!) I vleisig befurdernn. die hochwierdige 
Sacrament I in gottes fuercht gebrauchen Chriestlich Rath. vnd 
Trost. in aller anfechtunge beij ihm hollen. auch l wiellig Reichen. 
was ihm nach Kirchspiels Recht: | vnd bieschoflichen abscheit verord- 
net. vnser lieber || Herr. vnnd heilanndt iehsus chriestus. der Zur 
Recht- || ernn godtes seiner Kierchen halben gesetzt hatt. das || er sie 
Regiere vnnd predigen gebe. (!) wolle diesenn || vand auch allen Rei- 
chen segnn, vnd Kraft. seinem || lieben wort in der heiligen ernten 
Chriesti geben || auf das er muge viell seellen. Zum ewigem leben |} 
fueren. Datulm] am Neuen Jars Tage. Zur Tilsit Ao 80...“ 


281 


Als A. Radunius der Ältere 1583°* gestorben war, bekam sein 
Sohn im Juli des gleichen Jahres die Pfarrstelle in Kuckerneese. 

Dort erhielt er Ende November oder Anfang Dezember 1585 
Bretkes litauischen Tobith zur Korrektur. 

Von A. Radunius d. J. ist die Übersetzung des deutschen 
Liedes „Gott hat daß Euangelium / gegeben“ usw. „Diews dawe 
Euangelia“ in den „Giesmes“ Sengstocks erhalten”. 

Ostermeyer sagt in der „Liedergeschichte“ von Radunius d. ]J. 
und dieser Übersetzung”*: 

»...Der jüngere 

von diesen, welcher sein Amt .1579 ange- 
treten, erst als Adjunct seines Vaters, nach 
dessen 1583 erfolgten Tode aber als würk- 
licher Pfarrherr, und solches bis 1600 auch 
vielleicht weiter fortgesetzt, ist Autor des 
Liedes: Gott hat das Evangelium [ete]. Syl 
benmaaß und Reim sind besser beobachtet, 


als in irgend einem andern Liede damaliger 
Zeit...“ 


Wahrscheinlich hat sowohl sein Vater als auch er selbst mehr 
übersetzt, so daß A. Radunius d. ]. schon in einer gewissen Tra- 
dition stand und so vielleicht das besondere Lob mit Recht ver- 
diente. 

Die Orthographie des Korrektors X, schreibt schriftlit. e oft 
ie, z. B. „kregszdie (N.Sg.; V 86" 3—-4vo) „pildieme“ (1. Pers. 
Pl. Prät.; V 86 3vu), „tiewa“ (G.Sg.; V 87" 12vo), „Tagidiel“ 
(ebenda), so daß Schreibungen wie „smirdischkie“ „vnZucht“ 
(N. Sg.; V 87° 9—10vo, Abb. 12, T. IX), „neregietumbim“ (V 87 
12—14vo) usw. nicht die fragliche polnische Erweichung bedeu- 
ten müßte, da diese Bezeichnung bei kurzem & bis auf eine Aus- 
nahme fehlt, sondern, wie schon angedeutet’”, eher eine dialek- 
tische Eigentümlichkeit des Kuckerneeser Litauisch widerspie- 
gelt, z. B.: „rekencze, schaukencze“ (A.Sg. Fem. Part.; V 86’ 
3—4vo), „klegessia“ (G.Sg.; V 87’ 7—-8vu) usw. (Ausnahme: 
„ischgielbetu“, ebenda); auch dies zeigt, daß X, (A. Radunius 
d. J.) aus deutschem Kulturbereich kam, was auch die Erklärun- 


#26 Nachr. II, S. 147. 

#7 5. 857, Abdruck in: Gerullis, Skait., S. 203. 
v28 5, 259, 

929 Siehe oben, S. 258. 


282 


gen in deutscher Sprache bei den Korrekturen beweisen, z. B. 
bemerkte er zu Bretkes Text ‚„...Med- || du mieste Rages ... .“** 
am Rande: 


„Medu vnd Rages 
mecht alias vor honig 
vnd raggen®®: in lit- 


„den“ 
ausch[en]n von „einfeltig[en]n 
verstanden werden.“ 

In dem Liede bei Sengstock ist & stets e geschrieben, doch ist 
ja sehr wahrscheinlich, daß Sengstock (der Litauisch erst nach- 
träglich gelernt hat, und zwar wohl im planmäßigem Unterricht 
in Königsberg, und der somit viel starrer an allerlei Regeln fest- 
hielt als A. Radunius, der es von Jugend auf im Elternhaus und 
auf dem Lande bei den Bauern hörte) diese ihm „falsch“ erschei- 
nende auffällige Orthographie durchweg verbesserte. 

Die polnische Erweichung zeigt das Lied, das sonst viel Ge- 
legenheit dafür böte, nur einmal, und zwar: „kientet“ (Infin.; 
Gerullis, Skait., S. 204, 16vu). 

Über das Leben des jüngeren Radunius ist sonst nichts weiter 
bekannt, als daß er Anfang Januar 1586 beim Herzog klagte, 
seine Kirchspielskinder enthielten ihm die „Decemtin“ Gerste 
vor, die sie seinem Vater geliefert hätten, und daß für die „nach- 
gelassene wittib“ des verstorbenen „Pfarherrn“ keine Herberge 
gebaut sei. Der Herzog entschied zu seinen Gunsten.” 

Die Unterschrift A. Radunius d. J. unter dem Brief der Po- 
stillenkorrektoren an den Herzog von Mai 1590 ist das letzte Le- 
benszeichen, das wir von ihm besitzen; er muß bald darauf ge- 
storben sein, denn nach einer Notiz in der handschriftlichen 
Kuckerneeser Chronik” hat ein N. Ambrosius „...nach einem || 
eigenhändigen Zettel der in der 1594sten Kirchen-Rechnung be- 
findlich, || unterm 19ten August 1592 als Pfarrherre sein Quar- 
tal...“ gefordert. Es ist offenbar jener Ambrosius Hartwich, der 
nach Quandt’* in Kuckerneese Pfarrer war, und der in dem 


#30 V 87r, 3—6vo. 

#21 Also „Roggen“. 

»»2 Ostpr. Fol. 369 (Tilsiter Hausbuch), S. 895 (alt), 51ir (neu). 
#23 Im Pfarrhaus zu Kuckerneese, S. 12, Potschka. 

93 MSC 21, S. 67V. 


283 


unten (Nachträge!) genannten Schreiben Nachfolger Z. Blothnos 
in Tilsit werden sollte, weil er „....so wol || der deutschenn Alss 
Littauschen Sprachenn || Kundigk...“ wäre. Außerdem wird im 
Tilsiter Hausbuch’® am 4. Januar 1593 gesagt, daß 
„... heinrich Radonius dem I) Seligen Pfarh[err] Zu Kauckenen Alex- 
andler] | Radonio schuldig worden, Zum theil I geliehenes geldes, auch 
dz der Selige Alexander für diesen seinen Bruder I heinrichen Aus- 
gelegt 104 M 48 R...“, 
und daß nun die Witwe mit den hinterlassenen Kindern das 
Geld fordere, was Heinrich R. mit 20 M. jährlich zurückzahlen 
wolle. Daß es sich nicht um den Bruder des älteren Radunius 
handelt, geht wohl eindeutig aus verschiedenen Akten des Rag- 
niter Hausbuches hervor’*, die seinen schwer verschuldeten Krug 
zu Pillkallen (heute Schloßberg) betreffen, in denen Nicolaus 
Musa, der Sohn des Korrektors Georg Musa”, als Zeuge genannt 
wird, und denen zufolge Heinrich bei seinem Tode um 1613 noch 
unmündige Kinder hatte. Ostermeyer sagt jedoch kathegorisch, 
daß A. Radunius „...bis 1600 auch || vielleicht weiter... .‘“** ge- 
lebt hätte. Da die von der Hand des Kuckerneeser Schulmeisters 
stammenden Kirchenrechnungen um 1600 besonders in den 
flüchtig geschriebenen Anmerkungen in der Handschrift große 
Ähnlichkeit mit den Zügen A. Radunius d. J. zeigen, liegt viel- 
leicht die Annahme nahe, daß ein Sohn unseres A. Radunius dort 
Schulmeister war. Die Handschriften von Vater und Sohn hatten 
damals erfahrungsgemäß bei den Geistlichen große Ähnlichkeit, 
da ja meist der Vater den Sohn in den Anfangsgründen der 
Kunst des Schreibens unterrichtete. 


Der Korrektor X.. 


Auch der Korrektor X, hat nur ein Bud, und zwar Act. (VII 
227:—297') verbessert (Abb. 48—51). Somit dürfte ihm Bretke 
‚nur ein Buch zugeschickt und dieser Korrektor wie Zacharias 
Blothno von Bretke weiter entfernt gewohnt haben. 


#35 Ostpr. Fol. 371/a, „Rothes Haus-Buch des Amts Tilsit Nr 3“, S. 62. 

38 Ostpr. Fol. 317, „Haus-Buch des Amts Ragnit No. 1“, S. 62, 109v ff., 161r, 
278 ff. 

37 Siehe unten, S. 394. 

2 Liedergesch., S. 259, und oben, $. 282. 


284 


Der Handschriftenvergleich zeigt eine auffallende Überein- 
stimmung der Schriftzüge unseres Korrektors X, mit denen der 
Unterschrift Nikolaus Siautils, des Pfarrers zu Ruß, in der „Con- 
cordienformel‘“** (Abb. 47). 

Eine zweite Handschrift, die einige Züge mit der des Kor- 
rektors X, gemeinsam hat, befindet sich zufällig gleich unter der 
Siautils; es ist die des „Casparus Radunius pastor Lituanicus“ 
in Memel, doch nach der zittrigen Unterschrift zu urteilen, war 
dieser entweder so ungebildet, daß er nicht recht schreiben 
konnte — zumal er erst schrieb: „Ego... subscrepstit“, das er 
dann in „subscrijpsi“ verbesserte — oder er war bereits sehr alt. 
Dazu kommen große Unterschiede z. B. in der Behandlung der 
primären Abstriche, die Caspar Radunius gerne mit starkem 
Druck versieht, während er den Druck in sekundären oder 
schrägen Abstrichen meidet, Siautil und X, dagegen meiden den 
Druck in den eigentlichen Abstrichen, während beide in den 
schrägen Abstrichen die Feder stark andrücken usw. 


Siautil war von ungefähr 1553 bis zu seinem Todesjahr 1595 
in Ruß und konnte sicher litauisch, denn sein Amtsvorgänger, 
„Gregorius viln&sis“, stammte aus Litauen, und das baltische 
Gepräge des Namens Siautil macht sehr wahrscheinlich, daß er 
genau wie „Gregorius“ aus einer Gegend mit baltischer Bevölke- 
rung — doch wohl zweifellos Litauen — stammte. 

Das Königsberger Staatsarchiv besitzt noch zwei Briefe, die 
mit seinem Namen unterzeichnet sind’, doch sind beide in zwei 
ganz verschiedenen Handschriften geschrieben, aber keine hat 
mit der Siautils in der „Concordienformel“ die geringste Ähn- 
lichkeit, was sowohl von der Handschrift im Text der Briefe als 
von ihren Unterschriften gilt, die jeweils von der gleichen Hand 
stammen. 


Somit ist klar, daß Siautil beide Briefe von jemand anders 
schreiben ließ und nicht einmal selbst unterzeichnete. An der 


#30 Herzogl. Briefarch. T, S. 18V. 

#20 Siehe oben, S. 279 £., und Abb. 47, T. XXI. 

»1 F.M. 98 d. Ruß; Gesuch an den Herzog, präsent. 31. 3. 1587, und E.M. 98 
d. Ruß, Aktenpack: „Akten des Samländischen Konsistoriums zu Königs- 
berg betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dorts. 1541—1714“. Gesuch an 
den gleichen präsent. 30. 8. 1593. 


285 


Echtheit der Unterschrift unter der „Concordienformel“ kann 
nicht gezweifelt werden, denn es wurde streng darauf gehalten, 
daß die Geistlichen die Formel selbst unterschrieben, um sie bin- 
dend zu verpflichten und den Wirren endlih ein Ende zu 
machen. Unterzeichnete jemand für einen andern, so wurde dies 
ausdrücklich angegeben, z. B. S. 18: 
„Patroclus Weluerius Pastor Ecclesiae kraupischkanae 
mente manugqlue] subscripsit. Rogatus no[mli[n]e R[everelndi 
Viri Do[min]ij Loth kraus pastoris Wilkischkensis || quoqlue] sub- 
scribo.“ (Bild 65, T. XXIX.) 
Dazu sind die Schriftzüge in der Unterschrift Siautils unter 
der „Concordienformel“ durchaus charakteristisch, sie unter- 
scheiden sich deutlich von allen Handschriften der hier in Frage 
kommenden Personen, stimmen dagegen auffällig mit der Hand- 
schrift der Korrekturen des X, überein. 


X, ist also mit größter Wahrscheinlichkeit Nicolaus Siautil. 


Nicolaus Siautil. 


Der Name kommt in folgenden Schreibungen vor: 

„Nicklaus Sauttell“®, „Nicolaus Siautil“ (Autograph)’* 
„Nicolaus Saulthel‘““, „Nicolaus Saulthel‘“*, „Nickals Sautyll‘“*, 
„Nickl Sautil“”, „Nickel Sauttiels“ (G)*, wobei Arnoldts „Nico- 


%2 Aus Begleitschreiben (16. 1. 1600) des Amtes Memel an den Herzog zu zwei 
Abschriften aus den Hausbüchern (Originaleintragungen 22. 3. 1569 und 
3. 2. 1571), die zur Klärung der Rechtsansprüche des Pfarrers „petrus Clo- 
couius“ auf angebliche Kirchenwiesen vom Herzog angefordert wurden. 
In den Abschriften selbst kommt der Name „Sauttell“ nicht vor, dort 
wird der Pfarrer „Nigklaus“ genannt. 

#3 Herzogl. Briefarch. I; 1579 Concordienformel, S. 18; Abb. 47, T. XXI. 

#4 FE. M. 98 d. Ruß, präsent. 31. 3. 1587. In Supplikation Siautils, geschrieben 
von anderer Hand (Qu., S. 449, Z. 45). 

#5 In Registraturvermerk ebenda (Qu., S. 450, Z. 4). 

9 E.M. 98, d.R. Aktenheft: „Akten des Samländischen Konsistoriums zu 
Königsberg“ betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dorts. 1541, 1714“, präsent. 
30. 8. 1593. Gesuch Siautils, geschrieben von anderer Hand (Qu., S. 451, 
Z. 18). 

97 In Registraturvermerk ebenda (Qu. S. 451, Z. 21). 

®4 E.M. 98 d. R., Aktenheft: „Akten des“ usw. wie Anm. 946, Dee 28. 10. 
1593. In Schreiben des Memeler Hausvogts W. Wiergauder und Amts- 
schreibers Mertten Sieler in vom Herzog angefordertem Gutachten zu 
Siautils Supplikation, siehe Anm. 946 (Qu., S. 451, Z. 30). 


286 


laus Sanckel oder Pantel“, der „1586 auch 1595“ in Ruß gewesen 
sein soll’, offenbar Lesefehler ist. 

Daß er sich die beiden erhaltenen Supplikationen an den 
Herzog?” deutsch schreiben ließ, obwohl er doch so arm war, wie 
die Gesuche zeigen sollen, spricht dafür, daß Siautil nicht aus- 
reichend Deutsch konnte. 

Die charaktervolle Handschrift, in der die lateinische Unter- 
schrift ohne die geringste Unsicherheit in die Concordienformel 
eingetragen ist, zeigt, daß Siautil nicht ungebildet war. An einer 
deutschen protestantischen Universität hat er jedoch, soweit die 
veröffentlichten Matrikel erkennen lassen, nicht studiert. 

Die Orthographie des Korrektors X, zeigt offensichtlich pol- 
nischen Einfluß, wie die wenigen Sprachproben zeigen, so z.B. 
die Erweichung („papeikie“ 3.P. Prät.), ja sogar das polnische 
erweichte ı (,,... wienolikaspi“, Abb. 50, T. XXIV). Auch hat er 
das uo, das sich nur in Wilnaer und Kedainer Drucken findet 
(„duokiet“, Abb. 24, T. XIII, ebenda, und Abb. 17, T. XI, 
2 TU0BR .2)$ 

Ist X, = Nicolaus Siautil, was kaum einem Zweifel unter- 
liegt, so ist er sicher aus Litauen zugewandert. 

Ruß lag mitten in der Wildnis am linken Ufer des Ruß- 
stromes, dem Hauptarm der Memel, auf dem der Schiffahrtsver- 
kehr von Litauen-Polen sowie von Tilsit und Ragnit- nach Me- 
mel, Riga und den Handelsplätzen des Großherzogtums Mos- 
kau ging. 

Die Ortseinwohner hatten etwas Land und eine bestimmte 
Stelle an den Flüssen zur Fischerei gepachtet, wofür sie an das 
Amt Memel jährlich 6 M. Pacht zahlten. Auch der dort befind- 
liche Viehhof, der sicher mit dem Schiffsverkehr in Zusammen- 
hang stand, beschäftigte einige Leute. 

Eine Eintragung in einem der Memeler Hausbücher vom 
22. März 1569, die in einer Abschrift vom 16. Januar 1600 erhal- 


#42 Nachr. II, S. 163. Der Name Panthel kam aber vor, so hatte nach einem 
Schreiben des Schulzen und der Geschworenen zu Petersdorf 1585 „Vor 
etlichen Jaren Jörge I Panthel, vom erbe“ entlaufen wollen. E.M. 137.d. 

950 Sjehe oben, S. 285. 

#51 Untersucht wurden die Matrikeln von Frankfurt a. O. Freiburg i. Br., 
Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Leipzig, Marburg, Rostock, 
Tübingen und Wittenberg. Siehe auch oben, $S. 247 Anm. 802. 


287 


ten ist’®, beleuchtet die Verhältnisse schlaglichtartig. Es sind die 
Aussagen, die „Balttucke, Vrbeneite“ und „Luttkus” in einem 
Prozeß Brosien Starck contra Nicolaus Siautil um ein Grund- 
stück machten. Danach nahm die Mutter des Starck nach dem 
Tode ihres Mannes, als sie „den Zins“ nicht allein zahlen konnte, 
einen „Behenusch“ als Bender”* auf die eine Hälfte des Grund- 
stücks. Da aber 

„Behensch (!), Welcher ein Samaitischer Leip 

eigener gewest Vor seiner Herrschafft Jn Sameiten 


Alhiero nicht sicher gewest, Alß ist er mit weip vnndt 
Kindern Auß der Russen entlauffen.“ 


Die Pfarrer in Ruß mußten auch in dem 10 km Luftlinie 
nach Nordosten von Ruß in der Wildnis an der Szieße, einem 
kleinen Nebenfluß der Ruß, gelegenen Orte Werden predigen. 

In der Berufungsurkunde des Simon Alector’*, der seit 1541 
Pfarrer in Ruß war, heißt es bezüglich seiner Pflichten”®, die an- 
fänglich auch die Siautils waren: 


„...das er das pfarr 

ampt doselbst mit hochstem vleyß 
verwalten vnd außrichten, sc! nichts 
weniger des iars ein mal funff 

oder sechs vngeuerlich den armen 
leuten in der wiltnus auch predigen 
soll, doch das er auff der armen 
leuth vncosten geholet vnd wide- 
rumb zu hauß gebracht werde.“ 


#52 Siehe oben, S. 286 Anm. 942. 

953 Staszewski-Stein, S. 18: „Bender: Teilhaber, der vom Besitzer eines land- 
wirtschaftlichen Grundstückes ein Stück Acker zur Nutznießung erhält 
und ihm dafür als Knecht dient.“ 

#2 Etwa jener „Simon Alector (oder Hahn)“, der nach Arnoldt, Nachr. II, 
S. 136, und nach einem Schreiben des Tilsiter Bürgermeisters, Moriz 
v. Perschkau, an den Herzog (E.M. 1382 e, Paket 4, Aktenheft: „Erzpriester 
zu Tilsit“) am 8. 11. 1538 in Tilsit abdankte, wo er, wie Perschkau sagt, 
mit einem Tolken predigte® Der Tolke „Lenhart Kanthun, tischer, mit- 
bürger tZu Tilse“ sagte in einem Bittschreiben vom 28. Juni 1559 an 
den Herzog: „...Auch hab ich mich im geistlichen Gotte tzun ehren, 
vnd || E.F.G. tzu gefallen, gebrauchen lassen, als dem ersten eua[n]- |] 
gelischen prediger tzur Tilse Simen, hab ich tZwelff iar || getolckt...“ 
Siehe das ganze Bittschreiben: Gerullis: „Tauta ir Zodis“ IV, S. 432. 

#5 E.M. 98d.R., Aktenheft: „Akten des Samländischen Konsistorium zu 
Königsberg betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dort 1541—1714.“ 


288 


Über die Sprache dieser „armen || leuth“ gibt eine Anord- 
nung (wohl des Herzogs) an den Bischof des „samländischen“ 
Bezirkes vom 7. Juni 1544 Auskunft. Darin heißt es, daß Simon 
Alector die Stelle zu nächsten Pfingsten gekündigt hätte, und 
der Bischof sich nach einem anderen umsehen sollte, „... wel- 
ch[er] d{er] Litthausch[en] || vnd Curisch[en] Sprache mächtig...“ 
sei. Man solle ihm wieder 70 M. Jahresgehalt sowie „... etliche 
Fischerey vnd Heuschlag....“ zusichern’“. 

Siautil ist seit 1553 in Ruß, und zwar zunächst als Schul- 
meister, wie die Zusammenstellung folgender Angaben zeigt: 
In einer Bittschrift an den Herzog, die am 30. August 1593 regi- 
striert wurde, sagt Siautil von sich, daß er 


„...auss sonderlicher Verscheung (!) des liebes 
Gottes“ „...numehr in die 40 Jahr, dem heiliegen Predigt 
ampt Vorgestanden, Vnnd der Kirchen in der Russen, mit höchsten 
Vleiß gedienet vnnd am wort Gottes gearbeittet ...“7 


und bald darauf heißt es in dem Gutachten vom 28. Oktober 
1593, daß der Memeler Hausvogt W. Wiergauder und der dortige 
Amtsschreiber, Mertten Sieler, auf Anforderung an den Herzog 
schickten, daß Siautil 

»... Vber 40 Jhar bey dem Ministerio 

vnd Predigambt d[er] Russischen Kirchen Treülich vnd fleisigck 

gedienet .. .““?58 
was das Jahr 1553 ergibt; aber in seiner am 31. März 1587 regi- 
strierten Supplikation sagt Siautil von sich”®: 

„»...Der Ich nun bey 19 Jahrenn 


Denn beidenn Kirchnn (!) mit Trost, treuenn lehrenn 
vnnd vermanen nach d[er] Lehr S. Paulj vorgang[e]nn“ 


was das Jahr 1568 wäre. 

Den Widerspruch klärt eine Eingabe des erwähnten „Brosi- 
jen Starck“ von 1572°°, in der dieser die Prozeßgeschichte von 
seinem Standpunkt aus darstellt und erzählt, daß der frühere 
Rußer Schulmeister sich mit dem damaligen Pfarrer erzürnt 
hätte und fortkommen sollte. Da es aber Winter war, wäre der 


958 Quandt, MSC 21, S. 109. 

9” Qu., S. 450, Z. 20—23. 

vs Qu. S. 451, Z. 37—38. 

99 Qu., S. 449, Z. 26—28. 

0 E.M. (Oberratsstube) 98d Ruß ohne genaueres Datum. 


19 Falkenhahn, Breike : 289 


Schulmeister in das strittige Anwesen, das dem Vater Starcks 
gehörte, gezogen, um zu warten, bis das Wasser eisfrei würde. 
Doc da er sich mit dem Pfarrer versöhnte, Schulmeister blieb 
und nach dem Tode des Pfarrers an dessen Stelle kam, gab er 
das Anwesen nicht wieder heraus. Der Prozeß dauerte nun 


schon drei Jahre. 


Das heißt also, daß Siautil von 1553 bis etwa 1568 Schul- 
meister in der zur Rußer Kirche gehörigen Schule war und den 
Pfarrer wohl auch vertreten hat — sicherlich war der damalige 
Pfarrer der oft genannte „Gregorius“, der 1554 (?) die „Articel 
der Antwort der Augsburgischen || Confession Verwanten pfar- 
heren vom. || Lande“ wie folgt unterschrieb: „Gregorius vilne[n]- 
sis pastor rusne[n]sis“** — und daß er nach dem Tode des Pfar- 
rers um 1568 an dessen Stelle kam; denn in der einen Abschrift 
mit Zeugenaussagen vom 22. März 1569, wo eine Gerichtsver- 
handlung stattfand’”, wird er bereits „...Nigklaus pfarrherr |] 
Jnn der Russe“ genannt. 

Über sein Leben läßt sich wenig ermitteln. 

Die mit dem Prozeß in Zusammenhang stehenden Akten ent- 


halten einige dürftige Nachrichten aus den ersten drei Jahrzehn- 
ten seines Lebens in Ruß. 


Danach hatte die Mutter des Br. Starck nach dem Tode seines 
Vaters, und nachdem auch ihr zweiter Mann gestorben war, den 
entlaufenen litauischen Leibeigenen Behenusch mit seiner Fa- 
milie als Bender’* auf die Hälfte des Anwesens genommen. Als 
sie zum dritten Male heiratete und darauf nach „Tattendorf“ zu 
ihrem Manne zog, nahm der Litauer Behenusch 1556 — Br. Starck 
sagte in der erwähnten Verhandlung 1569, daß Nicolaus das 
Land 13 Jahre hätte und mit 6 M. verzinse — den damaligen 
Schulmeister auf die freie Hälfte. Als Behenusch floh, übernahm 
Siautil auch die zweite Hälfte mit „Vorg- || gunstigung des 
Vieschmeisters“, d. h. er setzte dort mit Erlaubnis des Fischmei- 
sters einen Fischer ein. 


v1 }lerzogl. Briefarch. I,, S. 2v, Jahreszahl von Archivbeamten mit Frage- 
zeichen versehen auf das Blatt geschrieben. 

#02 Oben, S. 286 Anm. 942. 

#3 Teilhaber siehe oben, S. 288 Anm. 953. 


290 


Nach Angaben Br. Starcks hatte Siautil ihm und seinem Bru- 
der, der zur Zeit des Termins 1569 bereits in Königsberg wohnte, 
als sie noch Kinder waren, versprochen, das Erbe ihres Vaters 
wieder abzutreten, wenn sie erwachsen seien, und zwar blieb 
Brosien als Gärtner und Fischer Siautils* auf der zweiten 
Hälfte, zu der Wiesen, Gebäude und ein Garten gehörten. 


Als Siautil Pfarrer geworden war und das Land nicht ab- 
treten wollte, kam es 1569 zum Prozeß, in dessen Verlauf 
Br. Starck nach einer Eintragung in ein Memeler Hausbuch vom 
3. Februar 1571°° alles Verfügungsrect an Siautil abtrat, weil er 
diesem 8 M. schuldig war und nicht zahlen konnte. 


Doch scheint Brosien Starck den Prozeß erneuert zu haben, 
wie seine Eingabe von 1572 zeigt, in der er sagt, daß seine Mut- 
ter als Witwe in ihrer Armut mit den vielen Kindern auf den 
Viehhof gezogen wäre, um dort Arbeit anzunehmen, der frühere 
Schulmeister und jetzige Pfarrer aber das Erbe seines Vaters 
durch Bestechung des verstorbenen Memeler Amtsschreibers und 
des dortigen Hauptmanns an sich gebracht hätte; die Gebäude 
dort wären nicht von Siautil errichtet, wie dieser fälschlich be- 
hauptete. 


Siautil hat den Prozeß gewonnen, denn in dem Begleittext 
von 1600°® zu den beiden Abschriften aus den Memeler Haus- 
büchern wird gesagt, daß die strittigen Wiesen, die der der- 
zeitige Pfarrer Petrus Clocouius als Kirchenland für sich be- 
anspruchte, laut der Hausbücher 

»... Nicklaus Sauttell erstlichen 

als er Noch Schulmeister gewesen, an sich 

bracht...“ 
er hätte sie, wie die beiden Abschriften zeigten, rechtmäßig er- 
worben. 


Siautil hatte als Pfarrer keinen Kirchenacker; er gibt selbst 
in einer Supplikation von 1593 an: 


#2 Vielleicht ist Siautil von seinem Prozeßgegner der Raubfischerei angeklagt, 
wie Sembritzki-Bittens S. 54 berichten, jedenfalls hat Siautil diese An- 
schuldigung nichts geschadet, wie sich zeigen wird. 

° In einer Abschrift vom 16. 1. 1600 erhalten, siehe oben, $. 286 Anm. 942. 

e0 Siehe oben, $. 286 Anm. 942. 


19* 


291 


„... wie E. fl[en]. dt. gnedieges 
wissen tragen, ist diese Pfahr mit keinen einiegen huben 
oder Jr (!) kein Gertlein, wie sonsten andere im lande versehn .. .“?% 


und in dem vom Amte Memel darauf an den Herzog erstatteten 
Bericht wird gesagt, daß 
„+... kein Acker noch wiesen 
bey gedachter Wiedemen vorhanden .. .“?e 
Siautil mußte also von seinem Gehalt leben, das 
„...inn alles auf Neunzig marck 
sich erleufft vnnd außstrecKett.. 
wie er 1587 selbst sagt oder genauer 
»...80 M Geldt Vnd von v. g Dt Vestumg (!) (er Jme dalr]- 
neben Jherlichen 12 schl.?”° Korn vnd ll 10 schl® Gersten Zum Deputat 
gereichet wirdt...“ 


wie es in dem Gutachten des Amtes Memel von 1593” heißt. 
Siautil hatte also nur privatim für sich das „Erbe“ des Br. Starck 
(was nach dem damaligen Sprachgebrauch eine altkölmische 
Hufe oder heute 16,81 ha war), wovon die Wiesen jährlich un- 
gefähr 16 Fuhren lieferten”, die Sembritzki-Bittens mit 
„15 Mo‘ angeben, dazu die Fischerei, wofür die üblichen 6 M. 
zu zahlen waren, was Siautil jedoch unter heftigen Klagen über 
seine Armut nicht tat, sondern er blieb Jahr für Jahr einen Teil 
der 6 M. schuldig. 

1579 war er wie die meisten Geistlichen und Schulmeister in 
Königsberg und unterschrieb dort. die „Concordienformel“. Seine 
Unterschrift auf S. 18° des Originals siehe Abb. 47, T. XXIII. 

In den nun folgenden Jahren hat Bretke ihm seine Über- 


setzung der Apostelgeschichte zugesandt, die Siautil mit Korrek- 


turen versah. 
Mit seinem Schulmeister scheint er nicht in Frieden gelebt 
zu haben, denn dieser wandte sich Ende 1583 oder Anfang 1584 


067 Präsent. 30. 8. 1593; E.M. 98 d. R., Aktenheft: „Akten des Samländischen 
Konsistoriums zu Königsberg betr. Pfarrer zu Ruß u. Schulmeister dorts. 
1541—1714.“ (Qu., S. 450, Z. 4-27.) 

»08 Datum 28. 10. 1593; Signatur wie in Anm. 967 (Qu., S. 452, 2. 4f.). 

»» E.M. 98 d Ruß; präsent. 31. 3. 1587. Gesuch Siautils (Qu., S. 449, Z. 19£.). 

970 19 altk. Scheffel Korn = 444,34 kg oder rund 9 Zentner. 

1 10 altk. Scheffel Gerste = 304,54 kg oder rund 6 Zentner. 

?72 Signatur wie Anm. 969 (Qu., S. 451, Z. 40—43). 

973 Begleittext zu den beiden Abschriften, 16. 1. 1600. 

»a D.h.: 15 Morgen; „Gesch. d. Krs. Heydekrug“, S. 97. 


292 


u A A ee ee ee ee Ze An. u. 


mit einer Supplikation an den Herzog, in der er über Siautil 
heftig klagte, von dem er sich benachteiligt glaubte. 

In der erhaltenen Anfrage des Herzogs an den Hauptmann 
und Amitsschreiber zu Memel vom 27. Januar 1584°® bittet der 
Herzog um Bericht, wie es um die in der beigefügten Supplika- 
tion des Rußer Schulmeisters berichteten Dinge stünde, 

„... wessen er sich wegen geringer nahrung 
die einsteilß so Ihme als Schulmeistern gebure 
von itzigem Pfarhern entzogen vnd eingenohmen biettet...“ 

Leider ist unbekannt, was hieraus geworden ist. 

Im gleichen Jahre war die rückständige Summe für die Ab- 
gaben auf 57 M., d. h. fast auf drei Viertel seines baren Jahres- 
gehalts, angewachsen. Auf eine Bittschrift wurde ihm zugesagt, 
daß die Zahlungspflicht des Rückstandes bis zu einer endgülti- 
gen Entscheidung gelegentlich einer Visitation aufgehoben sein 
solle. In dem Bericht von 1593 sagt das Amt Memel: 

»...Das er Als vff 
84 Vorgangen 57 M Zins schuldigk worden, welche 
E: FL: Dtl: vf sein vnderthenigess Supliciren Jhme 
bis Zur Visitation durch einen Abschiedt Domals gnedigst 
nach gelassen.“®7s 

Siautil muß in dieser Sache mehrere Supplikationen außer 
der erwähnten geschrieben haben, denn er sagt zu Anfang sei- 
ner Bittschrift von 1587 nach der Grußformel: 


„...dz nach vielenn 
vnond offternn anhaltenn ann E.F.Dt. wegenn mei- 
ner geringenn besoldungk erhöhungk, vnnd milderer meh- 
rungk desgleichen wegenn erlassens des Zinses 
so Jahr Jerlichenn E.F.Dt Ambt Mann Zur Mim- 
mell vonn wegnn etzlicher wiesenn, vnnd eines 
fliesses von mir exigiret.. .“77 
bis jetzt außer einer Vertröstung keinerlei entscheidende Ant- 


wort erfolgt sei. Er würde vielmehr dauernd von 
„»...E.F.Dt[en] Ambts ver- 
walternn Zur Munmell (!) gedrungenn...“ 
„»...vonn denn 
wiesenn, so Ich Doch mitt grosser arbeitt Zum erstenn 
hab müssenn außradenn, vnnd erst Menschenn Zu nütz 


275 E.M. 98, Aktenheft: „Akten des Samländischen....‘“ usw. wie oben, S. 288 
Anm. 955. 

201523.45277. 9—1f. 

977 Qu., S. 448, Z. 39 ff. 


293 


machenn, vnnd auch vonn Dem fließ, welches mir 

Zu meiner vnterhaltung nach notturfft Zu Hülf 

Kommenn muß, meinenn Jehrlichen Zinß abzu- 

legenn vnnd darzu thun. Welches mir armenn 

Mann Zeitlangs Her sehr beschwerlich vmd (!) mühesamm ge- 
wesenn ...“?78 


da er keinen Kirchenacker und keine Akzidenzien hätte, und die 
Pacht noch von seinem geringen Gehalt bezahlen müßte, das 
trotz der vielen Arbeit, die er 

„»...gar alleinn inn 


beidenn KirchsPielnn Russe vmd Werden außstehenn 
vınd vorrichtenn muß... .“ee 


nur 90 M. betrüge. 
Er bäte also nochmals, daß der Herzog ihm, dem 


„Armenn vmd Itzigl[er] Zeitt I sehr benöttigtenn ministro Ecclesiae 
christi...“, 


der er 19 Jahre den beiden Kirchen gedient hätte, das Gehalt zu 
erhöhen und ihn von den 6 M. jährlichen Abgaben zu befreien. 
Diesmal nützte die Bittschrift nur soviel, daß in Werden ein 
Diakon eingesetzt wurde, und zwar der 1562 (Freitag vor Mar- 
tini) in Lübeck geborene Lazarus Sengstock, der damals also 
etwa 25jährig war”. Sengstock wurde bereits 1588 in Werden 
Pfarrer und kam 1590 zu Siautil nach Ruß als Diakon“. 
Siautils Gehalt wurde nicht erhöht, und auch die Abgaben 
wurden nicht erlassen. Er zahlte sie aber keineswegs, so daß er 
bald wieder mit 30 M. beim Amt Memel in Rückstand blieb. Er 
wußte, daß er ein sehr benötigter Minister Ecclesiae war, und 
ihm nichts geschehen würde, wenn er sich die Abgaben selbst 
erließ®*: 
„... Jharn Jherlichen wan der] Zins von Jhme Abgefordert...“ 
hat Siautil „...gewehklaget vnd sein vnvormögen Altzeit mit 
angetzogen 
Das man auch bis dahero solchen Rest von Jhme 
nicht hat l er Zwingen Konnen...“ 


schreiben der Memeler Hausvogt Wiergauder und der Amts- 
schreiber Merten Sieler Ende Oktober 1593 an den Herzog. 


978 Qu., S. 449, Z. 4 ff. 

9 Qu., S. 449, Z. 16 ff. 

#0 Ostermeyer, Liedergesch., S. 23. 

#1 Ebenda und Arnoldt, Nachr. II, S. 165. 
#2 Qu. S. 452, Z. 15 ff. 


294 


. 
— 


Le 7. ! 


Sjautil scheint sich in diesen Jahren auch an dem Handel auf 
den Sonntagsmärkten beteiligt zu haben, die damals gegen das 
ausdrückliche, mehrfache Verbot des Herzogs in Ruß sowie be- 
sonders in Heydekrug abgehalten wurden, und vor allem bei 
denjenigen „Samaiten“ großen Anklang fanden, die Ruß und 
Heydekrug auf dem Wasserwege durch die „Wildnis“ leichter 
erreichen konnten als Memel und Tilsit. Jedenfalls wandten sich 
die beiden Städte, die allein das Recht hatten, am Sonnabend 
Märkte abzuhalten, Anfang 1591 mit Klageschriften an den 
Herzog. 

In dem „Einfelttigken bedennckhen“ hierauf heißt es (S. 1')°®: 


„»... Vnnd dass nicht allein die Statt Dillsitt vnnd Mümel, sich 
Vber die pfarrherrs, Krüegers, dess Rangnittischen Dillsischen 
Vnnd Mümlischen Ampts, derselben Kauffmanschafft 
Hanndel Vnnd wanndel, wordurch den Stetten Jre 
Narrunng Endtzogenn, beclagen, Vnnd waß vilfelttigk 
Vonn F.dt. darauff Verabschiedet ist nicht Neu, sonderlich 
Vonn wegen dess Pfarrherrs Vnnd Kruegers ]nn der 
Rosaw vnnd Heidenkruegs, Da allerlej Kauffmanschafft 
denn Stetten Zum Vorfanng getrieben, sonnderlich im 
Heidenkrueg da alle Sontag dess gantzen Jares, Von morgens 
vnond vnder der Predigk, da weder in der Russaw odl[er] 
in der anndern Kirchen beim Heidenkruegk, Gott erbarms 
der gottesdienst gantz vnnd gar Missbraucht, mitt Aller- 
lej wahren, Alls flachs, wachs, Henff, Honigk aller- 
lej getreidt, fischereyen, grütz, brodt, fleisch vnnd der 
gleichen andern geringern wahren, welche aller außs 
Sameitten dahin gebracht, Dagegen widerumb Vonn 

(Seite 1v) 
Denn Dilsnern, brodt, schue Vnnd ander Kramwahren, Vnnd 
auss allen strommen, dess Keyrischen Haabes Allerlej fische...“ 


feilgehalten würden. Unter Androhung hoher Strafen und Ein- 
behaltung der vorgefundenen Waren befahl der Herzog noch- 
mals, nur am Sonnabend „Zur Dillse vnnd Mümel“ Märkte ab- 
zuhalten. _ 

In der erhaltenen Klageschrift der „Burgermeister vnd Rath || 
Zur Tilsit“®, in der die „Tilsischen vnd Rangnitschen || Pfar- 
hern auffm Lande, auch vmbligende Krügere...“ angeklagt wer- 
den, die Stadt in der angegebenen Weise geschädigt zu haben, 


vs EM. 138, Paket c2—e2. 


295 


wird gesagt, der Herzog könne glauben, daß in Ruß und beson- 
ders in (dem etwa 7 km entfernten) Heydekrug 
»...Zu Sommers vnd Herbst 
Zeiten vber Vier auch funfhundert Khanen, des 
winters aber gleichfalles so viel vnd mehr an 
Schlitten mit aller handt wahren / gefunden werden / 
Vnd haben E. f. dht. in gnaden leichte abzunehmen 
das daselbsten allerlei Verbottene Wildtwahren 
Auch Honig vnd wachs, vnterschleifet vnd 
durchtrieben werden...“ 
Durch diesen Mißbrauch würde die Preissteigerung im Herzog- 
tum verursacht, denn 
. »... der frembde man 
aus Samaiten vnd anderen abgelegenen 
örtern so den fisch wan er noch im wasser ist 
mit grosser steigerung kaufft vnd Zalet...“ 
Sie baten den Herzog zum Schluß u. a., „...den Pfarhern auffm 
lande...“ dergleichen Handel zu verbieten, der ihnen „...Zu- 
handtiren nicht gebuhret...“ 


In diesen Jahren brannte Siautils ganzer Besitz „Jn Grundt“, 
wonach es mit der Zahlung von Abgaben ganz zu Ende war. 
Ende August 1593 ließ sich Siautil wieder eine Supplikation 
schreiben‘*. Er wäre „...numehr in die 40 Jahr...“ im Rußer 
Predigtdienst und hätte sich mit den Seinen’® 
»...Die Zeit vber...“ „...gar elendigklich 
vnond kummerlich beholffen....“ 
da kein Pfarrgarten und keine Pfarrhufen zur Kirche gehörten. 
Es wäre ihm nicht möglich gewesen, sich mit den Seinen zu er- 
halten, wenn nicht, wie er sagt: 
»... die liebe Fischerey thette, vnndt bießweillen ein 
fischlein Von leutgen bekeme, doch muß ichs auch offters 
derselben mit schmertzen darben vnnd derwegen noht leiden 
darumb habe ich neben andren armmen fischern ein winckell 
am strom in der Russen, die Leutte genandt, Zu meines 
Tisches Notturft mit secken gleich innen Zu fischen Var (!) 6 M 


‚gemyttet, also das ein ider der secke darinnen stellet 
6M E. fl[en]. dt erlegen soll, 


es Präsent. 30. 8. 1593, Signatur siehe oben S. 285 Anm. 941. 

#85 Über seine Familie ist sonst nichts bekannt, nur Sembritzki-Bittens be- 
richten S. 97, daß Siautils Tochter den Amtsschreiber Mich. Ruprecht in 
Tilsit geheiratet hätte. 


296 


Weill aber, wie oben gemeldt, mein einkunfft vand 
besoldung geringe vnnd auch der liebe Gott mich vorwichner 
Jahr feuers noht heim gesuchet, also das mier all das 
meiniege Jn Grundt verbrandt, habe ich armmer man 
vor etzlichen Jahren hero den Zinß biß das es 30 M vff 
gewachsen nicht erlegen können, darumb ich dan vom 

“ haubtman vnd Ambitschreiber, dasselbe Zuerlegen vnnach- 
lesslichen angehaltten vnd gedrungen werde, welches mir 
dan 
Armmer Man Zuthun vnmuglichen, vnnd ohn sonderen, 
Meinen hochsten vndergang, weill ich alt vnnd schwach nicht erlegen 
kan...“ 


Er bat diesmal nur, ihm die 30 M. zu erlassen und ihm 


„... dieselbe Vischerey mit secken allein Zu meines Tisches 
Notturft vond nicht Zuuarkauffen, frey Zu meinen lebtag[en] ( 
die doch numehr nicht lang sein werden)...“ 


zinsfrei zu gestatten, damit er sich in seinem „...hohen Alter...“ 
desto besser erhalten könnte“. Der Herzog forderte hierauf nach 
einiger Zeit Bericht, den ihm der Memeler Hausvogt und der 
Amtsschreiber am 28. Oktober 1593 erstatteten. 
Siautil hätte” 

»...DU 

geraume Zeit Vber 40 Jhar bey dem Ministerio 

vnd Predigambt d[er] Russischen Kirchen Treülich vnd fleisigck 


gedienet vnd bey seinen Zuhörern viell guttes geschaffet, das 
Jhm solches Menniglichen Zeügen mus...“ 


Er bekäme ein ‚geringes Gehalt (80 M., 12 Scheffel Korn, 10 Schef- 
fel Gerste). 
„...Dabey ’ 
vnsersch erachten wan bißweillen Jhme sonsten van den Visch- 
ern nicht mit einem Klopper oder Vischlein aus guttem willen 
geholffen er sich mit den seinigen Kümmerlichen hette er- 
halten sollen.“ 
Er wäre weiter 
»... vor wenigk Jharen abgebrandt...“ 
und hätte kein Kirchenland. Er hätte 


„...vnlangs etliche 
wiesen mit d[er] Vischerey, gleich andern des Orts wohnenden 
fischern ee Zu besserem behelff vmb 6 M Zins 


an sich genommen...‘“, 


® Qu. S. 450, Z. 29 ff. 
»7 Qu., S. 451, Z. 36 ff. 


297 


was aber nicht „vnlangs“ war, sondern vor 37 Jahren’®. In der 
folgenden Darstellung der Abgabenrückstände geben sie nur 
15 M. als Rückstand seit 1584 an, Siautil selbst sagte zwei Mo- 
nate früher, es wären 30°®, 

Es wäre unmöglich gewesen, den Rückstand von ihm zu er- 
zwingen, und so bitten sie den Herzog, in Anbetracht seiner 
langen getreuen Dienste und des Brandschadens 

»... Jhme als einem Alten betagten Dihner göttliches 
worts der numehr vff grabes bort gehet solche 6 M Zins 
Zu Lebtagen ahne E: Fl: D] schaden doch andere nachkom[mjende, 
damit nicht gemeinet, auß gnaden woll nachlassen....“ 
und auch den Rückstand ihm zu schenken”, 

Scheinbar ist ihm seine Bitte erfüllt worden, denn noch 1600 
beansprucht, wie schon gesagt, der derzeitige Rußer Pfarrer die 
gleichen Wiesen für sich, weil sie angeblich zur Kirche gehörten”. 

Bald darauf, wohl 159, ist Siautil gestorben, denn nach Ar- 
noldt, Nachr.°*, wurde sein Diakon, Lazarus Sengstock, 1595 hier 
Pfarrer an eines Verstorbenen Stelle. 


Der Korrektor \,. 


Bei dem Korrektor X, ist charakteristisch, daß sich seine etwa 
110 Korrekturen nur in der Psalmenübersetzung, und zwar auf 
den ersten 25 Blättern (VI 3’—25r) finden, und daß fast alle in 
einer mehr oder weniger deutlich gelblich-braunen Tinte geschrie- 
ben sind. 

Der Vergleich der Handschriften der Personen aus Bretkes 
Generation führt zu keinem Resultat; zwar hat die Handschrift 
des litauischen Pfarrers Simon Waischnarus, dem als einzigen 
die Teilnahme sowohl an der Konferenz zur Korrektur der Po- 
stille (17. Mai 1591 bis Ende Mai”) als auch zur Korrektur der 
Bibel (Ende September 1592 bis 10. Oktober’*) aufgetragen 
wurde, einige Ähnlichkeit mit der des Korrektors X,”, ebenso 


888 Siehe oben, S. 290 f. 

#88 Siehe oben, S. 297 (Qu., S. 450, Z. 40 f.). 
»0 Qu., S. 452, Z. 21ff. 

®1 Siehe oben, S. 286 Anm. 942. 

®2 Arnoldt, Nachr. II, S. 164. 

#3 Sjehe oben, S. 103, und Abb. 30, T. XV. 

#9 Sjehe oben, S. 114, und Abb. 5, T. XXXV. 
»s T, XXXVII, Abb. 77. 


298 


die des Patroclus Welwer, besonders in seinen Korrekturen zur 
Wolfenbütteler Postille”*, doch befriedigend ist das Ergebnis 
nicht, obwohl Waischnarus spätestens von 1579 bis 1600 litaui- 
scher Pfarrer in Ragnit” und Patroclus Welwer von 1577 bis 
November 1593 Pfarrer und Präzentor in Breitenstein’®, seit 
28. November 1593 bis zu seinem Tode aber 1598 deutscher Dia- 
kon in Tilsit® war. 

Doc öffnet man das Aktenheft: „Pfarrer der Littauischen 
Kirche Koenigsberg u. Insterburg““” und erblickt in den Briefen 
Johannes Rehsas die gleiche gelblich-braun schimmernde Tinte, 
sowie den Schriftcharakter, der den gleichen Eindruck macht wie 
der der litauischen Korrekturen des X, im Psaltermanuskript, 
obwohl diese in einer mehr oder weniger flüchtigen lateinischen 
Kursive geschrieben sind, der Text des Briefes jedoch bis auf 
wenige Wörter in deutscher Kursive, so scheint kaum noch ein 
Zweifel zu bestehen, daß es sich auf den ersten 25 Blättern des 
Psalmenmanuskripts Bretkes um Anmerkungen Johannes Reh- 
sas handelt, die er zu Anfang seiner Arbeit zur Psalmenausgabe 
hier eintrug. 


Vergleicht man nun die Korrekturen des Korrektors X, mit der 
gedruckten Psalmenausgabe von 1625, so wird klar, daß sich in 
dem Drucke bis auf einen Fall (siehe unten) genau die Vokabeln 
wiederfinden, die der Korrektor X, am Rande im Psalmenmanu- 
skript an Stelle der Bretkeschen Vokabeln im Text oder auch 
für Bretkes spätere Verbesserungen oder für die von der Hand 
Daniel Gallus’ auf dem Rande vorgeschlagen hat. 

ZAB:: 

(VI 19v; Ps. 22,22). 1. Rehsas Luthertext: „aus dem Rachen des 
Löwen“, 2. Bretkes Text: „isch kaklo Liuto“, 3. Xs: „nasru“, 4. Rehsas 
Druck: „isch nasrü Liuto“. 

(VI 20r; Ps. 22,25). 1. Rehsas Luthertext: „deinen Nahmen predi- 
gen meinen || Brüdern“, 2. Bretkes Text: „tawa warda sakisiu bro- 
lams (? verb.: -lems) mana“, 3. X,;: „praneschiu“ und „(brol)iams“, 
4. Rehsas Druck: „tawa Warda praneschiu Broliams mana“ usw. 


®s T, XXXIf., Abb. 70 und 72, sowie S. 369 Anm. 1263 und Abb. 65, T.XXIX. 
%7 Arnoldt, Nachr. II, S. 97; siehe oben, S. 403. 

#8 Arnoldt, Nachr. II, S. 126; früher Kraupischken. 

98 Arnoldt, Nachr. II, S. 140; 

1000 FE, M. 72£. 


299 


Bei dieser fast absoluten Übereinstimmung der Vokabeln — 
nur in einem einzigen Falle zeigt Rehsas Druck „Aüdra“, ob- 
wohl X, für Luthers: „eine Sündflut“ und an Stelle von Bretkes: 
„audra“ die Übersetzung: „patwana“ vorgeschlagen hatte — 
findet sich manch orthographischer Unterschied zwischen den 
Korrekturen des X, und den Entsprechungen im Druck, z. B.: 

(VI 22r, Ps. 25,19). X;: „piktumo“, Rehsas Druck: „piktummo“; 
(VI 22v, Ps. 27,1). Xs: „giwatos“, Rehsas Druck: „Giwatos“; 
(VI 25v, Ps. 28,2). X,: „schwencziausospi wietospi“, Rehsas Druck: 
„Schwentziäusiosp wietospi“. 
Desgleichen formale Abweichungen, z. B.: 
(VI 24r, Ps. 29,2). X;: „ischredime“, Rehsas Druck: „ischredighime“; 
(VI 24v, Ps. 29,8). Xs: „sujuttin“, Rehsas Druck: „sujuddina“; 
(VI 25r, Ps. 30,7). X,: „geer sant“, Rehsas Druck: „gerrai »sant“. 

Doch man war damals in diesen Dingen wenig konsequent: 
Selbst ein Daniel Klein wich in seinem Gesangbuch immer 
wieder von den Regeln ab, die er selbst in seinen beiden Gram- 
matiken aufgestellt hatte! 


Zieht man aber in Betracht, daß viele orthographische und 
formale Abweichungen zwischen dem Text der Korrekturen und 
dem des Druckes auch sehr wohl von den sieben „...in den || 
Littawschen Emptern / in der Littawschen Sprach || geübten vnd 
erfahrnen Pastoribus...“ herrühren können, denen die Regi- 
mentsräte J. Rehsas Arbeit — doch wohl sicher Rehsas Manu- 
skript‘® — „...ad revidendum vber- || schikt...“ und daß die 
Geistlichen dann „...zu vnterschiedli- || chen malen zusammen 
kommen / sich dieses Werks || herzlich angenommen ...“, wie 
Rehsa'® sagt, und bedenkt man, daß dagegen in der Vokabel 
bis auf den einen Fall** der Druck stets mit den Eintragungen 
des X, übereinstimmt, so besteht kein Zweifel: 


X, ist Johannes Rehsa. 


1001 Siehe unten, S. 325f. 

1002 Behm sagt, l.c, daß Rehsa „...das gantze Werck de novo also ver- 
fertiget vnd nebenst dem deutschen Psal- || ter außgeschrieben....“ hätte. 

1008 Sjehe oben, S. 241. 

100% In Ps. 29,10 hat der Rehsasche Druck „Aüdra“, obwohl X, bei Bretke, 
S. VI 24v, dafür „patwana“ vorschlug. 


300 


Johannes Rehsa. 
Der Name Rhesa, Rehsa, Reza ist bis vor kurzem für litauisch 
gehalten worden. 
Der Vater unseres Johannes Rehsa schrieb seinen Namen in 
der „Concordienformel“ (1579; Abb. 40, T. XIX) aber „Rehse“, 
. worauf Forstreuter zuerst aufmerksam macht”, und wurde im 
Schreiben des Bürgermeisters und des Rats der Stadt Tilsit 
(beantw. 26. Januar 1599) im Obliquus: „Matthiae Rhesen“ ge- 
nannt'’®,. Sein Sohn Johannes wurde von dem ihn immatriku- 
lierenden Rektor der Königsberger Universität mit „Rhesa‘“” 
inskribiert. Er selbst schrieb sich, wie seine erhaltenen Unter- 
schriften zeigen, stets „Rehsa“: „Johannes Rehsa“ (Brief an den 
Kurfürst, erl. 26. September 1624)*®, „Durch || Herrn Johannem 
Rehsam““® und „per || K. Jona Rehsa“ (Titel zur Psalmenaus- 
gabe von 1625, S. 2'), „Johannes Rehsa“ (Unterschrift unter Vor- 
rede zum Psalter, S. 5”), „Johannes Rehsa“ (Brief an den Kur- 
fürsten, eingeg. 6. August 1627)". Andere scheinen ihn vorwie- 
gend ,„Rehse“ genannt zu haben, so in dem schon genannten 
Briefe des Bürgermeisters und des Rates der Stadt Tilsit „ Johan- 
nes Rhese“ (S. 4”), „Johannem Rhesen“ (S. 5" ebenso S. 5) und 
einmal im Obliquus „Johann Rehsen“ (S. 10’); der Hauptmann 
von Tilsit, Freiherr v. Kitlitz, in einem Brief vom 15. Februar 
1600 an den Herzog”"': „Johannes Rhöss“. Der Professor und 
Hofprediger Johannes Behm nennt ihn in seiner Vorrede zum 
Psalter zweimal „Johan Rehsa“ und „Herr Reh- || sa“ (S. 10r). 
In dem von der Universität herausgegebenen lateinischen Nekro- 
log" lautet sein Name zweimal im Obliquus „Rehsen“ (S. 189 
und 190’), während sein Vater dort einmal „Rhesa“ (S. 191’) ge- 
nannt wird. 


1005 7, f. sl. Ph., Bd. XIV (1937), S. 26. 

1008 F,M. 138 ee, Aktenheft: „Cantores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“, 
S. 4. 

1007 Erler, Königsb. I, S. 109. 

1008 Yu., S. 455, Z. 17. 

1000 Siehe unten, S. 317. 

1010 F,M. 72f., Aktenpack: „Pfarrer der Littauischen Kirche in Königsberg u. 
Insterburg“, S. 4r. 

1011 Signatur wie Anm. 1006, S. 10r. 

1012 Siehe unten, S. 321. 


301 


Der Name „Reza“ läßt sich aus dem Litauischen nicht erklä- 
ren, dagegen dürfte Forstreuter mit seiner Vermutung recht 
haben, daß „Rese“ die ursprüngliche Form des Namens und die 
niederdeutsche Entsprechung des deutschen Personennamens 
„Riese“ sei. Nach Forstreuter hätte Johannes Rehsa seinen Na- 
men von „Rehse“ zu „Rhesa“ latinisiert'"®. 


Wenn auch verwunderlich ist, warum Rehsa seinen Namen 
nicht in der üblichen Weise latinisierte, d. h. zu „Rhesius“ 
machte, dafür aber die in lateinischen Personennamen seltene, 
bei litauischen Namen aber häufige Endung -a verwendete, so 
zeigt doch eine Durchsicht der Matrikelbücher, daß der Name 
„Rhese“, „Rhesus“, „Rhesius“, „Rese“, „Reese“, „Rees“, „Resen“, 
„Resenius“, „Reeser“, „Reesink“ usw. in jener Zeit im deutschen, 
besonders niederdeutschen (auch holländischen) Sprachgebiet 
häufig ist, aber auch im dänischen und angelsächsischen Sprach- 
bereich vorkommt. 


So werden immatrikuliert: So. Sem. 1617 in Königsberg ein 
„Johannes Rhese, Stargardensis Pomeranus...“*, am 28. April 
1643 ein „Johannes Rhesus, Hildesiensis....“ (Hildesheim)’", in 
Wittenberg am 26. September 1575 ein „Thomas Rhese Bruten- 
sis“ (wahrscheinlich Pratau)'", am 12. Juni 1571 ein „Johannes 
Rhesus Egranus“ (Eger), am 4. Juni 1573 ein „Valentinus Rhe- 
sius Horburgen“ (Harburg)'“, 21. August 1566 ein „Johannes 
Conradus Rhes Lindauiensis“ (Lindau)“*, 14. Mai 1599 ein „Mat- 
thaeus Rhesus Magdeeburgensis“ (Magdeburg)'*, 19. August 
1568 ein „Johannes Rese Ceruestensis“ (Zerbst)'* usw. 


In der Leydener Universitätsmatrikel finden sich folgende 
Beispiele: 


1013 7, f. sl. Ph., Bd. XIV (1937), S. 26. 
1014 Erler, Königsb. I, S. 229. 

1015 Fbenda, S. 444. 

1010 Foerstemann, Bd. II, S. 256. 

1017 FEbenda, S. 200. 

1018 Fbenda, S. 237. 

1019 F'oerstemann, Bd. II, S. 105. 

1020 Fhenda, S. 457. 

1021 Fbenda, S. 147. 


302 


30. Juni: „Jacobus Resen Tollensis““*, 5. Juni 1649: „Johan- 
nes Ericus Resenius Danus““*, 5. Oktober 1762: „Joannes Dide- 
ricus Reese Hamburgensis“* usw. usw. 

Diesen Belegen stehen nur zwei in der latinisierten bzw. 
litauisierten Namensform gegenüber, und zwar ein „Rehsa Mar- 
tin, Tilsen. Pruss....“, der am 2. Juni 1660 in Königsberg imma- 
trikuliert wurde”, und Johannes Ludwig Rhesa, der sich 
(21. Mai) 1794 in Königsberg inskribieren ließ‘, dessen Vater 
sich „Reehse“, „Raese“, „Rhöse“ und „Reehse“ schrieb, und des- 
sen Familie im Laufe des 18. Jahrhunderts auf der Kurischen 
Nehrung einwanderte"”. 

Johannes Rehsa ist also mindestens väterlicherseits deutscher 
Abstammung. 

Der Vater Rehsas, Matthias Rehse, stammte aus Königsberg 
und wurde 1575 in Tilsit „Schulmeister“ an der dortigen Stadt- 
schule‘”®. Wahrscheinlich heiratete er damals, denn sein Sohn 
Johannes Rehsa, unser Korrektor X,, wurde am 25. Mai 1576 
geboren: 

„Natus est Anno I 1576. d..25. Maij st. vet. Patre Viro Do- I etissimo 
Dn. Matthia Rhesa Scholae || Tilsensis Rectore digniss. Matre 
Ann abcrg;1020 
höchstwahrscheinlich war Johannes das erste Kind aus dieser 
Ehe, da später von ihm gesagt wurde, er müsse seine zahlreichen, 
doch wohl jüngeren, Geschwister unterhalten’. 

Die Lebensumstände, unter denen unser Johannes Rehsa auf- 
wuchs und auch noch seine „Schulgesellenzeit“ verlebte, zeigen 
die Akten der damaligen Tilsiter Stadtschule, die seinen Vater 
und die diesem später zugeordneten „Schulgesellen“ betreffen. 

In dem vom Herzog angeforderten Bericht über die Tilsiter 


Stadtschule, die wie die Stadtschulen in Saalfeld und Lyck, zu 


1022 Matrikel Leyden, Spalte 20. 

1023 Khenda, Spalte 396. 

1023 Hhenda, Spalte 1076. 

1025 Erler, Königsb. II, S. 16. 

102° „Rehsa Ludov., Carwaiten Boruss., stud. theol.“. Erler, Königsb. II, S. 630. 
4027 Forstreuter, 1. c., S. 27. 

1028 ],.c., S. 26, siehe auch weiter unten. 

02° „Intimatio in Funere... Dn Johannes Rhesen...“, S. 191r. 

1080 Sjehe weiter unten, S. 308 f. ; 


303 


einer Partikularschule erhoben werden sollte, wobei die Tilsiter 
Schule besonders für die litauisch sprechende Jugend gedacht 
“ war’®!, sagen der Bürgermeister und der Rat der Stadt Tilsit An- 
fang August 1586, also als Johannes Rehsa 10 Jahre alt war 
(S.. 19): 
»...Das ob woll der h[err] Bischoff In der Ao 78 | alhie gehaltenen 
Visitation, nebenst dem | meister, einen gesellen Zuhaltten ver- 
ordnet, I Dieweil aber die anZahll der Knaben sich Zim- I) lich ge- 
mehret, wie dan derselben fast vber I hundert Itzo verhanden, haben 
wir, damit || dieselben durch verdruss der PraecePtoren || wegen viel- 
feltiger arbeit, nicht verseumet wur- || den, noch einen Collaboratorem 
Inen adiungiret, I (S. 2r) dass also vmb besser vnd vleissiger aufsicht 
willen || drey Schuldiener, wiewoll mit mercklicher || der Burgerschafft, 
beschwer, bisher gehaltten | worden l Der Schulmeister Matthias 
Rhese von Königs- I bergk, hatt Ins elffte Jahr alhie In der ll Schulen 
gedienet, Ist stilles eingeZogenen lebens, || meints treulich vnd arbeittet 
vleissig. Ist nuhn- || mehr bedacht, dieweil ehr solcher arbeitt I fast 
mude, sich Zum Ministerio Zubegeben, wie || dan Ihme auch albereit, 
von fl[en]. dht. dass ehr I) Zu erster gelegenheit solle promouiret wer- l 
den, gnedige vertröstung geschehen, Sein vn- || derhaldt Ist, vierZig 
Marck besoldung vnd || funf Marck holtzgeldt, daneben hatt | ehr Zu 
auffenthaltung seines hauswesens, l dass Didactron:%% vnd freije Habi- 
tation In der ll Schulen ...“ 
In diesem Schulgebäude, das nur einen größeren Unterrichts- 
raum hatte, wohnten außer Mattias Rehse mit seinen zahlreichen 
Kindern noch die beiden Schulgesellen, beides Pommern, über 
die dann im Bericht weiter gehandelt wird. Auf die Frage des 
Herzogs, „...was der Schuldiener ge- || schickligkeit, was sie’ 
vor SPrachen || Können...“ antworteten der Bürgermeister und 
der Rat (S. 2’): „...Die anwe- || sende gesellen aber, seindt, 
bedes der littau- || schen vnd Polnischen SPrachen vnkundigk ...“, 
was doch wohl nicht anders zu verstehen ist, als daß der „Schul- 
meister“, Matthias Rehse, Litauisch oder Polnisch, vielleicht auch 
beides gekonnt hat!”*. 


Andere Akten’ zeigen die.Sorgen und Nöte Matthias Rehses 
und die seiner beiden Schulgesellen, von denen letztere nur je 


1031 Beide Schreiben (1. Datum: 1. 7. (bzw. 3. 6.) 1586, sowie 2. abgesandt: 
4. 8. 1586) befinden sich in der Bibliothek des Tilsiter Gymnasiums. 

1032 An anderer Stelle „Schul- oder Knabengeld“ genannt. 

1033 Forstreuter, 1. c., S. 26. 

103 Sämtlich in der Bibliothek des Tilsiter Gymnasiums. 


304 


90 M. bekamen, aber, solange sie unverheiratet waren, bei be- 
stimmten wohlhabenden Bürgern der Reihe nach unentgeltlich 
Mittag essen durften (mensa ambulatoria). 


So baten Matthias Rehse und Casparus Frischeintz den Rat 
der Stadt Tilsit in einem Schreiben vom 10. September 1580, sie 
möchten doch dafür sorgen, daß ihnen die 3 M. 36 Schilling nicht 
durch die Kirchenväter vom Gehalt abgezogen würden, die sie 
bei der Reise nach Insterburg vor einem Jahre von ihrem Zehr- 
geld erübrigt und behalten hätten, sondern, wie sie schrieben, 
zur Erleichterung 

„...vnsere Studia auff | die Predigtenn, dabey Zu Continuiren, gutt 
willigst ll gönnen vnnd lassen wollenn, Damitt wir vnns ll ia des ge- 
ringen, weil vnser quartal eins theils || da wir Kunfftiger Zeitt vonn 
leben soldten, albereitt || auffgehaben, vnnd schon mehr als das, ohn 
alle ver- I schwendung vertzehrett ist...“ 

Als am 22. Oktober 1583 in der Schule Revision gehalten 
wurde und die Knaben in den einzelnen Fächern, wie z. B. in 
„...den Epistulis Ciceronis Terentii...“ und in „Greca lingua“ 
recht schlecht Bescheid wußten, hieß es in dem Bericht als Be- 
gründung (S. 2?): 

»... Vnd keme solcher vnfleiss von keinem andem (!) Als vo[n] I dem 
Schulmeister so woll von den Schulgesellen her, I auss den vrsachen, 
dieweil sie allesemptlichenn || mitt der predigt vberladen, darauff sie 
den Studieren || musten, vnd also die Junge Jugentt dadurch ver 
seumett werde, | Zu deme Kente auch diese Ratio befehen. dieweil | 
der Schulmeister etzliche ihar hero an dieser schull |] gewesen, vn 
durch die Lenge per labores et studores (?) Scholasti | cos verdrossen 
wirdtt, auch vielleicht sein gemutt l dahin gerichtett, dz er ad offi- 
cium Ecclesiasticum I sich Zubegebenn, willenss...“ 

Sie wurden darauf am 28. Oktober auf das Rathaus bestellt, 
um sich vor den hohen Herren zu verantworten. Dort ergriff der 
Erzpriester Mörlin ihre Partei. Schuld wäre die Disziplinlosig- 
keit, die in der Schule herrschte: Wenn ein Knabe zur Strafe in 
den Stock geschlossen würde, so kämen dessen Eltern, die der 
Ansicht wären, „...das kinder alZeitt kluger Als der pfarherr 
sein...“, und schlossen ihn wieder los. Die Kinder blieben 
manchmal ohne Grund drei bis vier Wochen während eines 
Vierteljahres aus der Schule fort, usw. usw. 


In einer am 27. Oktober 1590 registrierten Fingabe an den 
Rat der Stadt Tilsit danken die beiden Schulgesellen zwar 


20 Falkenhahn, Bretke 305 


ee Zum Höchsten...“ für den Freitisch bei den Bürgern, doch 
wäre es für sie recht 


„... vordriesslichen, || vf diese weiss dieses beneficij Zugeniessen ...“, 
„»...Dan es Zum öfftern geschicht, das || man bey vielen. lang vf die 
maltzeit vortzihen || muß. Auch weit Zu gehen Haben. da es || doch 
manchmal ein so vngestum vnnd vnsauber || gewitter ist. dass einem 
grawet den fuss I (S. 1v) für die schwellen Zu setzen, beuoraus in 
dieser || Herbst vnnd winter Zeitt, einen so vnebenen || weiten weg 
Zu Spatzieren, vnnd alle wochen I newe wirtschaft suchen, auch wegen 
etlicher |) leute die da sagen. ich muss die Cantores Hal- ll ten. meine 
Nachbarn werden vbersehen. || wöllen geschweigen dess Andern so 
geredt || wirdt: Werden auh also oft in dem wir I so weit mussen Zu 
tisch gehen in vnsern || laboribus Scholasticis von studijs, darinnen | 


wir teglichen desudiren, impediret vnnd vor- I Hindert, daß wir Zur: 


bestimbten Zeitt I nicht Können in der Schulen sein...“ Immer Wieder 

klagen sie über „...die liebe Burgerschafft...“, die sich, wie es heisst 

»... dermaßen | frembt kegen Vns doch vnuerdienten sich | stellet, 

das sie auch Zum theil vmb ein I mallzeit brott in der Wochen mit 

Zutheilen I sich Zu suchen machet.. .“1085 

Nach der Grabrede für ]J. Rehsa haben seine Eltern ihn von 

früher Kindheit an zu höherer Gesittung, zu den Künsten (Mu- 
sik) und zur Frömmigkeit erzogen: 

»...hunc suum filiu[m] ... 

ä teneris unguiculis ad - 

humanitem (!) artes [et] pietatem erudie- 

runt...“ 


Johannes Rehsa besuchte in Tilsit die Schule. 


Dort hatte er sicher ständig Gelegenheit, mit Litauern in Be- 
rührung zu kommen, denn das litauische Element in der Land- 
bevölkerung um Tilsit und unter dem „Gesinde“ in der Stadt 
war damals schon stark. 


Dazu dürfte ihn sein Vater möglicherweise — in der Absicht, 
seinen Sohn litauischen Pfarrer werden zu lassen — im Litaui- 
schen gefördert haben, denn daß es nicht die Muttersprache un- 
seres Johannes Rehsa war, geht aus seiner Eingabe an den Til- 
siter Rat ohne Datum hervor, die aber nach dem Inhalt 1600 
geschrieben sein muß, in der er sich entschuldigte, daß er die 


1055 Sjehe zur Geschichte der Schule die Aufsätze von Oberlehrer Schneider 
und Prof. Heinr. Poelmann in den Schulprogrammen des Tilsiter Gym- 
nasiums 1853 ff, und besonders: H. Poelmann, „Geschichte des Königl. 
Gymn. zu Tilsit“ in der Festschrift zum 300jährigen Bestehen, 1886 f. 


306 


2 


Schulgesellenstelle in Tilsit aufgeben müßte, weil er nach „Tol- 
minkehmen“ als Pfarrer berufen worden sei, und merkwürdiger- 
weise schrieb, er wäre gerne länger in Tilsit geblieben, 
„...auf || das ich der Littauschen sprach desto besser kun- Il dig, wie 
ich den D.G. dieselbige ohn rum Zü I reden Zimlichen gefasset, vnd 
mich nicht allein | uatim, sondern auch publice inconcionendo 
hab || hören lassen vnd geeXerciret.. .“t038 
Im Herbst 1586 starb Matthias Rehse und hinterließ viele un- 
versorgte Kinder. 


Kurz nach dem Tode M. Rehsas wurde die Stadtschule in 


eine Patrikular- oder Fürstenschule umgewandelt”, 


J. Rehsa hat offenbar die Schule bis zu Ende besucht — wohl 
in einer Freistelle — und wurde am 28. Mai 1591 in Königsberg 
immatrikuliert, wo er wohl mit herzoglichen Stipendien zu stu- 
dieren begann. 


Nach der Leichenpredigt soll J. Rehsa noch an verschiedenen 
Universitäten in Deutschland studiert haben, wie in Wittenberg 
und Straßburg: 


„»...Nam non tantum domi 

in artibus liberalibus [et] maxine in 
Musicis, sed [et] hie Regiomonti [et] 

in Germaniä passim in diversis A- 
cademiis ut Argentoratensi, Witeber- 
geln]si in disciplinis Theologicis se exer- 
Cult . 


Das Wittenberger Album enthält aber Rehsas Matrikel nicht, 
und Straßburg hatte erst ab 1621 eine Universität, doch bestand 
dort seit 1567 eine privilegierte Akademie, die aus der 1538 ge- 
gründeten Sturmschen Theologenschule hervorgegangen war!”. 
Möglicherweise hat Rehsa dort eine Zeit studiert. 


Nach der Grabrede soll er 1596 nach Hause zurückgekehrt 
und vier Jahre in Tilsit Kantor gewesen sein (S. 191’). 


»... Üt vero domu[m] rediit AAnno 1596. 
ad Scholasticum officium vocatus vo- 
cantem Deum [et] Magistratum seque[n]s 
per quatuor Annos Cantoris officio 
laudabiliter defunctus est...“ 


1050 Bibliothek des Tilsiter Gymnasiums. 
107 Schmalhaus, „Hochschul-Matrikeln“, S. 30. 


20* 


307 


Doch wie aus dem Folgenden hervorgeht, ist er in Wirklich- 
keit nicht ganz ein Jahr Kantor an der Tilsiter Patrikularschule 
gewesen. 


Ende 1598 starb der Kantor Peter Zollius. Darauf schlug 
nach der Darstellung des Bürgermeisters und der Räte der Rek- 
tor Daniel Kornig, der aus Schlesien stammte und seit dem 
1. Juni 1598 im Amte war, den Regimentsräten einen Johannes 
Praetorius vor. Diese beorderten ihn zu einem Examen an der 
Universität, und da es günstig ausfiel, wurde Praetorius nach 
Tilsit beordert. Der Bürgermeister und der Rat der Stadt Tilsit, 
die der Meinung waren, das Recht der Berufung der Schulbeam- 
ten zu haben, beriefen aber Johannes Rehsa auf diesen Posten. 
In einem Briefe an den Herzog (beantw. 26. Januar 1599), in 
dem der Bürgermeister und der Rat über die Wahl Johannes 
Praetorius’ klagen”*, schrieben sie: 


„»...daß durch absterbung 

des gewesenen Cantoris’ alhie, desselben 
dinst erlediget worden. Wan nun 

der Schulen Notturfft erfordert, den 
Vacirenden Locum herwiederumb Zuersetzen, 
Jst vos von ettlichen Vnseren Burger- 
schafft Matthiae Rhesen seligen vnsers 
gewesenen Schulmeisters Sohn, mit nahmen 
Johannes Rhese furgeschlagen worden, 

Mitt bitte, weil desselben Vater sein 

leben bei vnserer Schulen Zugesetzet, vnd 
nichts dan ein Hauffen armer vnerZogener 
weysen, Jn höchster armuht hinterlassen, 
wie desselben Sohn alss einen Ein Zögling,t® 
seines Vatern geleisteter dinste wolten ge- 
nissen lassen vnd Jhme das erledigte 
geringe dinstlein, Sintemahl ehr darZu 
Tuchtig, gönnen. Angesehen, wil ehr der 
Deudtschen vnd Littauschen Sprachen Zim- 
lich Kundig, auch albereit ettliche mahl al- 
hier Jn beiden Sprachen geprediget, das 
ehr Kunfftigst dieser örter einen Nutzlichen 
Mahn Jn Schul vnd Kirchen arbeit geben, 
Seinenn Vater vnd Mutterlosen armen 


ıoss E,M. 138ee, Aktenheft: „Cantores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“,“ 
S. 4v ff. 
ı0s® Einheimischer. 


308 


vnerZogenenn Geschwister auch bei solchergele- 
genheit vmb so viel mehr furstehen vnd Zu 
deroselben Education sehen möge, Worauff 
wir Jhnen Vociret vnd den Cantor dinst 

Jım nahmen Gottes Zugesagt...“ 

Doc der Tilsiter Amtshauptmann, Friedr. Freiherr zu Kit- 
litz, berichtete am 9. Januar 1599 an den Herzog'", daß er Prae- 
torius introduziert hätte, aber der Rat gegen Praetorius wäre. 
Darauf wandten sich der Bürgermeister und der Rat in dem 
schon angeführten Schreiben (beantw. 26. Januar 1599) an den 
Herzog", legten ihre Gründe dar, warum sie „Johannes Rhese“ 
haben wollten, und berichteten, daß die Wahl des Praetorius 
durch den Rektor die Bürgerschaft erregt hätte; sie hätten den 
Hauptmann gebeten, den „frembden gesellen“ nicht zu introdu- 
zieren, da sie sich in der Sache an den Herzog wenden wollten, 
doch der Hauptmann hätte dem Drängen des Rektors nach- 
gegeben und ihre Abwesenheit dazu benutzt, Praetorius in das 
Amt einzuweisen, wodurch die Bürger herausgefordert worden 
wären, denn sie meinten, wenn sie die „Schulgesellen“ besoldeten, 
stünde ihnen auch die Inspektion zu. 

"Weiter heißt es auf S. 5°: 

„... Demnach machen wir vns keinen Zweiffell 
weil diese Schule vmb der Littauschen Sprache 
willen anhero verordenet worden vnd der- 
umen Zum wenigsten ein Schulgesell. welcher 
derselben Sprache Kundig, wie dan Ja gleichenn 
Jn den angeordenten Fl. polnischen particular- 
Schulen geschicht, gehalten werden muß, 

Zu deme von dem alten löblichen Fursten 
hochmilder vnd Christlicher gedechnuß in Di- 
plomate Academiae vorsehen, das die Ein- 
Zöglinge Jn Kirchen vnd Schulconditionen den 
frembden sollen vorgezogen werden, es 

werden E F Dhl des Rectoris attentatum 

nicht approbiren, ihn zurechtweisen und 

den von ihnen... Vocireten Studiosum Johan- 
nem Rhesen vmb der Littauschen Sprache 
vnd anderen obangeZogenen vrsachen willen 
Jn des verstorbenen Cantoris stelle, die weil 
ehr tuchtig das Chor Zu regiren, bestellen 

vnd Confirmiren...“ 


1020 Gleiche Signatur wie S. 308 Anm. 1038; S. 3r ff. 
1041 5, 308 Anm. 1058. 


309 


Das würde nicht nur der Schule nützen, sondern auch die 
Bürgerschaft dieses Ortes 
„+... Wan sie 
vermercken werden, das man die EinZog- 
linge, derer Eltern einen gutten Nahmen 
verlassen, befordert...“, 


günstig gegen Schule und Kirche stimmen. 


Die Regierung gab nach und ordnete am 28. Januar 1599 an, 
daß Praetorius Subrektor und J. Rehsa Kantor werden solle, 
was dann auch geschah", Aber zu Epiphanias (6. Januar) 1600 
verließ Joh. Rehsa seinen Tilsiter Kantordienst wieder und ging 
nach Tollmingen”, wo nach Arnoldt‘* bis dahin ein Gottfried 
Bierfreund Pfarrer gewesen war. 


Am 15. Februar 1600 schrieb daher der Tilsiter Amtshaupt- 

mann an den Herzog, daß der 

»... Cantordienst Vaciret, der gewesene 

gesell, Johannes Rhöss sich inss Predig- 

ampt begebenn, vnnd seinen dienst bey 

mir renuncyrt hat, vnnd daruon Ziehet, 

welcher auch seiner verbesserung halben. 

Von dem Fest Epiphaniae an, wegk gewe- 

senn...“ 
er bäte um einen neuen Kantor‘. Nach Arnoldt'"* und der schon 
öfter genannten Grabrede wurde Rehsa am 24. Februar 1600 in 
- Tollmingkehmen Pfarrer; sicherlich war das aber wohl das Da- 


tum seiner förmlichen Berufung. 


In dem schon erwähnten undatierten Schreiben von Tollming- 
kehmen an den Rat der Stadt Tilsit (oben, S. 306.) bat Johannes 
Rehsa um das Gehalt des letzten Quartals seines Tilsiter Dien- 
stes. Es wäre doch andern gegeben worden, 

»... die lenger von dem dienst aus- I) gewesen sindt als ich...“, 
„»...auf das ich desto besser mögte von hinnen scheiden, || vad mich 
mitt meinen creditorib[us] abfinden, || hab die tröstliche Zuversicht 
E.E. A.g.v.w. || werden mich meines lieben seligen vaters, || welcher 


ı022 }. Poelmann, Festschrift, S. 9. 

1038 Friiher Tollmingkehmen. 

1024 Nachr. II, S. 106. 

105 E.M. 138ee, Aktenheft: „Cantores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“, ° 
S. 10rf,, und H. Poelmann, Festschrift, S. 9. 

1048 Nachr. II, S. 106. 


310 


mi 


ch die SE a 
e D 


beides schul vnd Kirchen etzliche iahr l alhie gedienet, genissen lassen, 
vnd mich nicht I weil ich von hinnen muß so gar trostlos lassen...“ 


Der litauische Pfarrer Zacharias Blothno d. Ä. schrieb auf das 

Gesuc eine Befürwortung: 
„Da ein F[hrbarer] Rat] diesen armen ge- I sellen mit einem Zim- 
lich[en] Viatica || vmb beforderung seines Christ- || lichen furhabens, 
vnd dem H: || Ministerio Zu ehren, abZuferti- |] gen nicht bedacht, So 
wolle || man ihme doch sein Salarium || nicht abbrechen, weil er der 
be- | ommenen Vocation folg[en] mußen, I vnd seine Schullarbeiten 
bestellet |] Mit andern, so einem E.R. auffge- | drungen word[en], hat 
man es so ge- |Inaw nicht gesuchet, wer vnbillig || d2 man mit diesem 
es anters ma- || ch[en] wolte.“ 


Daß Blothno mit letzterem seinen „Freund“ Johannes Praeto- 
rius meinte, ist klar. 

Im gleichen Jahre, am 4. November, heiratete J. Rehsa eine 
Barbara Eckerts, also eine Deutsche. 

In Tollmingen”, das 17 km von der litauischen Grenze und 
ebenso weit nördlich von Goldap liegt, und das später die Wir- 
kungsstätte Donalitius’ (Duonelaitis’) wurde, hatte Rehsa stän- 
dig die beste Gelegenheit, im Verkehr mit der litauischen Land- 
bevölkerung sich im Litauischen zu vervollkommnen. 

Aus seiner Ehe mit Barbara Eckerts entsprossen acht Kinder: 
vier Knaben und vier Mädchen. Nach dem Nekrolog zu urteilen, 
starb seine Frau nach 17jähriger Ehe, was 1617 gewesen sein 
müßte. Doch heiratete er nach der gleichen Quelle bereits am 
20. November 1617 nach gebührlicher Trauerzeit die Tochter 
eines Tapiauer Bürgers Georg Poelmann, namens Barbara. 

Die entsprechenden Stellen lauten: 

„...eodemql[ue] Anno ((d. h. 1600)) quarto Novembr: 
connubio sibi junxit castissimam [et] pu- 
dicissimam virginem Barbaram, Viri 
honestissimi Christophori Eckerts 

filiam, quä cum 17. Annos pacat£ [et] co[n]- 
corditer vivendo octo nümeravit fi- 

lios, quatuor masculini sexus, totide[m]q[ue] 
sequioris...“ „... Anno 1617. 

d. 20. Novembr: postquam conjugem 

pi® defunctam eo luctu, qui Christia- 

nos decet, prosecutus erat, ad secunda 

vota transiit [et] pudicissimam, lectissi- 
maigqlue] Virginem Barbaram honorati 
quondam [et] Spectati Viri Georgü 


311 


Poelmanni, Serenissimo Electori 


in arce Tapiau ä rationibus filiam tho- 
ri novam sociam adxivit...“ 


Am 26. April 1621 wurde Rehsa nach Königsberg an die Stelle 
des dort verstorbenen Nachfolgers Bretkes, Lazarus Sengstocks, 
berufen, wie er selbst später an den Kurfürsten schrieb'”. 


„Vndt kan E. Churfl[e] dhtt vn- 

terthänigst in memoriam zu revocieren nicht vmbgangk haben 
wie daß dieselbe meine wenige Person Anno 1621 den 26 

Aprilis auß dem Pfarrdienst Talminkehm, derein ich der Gemei- 
ne Gotteß gantzer 21 Jahr durch Gotteß gnade am wortt Christi 
vorgestanden, Zu dem Littawschen Pfarrdienst näher Königs- 
bergk auff Ihrer Churfl[en] Gnaden Freiheitt Sackheimb Gnä- 
digst versetzet vndt beruffen haben, welchen beruff ich 

pflicht schuldigk folge geleistet, mein vorigeß Kirchspiel verlassen, 
vndt nach Königsbergk der Littawschen Gemeine nach höchstem 
vermögen, am wort vndt dienst Gotteß vorzustehen in vnter- 
thenigkeitt begeben...“ 


Rehsas Einkommensverhältnisse in Königsberg sind nicht 
klar; fest steht nur, daß er ein Deputat von 35 Schl.* Korn und 
30 Schl. Malz!® bekommen hat”. 


In Königsberg begann Rehsa nun in der Elisabethkirche auf 
dem Sackheim seinen Pfarrdienst. Während es ihm aber in Toll- 
mingkehmen in der Landpfarre wirtschaftlich recht gut ge- 
gangen zu sein scheint, wandte er sich in seiner neuen Stelle 
nach etwa einem Jahr mit einem Schreiben an den Kurfürsten 
und bat um weitere 5 Schl. Korn, ein Achtel Holz!” und 25 Mark. 
Er erhielt aber von da ab nur 5 Schl. Korn mehr, doch wurde 
ihm von den Regimentsräten versprochen, bei dem Kurfürsten 
wegen eines größeren Deputates für ihn vorstellig zu werden. 
Zwei Jahre wartete Rehsa vergebens auf eine Antwort”, 


107 E,M. 72f., Aktenheft: „Pfarrer der Litthauischen Kirche in Koenigsberg 
u. Insterburg“, Bl. 5f., erled. 26. 9. 1624 (Qu., S. 453, Z. 3—14). 

1048 35 Scheffel Korn = heute 1296,0 kg, rund 26 Zentner. 

1028 30 Scheffel Malz (= Gerste) = 913,0 kg, rund 18 Zentner. 

1050 (Yu., S. 454, Z. 28 ff. 

1051 Ein Achtel Holz = heute etwa 10,5 Raummeter (die Angabe verdanke ich 
Herrn Dr. R. Stein). 

1052? Qu., S. 453, Z. 27. 


312 


In seiner zweiten Ehe wurden noch drei Söhne und zwei 
Töchter geboren, wovon bei Rehsas Tode aber schon ein Sohn 
und eine Tochter gestorben waren: 


„...haec ((d. h. seine 2. Frau)) ipsi proge 
nuit tres filios, [et] duas filias, ex quibus 

praeivit parentem utriusq[ue] sexus unus 

ad coelestia gaudia .. .‘1058 


Somit dürfte er auch in Königsberg noch eine größere Zahl 
unmündiger Kinder zu ernähren gehabt haben. 

In dem nächsten oder übernächsten Jahre wandte sich Rehsa 
wegen Herausgabe der Bretkeschen Psalmen an 


„... Johannes Behm der heili- 

gen Schrifft Doctor, Professor in der Academien 
zu Königsberg in Preussen Churfürstlicher Bran- 
denburgischer Preuscher Hoffprediger ...‘“1054 


der in dieser Sache bei den Oberräten vorstellig wurde und be- 
wirkte, daß die Regierung Johannes Rehsa mit der Überarbei- 
tung und der Herausgabe der Bretkeschen Psalmenübersetzung 
beauftragte. ]. Behm schreibt hierüber in der Vorrede zu der 
Psalmenausgabe'*®: 


„...Damit aber den Littawen im Labiawschen, 
Insterburgschen / Rangnitschen Tilsitschen vnd 
Mümlischen Emptern / wie auch den benachbar- 
ten in Samayten vnd Littawen / zu desto mehre- 
rer beförderung ihres Christenthumbs möchte ge- 
dienet werden / hat der Ehrwürdige vnd Wolge- 
larte Herr Johan Rehsa / Littawscher Pfarherr 
allhie zu Königsberg / es für gut angesehen / daR 
für dieses mal das beste Biblische Buch / der heilige 
Psalter / in der Littawschen Sprach durch den of- 
fentlichen Druck publiciret würde. 

Solch sein pium propositum hat er Herr Reh- 

sa mir zu vernehmen gegeben. Weil ich dan gese- 
hen / daß hiedurch GOttes Ehr köndte fort gepflan- 
tzet / wie auch der armen Littawen jhre Seligkeit 
gefördert / imgleichen auch andern / welche eine lust 
zur Littawschen Sprache haben / mercklich hiemit 
gedienet werden; Als hab ich solch hochnötig vnd 
hochnützlich Werck Ihrer Churfürstl. Dhtt. von 


1053 Intimatio (Nekrolog), S. 192r. 


104 Vorrede zur Psalmenausgabe, S. 7r. Zu Behm siehe Bericht. u. Erg. 
1055 5, 10rf, 


313 


Brandenburg / vnsers Gnädigsten Churfürsten 

vnd Herrn hinderlassenen Preuschen Regierung de- 
bitä observantiä an vnd für getragen. Weil dan 
jtztgemeldte Regiereng es für hochnötig erachtet / 
daß solch Littawscher Psalter den Littawschen Vn- 
terthanen des Hertzogthumbs Preussen / zum be- 
sten / möchte gedruckt werden: Als ist solch Werck 
anfänglich vorgemeldtem Herrn Johan Rehsen / 
höchstem fleiß nach / zu emendiren, corrigiren, vnd in 
allem / wo es von nöthen / zu verbessern vbergeben / 
welcher dan durch Gottes Gnade das seine dabey 
gethan / vnd sonderlich das gantze Werck de novo 
also verfertiget / vnd nebenst dem deutschen Psal- 
ter außgeschrieben ...“ 


Mitte November 1624 erhielt Rehsa endlich Bescheid, daß der 
Kurfürst nicht gewillt sei, Rehsas Einkommen zu erhöhen und 
sogar angeordnet hätte, auch die zu den 35 Schl. Korn noch be- 
willigten 5 Schl. wieder zu streichen. 

Darauf antwortete Rehsa mit einem verzweifelten Brief an 
den Kurfürsten (erledigt 26. September 1624)"; er wäre 21 Jahre 
in Tollmingkehmen‘"” Pfarrer gewesen und vom Kurfürsten 
nach Königsberg berufen worden; er wäre dem Rufe gefolgt 

»...in vnterthenigster Zuversicht auch daselbsten 

bey dem muhseligen Pfarr dienst, nebenst den meinigen mein 
täglicheß Brodt vndt die liebe leibeß Notturfft zu haben, Muß 
aber itzo, sey eß Gott vndt E. Churfl[en] dhtt geklaget, nicht ohne 
hertzenß Trawrigkeit, daß gegentheill empfinden, In dem ich nicht 
alleine in diesen verfolssenen 3 Jahren, waß ich in dem vorge- 
habten Zwantzigk Järigen Pfarrdienst bekniffen vndt eröbertt, 

in diesem dienst verzehren vndt einbüssen, auch in Mangel mei- 
neß auffenthaltß, meine leibliche Kinder, vndt dazu töchter von 
mir stossen vndt vmb deß lieben Brodtß willen, andern leutten 
Zu schweren diensten, vermutten (!), Sondern vber daß auf diese 
nunmehr meine Alte tage, in Zimliche schulde stecken mussen, 
Also, daß ich nach Menschlicher vernunfft zu reden, nicht sehe, wie 
ichs solcher gestalt in die lenge werde erschwinden vndt ausstehen 
können...“ 


Er hätte schon vor zwei Jahren um Verbesserung seines Ein- 


:kommens gebeten und wäre vertröstet worden, daß für ihn beim 
Kurfürsten 


056 F.M. 72f., Aktenheft: „Pfarrer der Litthauischen Kirche in Koenigsberg 
u.Insterburg“, Bl.5 ff. (Qu., S. 452, Z. 43 £f.). 
1057 Heute Tollmingen. 


314 


„...ein leidlicheß || deputat.. .“ erwirkt werden solle, 

„... daß ich nebenst 

den meinigen mein Notturfftigeß außkommen haben solte. 

Jtzo aber muß ich mit schmertzen vernehmen, daß man vor- 
giebet, eß wehre E. Churfl[e] dhtt befehl, nicht alleine: geschehe- 
ner Zusag nach, mein geringeß deputat nicht zu augiren, Son- 
dern noch daruber obgedachte 5 schl Korn mir zu entziehen. 

Nun gelobe ich diß fahlß bedruckter diener am Wort Gotteß, in 
vnterthänigkeit, der gäntzlichen Zuversicht, ER werden E. Chrfl[e] 
G. weill sie in diesem ihrem Lande etzliche Hundert Predigler], 
mitt geburlicher, ia reichlicher vnterhaltungk in Gnaden versor- 
gen lesset, mich in diesem Muhseligen Littawschen Pfarrdienst 

da ich meinen Pfarr kindern, wie Zerstreieten Schaffen, sowoll 

in den dreyen Städten alß in allen vorstätten gewissens vndt 
Amptß halben in allen Stinckenden Kiffen!%s® vnd Kattan!®® muß nach 
Krichen, Zu Gebott stehen vndt versorgen ete: auch mich aller 
Gnädigst nicht vnversorget lassen. Dero halben nehme ich auch 
nun in diesem meinem anligen Nehest Gott zu E. Churf[en] Dht 
meine vnterthänige Zuflucht, in höhster demutt bittende sie geru- 
hen in Gnaden auß allerhandt vrsachen, Insonderheit weger der 
geschwinden Tewren Zeitt, da alleß in dieser stadt alß auff einem 
heissen Pflaster, dreyfachtig gestigen vndt auffgeschlagen wie auch 
wegen meiner noch mehrenteilß vnertzogenen hauffen Nohtleidenden 
kJeinen kindern welche ich ohne deß nach meinem Todt 

in eusserster Nohtt vndt Armutt.gantz vnversorget, werden verlas- 
sen mussen, wie auch wegen der eussersten Armut meinen Littaw- 
schen zuhörer, die meistenteilß Bredtschneider, Taglöhner vnd Zer- 
streute dienstboten sein, von welchen ich gar schlechte ia fast keine 
accidentia haben kan, Ja nach gelegenheit in ihrer eussersten Not 
vndt Armutt ein Stuck Brodt vndt ein groschen geldt auß 
mitleidendem hertzen mitt ihnen theillen muß; Wozu dan 

auch kömpt mein numehr zimliches Alter, der ich mich in schwerer 
Schull vndt Kirchen arbeit in die 27 Jahr dermassen abgemattet, 
dz meine kräffte zimlich abgenohmmen, vndt noch zu sehenß weitter 
abnehmen...“ 


Er bäte um die bewilligten 5 Schl. Korn, so daß er im ganzen 
40 Schl.°® bekäme, um weitere 10 Schl. Malz, im ganzen 40 Schl.!®, 
um 12 Schl. Hafer‘, die auch seine Vorgänger gehabt hätten, 
»... Wie des kornschrei- || bers register aussweiset...“, um 


1058 Siehe oben, S. 88, Anm. 351. 
1050 1481,1 kg, etwa 29,6 Zentner. 

1000 1217,4 kg, etwa 24,0 Zentner. 

1001 298,2 kg, etwa 6 Zentner. 


315 


2 Schl. Erbsen”®, ein „...Thonnen viertell Putter‘®, 6 schock 
gnab Kehss"“, % Thon Heringk, 1 Thonne Tursch, v[nd] einen 
Ochsen ...“ 


Weiter zeigte Rehsa in seinem langen Schreiben an, daf an 
der Kirche, am Pfarrhaus, an Gräben, am Brunnen, an Zäunen 
usw. Schäden entstanden seien. Er bäte um eine Kommission, 
die alles besichtigen und die Ausbesserung veranlassen solle. 

„... damit ich also mein schwereß Ampt 

ohne seuffzen wie biß dahero nicht geschehen können getrost verwalten 

vndt nebenst den meinigen zum wenigsten bey meinem lebtagen dz 

tägliche Brodt, vndt Notturfftige vnterhaltung haben möge. 

Solte ich aber bey E.Churfl[en] dhtt (welchef ich. a nicht hoffe.) auff 

diß mein demuttigeß suchen vndt flehen hulff vndt trostloß gelassen 

werden So wolte ich nach mals E. Churfl[fe] dhtt in vnterthänig- 
keit galn]tz 

flehentlich gebeten haben, mich, wo nicht an vorigem Ohrt, doch 

an einem 
andern dero gleichen Pfardienst in Littawen wied[er]vmb Zuversetzen.“ 


Hierauf wird einer Kommission die Besichtigung der Ge- 
bäude usw. aufgetragen. Bezüglich seiner Einkommensverbesse- 
rung aber heißt es in einem Vermerk der Regimentsräte auf 
Rehsas Brief: 

„DEm supplicanten Sollen 
die ein Mahl gewilligten 
funff schl Korn vom 
Kornschreiber weiter 
gefolget werden Mitt 

der gebetenen addition 

aber Muß sich supplicant 
biß zu Jhrer Chürfl. dht 
Gott gebe baldt glucklich[en] 
an Kunfft!®5 Actum Königsb. 
den 26. Sept. An 1624.“ 


Als Rehsa mit seiner Arbeit an dem Psalter fertig war — 
von der er in seinem langen Bittschreiben an den Herzog kein 
Wort sagte — und das Manuskript den Regimentsräten ein- 


1082 82,13 kg, etwa 1,6 Zentner. 

1088 Heute etwa 32 kg (die Angabe verdanke ich Herrn Dr. R. Stein). 

1083 Sembritzki-Bittens, S. 35: „Knabkäse (getrockneter harter Käse, etwa wie 
die heutigen Kräuterkäschen)“. 

1065 Der Satz ist versehentlich nicht vollendet; zu ergänzen ist: „gedulden“. 


316 


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ri ee ee 


gereicht hatte, schickten es diese an sieben litauisch sprechende 
Geistliche 

„...im Insterburgischen, Tilsischen 

vnd Ragnitschen ...“10, die 

„...zu vnterschiedli- 

chen malen zusammen kommen / sich dieses Wercks 

herzlich angenommen .. .“1087 


Darauf wurde das Buch auf Kosten des Kurfürsten Ende”* 
1625 in Quart gedruckt. 


Auf den linken Buchseiten befindet sich der Luthersche Psal- 
mentext, auf den rechten der litauische Rehsas. Voran geht ein 
Titelblatt in deutscher und ein zweites in litauischer Sprache. 
Es folgt die deutsche Vorrede Rehsas, danach die ]. Behms. 


Im deutschen und litauischen Text der Titelseiten wird Bretke 
ausdrücklich erwähnt. Der deutsche Text lautet: 


„Der Psalter Davids |] In Littawische Sprach anfänglich versetzet 
Durch l Herrn Johan Bretken / weiland gewesenen l Littawschen 
Pfarherrn zu Königsberg | in Preussen / l Nunmehr aber l Auff 
Ihrer Churfl. Dhtt. Zu Bran- || denburg Hertzogen in Preussen / ec. ec. 
durch dero- |} selben Preusschen hinderlassenen Regierung gnä- || dig- 
sten befehlich || Durch l Herrn Johannem Rehsam, l jtziger Zeit Lit- 
tawschen Pfarherrn daselbst zu l Königsberg mit fleiß corrigiret, |] 
Vnd von etzlichen hierzu deputirten, des Insterbur- l gischen / Tilsi- 
schen vnd Rangnitschen Kreises Littawsche Pasto- || ribus, an etwas 
revidiret, vnd durch gnädigste anordnung / || Höchstgemeldter Ihrer 
Churfürst. Dhtt. GOtt dem HEr- | ren zu Ehren / vnd den Littaw- 
schen Vntersassen im || Lande zum besten / durch offentlichen || Druck 
publiciret || Gedruckt zu Königsberg in Preussen / durch Lau- || ren- 
tium Segebaden / Im Jahr 1625." 


In seiner Vorrede, die an den Kurfürsten Georg Wilhelm ge- 
richtet ist, weist J. Rehsa (S. 2”) wie üblich aus Colosser 3 nach, 
daß das Wort Gottes in allerlei Sprachen übersetzt werden müsse. 
Deswegen hätten die Vorfahren des Kurfürsten (S. 3”) 

»... weil Preussenland vn- 


ter andern auch solche Insassen hat / welche allein der 
Littawschen Sprachen kündig...“ 


1066 Genaueres siehe oben, S. 240 ff. 

1087 Rehsa in der Vorrede zu den Psalmen, S. 4v. 

1088 J. Behm datierte seine Vorrede zum Psalter mit dem 1. 10. 1625; siehe 
unten, S. 319£. 


317 


nicht nur litauische Kirchen erbaut, litauische Alumni in der 
Akademie gehalten, sondern auch dafür gesorgt, daß: 


»... der liebe Kate- 
chismus / die Christliche Kirchengesänge / die Son- 
täglichen Euangelia vnd Episteln / nebenst derselben 
kurtzen ausslegung / in Littawscher Sprache / durch 
den Druck im Lande sind publiziret worden. 

Zu diesem hochnötigen vnd nützlichem Werck / 
hat die damalige in GOtt ruhende Landsfürstliche 
(Seite 4r) 
Obrigkeit, vnter andern insonderheit gebraucht / den 
weiland Ehrwürdigen / nunmehr aber in GOtt ru- 
henden Herrn Johannem Bretken / gewesenen Lit- 
tawschen Pfarherrn allhie zu Königsberg / als da- 
malß in der Littawschen Sprach, geübten vnd er- 
fahrnen Mann / dessen lob noch auff heutigen tag 
vnter vns / wegen *olcher Arbeit / billich im Segen 
bleibet / weil er nıcı allein jtztgemeldte Bücher / son- 
dern auch die gantze heilige Bibel / in jtztgemeldte 
Sprach versetzet / vnd mit seiner eigenen Hand ge- 
schrieben / welche Christliche Arbeit biß auff gegen- 
wertigen tag in E. Churfürstl. Dhtt. Preusschen Bi- 
bliotheck allhie ist bey gelegt worden...“ 


Weil er es aber für „hochnötig“ erachtete, 


„»... daß vnter 

andern Biblischen Büchern für dieses mal der heil- 

ge Psalter / des Königlichen Propheten Davids / 

möchte revidiret, durch den Druck publiciret, vnd 

den armen Littawen / zu besserer fortsetzung jhres 

Christenihumbs mitgetheilet werden...“ 
hätten ihm die Regimentsräte diese Arbeit übertragen und sein 
Werk anderen litauisch sprechenden Pastoren zur Korrektur 


übersandt‘®. 


Weiter dankt Rehsa dem Kurfürsten (S. 4”f.), der 


„...als ein 
sorgfältiger Nutritius Ecclesiarum, inprimis hac in 
parte Lithvanicarum, dieses Wercks erster Auctor 
vnd beförderer....“ 
sei, weil er den Auftrag und die Mittel zur Revision und zum 
Druck gegeben hätte. Rehsa hoffte, daß der Kurfürst auch die 
anderen Bücher der Bibel, und schließlich die ganze Heilige 


1068 Sjehe oben, S. 240 f. 


318 


f Schrift „...in Littawsche Sprach schon vertiret...“ herausgeben 


lassen werde (S. 5*). 

Rehsa trug sich also mit dem Gedanken, das ganze Bretke- 
sche Bibelmanuskript zu überarbeiten und herauszugeben. 

Zum Schluß (S. 5") sagt Rehsa, daß er seine Arbeit aus Dank 
für die erhaltenen Wohltaten tue. 

„... Vnd damit ich viel mit wenigem I) andeute: So hat mich Preussen 
auff die Welt ge- l zeuget / ernehret / aufferzogen / gelehret vnd 
vnter- l richtet / zum Ehrenstande des heiligen Ministerü er- l haben (!) 
vnd biß daher ins 25. Jahr erhalten vnd beschützet / ec....“ 

Gebet und Segenswünsche für den Kurfürsten und dessen 
Familie schließen Rehsas Vorrede (S. 6") ab, die wie das dar- 
unter befindliche Datum zeigt, in „Königsberg, den 25 Septem- 
bris, Anno 1625“ geschrieben ist. 

Es folgt (S. 7"ff.) das Vorwort J. Behms, in dem er sich an 
den „... Christlichen vnd andächtigen Leser...“ wendet. Es ist 
besonders interessant, da es Nachrichten über die Verbreitung 
des Preußischen (S. 8°) usw. zur damaligen Zeit enthält'”. 

Die Vorrede ist zum Schluß (S. 11") mit Datum versehen: 
„Königsberg den 1. Octobr. Anno 1625.“ 


Der Unterschied zwischen dem litauischen Psalmentext Reh- 
sas und dem Bretkes ist sehr gering. Joh. Jakob Quandt über- 
treibt in seinem Bericht an die Königliche Regierung vom 3. Ja- 
nuar 1730 ganz erheblich, wenn er schreibt: 

»...Schon a. 1625, als der Psalter Davids in Quarto allhier in lietth. 
Sprache aufgelegt wurde hat die Version von des Bretckii Successori 


Rhesa von neuem revidirt und verbessert werden müssen, so daß 
wenig davon überblieben.“1071 
Der Vergleich der Übersetzung Bretkes mit der Rehsas, z. B. 
von Ps. 90, 1—4, mag zeigen, wie wenig J. Rehsa den Text Bret- 
kes verändert hat: 
Bretke 
Ps 90, 1—4 (VI 81r) 
„Malda Moseschiaus, 
tarno Diewo. 
(1) Wieschpatie Diewe, tu essi musu (verbess.: mumus 
Pilis (verbess.: Prissitekeijmas (verb.: -mu)) wissadai. 


107° Siehe Trautmann, Sprachdenkmäler, S. VII. 
1071 Siehe oben, S. 238. 


319 


(2) Pirm nei Kalnai stoios (verb.: -sj), Ir szeme 
bei swietas sutwerti buwa, Tu Diewas 
essi nuog (verb.: nüg) amsza ik amsza (beide Wörter durchstr.) 
(3) Kursai szmonims duosi (verb.: szmones düsi) mirti, ir 
sakai, Sugrinschket szmoniu waikai. 
(4) Nesa tukschtantis (verb.: -stantis) metu ira po 
tawa akim, kaip wakarikscheze diena 
kuri praeija, ir kaip budeghimas (verb.: Sargiba) nak- 
ties.“ 
J. Rehsa 
„1. Malda Moseschiaus tarno Diewo. 
W]JESchpatie Diewe tu essi mums Nussi- 
tikeghimu wissadai. 
2.Pirm nei Kalnai stojosi / Ir Szaeme bei 
swietas sutwerti buwo / Tu Diewas essi nüg 
amszo ikki amsziu. 
3. Kursai düdi Szmones numirti / ir sakai / 
Sugryschkite szmoniu Waikai 
4. Nesa tukstantis maetai ira po tawa akim / 
kaip wakarykschtzia diena / kurri praejo / Ir kaip 
Nakties buddeghimas.“ 


Vergebens hoffte Rehsa auf einen Auftrag zur Bearbeitung 
und Herausgabe weiterer biblischer Bücher, vergebens auch auf 
eine Erhöhung seines Deputats. 

Anfang August 1627 schrieb er seinen langen Klagebrief vom 
September 1624” nochmals ab — er hatte also eine Abschrift 
oder das Konzept behalten — und bat den Kurfürsten in einem 
am 6. August 1627 registrierten Begleitschreiben””, „...in die- 
sen Hochbe- || trübten Martialischen Zeiten...“ wegen des „... 
betrübten Zustandes dieser Ihrer Preu- || sischen Länder...“ sein 
Gesuch zu erfüllen, das er „... nunmehr schon || vor drey Jah- 
ren...“ den Regimentsräten übergeben hätte, worauf er „...auff 
Jhre Chfl[en] dht glückeselige ankunfft vertröstet wordenn ....“, 
wie aus der Beilage, nämlich der erwähnten Abschrift, zu er- 
sehen sei. Er bäte „...vmb Gottes willen...“ um Erhörung. 

Wieder erwähnte Rehsa seine litauische Arbeit bei seinem 
Gesuch — ganz anders als Willent und Bretke — mit keinem 
Worte. Ob die Supplikation diesmal etwas nützte, ist nicht klar. 
Wahrscheinlich ist es eben gerade wegen des „betrübten Zu- 
standes...“ Preußen-Brandenburgs im 30jährigen Kriege nicht. 


1072 Erled. 26. 9. 1624; siehe oben, S. 314. 
1073 Signatur wie S. 314 Anm. 1056, S. 4r. 


320 


£ 
h 


Anfang August 1629 erkrankte Rehsa an der Pest‘*, wurde 
ins Große Hospital. auf dem Sackheim gebract, wo er das 
Abendmahl erhielt. Er lag aber noch vier Wochen und starb am 
Donnerstag, den 30. August, mittags 12 Uhr, im Alter von 
54 Jahren, wie es in der Leichenpredigt heißt: 

„... Secutus nunc ille 

est175 instructus, ante quatuor septima- 
nas in templo Xenodochiano salutari 
viatico corporis [et] sanguinis Christi. 
Secutlus] praeterito die Jovis 12 horä me- 
ridianä, aetatis Anno 54...“ 

Weiter sagt der Verfasser der Leichenpredigt: 

„...Simul versi- || onem Bibliorum in Lithvanicam Lin- || 
guam finit, simul vitam terminavit...“, was wohl poetische 
Übertreibung sein dürfte, wenigstens ist keine Spur einer wei- 
teren Bibelbearbeitung oder gar Übersetzung Rehsas zu finden. 


Am Sonnabend, den 2. September, ist Rehsa beerdigt worden, 
da die von diesem Tage datierte Leichenpredigt auffordert, 
„»...hodie...“ die Leiche zu geleiten. 


Diese leider nicht zuverlässige Quelle befindet sich in einem 
dicken Quartband mit gedruckten „Intimationes“ der Königs- 
berger Akademie’ Seite 189’—192’. Ihr Titel lautet: 

re, In Funere || Viri Reverendi doctrinä [et] vitä Spectatis- 
simi |] Dn. JIOHANNIS RHE-:” || SEN, Pastoris Ecclesiae Lihvanicae, l 
quae Regiomonti colligitur, I vigilantissimi [et] fide- I lissimi. No- 
mine |] Rectoris [et] Senatus A- || cademiae Regiomontanae. || Regio- 
monti || Typis Laurentij Segebadij || Anno 1629:“ 


Nach einem langen Zitat des Sidonius Apollinaris, in dem ge- 
zeigt wird, daß die Nähe des Jüngsten Gerichts an der Verken- 
nung der Tugenden der Lehrer und Geistlichen zu erkennen ist, 


fährt der Verfasser fort: 


»...Nune nos angit damnum Lithva- 
nicae Ecclesiae, quae hic Regiomo[n]ti col- 
ligitur, erepto Viro Reverendo [et] Do- 
ctissimo Dn. Johanne Rehsen, Pastore 
vigilantissimo [et] fidelissimo, Ambigi- 


#74 Arnoldt, Nachr. I, S. 23. 

1075 I). h. seinen beiden verstorbenen Kindern. 

1070 Staatsarchiv Königsberg (Pr), Bibl. 274 quart. 
4077 Druckfehler, im Original steht: „RHH- l SEN“. 


21 Falkenhahn, Bretke 321 


mus an deinceps parem conspicaturi 

simus. Adeö vix unum atqlue] alteru[m] hu- 
jus linguae peritum nostra Academia e- 
ducat...“ 

Wie das Magneteisen in Sardinien anzieht, so zog die Sonne 
der Gerechtigkeit in seiner Brust: „...ferrum populum certe 
saepe nimis || rudem....“ zur Liebe Gottes. 

»...Nec tantum concionando, sed || [et] scribe[n]do verten- 
doq[ue] sacrum codice|m] || in Lithvanica[m] lingua[m] Eccle- 
siae profuit...“ Nach einem Vergleich der guten Geistlichen mit 
den sagenhaften Vögeln, deren Gefieder in der Nacht leuchtet, 
wird Rehsas Lebensgeschichte erzählt. Formelhafte Wendungen 
über den Lohn im Himmel und die Aufforderung, die Leiche zu 
geleiten, schließen die Rede. 

Wie schon gesagt, überlebte ihn seine zweite Frau. Von sei- 
nen Söhnen ist keiner wieder Pfarrer geworden, auch sonst ist 
nichts von seinen Kindern bekannt. 


Der Korrektor X.. 

Die ca. 55 Korrekturen des Korrektors X,, dessen zierlicher 
Schriftcharakter sich deutlich von dem aller anderen Korrek- 
toren, und auch von dem Bretkes, unterscheidet (Abb. 56 und 57, 
T. XXVI), haben in mehrfacher Hinsicht etwas Auffälliges: 

1. Schon ein flüchtiger Blick zeigt in Orthographie und 
Sprache weit größere Ähnlichkeit mit denen Daniel Kleins als 
mit Schreibung und Sprache jener litauischen Texte, die im 
16. Jahrhundert in deutschem und in litauisch-polnischem Kul- 
turgebiet entstanden: die zierliche gotische Kursive, die im 
17. Jahrhundert als Schönschrift weiteste Verbreitung fand, er- 
scheint zusammen mit sz für 5 (im 16. Jahrhundert in Preußen 
sch, im litauisch-polnischen Sprachgebiet meist sz) und 2 für 2 
(16. Jahrhundert in Preußen sz, in Polnisch-Litauen meist 2), 
der Laut j hat alle Schreibungen wie i, gh, y verdrängt (im 
16. Jahrhundert weder in Preußen noch in Litauen), kurzes und 
langes i werden ziemlich streng durch i und y unterschieden 
(bahnt sich im 16. Jahrhundert nur ganz vereinzelt an), die Kürze 
eines Vokals wird oft durch Verdoppelung des nächstfolgenden 
Konsonanten zum Ausdruck gebracht (im 16. Jahrhundert nur 
vereinzelte Ansätze) usw. 


322 


Zur Veranschaulichung seien hier Proben von Texten aus dem 
16. Jahrhundert, und zwar a) aus deutschem, b) aus litauisch- 
polnischem Kulturgebiet, c) von Korrekturen des Korrektors X, 
und d) eine Textprobe von Daniel Klein, nebeneinandergestellt: 


a) Bretke, 24. März 1590, 

IV 69r u, Jes. 65, 8-9: 
„...nesa widui ira perszeg- I noghi- 
mas, teipo esch sawa Tarny delei 
darisiu, ieib ne wis pagadincziau. 
Bet Il isch Jakubo düsiu sekla aukti, 
ir isch || Juda, kuri mana kalna pa- 
weldes. Nesa || mana Ischrinktieghi 
ghi paweldes...“ 


c) Korrektor X: 


uzkalbetoju!”® gasz- 
lummat0s%, pleczka molinnet%%, isz 
nam/[m]ju tarnawimo!%®, Terusale- 
mo!%%, pagaerinnai!%, jissilaikyst0s, 
tewiszke!®,  taisikites!”,  atgrie- 
käukt0®, diel!%°; ir Samaria ir jos 
dukters || tur buti priwerstos kaip ll 
pirm buwa!%®, (Siehe auch Abb. 56 
T. XXVL) 


„uldojaut‘s, 


b) Dauk3a, 

Postille, 1599, S. 113: 
„ANuo metu: Iszeies iög ten Jesus I 
nueio in& szalis Tyro / ir Sidono. 
Ir szi- || täi zmonä Chananeos iz5 
rubeziy anü isze- || iuS szäuke bilö- 
dama iam. Susimilsk man I sunäu 
Döwido: dukte manä sukei nüg 
we- ll lino yra trötinama.“ 


Daniel Klein, 
Gesangbuch (1666), S. 193 
(Gerullis, Skait., S. 303): 

„8. Ta musu bedg tu Zinnai / 
Ak jeib pasigailetumbei! 

Atmink Sunaus kentejimo / 
Szwentases yZwelk ronas jo. 

9. Juk tos mums yr’ waddawimu 
Uz wissq swietq kankanczu / 
Tü koznas pasilinksminam 

Ir susimillima laukiam.“ 


Die Orthographie des Korrektors X, weist ihn also mit größ- 
ter Wahrscheinlichkeit in eine spätere Zeit. 


2. Die Verteilung der Korrekturen des X, über die Bücher der 


Bibel ist auffällig; die ca. 55 Korrekturen finden sich nur auf 
den 263 Folioblatt (rund 520 Textseiten) der Bücher Jesaia, Jere- 


1078 1, P.Prät. (IV 41r 9vu; Jes. 38,14). 

1070 G.Pl. (IV 51v 8vu; Jes. 47,9). 

1080 A, Sg. (IV 91v 3vu; Jer. 13,27). 

1051 A, Sg. (TV 99r 14vo; Jes. 19,1). 

1022 TV 124v 3vu; Jer. 34,13. 

1083 G. (IV 181v 11vo; Hes. 14,21). 

108 2, P. Prät, (TV 185r 16vu; Hes. 16,51). 

1055 3,.P.Fut. (IV 262r 5vu; Dan. 11,25). 

1086 N, Sg. (IV 215r 7 £.vo; Ezech. 36,2; Lth.: „Erbe“). 
1087 2, P. Imper. Refl. (TV 248v 9vu; Dan. 3,15). 

1oss 2. P. Imper. (IV 230r 13vo; Ezech. 43,22). 

1080 th.: „vmb“ — wegen (IV 189 5vo; Ezech. 18,30). 
imo IV 185v 6—-7vo; Hes. 16,55. 


2 395 


mia, Klagelieder Jeremias (Threni), Hesekiel, Daniel. Das heißt, 
X, hat die Großen Propheten mit Eintragungen versehen, die 
gerade den IV. Folioband des Bretkeschen Bibelmanuskripts 


füllen. 


Diese Bücher sind mit ganz geringen Unterbrechungen vom 
11. März 1590 bis zum 25. Juli 1590 übersetzt worden. 


Nun finden sich aber die Korrekturen sämtlicher anderen 
Korrektoren in biblischen Büchern, die Bretke in Labiau über- 
setzt hat, wovon nur 1. Mos. eine Ausnahme bildet, das er 1588 
abschloß und offenbar Daniel Gallus nach Laukischken zu- 
schickte. Doch unser Korrektor X, mit seiner Orthographie, die 
der Daniel Kleins nahesteht, von der zeitgenössischen Bretkes 
aber in den entscheidenden Punkten abweicht, hat gerade die 
vier Großen Propheten, die in Königsberg 1590 übersetzt und in 
einem Bande vereinigt sind, bearbeitet! 


Das sind alles Umstände, die dafür sprechen, daß X, einer 
späteren Zeit angehört. 


Die Vermutung läge nahe, daß der Korrektor X, einer jener 
Mitarbeiter Quandts oder Ludwig Johannes Rhesas war, dem 
die Bearbeitung der Großen Propheten aufgetragen wurde, doch 
zeigt sowohl die Bibelübersetzung Quandts wie die L. J. Rhesas 
an den von X, korrigierten Stellen bis auf wenige Ausnahmen 
andere Vokabeln und Wendungen als sie X, am Rande des Bibel- 
manuskripts zu der betreffenden Stelle angemerkt hat; zur Ver- 
anschaulichung einige Beispiele: 


Bretke Xo Quandt1735 ]J.L.Rhesa 1816 
prisakitoiut91 uzkalbetoju apmonitujü apmonitujü 
kadiu10 E pleczka molinne molo pleczka Pleczkos isz 

Mölo darytös 
lankoiet%2 pakalne lankose lankose 
Namams nam[m]u sluzbös- sluzmös 

sluszbos10%4 tarnawimo nammü nammü 
usw. usw. usw. usw. 


Die Mitarbeiter Quandts und L. ]J. Rhesas scheiden also aus. 


101 IV 51v 8vu; Jes. 47,9. 
102 |V 99r 14vo; Jer. 19,1. 
103 JV 102r 17vu; Jer. 21,13. 
1098 |V 124v 3vu; Jer. 34,13. 


324 


eg ee A a a nn U U 


se 


Der Handschriftenvergleich ist hier besonders schwierig, weil 
der Schriftcharakter des Korrektors X, sich, wie schon angedeu- 
tet, weitgehend mit der Schönschrift deckt, die im 17. Jahrhun- 
dert in offiziellen Dokumenten geschrieben wurde, und die da- 
mals viel verbreiteter war als irgendeine Schönschriftart des 
16. Jahrhunderts, in dem es viele nebeneinander gab. Und doch 
schrieben alle mir bekannten Personen, die X, sein könnten 
(Theophil Schultz, Matthäus Praetorius usw.), bis auf eine Aus- 
nahme, eine ganz andere Handschrift. Sieht man jedoch die 
Akten Daniel Kleins durch (Königsberger Staatsarchiv, E. M. 
138e 2), so fällt sofort die große Ähnlichkeit zwischen dem 
Schriftcharakter Daniel Kleins und dem des Korrektors X, auf 
(Abb. 57 a—b, T. XXVla), und zwar nicht nur in Kleins kaligra- 
phierten Briefen, sondern auch in seinen privaten Aufzeichnun- 
gen; ja der gleiche Duktus erscheint in ganz flüchtigen Nieder- 
schriften wieder! 

Der Handschriftenvergleich spricht also mit Wahrscheinlich- 
keit für Daniel Klein. 

Dagegen ließe sich zunächst rein theoretisch sagen, daß X, 
des öfteren anstatt -o im ungedeckten Auslaut ein -a schreibt, 
während Daniel Klein in seiner „Praefatio ad Lectorem“ zu sei- 
ner „Grammatica Litvanica“ auf S. 16 (unpaginiert) für diese 
Fälle ausdrücklich ein -o fordert: „...Nos in Grammatica nostra 
retinemus qui- || dem illam terminationem Genit. ut [et] -termina- 
tionem || gquorundam Praeteritorem in o / ad differentiam Geni- || 
tivi in Nominibus, [et] tertiae personae Praesentis in Verbis...“, 
wenn er auch gleich hinzufügt: „...attamen fatemur in nostro 
districtu ut [et] Ragnetensi, [et] || partem quoq[ue] Insterbur- 
gensi terminationem a esse com- || muniorem ...“ 

So hat X,: negaleja?”, buwa'", pawideja', doch ebenfalls: 


tarnawimo'®, zweimal: Jerusalemo‘”, sudeginnimo'”, auksino"", 


wario"”, 


105 3, P. Sg. Prät. (IV 183v 11vu; Ezech. 16,28). 
1000 Sjehe das Beispiel oben, S. 323. 

1097 3, P, Pl. Prät. (TV 208r 16vu; Ezech. 31,9). 

108 G.Sg. (IV 124v 3vu; Jer. 34,13). 

1098 G, Sg. (IV 181v 11 und 19vo; Ezech. 14,21). 
1100 G,Sg. (IV 225r 1vo; Ezech. 40,42). 

101 G.Sg. (IV 2487 10vu; Dan. 3,14). 

1102 5, Sg. (IV 252v 7vo; Dan. 5,4). 


325 


Ebenso ließe sich von unserem heutigen Standpunkt aus ge- 
sehen gegen die Anwartschaft Daniel Kleins für X, geltend 
machen, daß letzterer das diakritische Zeichen X auch über a 
verwendet (siehe das Beispiel oben), während es Daniel Klein 
in den Buchstabenverzeichnissen seiner beiden Grammatiken”” 
über a nicht aufführt usw. Doch lassen wir die Grammatiken 
beiseite, in denen er bekanntlich eine litauische Mustersprache 
darstellen wollte, und sehen den litauischen Text in dem Klein- 
schen „Gesangbuch“ und dem „Gebetbüchlein“ durch, so stellt 
sich heraus, daß dieser Text von der Hand D. Kleins in genau 
den gleichen Punkten von den Forderungen seiner Grammatiken 
abweicht wie der Text des Korrektors X,! 


So lesen wir z. B. im „Gesangbuch“: gäwa'*, roda"*, laika*” 
usw. neben: turrejo"”, negallejo""* usw.; dann: tawa‘® neben 
tawo'", isz didd2io warga'" usw. usw. 


Der Buchstabe ä findet sich z.B. im „Gesangbuch“ S. 3, Z. 4vo 
und S. 451, Z. 3vu in „Där“ usw. Der Kleinsche Text hat auch ü, 
das die Grammatiken nicht vorsehen usw., wobei zu bemerken 
ist, daß sowohl die Grammatiken als auch das „Gesangbuch“ 
und das „Gebetbüchlein“ in der Reusnerschen Druckerei in Kö- 
nigsberg gedruckt worden sind. 


Daniel Klein kannte eben trotz seiner Normalisierungsbestre- 
bungen genau so wenig wie seine Zeitgenossen in diesen Dingen 
jene Konsequenz, die uns heute. selbstverständlich erscheint! 


Für die Herkunft unseres X, aus der Nordostecke Preußens 
(Tilsit, Kuckerneese, Memelgebiet) spricht auch sein „diel“ für 
"del; 


1108 „Grammatica Litvanica“, S. 1, „Compendium Litvanico-germanicum“, 
S. 2. 

110 3, P, Sg. Prät.; S. 331,7vu. 

1105 3, P, Sg. Präs.; S. 336,10 f.vu. 

1100 Ebenda, siehe Anm. 1105. 

107 3,P, Sg. Prät.; S. 263,12 f.vu. 

1108 Fbenda, siehe Anm. 1107. 

110 5, 78, 10vu. 

1110 Ehenda, 8vu. 

111 5, .14,2vu. 

112 Sjehe das Beispiel oben, S. 323 und Abb. 19. Bezüglich ie statt & siehe 
oben, S. 258 und 282. 


326 


4 


} 
| 
N 
B 
4 


j 
t 
I 
1 
| 
| 


Also auch sprachliche und orthographische Eigentümlich- 
keiten sagen nichts gegen unsere Vermutung. Außerdem wissen 
wir, daß D. Klein vom Konsistorium dazu bestimmt worden 
war, die Leitung einer Kommission zu übernehmen, die das 
Bretkesche Bibelmanuskript druckfertig machen sollte, was Klein 
sicher nicht verborgen geblieben ist (siehe oben, S. 241 ff.). 

Doch scheint mir auch literarisch bezeugt zu sein, daß Daniel 
Klein die Absicht hatte, die Bibel zu übersetzen oder vielleicht 
gar schon mit der Arbeit begonnen hatte. Der damalige Rektor 
der Tilsiter Provinzialschule, M. Jacobus Reich“, sagt in einem 
deutschen Gedicht, das er „...seinem hochgeneigten || Freunde || 
Hn. M. Kleinen...‘ widmete, und das unter den Gedichten nach 
der Vorrede zum „Gesangbuch“ Aufnahme fand, u. a.: 


„+... Wie? tracht er nicht mit Müh und Fleiß 
Daß er das schöne Land Littauen 
Den Himmel möge näher bauen 

“ Daß / wiewol nicht ohne Schweiß 
Könn’ seine Feder weiter treiben 
In dieser Sprach ein Bibel schreiben ...“ 


Es ist also sehr möglich, daß Daniel Klein bei seinen vielen Rei- 
sen nach Königsberg Gelegenheit gehabt hat, das Bretkesche 
Manuskript einzusehen und sich aus irgendwelchen Gründen be- 
sonders mit dem IV. Bande beschäftigt hat, in den er dann die 
Korrekturen eintrug. 

X, ist also wohl zweifellos Daniel Klein. 


Daniel Klein. 
Der Vater unseres Daniel Klein, Balthasar Klein, stammte 
aus Tilsit, denn am 30. September 1592 wurde er als „Balthasar 
Klein, Tilsensis“ in Königsberg immatrikuliert"*. Der Zusatz 


4113 Jacob Reich wurde am 15. 5. 1635 zu Königsberg geboren, am 6. 2. 1652 
ebenda immatrikuliert: „-Jacobus Reich, Regiomontanus, iur...“, kam 
1665 als Rektor an die Tilsiter Provinzialschule, ließ sich am 23. 2. 1666 
nochmals, nun schon als Magister, in Königsberg immatrikulieren: „-Mag. 
Reich Jac. Regiomontan., pro tunc Rector Scolae Tilsensis, praestito iam 
antea iuramento... Jus Scholasteium repetiit.“ Wurde 1667 „Profeszor 
ordinarius Eloqventiae“. Kaufte als Professor die Königsberger Segebadi- 
sche Druckerei, die er bis zu seinem Tode innehatte. Starb am 24. 6. 1690. 
(Arnoldt, Hist. II, S. 75 und 410; Zusätze, S. 72; Fortges. Zus., S. 19; 
Erler, Königsb. I, S. 526, und II, S. 45.) 

11 Erler, Königsb. I, S. 115. 


327 


„lurlavit]“ zeigt, daß er damals bereits über 15 Jahre alt ge- 
wesen sein muß. Balthasar Klein zahlte als Einschreibegebühr 
10 Groschen, was die gewöhnlich entrichtete Summe war, wäh- 
rend einige Mitimmatrikulanden erhebliche Frleichterungen hat- 
ten; er kann also nicht besonders bedürftig gewesen sein. 


Da der Name Klein auch damals schon häufig war, läßt sich 
die Herkunft der Familie kaum mit Sicherheit feststellen, zumal 
die Familiennamen durchaus noch nicht immer feststanden: So 
wird z. B. in dem Aktenbande eines Prozesses, den der Tilsiter 
Pfarrer Arnoldt gegen seinen Kaplan Johann Kluge führte, 
Ende Mai 1629'“* neben einem „...Ehrenuesten Wolgeachten 
Hlerrn] Faustin Klein...“, der anscheinend Kornschreiber war, 
auf S. 41" ein „...seeliger Baltzer Klein...“ erwähnt, von dem 
es aber zwei Seiten weiter heißt: „...der Dudisch, wie man 
ihn || genennet, itzo aber im artikel Baltzer Klein heissen || 


mus...“ Doch war die Familie zweifellos deutsch'“*, 


Nach Arnoldt'"” wurde Balthasar Klein 1595 Diakon in Nor- 
denburg, das damals auf der Grenze des litauischen und polni- 
schen Siedlungsgebietes lag, wo die Diakone (vielleicht schon 
damals) den litauischen und polnischen Gottesdienst zu versehen 
hatten‘. Als 1598 Bartholomäus Willent, der Sohn des gleich- 
 namigen ehemaligen litauischen Pfarrers in Königsberg, die 
Pfarrstelle in Breitenstein (früher: Kraupischken) aufgeben 
mußte, haben zwei Studiosi Theologiae, und zwar: „...Laza- 
rus || Sengstok, Lubecensis v[nd] Balthasar Klein || eine Prob- 
Predigt dieses Orts gehalten || davon der] letztere Willento suc- 
cediret‘”*, Der Vater Daniel Kleins bekam also die Pfarrstelle, 
die vor ihm u. a. bereits Augustin Jamund und Patroclus Welwer 


innegehabt hatten, und die mitten im litauischen Siedlungsgebiet - 


1115 E,M. 158e 2, Aktenbuch: „Verlauff des gantzen Proceßes...“. Die Ge- 
richtsverhandlungen fanden Ende Mai statt. > 

1118 V, BirZifka vermutet litauische Abstammung Daniel Kleins, denn er sagt: 
„Am wahrscheinlichsten klang sein Name litauisch anders, er war nur 
germanisiert worden (sollte er nicht gar ein Nachkomme Mosvids ((Bir2. 
schreibt: MaZvydas)) gewesen sein, der seinen Namen ins Deutsche über- 
setzt und verkürzt hat?).“ Knyguy Ist. Bruozai, S. 48. 

1117 Nachr. II, S. 97 und 224. Siehe auch Quandt, MSC 21, S. 2ir, 

1118 Quandt, MSC 21, S. 20v. Siehe auch Arnoldt, 1. c. 


328 


lag. Aus allem scheint hervorzugehen, daft Balthasar Klein 
Litauisch, vielleicht auch etwas Polnisch gekonnt hat. 


Die Mutter Daniel Kleins hieß nach Quandt“ Gertrud und 


war eine geborene Schönwald. 


Daniel Klein wurde am 30. Mai 1609 in Tilsit geboren, wohin 
seine Mutter nach dem Tode ihres Gatten, Balthasar Klein, 1608 
in Kraupischken wohl gegangen war“. Er besucte „...die 
P/[ro]vin || cial-Schule zu Tilse, ulnd] wurde im 18. Jahr || Aca- 
demic[us] .. .““”*, d.h. nachdem er am 3. Juli 1623, also 14jährig, 
schon einmal in Königsberg als „Daniel Klein, Tilsensis Borus- 
sus““'” inskribiert worden war, wozu eine andere Hand schrieb: 
„iuravit 4. Febr. 1628“, wurde er im Sommersemester 1627 (ohne 
Datum) mit gleicher Matrikel, aber mit dem Bemerken: „non 
iur.“ aufs neue immatrikuliert"*. Fin Zusatz von anderer Hand: 
„luravit vero 4. Febr. 1628“ zeigt, daß es sich in beiden Matri- 
keln um die gleiche Person handelte. Am 20.” Oktober 1636 
wurde er „...vnter 7. || Candidatijs der erste Magister ...“*, 
muß also besonders tüchtig gewesen sein. In der Leichenpredigt, 
die der Rektor und Senat der Universität Königsberg für Klein 
drucken ließen (siehe unten, S. 352), heißt der entsprechende Pas- 
sus: „...missus in Acade- || miam hanc Annos XIIX. natus, ipsa 
re Parentum, || quam conceperant, spem omni diligentia [et] 
con- || tentione impletum, atq[ue] per novennium integrum || 
probata in Graecis [et] Hebraicis, nec non Philoso- || phicis [et] 
Theologicis ascematibus plusquam vul- || gari diligentia, honori- 
bus in Philosophia summis || judicatus est dignissimus, quos 
Anno XXXVI. in || septem Candidatis primus ex merito obti- 
nuit...“ Nachdem Daniel Klein darauf „an dem Montage nach 


1119 Ehenda, S. 62r. 

4120 Quandt, 1.c., S. 62r. Quandt ist über Klein offensichtlich besser unter- 
richtet als Arnoldt, der ihn einmal „von Tilsit in Preußen“ stammen läßt 
(Zusätze, S. 154), das andere Mal D. Klein aber einen „Königsberger“ 
(Nachr. II, S. 142) nennt. 

1121 Quandt, 1. c., S. 62r. 

1122 Frler, Königsb. I, S. 271. 

1129 Khenda, S. 301. 

#122 Arnoldt, Nachr. II, S. 141. In den Zusätzen wird auf $, 154, anscheinend 
irrtümlich, der 2. 10. angegeben. 


329 


dem Sonntage nach Trinitatis 1637“ von D. Behm“* in der 
Königsberger Schloßkirche ordiniert worden war, kam er noch 
im gleichen Jahre als Pfarrer an die litauische Kirche zu Tilsit. 
Im Jahre 1638 heiratete Klein die Tochter Anna des Tilsiter 
„...Scabinatus p/rae]fecti...“ (Oberschöffen) Caspar Klemm, 
»...mit der ||er 1. Sohn v[nd] 6 Töchter erzeuget... .“*. 


Über die litauische Gemeinde, mit der es Daniel Klein zu tun 
hatte, sagt der Bürgermeister und Rat der Stadt Tilsit in einem 
am 11. November 1677 registrierten Schreiben an den Kurfür- 
sten‘, daß ihre Mitglieder arm seien, „...Zu- || malen... die 
meisten, als etliche Pfahl-Bürger“*, Fischer, Zim- || mer Leüthe, 
Teichgräber und alle / das Gesind sich Zur Littau- || ischem (!) 
Gemeine hält undt denn größten theil des auditorij |] machet.....“. 
Zu diesen kamen natürlich noch die litauischen Bewohner der 
umliegenden Dorfschaften. 


Eine interessante Schilderung der damaligen litauischen Land- 
bevölkerung, mit der es Daniel Klein zu tun hatte, bietet das 
lateinische Gedicht des Werdener Pfarrers Wilhelmus Marti- 
nius"” „Ad plebem || Lithvanicam“, das nach dem deutschen 
Vorwort von Klein in dessen „Gesangbuch“ (S. 29f. unpagin.) 
Aufnahme fand. 


Er spricht darin zu dem litauischen Volke und sagt ihm, sein Name 
käme von dem lateinischen Worte für Musikhorn, nämlich: „lituus“2130, 
denn der Litauer hätte „von Natur“ Freude am Gesang und am Horn: 
Singend triebe er sein Vieh auf die Weide, und hinter dem Pfluge 
klänge immer wieder sein „Jehu“; Hochzeiten, Leichenbegängnisse, ge- 
selliges Beisammensein veranlaßten ihn zum Liede, alles was er auf 
der Welt erblickte, würde von ihm „ululans“ und mit „klagender 
Stimme“ („Voce... qverulä“) besungen. Martinius ermahnt ihn dann, 
es wären wieder fromme Lieder für ihn geschaffen, und er solle doch 
nun aufhören, „...plures effingere Divos, ll Qvi mare, qui coelum, 
qvi moderentur hu- ll ımum. I Absint Perkunas, Lituans, Babilasq[ue] 
Gabartai, || Nec non Gabjaukurs Baubeq[ue] Zemmepati: || Ovid Lai- 


1125 Also am 1. oder 10. Mai. 

1120 Siehe oben, S. 313. 

1127 E,M. 138e 2. 

1128 Also innerhalb der Stadtmauern wohnende Bürger. 

112? Sjehe unten, S. 335 Anm. 1144. 

1130 Siehe Lepner (S. 94f.) von der „Feld-Trompete“ der Litauer und (S. 96) 
die deutsche Übersetzung des angeführten Gedichtes. 


330 


mella tibi praestabit, qvid Meletette?...“; er solle alles verwerfen und 
nur den Dreieinigen Gott lobpreisen, wie es dieses Gesangbuch lehre, 
und dessen Verfasser ehren! 


In Tilsit hatte Klein genau wie schon Zacharias Blothno d. A. 
die litauischen und deutschen Übeltäter zum Richtplatz zu ge- 
leiten, was ihm, wie wir noch sehen werden, viel Verdruß be- 
reiten sollte. 


Daniel Klein kam 1637 mitten in den Streit hinein, in den 
„... der || Hiessiege Littawsche Schuellmeister mit den || Kirch- 
spiehlss Kindern gerathen...“ war, wie in der amtlichen Dar- 
stellung vom 9. Juni 1637 an den Kurfürsten berichtet wurde”. 
Der Grund dieses Konfliktes ist für die damaligen Verhältnisse 
aufschlußreich; in dem erwähnten Schreiben heißt es weiter: 

»... Wann dann ll solches nur bloss vornehmblichen daher Kombt daß 
sie Ihn alss einen Ausslender so die Littaw- || she Sprach nicht recht 
aussbringen Kann, | verstehen Können, mann Jhn aber wegen 
seiner I bey Hiessieger Schullen wie auch 4. Jähriegen | auffwahrtung 
an der Kirchen, nicht gäntzlich[en] ver- || stossen sehen wolte...“ 
Der Kurfürst möchte doch anordnen, 

„... dass alhier ein gutter ander Littaw- I scher Schullmeister welcher 
der Sprachen recht || Kundigk ist anhero verordnet vndt dagegen I 
diesser Jtziege anderweit möge versetzet werden. ) auff dass der 
Gottes dienst desto besser be- I stellet vondt verrichtet vndt dargegen 
Tumelt || vndt ferner vber Lauff geschweige gantz TodtschlagK || ver- 
huttet werden möcht...“ 

Doch wie schwierig die Beschaffung eines solchen Schulmei- 
sters damals war, ja, daß auch die litauischen Gemeinden zu der 
Zeit ohne litauisch sprechende Pfarrer zu bleiben drohten, weil 
es kaum Nachwuchs gab, zeigen zwei Abschnitte aus dem „Re- 
cessus Generalis“ des Kurfürsten Georg Wilhelm (1618—1640), 
gedruckt 1639 (siehe oben, S. 241f.), die Daniel Klein in seiner 
Vorrede an den Großen Kurfürsten in seiner „Grammatica Lit- 
vanica“ zitiert. Darin heißt es: 

»... Wenn auch solte eine geschwinde Peste / da Gott in Gnaden N 
sey / einfallen / und etliche der jetzigen Littauischen |] Prediger na 

Gottes Willen wegnehmen / es umb die Kirche Gottes des 
Orts einen sehr elen- Il den Zustand gewinnen / weil nur 4. Schul- 
meister / I) so Studiosi, im gantzen Ampt Insterburg sind / und l nur 
ein einiger Littauscher Studiosus auff der Aca- || demia zu Königsberg 


ist / die man hernacher zu || solchen Aemptern auffn Nohtfall gebrau- 
chen kön- ll te: Als wil die hohe Nothturfft erfordern / daß man I 


331 


beyzeiten auff solche Leute zu erziehen bedacht sey / || und nicht 
warte / biß der Fall geschehen; indem die | Prediger alle sterblich / 
und jhrer etliche schon zum || ziemlichen Alter gelanget sind... 131 


Es wäre deshalb ratsam, daß in der Tilsiter 


BBRSCChurtl: I Schule ein absonderlicher / der Littauschen Spra- l che 
recht kündiger und sehr wolerfahrener / geübter I Praeceptor oder 
Collega gehalten würde / der || zwantzig / der dreyssig / oder auch 
wol mehr Kna- || ben in der Littauschen Sprache von Pfarrer / Bür- 
ger oder gebohrnen Littauschen Kindern funda- || mentaliter infor- 
mirte / damit dieselbe heracher || ins Stipendium nach Königsberg ge- 
bracht / und || nützlich künfftiger Zeit gebrauchet werden könten. |} 
Solte man aber solchen getrewen wolgemeinten || Raht nicht in acht 
nehmen / würde man es herna- I cher so bald nicht zu endern / als 
zubeklagen haben.“ 


In dem anderen Abschnitte „von den || Hälffmitteln“ zur Er- 
lernung der litauischen Sprache heißt es: 


»... Nach dem auch wenig in den |] Littauschen Aemptern seyn / die 
ihre Kinder / so der || Littauschen Sprache erfahren / zum Studio 
Theo- |] logico halten / daß sie heut oder morgen zu Pfarr- || und 
Schuldiensten könten gebrauchet werden / und l sich dagegen andere 
aus den Deutschen Oertern die- Il ses Landes Preussn / oder auch aus 
Deutschland I des Heil. Röm. Reichs auff solche Sprache aus || Noht 
begeben und befleissigen müssen ’‘/ und aber ze wenig und schlechte 
adminicula oder Hülffmittel I an gedruckten Sachen dazu haben / 
damit sie solche l Sprache recht fundamentaliter und felieiter in l 
kurtzer Zeit und mit geringer Mühe lernen könten; || So sol es hiemit 
allen und jeden Pfarrern dieses || Ampts / und sonderlich denen / so 
der Littauschen || Sprachen recht kündig und mächtig / aufferleget |] 
und anbefohlen seyn / daß sie etwas / so zur gründli- || chen Wissen- 
schafft solcher Sprache gehöret / ela- I boriren und ehestes verferti- 
gen; Und sonderlich I anfangs eine kurtze Grammatikam, und was 
dazu || gehörig / item ein Vocabular Buch oder Dicto- || narium der 
meisten unnd schweresten Littauschen I Wörter / und was denselben 
mehr anhängig ist / || auskommen lassen / etc. Darnach wird auch 
be- I funden / daß fast wenig und keine Exemplaria von || den Littau- 
schen Catechismus und Gesangbüchern || zu Kauff mehr verhanden / 
und auch das Gesang- || buch nach dem deutschen nicht complet und 
voll- | kommen / sondern viel Gesänge darinnen man- || geln / etc. 
So sol es den Pfarrern auch hiemitt || demandiret und anbefohlen 
seyn / daß sie solche || Gesänge nebst der Grammatic in der revision 
des || Newen Testaments mit sollen produciren und ex- || hibiren / 
damit sie auch zugleich könten übersehen || und zum Druck übergeben 
werden.“1132 


11531 5, 6f. unpagin. 
1132 5, 5f, unpagin. 


332 


Klein ließ sich auf Bitten und Ermahnungen seiner Nachbar- 
amtsbrüder, besonders aber des Memeler Pfarrers Johannes Leh- 
mann'*, wie es in der genannten lateinischen Vorrede heißt‘*, 
die Arbeit „auf seine Schultern legen“, „...ne || juventus Stu- 
diosa, ne dum Ecclesia, suo defrau- || darentur bono...“. Ob- 
wohl ihm diese Aufgabe wie eine Sisyphusarbeit vorgekommen 
wäre, da es an allen Vorarbeiten fehlte, hätte er sie auf sich ge- 
nommen, da „rastlose Arbeit alles besiegt‘“**. 


Anscheinend hatte sich Klein schon damals aus eigenem An- 
triebe mit den litauischen Kirchenliedern beschäftigt und, wie er 
in der deutschen Vorrede zum „Gesangbuch““* selber sagt: 


„... die Gesänge zur Vesper-Predigt allhie in meiner Littauischen 
Kirche analysiret / meinen einfältigen Zuhörern den In- I halt daraus 
angedeutet von Vers zu Vers erklähret / und sie I dem Vermügen 
nach / das GOTT dargereichet / unterrich- || tet / wie alles und jedes 
wol zu verstehen / und wohin eines Il jeglichen Verfassers solcher 
Lieder Meinung und intent ge- I richtet sey....“ 


Er hätte bei dieser seiner Arbeit 


„»...füglich ersehen und ll abmessen können / was für gar grosse 
Mängel / Fehler und || Irrthümer in gedachtem Gesangbuch stecken / 
so wol in den Veen Wörtern in den phrasen und Redens-Arten / 
als I auch im Verstande selbsten / also daß in vielen Liedern der 

Verstand des Liedes und was der Teutsche Verfasser und | Concipist 
intendiret / und mit Worten außdrücket / die da- I maligen Littaui- 
sche Übersetzer nicht wol begriffen; sondern l mit andern jenen gar 
ungleichen Wörtern in dieser Sprache || gegeben haben... “11 „... Was 
aber die lexica, Wörter und phrases, oder I Redensart betrifft / so sind 
darinnen so viel errata, daß man || sie albie alle nicht erzehlen kan. 
Weniger ist das metrum I in acht genommen; dann da ist kein Vnter- 


4159 Johannes Lehmann d. Ä., geboren 1590 zu Schwerin, scheint in Königs- 
berg nicht immatrikuliert worden zu sein, wurde 1624 Pfarrer in „Kin- 
ten, auch Windenburg genannt“, kam 1658 als litauischer Pfarrer nach 
Memel. Ihm wurde 1661 M. Matthäus Praetorius adjungiert (siehe oben, 
S. 144); starb 1664. Nachfolger wurden sein Sohn Johannes und nach 
dessen Tode sein Enkel Johann Theodor. Quandt berichtet von einem 
lebensgroßen Bilde Lehmanns d. Ä. in der Memeler lit. Kirche, auf dem 
angegeben sei: „...Pater VII Liberorum totidemqve avus“. (Arnoldt, 
Nachr. II, S. 157 und 161; Quandt, MSC 21, S. 102v; Erleut. Preuß., 
Bd. IV, S. 265). 

1138 5. 7f. unpagin. 

1135 5. 10 unpagin: 

1136 Wje vorige Anm. 


333 


scheid inter versus I masculinos [et] foeminios, da sind die Syll’ben 
selten recht Kenn / denn bald zuviel / bald zu wenig Syll’ben 
in ei- || nem Vers verhanden sind / welche bald abgeschnitten / bald l 
hinzu gethan werden müssen; da sind die rhythmi oder Rei- || me 
nicht beachtet worden / massen offters sich kaum der letzte || Büch- 
stabe reimet..., Vnd ist kein eintziges Lied l im gantzen Gesangbuch 
darinnen lauter jambi oder trochaei |) wären .. .“1137 
In diesem Bestreben fand Klein bei einigen Amtsbrüdern 
volles Verständnis, von denen er auch eigene Liederübersetzun- 
gen und -bearbeitungen erhielt. Andere „Neidhammel“ hätten 
es vorgezogen, 


»...in || der Irre und Finsterm zu verbleiben / denn aus dem irren 
ein- || mahl zukommen und das Licht‘der Warheit zu schauen / und 
zuerkennen was recht / was erbaulich und der Menschen || Seelen heil- 
sam seyn könne.‘1138 
Die Manuskripte, „...qvi est Gram- || matica Litvanica, unä 
cum ab infinitis men- || dis repurgato, novisq[ue] hymnis qvam 
plurimis || adaucto Ecclesiasticarum Cantionum libello....“, legte 
er darauf der preußischen Regierung vor, um „diese Büchlein“ — 
also hatte Klein damals schon ein nach seiner Meinung druc- 
fertiges Manuskript seines „Gesangbuches“ in Händen — der 
Zensur „...qvo- || ruln]dam Verbi Ministrorum exqvisitissimä 
lin- || gvae Litvanicae cognitione imbutorum ...“"* unterwerfen 
und drucken zu lassen. 


Jene „...Viri docti taliq[ue] cognitione imbuti...“, die dar- 
auf nach Tilsit zu einer Konferenz zusammengerufen wurden, 
waren Christoph Sappun, Pfarrer in Gr. Rudupönen"®, der be- 


1137 5, 20f. unpagin. 

138 5, 25 unpagin. 

1130 5. 8 unpagin. 

1110 Christoph Sappuhn wurde 1589 geboren, scheint in Königsberg nicht 
immatrikuliert worden zu sein; kam 1612 als Pfarrer nach „Enzuhnen, 
und vorhin Groß Rudupehnen genannt“. Er heiratete 1613 eine „... 
Jlun]gfr[au] Dorothea, Johannis Eccardi I Filia Herrn zu Brezkem...“ 
Half den Rehsaschen Psalter korrigieren (siehe oben, S. 240). Er schuf 
die von Theophil Schultz überarbeitete und 1673 herausgegebene litaui- 
sche Grammatik: „Compendium |) Gram[m]aticae Lithvanicae...“ (Siehe 
das Vorwort: „Lecturo Salutem!“ von Schultz). Starb 1659. Nach Quandt 
soll sich sein Bild in Lebensgröße in der Kirche von Enzuhnen befinden. 
(Arnoldt, Nachr. II, S. 89; Quandt, MSC 21, S. 10v.) Siehe auch unten, 
Bericht. und Erg. 


334 


kanntlich die von Theophil Schultz 1673 herausgegebene litaui- 
sche Grammatik schrieb, Johannes Klein, Pfarrer in Kattenau“, 
Johannes Hurtelius, Pfarrer zu Ragnit‘”, Friedrich Praetorius, 
Pfarrer zu Szillen‘*, Wilhelm Martinius, Pfarrer zu Werden"*, 


1a Fine Matrikel von Johann Klein im Königsberger Matrikelbuch läßt sich 
bei der Häufigkeit des Namens nicht mit Sicherheit bestimmen. ]J. Klein 
wurde 1633 zweiter Adjunkt des Pfarrers Machlet in Kattenau, dem er 
1635 im Amte folgte. Starb 1662. (Arnoldt, Nachr. II, S. 95; Quandt, 
MSC 21, S. 19v.) 

1122 Johannes Hurtelius war ein Sohn des Ragniter Kantors Samuel H., 
wurde am 28. 6. 1623 mit seinen Brüdern Samuel, Friedrich und Georg 
in Königsberg immatrikuliert. Am 22. 10. 1635 wurde Johannes H. in 
Königsberg ordiniert und noch im gleichen Jahre deutscher und litaui- 
scher Pfarrer in Ragnit, doch trat er „...Patri suo nimium indulgens...“ 
diesem die deutsche Gemeinde ab. Seit der Zeit war das litauische und 
deutsche Pfarramt in Ragnit getrennt. So wurde nach dem Tode des 
Vaters 1636 ein M. David Hoppius aus Köslin in Pommern deutscher 
Pfarrer. Lepner sagt auf S. 105 von Hurtelius (1690): „Johannes Hur- 
telius weyland, wohl verdient ge- | wesener Littauscher Pfarrer zu Rag- 
nith, hat eine | ziemliche Anzahl der Littauschen Wörter aus dem ll He- 
bräischen hergeleitet, in seinem von ihm geschrie- || benen nachmahls 
entkommenen Wörterbuch (Le- || xico) welches er mir geliehen, als ich 
mich nach l meiner Zurückkunft von denen Universitäten in || Deutsch- 
land über Copenhagen, in der Littauschen || Sprache anfieng zu üben, 
und ihm von mir ist || wieder zurück gestellet worden.“ Über H. als 
Liederbearbeiter siehe unten, S. 336. Nach dem Tode des J. Hurtelius 
1667 wurde Jacob Pusch (siehe unten, Anm. 1191) Pfarrer in Aulenbach 
(früher Auluwönen genannt) sein Nachfolger. (Arnoldt, Nachr. II, S. 127; 
Quandt, MSC 21, S. 78r f.; Erler, Königsb. I, S. 270.) 

143 Friedrich Praetorius wurde am 20. 5. 1624 in Tilsit geboren und am 28. 6. 
1634 mit seinen Brüdern Christoph und Gregorius in Königsberg imma- 
trikuliert, doch wurde am 6.5. 1642 die Immatrikulation wiederholt und 
der Vermerk: „iur[avit]“ zu der neuen Matrikel gesetzt. Nach seiner 
Ordination in Königsberg am 1. 5. 1646 kam er im gleichen Jahre als 
Pfarrer nach Szillen. Lepner schreibt auf S. 133 von Praetorius (1690): 
„Es hat Herr Fridericus Praetorius, ältester Pfar- || rer unter allen Pre- 
digern unsers Preuschen Littau- I en, ein Wörter- (ar aller Wörter, 
so in der || Heiligen Schrift nach der Concordantz-Bibel | Agricolae zu 
finden: Imgleichen eine Kinder- || Lehre, wie auch die Übersetzung der 
vornehmsten I Sprüche aus der Heiligen Schrift Littausch ge- I schrieben 
fertig, allein es findet sich hierzu noch kein || Verleger.“ Über Praetorius 
als Liederbearbeiter siehe unten, S. 336. Er starb am 27. 2. 1695. 4 

4 Wilhelm Martinius stammte aus Memel und wurde am 10. 6. 1636 in 
Königsberg als „-Wilhelmus Martinius, Memelensis Borussus“ immatriku- 
liert; nach Quandt, der sich auf ältere Angaben Stiemers stützt, wurde 


335 


sowie der schon genannte Pfarrer Johannes Lehmann zu Memel. 
Dazu kam noch „...Dfomijn[us] Christophorus Praetorius, 
Pastor in urbe || Regiomont. Litvanicus...‘““*, der wie die an- 
deren die Manuskripte erst zu Hause durchgesehen hatte, dann 
aber aus irgendwelchen Gründen an der Teilnahme an der Kon- 
ferenz verhindert wurde und lediglich seine schriftlichen An- 
merkungen Klein übersandte"*. 


Von diesen Pfarrern hatten folgende ihre Liederübersetzun- 
gen oder -bearbeitungen zum „Gesangbuche“ beigesteuert: 
Johann Hurtelius (bei 27 Liedern des „Gesangbuches“ ist sein 
Name angegeben), Friedrich Praetorius (7), Johannes Klein (5) 
und Wilhelm Martinius (5). 


Die Pfarrer tagten im Hause Daniel Kleins, und „...bina (!) 
...opuscula... non levi- || ter [et] per transennam qvasi aspexe- 
runt, sed in- || tentis oculis solicite omnia examinaru[n]t, qvae || 
qve monenda fuerunt, monuerunt dexterri || me, cuncta mecum 


dirigentes in Ecclesiarum || juventutisq[ue] Studiosae commo- 
dum adq[ue] usum... .“, 


Scheinbar ist aber das „Gesangbuch“ nicht mit durchgesehen 
worden, wie sich noch zeigen wird. 


Nach der Korrektorenkonferenz widmete dann Klein die, wie 
er sagt: „... Grammaticen novam unä cum annexo || Compen- 
dio Germanico, ut [et] Lexico Litvanico...“ als „Erstlinge“ sei- 
ner Arbeiten'* dem Großen Kurfürsten, und „legte sie ihm zu 
Füssen“. Sie wären von Anschein nur äußerst gering, doch 


er 1642 Nachfolger Johann Cynthius’ in Werden, wo er 1671 starb, wäh- 
rend sein gleichnamiger Sohn Pfarradjunkt in Prökuls wurde. Nach Ar- 
noldt jedoch kam W. Martinius erst 1645 als Nachfolger eines Martin 
Martinius nach Werden und ging 1670 als Pfarradjunkt nach Prökuls, 
wo er 1704 gestorben sein soll. (Arnoldt, Nachr. II, S. 162 und 165 f.; 
Quandt, MSC 21, S. 108v und 111r; Erler, Königsb. I, S. 371.) 

1135 Christoph Prätorius, am 3. 10. 1626 „zu Insz in dem Tilsittschen“ geboren. 
Matrikel nicht sicher bestimmbar. Wurde Präzentor an der Sackheimer 
Kirche in Königsberg und am 13. 9. 1648 als Pfarrer dortselbst introdu- 
ziert. Starb am 24. 7. 1654. (Arnoldt, Nachr. I, S. 23; Quandt, MSC 18, 
S. 111.) 

110 5, 21 unpagin. 

1197 Gramm., S. 8 unpagin. 

118 Ebenda, S. 10 unpagin. 


336 


„...ad Sacra tamen || interiora exoptatissimum praeparabit aditum; I 
qvippe fundamento hocce posito religvi li- |] bri Litvanici omnes, ipsa 
qvogve Biblia Sacra ll aeqvä jam lance pensitari, pervideri, aut etiam l 
de novo transferri [et] confici poterunt sine eä, || wam hüc usqve 
timuere plures, hallucina- I tione.“ 
Hiermit könne auch die Jugend in der Tilsiter Schule eine solide 
Grundlage ihrer litauischen Sprachkenntnisse legen. 

Diese Vorrede ist am 6. Oktober 1653 geschrieben. Im glei- 
chen Jahre noch erschien die Grammatik, während das Compen- 
dium erst 1654 gedruckt wurde. 

Das „Gesangbuch“ ist aus irgendwelchen Gründen Klein zu- 
rückgereicht worden, wie wir noch sehen werden, und erst 1666 
erschienen. 

Das „Lexicon Litvanicum“ ist dagegen niemals gedruckt wor- 
den, und das Manuskript verschollen. Höchstwahrscheinlich ist 
aber eine Abschrift jenes Manuskriptes im Königsberger Staats- 
archiv erhalten“, wie Gerullis gezeigt hat“. Auf der Titelseite 
heißt es: 

„Lexicon Lithu- I anicum, I in usum eorum conscriptum || qvi hujus 
‚lingvae nondum capa- l ces sunt, sed fieri cupiunt. I actenus in 
Bibliothecä D[omi]ni : Danielis ll Friederici Werneri. Secret. Insterb. l 
reservatum || jam verö || ex donatione ejus benignä ad mea l manu- 
scripta relatum. Theodorus Sicomann!!51, Anno Salutis l nostrae. 
Insterpol: Borus : 1718 I Die 17 ?br:.“ 
Vorher haben aber, soweit bekannt ist, nur Johannes Hurtelius 
und Fridericus Praetorius litauische Wörterbücher geschrieben, 
doch ersterer brachte auch hebräische Etymologien, letzterer sam- 
melte nur die „Wörter, so in der Heiligen Schrift... zu finden“®, 
was bei unserem Wörterbuch nicht der Fall ist. Dagegen hat 
Klein in seiner Grammatik Sirvyd zitiert, ohne dessen Namen 
zu nennen“, auch zur Abfassung des Wörterbuches im Staats- 
archiv ist Sirvyd benutzt worden”. Außerdem finden wir darin 
die gleiche Orthographie und die gleichen diakritischen Zeichen 


wieder, wie sie die Texte von der Hand D. Kleins zeigen, wenn 


119 MSC 178v. 

10 „Das Lexicon Lithuanicum Daniel Kleins“, K.Z., Bd. 50 (1922), S. 233. 

1151 Gerullis vermutet: „Siegmann“, 

1152 Sjehe oben, S. 335 Anm. fi42f. und Gerullis, l.c.; A. G. Krause, „Lit- 
thauen“, S. 137. 

453 Gramm., S. 15 unpagin. 


22 Falkenhahn, Bretke 337 


letztere in dem Manuskript des Staatsarchivs auch seltener zur 
Anwendung kommen. 

Schlägt man aber die Vokabeln der Anmerkungen des Kor- 
rektors X, systematisch im Wörterbuch nach, so zeigt sich eine 
auffällige Übereinstimmung im Wortschatz, während Bretke an 
den Stellen weitgehend andere Vokabeln braucht. Zur Ver- 
anschaulichung einige Beispiele: 


Luther: Bretke: Ko: Lexicon Lit. 

Jer. 21, 13: IV 102r 17vu: „Thal Daubas Pa- 

„im Grunde“ „lankoie“ „pakalne“ kalne, ysz |] lai- 
Ezech.5,2: „Das... IV 169r 16u. 18vo: tas (1)“ 

dritte Teil“ „tretze I) dali „treing“ „dritttheil Trei- 
Ezech. 11,9: IV 176: Zwu: nasits 

„Recht“ „tiesa“ „prowa“ „Recht Prowa“ 
Dan. 2,35: „auff der IV 247r 18vu: 

Sommertenne“ „ant Taekies“ „klojimmo“ „Tenne Klojimas“ 


(später: „plano“) 
Es spricht also alles dafür, daß in dem genannten Manuskript 
Kleins „Lexicon Litvanicum“ in Abschrift erhalten ist. Nach 
dieser Abschrift zu urteilen, wäre das Wörterbuch ziemlich flüch- 
tig gearbeitet gewesen. 
Kleins philologische Gelehrsamkeit und seine selbständige 
Beurteilung der Probleme können wir in seiner interessanten 


„Praefatio ad Lectorem...“ zu der „Grammatica ....“ erkennen. 


Zunächst tritt er darin der Auffassung vieler Zeitgenossen 
entgegen, daß aus dreierlei Ursachen für das Litauische keine 
Grammatik mit festen Sprachregeln, wie etwa für das Lateini- 
sche und Deutsche, geschrieben werden könnte"*, denn 1. „... 
lingva haec sit mixta [et] confusa lingva 2. || Usus ejus incertus 
3. Dialecti variae...“ . 

. Es wäre richtig, daß das Litauische mit fremden Bestandteilen 
vermischt sei, aber daraus folge doch nicht, daß diese Sprache 
keine festen Regeln für die Deklination usw. haben könnte! 
Auch das Lateinische habe griechische Wörter aufgenommen, 
»...Ec- || qvis enim ignorat, Latinos hellenizare, Polonos Ger- 
ma- || nizare?...“ Die Litauer ‘unterwürfen die fremden Be- 


usa Fehlt auch bei Kurschat! 
3155 5, 13 unpagin. 


338 


standteile genau so den festen Regeln ihrer Sprache, wie dies 
einst die Römer mit den griechischen Vokabeln getan hätten. 

Der Sprachgebrauch (usus) sei wirklich regional verschieden: 
die einen sagten „giwata“ (vita), die andern „ziwätas“, was vom 
polnischen „zywot“ käme, während es richtiger „...giw&nimas || 
aut per syncopen giwenims...“ heißen müßte; statt „szulline“ 
(„ein Brunn“), wie es in Tilsit und in Zemaiten hieße, sagten die 
Bewohner des Großherzogtums Litauen und die der angrenzen- 
den Gebiete „szullinys“ usw.‘ Bei Martial und Propertius hieße 
ein und dasselbe Wort „palumbes“, „palumbus“ und „palumba“, 
die Deutschen schrieben und sprächen: „...kräe | aliäs kräye ; 
alias || krähe...“, was doch aber nicht hieße, daß man das La- 
teinische und Deutsche nicht in feste Regeln fassen könnte! 

Auch verschiedene Dialekte hätte das Litauische, genau wie 
es im Deutschen einen bayrischen, österreichischen usw. Dialekt 
gäbe. Nach einer sehr interessanten Abhandlung über litauische 
Dialekte, die zeigt, daß ihr Verfasser diese Frage aufmerksamst 
studiert hat”, sagt Klein, daß mit dem Litauischen genau so 
verfahren werden müßte, wie es seinerzeit die Griechen mit ihrer 
bekanntlich ebenfalls in verschiedene Dialekte, wie das Attische, 
Dorische usw. gespaltenen Sprache getan hätten, nämlich: „... 
Excolamus || unam aliqvam Dialectum, qvae communissima, 
omni- || umqve optima esse censetur, qvalem modd indigitavi- || 
mus. De hac tradamus Praecepta [et] Regulas, ita tamen || ut 
caeterarumqvoqlue] fiat mentio, quö illae ab hac discerni || pos- 
SInt Re 

Daniel Klein hat anscheinend auc litauische Literatur ge- 
lesen, denn er zitierte, wie schon gesagt, Sirvyds „Punktay Sa- 
kimu“ S. 1 als Beispiel des Wilnaer Dialekts, ohne jedoch seine 
Quelle anzugeben”. Auch wußte er offenbar erheblich mehr 
über die litauischen Dialekte zu sagen als er in dieser Vorrede 
mitgeteilt hat, denn er hatte vor, mehr über diese Fragen zu 
schreiben: „...Sed de his ((d. h.: dialectis)), si || Deus vitam 
concesserit, fortean alibi ex professo, [et] plu- || ribus.. .““** 


1156 Siehe den wörtlichen Auszug dieser Stelle bei Bezzenberger, B.G.L.S., S. 3. 

457 Die Abhandlung Kleins über die Dialekte ist bei Bezzenberger, 1. c., 
S. Lff., wörtlich abgedruckt. 

1158 Gramm., S. 18 unpagin. 


22* 339 


Im weiteren widerlegt Klein die Behauptung, eine Gramma- 
tik sei überflüssig, da man die Sprache besser aus dem Gebrauch 
erlernen könne. Man fände nämlich selbst unter denjenigen, die 
unter den reinsten Litauern wohnten, und auch die Sprache 
eifrig zu lernen bemüht wären, nur äußerst selten jemanden, 
der ohne Verunstaltung der Worte, ja ohne Entstellung des 
Sinnes, seine Gedanken zum Ausdruck bringen könnte"*. Weiter 
würde durch die Klarstellung der Sprachregeln des Litauischen 
der Weg zu einer Bibelübersetzung oder Revision geebnet. Aber 
auch ganz abgesehen davon hätten das Lateinische, Deutsche, 
Polnische usw. ihre Grammatiken, und 

»... weshalb sollten nicht auch wir von jenem Rechte gebrauch 
machen, diese ((litauische)) Sprache, die Viele barbarisch und verwirrt 
nennen, durch kunstvolle Regeln zu verfeinern, damit sie endlich ein- 
mal von dem Unflat gereinigt würde, von dem sie so lange bedeckt 
darnieder lag, und durch den ((allen andern)) gemeinsamen Glanz er- 
freue?“ 
Im folgenden unterrichtet Klein den Leser über die Methode, 
nach der er zum ersten Male, wie er sagt, Regeln für die litaui- 
sche Sprache aufgestellt hätte und zeigt, mit welcher Vorsicht 
er dabei zu Werke gegangen sei. Bittere Bemerkungen über die 
Neider, die, wie wir noch sehen werden, den Druck des „Gesang- 
buches“ hintertrieben, schließen die Vorrede. 

In zwei folgenden lateinischen Gedichten an Daniel Klein 
feiern ihn der Rektor der Tilsiter Kurfürstlichen Schule, M. Cas- 
parus Devitius"", und „Simon Dachius. || in Acad. Regiomont. 
Poes || Prof. Publ.““*. D. Klein muß also auch mit letzterem 
näher bekannt gewesen sein. Sie feiern Klein als „Vindex“ der 
vernachlässigten und als barbarisch verschrieenen litauischen 
Sprache, der er zu ihrem eigentlichen Glanz verhülfe. 

Im nächsten Jahre erschien nun das „Compendium || Litva- 
nico-Ger- || manicum, || Oder || Kurtze und gantz deutliche An- || 


1159 5, 19 unpagin. 

1160 M. Caspar Devitius stammte aus Pasewalk in Pommern, wurde am 1. &. 
1639 in Königsberg immatrikuliert: „Casparus Devitius, Paswalco-Pome- 
ranus, iur...“, magistrierte am 9. 7. 1643, wobei er „de luna“ disputierte, 
und wurde im gleichen Jahre Rektor an der Tilsiter Provinzialschule, 
starb 1665. (Arnoldt, Zusätze, S. 132; Fortges. Zus., S. 60; Erler, Königsb. I, 
S. 404.) 

1161 Siehe oben, S. 139 f. 


340 


führung zur Littauschen Sprache / || wie man recht Litausch 

lesen / schreiben || und reden sol.“ Klein hat sie deutsch geschrie- 

ben, wie er in der „Vorrede || An den günstigen Leser” sagt, 
„Weil... aber nicht allein Studiosi, Pastores und an- || dere Literati 
an den Littauschen Oertern dieser Spra- || chen Wissenschafft von 
nöthen haben; sondern auch || denen selbige zu statt kommen kan / 
die nicht studieret / I und aber mit Littauschen Völckern / umbgehen / 
| selbigen fürstehen und Gerechtigkeit pflegen müssen: l Als 
hab ich auch jhnen mich bequemen / und auff Theils I ihrer Bitte diese 
kurtze Anführung oder Anleitung zur || Littauschen Sprache / so mit 
Deutschen Praeceptis und I Regulis verfasset / der Grammatick an- 
hengen wollen.“ Dieses „Compendium“ ist „...nur ein kurtzer Be- 
griff || ... dessen / was in der Grammatick weitleufftiger abge- || han- 
delt worden / wiewol in selbigem auch zu befinden I ist / was in der 
Grammatick damals übergangen wor- || den... .“:1° 

Nach der Vorrede folgen die grammatikalischen Abhandlungen 

in deutscher Sprache. 

Beide Werke bezeugen Kleins gründliche Kenntnis des Litaui- 
schen, die es ihm allein ermöglichte, ohne irgendwelche Vorarbeit 
zu haben, so vorzügliche Darstellungen der litauischen Sprache 
zu geben. 

Ein Klagebrief Kleins an den Großen Kurfürsten"* gestattet 
einen Blick in seine Pfarrpraxis, in der er ebensoviel Gewissen- 
haftigkeit wie Weltunklugheit an den Tag gelegt zu haben 
scheint: 

„Im vergangenen 53. Jahr...“ nämlich hatte er „...ein paar ver- 
lobtes Litt. Volck...“ trauen wollen, doch nach dem ersten Aufgebot 
kamen liebe Dorfnachbaren der Braut zu Klein und berichteten, daß 
sie „...der Hofmann I Zu Kalwen, bey dem sie gedienet, geschwen- 
gert und betrogen hette...“, was die Braut und die Eltern bei der 
nächsten Beichte eingestanden. Daniel Klein war nun ratlos, ob eine 
solche Braut zu trauen sei. Er wollte die Entscheidung, wie er sagt, 
schließlich der weltlichen Obrigkeit überlassen, und wandte sich an 
den Hauptmann von Tilsit mit einer Bitte um Anzeige. Doch Hoff- 
mann war längst bei dem Hauptmann gewesen und hatte Klein ver- 
klagt, weil ihn dieser des Ehebruchs bezichtigt hätte. Der Hauptmann 
schob unserm armen Klein die Anzeige zu, und nannte ihn, als er sich 
weigerte, „...einen unbesonnenen Kerl, auch einen Delatorem ...“, 


“ 


1162 5, 4f. unpagin. 

1168 5, 6 unpagin. 

a0 FM. 138a 2, Aktenpack: (ohne Aufschrift). Brief eingegangen am 18. 6. 
1654. 


341 


weil er „...aussagte, was die || hurr über den hofmann Zu Kalwen 
bekant hatte...“, und es würde ihm „...so gehen, wie dem Pfarrern 
von Piktuppenen, || welcher vom Dienst abgesetzet werden sol...“ usw. 
Klein sah nun keinen andern Ausweg mehr, als sich in dem genannten 
Klagebrief an den Großen Kurfürsten zu wenden. 


Nach der deutschen Vorrede zum „Gesangbuch“ zu urteilen” 


muß sich Daniel Klein bald nach dem Erscheinen der „Gram- 
matica“ und des „Compendium“ nochmals mit der Bitte um Ein- 
berufung einer Pfarrerkonferenz zur Durchsicht seines Gesang- 
buchmanuskripts an die kurfürstliche Regierung gewandt haben, 
und zwar sollten außer „Christophorus Sap- || phun... Johannes 
Klein... Johannes Hurtelius... Johann Lehman... Wilhelmus || 
Martinius...“ und „Fridericus Praetorius“, die alle bereits an 
der Konferenz zur Durchsicht der Grammatiken teilgenommen 
hatten (siehe oben, S. 334 f.), noch folgende Pfarrer teilnehmen: 
»...ıim Insterbürgischen Ambt / || Herr Valentinus Feyerstock** 
...Im Ragnitschen Herr Bur- || chardus Löbel“”... und nach- 
mahls in theils jhre durch den bald er- || folgten Tod entledigte 


1165 5, 2] unpagin. 

1168 Valentin Feuerstock stammte aus Tilsit, wo er seit 1603 an der Provinzial- 
schule Subrektor war. Am 2. 3. 1604 wurde er Nachfolger Johannes Bie- 
lauks in Georgenburg. Half den 1625 gedruckten Rehsaschen Psalter korri- 
gieren (siehe oben, S. 240), kam 1626 (Quandt 1625) als Diakon nacı 
Insterburg, starb 1653. „Um diese Zeit ward auch ein polnischer Predi- 
ger all- l hier gehalten, und der 1646 vorhandene hieß Benediet N“ (Ar- 
noldt). Auf dem Leichenstein in Insterburg wird er „Litth. Pfarrer || vnd 
deutscher Caplan“ genannt (Quandt). Seine Söhne Christoph und Johan- 
nes wurden 1625 und 1628 in Königsberg immatrikuliert. (Arnoldt, 
Nachr. II, S. 84 und 91; Quandt, MSC 21, S. 5r und 12v; Erler, Königsb. I, 
S. 291 und 308.) 

117° Burchard Löbel ist in Ragnit geboren, wurde am 11. 11. 1609 in Königs- 
berg inskribiert: „-Burchartus Lobelius, Ragnetensis Lithuanus...“ Ist 
wohl nach Abschluß des Studiums als Pfarrer nach Wischwill gekommen, ' 
denn er wurde im gleichen Jahre als Pfarrer zu Wischwill mit „...Re- 
gina Fridrich I Kleinen Civis Cneiph. Filia...“ zur Hochzeit aufgeboten 
(Kneiphöfsches Traubuch 1617). Kam 1621 nach Kraupischken (heute 
Breitenstein), wo er „...durch H. Magister von Inster- || burg (Here 
Julio Nicolai) deutsch, vnd durch I) H. Pf. von Georgenburg Littauisch 
intro- || duciret...“ wurde. Gehalt anfänglich 72 M., später 122 M. Starb 
1648 (Arnoldt) oder 1653 (Quandt). (Arnoldt, Nachr. II, S. 97 und 135; 
Quandt, MSC 21, S. 21r und 92r; Erler, Königsb. I, S. 190.) 


342 


Stelle surrogirte... Herr Melchior Schwabe”® / Herr M. Joh. 
Wilh. || Lüdemannus"®, und Herr Michael Gallus”... .“ Das Ge- 


1188 Sehr wahrscheinlich ist folgende am 7. 3. 1644 eingetragene Matrikel der 
Königsberger Universität die unseres Melchior Schwabe: „-Melchior 
Schvabe, Insterburgensis Borussus iur....“ Jedenfalls wurde er am 27. 6. 
1650 in Königsberg ordiniert und kam im gleichen Jahre nach Groß- 
waltersdorf (früher: Walterkehmen). Über Schwabe als Dichter litaui- 
scher Lieder siehe unten, S. 344. Er starb 1663 (Quandt wohl irrtümlich: 
1660). (Arnoldt, Nachr. II, S. 108; Quandt, MSC 21, S. 33v; Erler, Kö- 
nigsb. I, S. 454.) 

116 M. Johann Wilhelm Liidemann, geb. in Harburg bei Lüneburg, wurde 
am 15. 5. 1640 in Königsberg immatrikuliert, Juni 1652 ebenda ordiniert 
und kam als Diakon nach Gumbinnen, aber 1653 als Pfarrer nach Bal- 
lethen, von wo aus er am 1. (oder 23.2) 4. 1655 magistrierte. Im Septem- 
ber des gleichen Jahres tauschte er mit dem Pfarrer von Steinsee (früher: 
Niebudschen), Johann Kersten, die Pfarrstellen; starb 1661. (Arnoldt, 
Nachr. II, S. 87 und 103; Quandt, MSC 21, S. 7v, 17r und 29; Erler, Kö- 
nigsb. I, S. 475.) 

1170 Mütterlicherseits stammte Michael Gallus aus der Familie eines „N(!)ar- 
cuß Thallutten“, dem 1515 3 Hufen und ein „Lithauscher Krug“ zu „Nar- 
kaiten“ (Amt Memel) zu magdeb. Recht vom Orden verschrieben wurden 
(E.M. 98d Ruß, Abschrift aus dem Hausbuche „Zu Schloß“). Nach Oster- 
meyer heiratete seine Mutter einen Bauern „Gaidys || d. i. Hahn“ im 
Dorfe Gaidelen, Amt Heydekrug (siehe oben, S. 247 Anm. 800). Mich. Gal- 
lus besuchte unter M. Caspar Devitius (siehe oben, Anm. 1160) die Pro- 
vinzialschule zu Tilsit, kam als Alumnus nach Königsberg, wo er am 
15. 6. 1652 in die Universitätsmatrikel eingetragen wurde: „-Michael Gal- 
lus, Memela-Borussus...“, wofür ihm die Gebühren nicht erlassen wur- 
den. Ordiniert ebenda am 19. 6. 1656, kam im gleichen Jahre als Pfarrer 
nach Ruß. In einem Gesuch von 1663 klagte er dem Konsistorium, daß 
er aus Armut schon sieben Jahre keinen neuen Mantel hätte anschaffen 
können, er hätte „ex beneficio“ des Kurfürsten studiert und bäte um 
Unterhaltsverbesserung oder Verleihung des mütterlichen Kruges mit den 
3 Hufen: „...mein demutigstes flehen V. bitten, || Sie geruhen mich dero 
Lithauwen mit dieser Lithauschen Erbe Von 3 huben I Zu begnaden...“. 
Er würde die zwei „Mägdchen“, auf diesem Erbe zu sich nehmen, an die 
deutsche Sprache gewöhnen, kleiden und später aussteuern. In dem Be- 
richt des Konsistoriums an den Kurfürsten vom 27. 7. 1663 heißt es von 
M. Gallus, „...daß er, al ein gebohrner Littaur, || deßen Eltern schlechte 
Leuthe gewesen, sich Zeit seines Predigtambts ermaßen erwiesen, daß 
ernicht allein seinem Kirchspiel mit rei- || ner Lehre vndt einem vnsträf- 
lichen wandel vorgangen, sondern ll auch wol andern sich Zum Exempel 
erwiesen, daß er dannenhero I) weitere beforderung wol wurdig seiy...“. 
Das Konsistorium bat, „...ihme, alß einem Littawer vnd einZiger der I 
von solchen schlechten Leuthen so weit es gebracht, daß er Zum I Pre- 


343 


such wurde bewilligt und eine Revision veranstaltet. Nachdem 
die „Herrn Pastores... auch einige neue || Lieder mit hinzu- 
getragen....“, empfahlen sie das Werk der Regierung zum Druck. 
Es wurde dann auc „...dem Buchdrucker alsobald von höchst- 
gemelter Regie- || rung übergeben...“ 

Außer den oben (S. 336) bereits genannten haben folgende 
Pfarrer Lieder beigesteuert: Melchior Schwabe (bei 18 Liedern 
steht sein Name), M. J. W. Lüidemann (8) und Michael Gallus (1). 
Außerdem sind folgende Namen bei je einem Liede im „Gesang- 
buch“ angegeben: Christoph Schmied”, Johann Heinrich Leo- 
pold"” und „C.C.“, was offenbar Christoph Cynthius, Pfarrer 
in Koadjuten"” war. 


digt Ambt tüchtig...“, sein Einkommen zu verbessern. M. Gallus starb 
nach Quandt 1698, nach Arnoldt 1689. (Arnoldt, Nachr. II, S. 164; Quandt, 
MSC 21, S. 109v f.; Erler, Königsb. I, S. 530.) 

171 Christoph Schmidt, geb. 10. 11. 1610 zu Salau, in Königsberg 18. 6. 1624 
immatrikuliert, 12. 10. 1640 ordiniert und zwei Tage später als Pfarrer 
in die litauische Kirche auf dem Sackheim zu Königsberg eingewiesen. 
„T 1648 I 28 Jully ulm] 1. pomer. am Fiebjer] alt. 38.“ (Nach Arnoldt 
gest. 18. 6.) (Arnoldt, Nachr. I, S. 23; Quandt, MSC 18, S. 111r; Erler, 
Königsb. I, S. 280.) 

1172 Johann Heinrich Leopoldi stammte aus Erfurt, am 22. 5. 1642 in Königs- 
berg inskribiert: „-Johannes Henricus Leopoldi, Erfurtensis, iur...“, und 
am 8. 10. 1651 dort ordiniert, kam im gleichen Jahre (nach Arnoldt be- 
reits 1650) als Pfarrer nach Stallupönen, wo er 1662 starb. (Arnoldt, 
Nachr. II, S. 116; Quandt, MSC 21, S. 37v; Erler, Königsb. I, S. 431.) 

473 C, Cynthius war ein Tochtersohn des bekannten Bischofs Joachim Mör- 
lin (siehe oben, S. 72f), sein Vater, Johann C., hatte von 1621 bis zu sei- 
nem Tode 1642 das Pfarramt in Werden inne. Christoph Cynthius war 
noch 1649 „custos“ an der Königsberger Kneiphöfschen Schule. Er wurde 
am 3. 4. 1650 als „Christophorus Cynthius, Werdena-Prussus, iur. pau- 
per“ in die Universitätsmatrikel inskribiert, wobei ihm alle Gebühren 
erlassen wurden. 10. 7. 1656 in Königsberg ordiniert und gleich darauf 
vom Tilsiter Erzpriester als Adjunkt des Koadjuter Pfarrers Joh. Hart- 
wich aus Kuckerneese introduziert. Als aber C. Cynthius „...kaum als 
adjunct[us] s[ein] Amt angetreten, ll wurde 1656 die Kirche von dl[en] 
Zamaitten ge- || plundler]t, auch 5 Glock[en] weggen[ommen] l an 
d[er]en Stelle Chrff. Fridrich Wilhelm 2. || neue Glocken geschencket auf 
welch[en] beyden der Churffl. Nahme zum Andlen]k[en] aufgegossen ...“ 

_- Als Hartwich 1662 an der Pest starb, wurde C. Cynthius sein Nachfolger. 
Nach einer Kirchenrevision am 1. 3. 1666 wurden ihm 5 Hufen zugewie- 
sen und sein Gehalt von 50 auf 80 Florinogulden erhöht. Er starb April 
1674. (Arnoldt, Nachr. I, S. 143 und 163; Quandt, MSC 21, S. 63v und 
111r; Erler, Königsb. I, S. 520.) 


344 


Doch die „Grammatica“ und das „Compendium“ müssen 
nach ihrem Erscheinen mancherorts eine schlechte Aufnahme er- 
fahren haben, jedenfalls wurde nach Kleins Angaben der Druck 
des „Gesangbuches“ immer weiter hinausgezögert. Er schreibt 
selbst in der Vorrede zum „Gesangbuche“ darüber: 


»... die zwo ehrlichen Schwe- |] stern Neid und Mifgunst... folgten 
mir, auff die Ver- | sen nach / und wolten den Fortgang dieses zur 
Ehre | und Erbauung seiner Kirchen werckstützig machen / 
durch || Verachtung meiner vor diesem ans Licht gegebener neuer I 
Littauschen Grammaticken und Compendii, da doch keiner ES 
diesen und andern Neidhammeln eine solche erfunde- || ne Arbeit je- 
mahlen gesehen / noch sie selbst in solcher confor- || mität / ohne 
Ruhm gesagt / erfinden können: Dann auch || durch Verkleinerung der 
andern Arbeit im Gesangbuch und || Vernichtigung der neuen Littau- 
schen Lieder / da sie sich doch || vielmehr zu entröhten hätten / daß 
sie die alten Lieder mit so || viel vorgesagten erratis und Fehlern in 
den Wörtern / in den ]| phrasibus, auch im Verstande selbst / zuwieder 
der ähnlig- I keit des Glaubens / angefüllet / so lange Jahre hero 
mitge- |] sungen / und solche Fehler nicht in acht genommen / weniger I 
sie selbst geändert / oder es zu ändern / andern übergeben. || Das 
richten über die neuen Lieder / die doch ein weit ander || Ansehen für 
jenen haben / ist zwar groß / aber von keiner l Würden..., ...den- 
noch hat solch ihr Verachten / Vernichten / || und unzeitiges Richten 
dieses zu wege gebracht / daß das || Werck etliche Jahre hero liegen 
geblieben / und wiewol be- || reits anno 62. die sämptliche Herren 
Pastores aus dem Tilsi- I schen / Ragnitschen und Memelschen Aemb- 
tern umb Fort- || stellung und continuirung des Drucks einmütiglich 
bey || hochgedachter Regierung angehalten / hats doch bald an 
einem / bald am andern mangeln müssen / ohngeacht ichs öf- || ters 
und fast wöchentlich urgiret, auch durch andere nicht mit geringen 
Vnkosten urgiren lassen / bis endlich des Sa- I tans Listen / der sei- 
nem Reich nicht gern einen Abbruch ge- | schehen lässet / gesteuret 
und das Gesangbuch zu Ende ge- || drücket und aufgefertiget wor- 
den.“117a 


Nach der lateinischen Vorrede jedoch hätten die Pfarrer bereits 
»...anno 61. Supremum Magistratum...“ um Beschleunigung 
des Druckes gebeten':”. 

Ein interessantes zeitgenössisches Urteil über die Arbeit 
Kleins und einiger seiner Helfer haben wir in dem Buche „Der 
Preusche Littauer“ (abgeschlossen 1690) auf S. 115 f., wo Lepner 
sagt: 


17 S. 22. unpagin. 
175 5, 6 unpagin. 


345 


»...Man kan in der Littauschen Sprache fast so zier- || lich poetisiren 
und den Reim beliebt und angenehm || setzen, als in der deutschen 
und andern Sprachen, || welches aus dem auf gnädigstes Begehren 
der I hohen Herrschaft von M. Daniel Kleinen im Jahr | des Heyls 
1666. durch den Druck gemein-gemach- I ten Gesang-Buch genugsam 
erhellet. Was die I neu-gesetzte darin befindliche Lieder betrift, ge- 
fallen || mir sonderlich (welches doch ohne Verringerung || der andern 
geschrieben wird) die Lieder des seel. l Herrn M. Kleinen, wohlver- 
dientgewesenen Littaui- l schen Pfarren zu Tilsit, Herrn Johann Hur- 
telii, || lang und wohlverdient-gewesenen Litt-Pfarren zu N Ragnit; 
Herrn Friderici Praetorii, annoch wohl- || meritirenden Pfarren zu 
Szillen, welcher jetzo Se- I nior ist unter allen Pfarrern in unsern 
Preußi- || schen Litauen. Ingleichen des auch seeligen schon fast vor 
sechs und zwantzig Jahren verstorbenen I Herrn Melchior Schwaben, 
treu-gewesenen Pfar- || ren zu Walderkehmen, welcher ihm seiner 
sonder- || bahren gehabten guten Eigenschaften auch der || Wissen- 
schaft und scharffen Nachsinnen in der |j Littauschen Sprache, ein 
wohl-klingendes Anden- || cken, sowohl bey vielen Nahmhaften Män- 
nern, || als insonderheit bey mir nachgelassen. Es hat || dieser noch 
längeres Leben-würdige Mann, zehn || Lieder in allerhand Nöthen, 
wie auch eines wider den Türcken, wohl poetisch und geistreich, zu 
sin- I) gen, Littausch aufgesetzet, welche ich bey mir ver- I wahret 
halte, und des Druckes wohl werth wä- |] ren, im Fall sich ein Ver- 
leger finden möchte.“ 


Obwohl Klein einerseits von verschiedenen Kollegen und 
Freunden große Sympathie entgegengebracht zu sein scheint, wie 
die der Grammatik und dem Gesangbuch vorangestellten Ge- 
dichte vermuten lassen, so hören wir andererseits doch aber in 
den Akten immer wieder von allerlei Streitigkeiten, in die er 
verwickelt war, und die ihm das Leben erschwerten. 

Nachdem ihm 1662 die Mutter seiner sieben Kinder gestorben 
war, „... verehelichte er sich mit J|un]gf[rau] Annam || Fridrich 
Casseburg Hofgerichts Advocati Tochter, mit djer] || er eine 
Tochter gezeuget .. .“” 

Infolge von allerlei Streitigkeiten, in die Klein in diesen Jah- 
ren verwickelt war, sah sich der Hauptmann von Tilsit veranlaßt, 
am 9. Februar 1664 einen Bericht hierüber an den Großen Kur- 
fürst zu senden, und um eine Kirchenrevision zu bitten. In dem 
Antwortschreiben heißt es, der Kurfürst hätte 


»... vngern vernom- || men daß zwischen der Teütschen vnd || Littaui- 
schen Kirchen so wol Pfarrern l alß Kirchen vätern alda vnordnung 


178 Quandt, MSC 21, S. 62r. 


346 


vnd || Strittigkeiten entstanden, also daß auch || ... prae- || judicir- 
liche Sachen eingerissen...“ Es würde eine Kirchenrevision befohlen 
werden, doch sollten zuvor alle „... Unordnungen vnd Strittig- I kei- 
ten wie auch die eingerissene Prae- I judicia vnd enormitäten in spe- 


cie.. 


aufgezeichnet werden”. 

Es war auch schon lange zwischen Daniel Klein und dem 
deutschen Diakon zu einem Streit gekommen, weil sich Klein 
weigerte, die zum Tode verurteilten Angehörigen der deutschen 
Gemeinde zum Richtplatz zu geleiten und bei der Hinrichtung 
dabei zu sein. Anfang August 1665 hielt es der Hauptmann von 
Tilsit, Abraham von Pudewels, für „hochnötig“, dem Großen 
Kurfürsten zu berichten, daß 


»... Zwischen hiesigen Littawsch[en] Il Pfarren vndt deutschen Diacon 
wegen || wegen || tröstung der Maleficanten allerhandt Contra- I Ver- 
sien vndt misshelligkeiten entstehen, weil | fortmehro Keiner von 
ihnen denen Leuth[en] I welchen Dz Leben Bereits abgesprochen im 
Ambte Bey dem Execution Actu mehr || Beywohnen sondern sol 
negotium I einer dem andern vfbürden vndt von I sich schieben will, 
auß welch ihr vnnötiger || streit dann nicht anders als eitel Ärger- || 
nuss vndt allerhandt Böses nachdenke[n] l Bey dem Gemeinen Mann 
entstehet, || wie dann newlicher Zeit alss ein Manns |] Persohn mit 
dem Schwerdt solte gerichtet |) werden, der Littawische Pfarrer den- I 
selben Biss anden richt Platz Zu begleiten || Zu trösten undt bey der 
aussfuhrung Zu |] sein sich geweigert...“ 


Klein behauptete, er hätte nur die Litauer auf ihrem letzten 
Gange zur Richtstätte zu geleiten, dagegen wäre es Pflicht und 
Schuldigkeit des deutschen Diakons, dieses Amt bei den ver- 
urteilten Deutschen zu versehen. So 


»... hette dahero baldt beregter (!) Armer || Sünder, wann vor dieses 
mahl solches I noch nicht der Caplan auf sich genom[m]en I hätte, 
ohne trost dahin gehen vndt sterb|en] I müssen. Vndt weil abermah- 
len I von denen im Ambt inhafftirteln] Malefi- || canten innerhalb 
Kurtzer Zeit woll I einer, Leider! durch Vrtheil vndt I Recht wirdt 
sterben müß[en], Besorge ich, l daß von denn beeden Geistlichen, 
wegen || ihres vnnötigen Zangs vndt haders, l Bey dem Execution 
Actu, keiner l sich wirdt wollen gebrauchen Lassen .. .“1177 


Doch zeigte sich, daß der deutsche Diakon von der Stadt besoldet 
wurde und nur für die Deutschen der Stadt da war, während 
Klein für den Dienst an den Übeltätern des Amtes von diesem 


27 E,M. 138e 2, Aktenheft: „Wegen Kirchen, und Schul- l wesens in Tilsit“. 


347 


jährlich 20 Scheffel Korn und 20 Scheffel Gerste” bekam, er also 
auch die Deutschen aus dem Amte auf ihrem Todesgange zu ge- 
leiten hatte. . 

Im Herbst 1666 erschien nun auch endlich das „Gesangbuch“ 
mit dem „Gebetbüchlein““'”, zu denen Klein am 7. September 
das lateinische Vorwort schrieb. In diesem Vorwort widmete er 
sein Werk den „Plurimum Reverendis, Praeclarissimis, || Reve- 
rendis Qvoq[ue], Eximiis Atq[ue] || Doctissimis || Viris, || Domi- 
nis Archipresbyteris atq|ue] || Pastoribus omnibus [et] singulis 
distrietuum || Insterburgensis, Tilsensis, Ragnetensis, Meme- || len- 
sis [et] Labiensis in Prusia nostra Litvanicorum, || Dominis, Fau- 
toribus, Confratribus [et] Amicis || omni observantiae [et] hono- 
ris cultu aeta- || tem proseqvendis...“ 

Von den 234 litauischen Liedern und liturgischen Texten sind 
38 mit dem Namen Daniel Kleins versehen, also sicher seine 
Arbeit, während 70 Lieder Namen seiner Kollegen zeigen'”. 

In der lateinischen Vorrede spricht Klein von der Bedeutung 
des geistlichen Gesanges für die seelische Erbauung, doch den 
Litauern fehle ein neues Gesangbuch 

»...qvod qvin- || qvaginta [et] qvatuor annorum*:#, qvo editio nulla ! 
iterata, spatio exemplaria cantionum fer® omnia || ita distracta [et 
usu diuturno detrita sint, ut pluri- l mi Praecentores [et] nonnulli ex 
ipsis qvoq[ue] Pastori. Il bus coacti fuerint descriptis [et] haut rarö 
falsissim& l descriptis exemplaribus uti.. .“1182 
Die vielen Fehler des alten Gesangbuches verlangten eine Neu- 
bearbeitung; aber vieles könne man nicht sogleich verbessern, 
um die Einfältigen nicht zu verwirren. Hier möge die Zukunft 
vollenden, was jetzt begonnen wurde: „...in futurä, si super- || 
stites nos voluerit Coeleste Numen, editione Ca- || techeseos, 
Evangeliorum, Epistolarum [et] S. Hi- || storiarum sectabi- 
mur...“® Da man nicht nur im Liede mit Gott spräche, sondern 
auch im Gebet, wäre dem „Gesangbuche“ ein „Gebetbüchlein“ 


117 7u den Maßen siehe oben, S. 60f., 72, 3 u. ö. 

1170? Den genauen Titel siehe Gerullis, Skait., S. 300 f. und 308 f., sowie V. Bir- 
ziSka, Liet. Knyg. Ist. Bruozai, S. 47. 

1180 Dje genauere Verteilung siehe oben, S. 336 und 344. 

1181 Also Sengstocks „Giesmes...“ von 1612. 

182 5, 4 unpagin. 

1189 5, 5 unpagin. 


348 


beigegeben. Die Mühe und sorgende Mitarbeit der Kollegen an 
diesem Werke verpflichte ihn dazu, es ihnen zu widmen. Schließ- 
lich fordert Klein zum Gebet auf, daß durch die Gnade Gottes 
und die Wohltat des Kurfürsten „...aliqvando Sacer Codex || 
Vet[eris] [et] N[ovil Testamenti in nostra qvoq[ue] Litvanis 
ver- || nacula lingvä legi, [et] täm varia ex mente ipsorum || [et] 
pro captu cujuslibet Metaphrastae"* [et] sacrorum || Doctoris 
sine [et] contra plerung[ue] mentem Spiri- || tus S[ancti] [et] 
genuinum sensum cessare possit inter- || pretatio ...“*'* 


In dem deutschen Vorwort: „Nothwendige || Vorrede und Be- 
richt an || den leser““* spricht Klein wieder von der erbaulichen 
Wirkung der Kirchenlieder, berichtet von seinen Bemühungen, 
seinen litauischen Zuhörern diese Lieder ‚von Vers zu Vers“ zu 
erklären und füllt schließlich zehn Seiten nur mit Beispielen von 
Fehlern, die diese litauischen Liederübersetzungen aufwiesen! 
Er spricht von seiner Arbeit, von der Revision durch seine Kol- 
legen und von dem Kummer, den ihm „Neid und Mißgunst“ be- 
reitet hätten. Der Leser würde aber selber merken, wieviel Mühe 
dieses Werk gekostet habe, 

„...und wie man gar behutsam mit emendirung || der alten Gesänge 
verfahren müssen / dergestalt / damit die in || geistlichen Sachen gar 
einfältige Littauen nicht zu sehr ver- l wirret würde[n]. Darumb man 
die ihnen sehr bekante und gemei- I ne Lieder / insonderheit auff die 
Festtage gar wenig (nur da || zu handgreiffliche Fehler gewesen) ge- 
ändert und ändern || dürffen. Doch ist eine gewisse Abmessung der 
Syliben und || einige Reimung / auch richtiger Verstand eingeführet 


WOL- I den; daß sie dennoch numehro eine bessere ähnligkeit nach I 
der Poeterey haben...“ 


wie das ein Vergleich mit den Liedern des alten Gesangbuches 
zeigte"”. Auch die deutschen Kirchenlieder wären nicht gleich 
vollkommen gewesen, und erst später verbessert worden, wie die 
von ihm angeführten Beispiele zeigten. Derjenige Kollege aber, 
der dieses neue Gesangbuch nicht in seine Kirche einführen 
wolle, möge sehen, „... wie ers || für GOtt und der Landes hohen 
Obrigkeit werde verantwor- || ten können.“ 


1184 Übersetzer. 

1185 5, 7 unpagin. 

1180 Ab S. 9 unpagin. 
1187 5, 23 unpag. 


349 


Klein sagt ausdrücklich, er hätte die Gebete des „Gebetbüch- 
leins“ nicht 


„»... denen geüb- I ten Lehrern / und in der Littauschen Sprache wol- 
erfahrnen I) Predigern und Pfarrherrn / die es vielleicht besser machen I 
könten...“ vorgeschrieben, sondern „... denen einfältigen und un- 
erfahrnen / der || Littauschen Sprache nicht mächtigen / denen Kir- 
chen- || schulmeistern / die sich derer in Abwesenheit ihrer Pfarrer 
nützlich / wie ich verhoffe / gebrauchen könten / wie ich (!) auch de- 
nen sämbtlichen Teutschen Haußvätern auff dem Lande.“ Diejenigen, 
die auf dem Lande wohnten, könnten die Gebete „...zu Hauß lesen / 
und ihrem Gesinde || vortragen. || Auch wäre zu wünschen / daß an 
stat seel. H. Bretkii || eine vollkommenere Lehr- und Trostreiche Postill 
aus käme / || damit ein Haußvater auch sein Haufkirchlein nicht allein 
mit || Singen und Beten; sondern auch mit Fürlesung des Heil. || Evan- 
gelii und dessen Erklärung / bey weit abgelegenen Oer- || tern und 
schwerem bösen Wege / haben und halten möchte. I Aber ich weiß / 
was mir dieses kleine Werck wegen des abge- I legenen Druck und 
der Neider Boßheit für grosse Schwie- || ziskeit / Mühe und Unkosten 
verursachet hat. Bitte an- || dächtiger und Gott-ergebener Leser / da- 
mit GOtt unter den || hohen Häptern einige gnädigst erwecken wolle / 
welche sich || dieser heiligen Nohtdurfft hertz- und getreulich anneh- 
men / || und zuforderst den lieben Catechißmus / nebenst den Evan- 
gelien und Episteln-Bücherlein / die auch alle bereits ver- || brauchet / 
und davon fast keine exemplaria mehr in unsern || Händen verhanden 
sind / zum Druck ehestes beschleunigen || möchten. Alsdenn könte auch 
das Lexicon / die Postill und I endlich das Testamentum Novum [et] 
Vetus in folge der Zeit || fürgenommen und zu Ende gefertiget wer- 
den...“118, wie dieses ja auch in dem bekannten Kirchenrezeß den- 
jenigen Pfarrern zur Pflicht gemacht würde, „...so der Littauschen 
Sprachen recht kündig und mäch- || tig...“ sind:##®, nämlich sie soll- 
ten „...auch die Littausche || Postill seel. Herrn Johannis Bretkii in 
etwas ver- || mehren und verbessern / oder gar eine gantze neue ge- 
schickte an den Tag geben; Darnach wird auch be- || funden / daft 
fast wenig und keine Exemplaria von || den Littauschen Catechismus 
und Gesangbücher zu I kauff mehr verhanden / und auch das Gesang- 
al nach dem Teutschen nicht complet und vollkommen / I sondern 
viel Gesänge darinnen mangeln / welche aber ISstne Pfarrer / wie 
wirs selbst gesehen / gar gut I vertiret und schrifftlih an der Hand 
haben. So || sol es denselben auch hiemit demandiret und anbefoh- 
len seyn / daß sie solche Gesänge nebst der Gramma- || tic in der 
revision deß Neuen Testaments mit sollen || produeiren und exhibiren / 
damit sie auch zugleich || könten übersehen und zum Druck übergeben 
werden...“ 


1188 5. 26f. unpagin. 
1188 Sjehe oben, S. 332. 


350 


Zum Schluß fordert Klein den Leser zum Gebet zu Sal auf, er 
möge diesen Vorhaben Erfüllung schenken. 


Es folgen die üblichen Gedichte der Freunde des Verfassers, 
in denen sie ihn und sein Werk der Zeitmode folgend mit mög- 
lichst hochtrabenden Worten verherrlichen": so wartet der uns 
nun schon bekannte Werdener Pfarrer, Wilhelmus Martinius, 
gleich mit drei Gedichten, einem hebräischen und zwei lateini- 
schen auf. In dem hebräischen Gedicht sagt Martinius, daß „der 
Glanz unter den Sängern, Daniel Klein“, dem Volke neue Lieder 
geschenkt hätte, wofür er den Lohn von Gott und ewige Freude 
ernten werde. 


Es folgt das oben, S. 330 f., schon behandelte lateinische Gedicht 
„Ad plebem || Lithvanicam“ und ein lateinischer Vers „Ad Mo- 
mum“, den Gott des Tadels, in dem sich Martinius gegen die 
„Neidhammel“ Kleins wendet. Jacob Pusch, Pfarrer zu „Aula- 
wehnen““*, dankt Gott in einem deutschen Gedicht, daß Klein 


..so eigentlich || Vnd dieser Sprach‘ ul / gebracht in schöne 
en j| Die Lieder und Gebet.. ; ihn hätte „...diß wehrte 
Werck gantz durch und |) durch are 


„Fridericus Wittichius, || Pastor Titremien Coetüs |] Regiomon- 
tanus““”, preist Klein in einem lateinischen Gedicht vor allem 


1100 S, 29 ff.unpagin. 

1191 Jacob Pusch, 1622 geboren; Matrikel wegen Häufigkeit des Namens nicht 
bestimmbar, wurde bereits 1647 Pfarradjunkt bei Johann Fuchs in Aulo- 
wönen, wie Arnoldt richtig vermutet, 1654 aber dessen Nachfolger. Er 
heiratete eine Anna von Sanden. Als 1666 Klein gestorben war, bat sein 
Schwager, M. Bernhard v. S., den „Obermarschall“ in einem Schreiben 
vom 1. 12. 1666, daß Pusch die freie Stelle gegeben werden möchte, da 
er in Aulowönen „...mitt seinem heufflein Kindern schlechte bequem- 
lig- || keitt hatt: heard Von solcher geschickligkeit, fertigkeit in der |] 
littawschen als seiner muttersprache, und gutten gaben ist, I dass Er ge- 
dachter Tilsischen Gemeine mitt ihrem grossem auff- || wachss vergnüg- 
lich vorstehen Köndte...“ (E.M. 138e 2). Doch kam Pusch 1667 als deut- 
scher Diakon und een Pfarrer nach Ragnit. Starb am 16. 11. 1671. 
Über seinen Leichenstein, den ihm seine Gattin, geb. v. Sanden, gesetzt 
hat, siehe Quandt. (Arnoldt, Nachr. II, S. 86 und 127; Quandt, MSC 21, 
S. 6v und 81r.) 

Friedrich Wittich, geboren 9. 7. 1631 in Angerburg Pr. wo sein Vater, 
Friedrich W., Kammeradjunkt war. Seine Mutter, Barbara, war eine geb. 
Jäckel. Er besuchte zunächst die Schule seines Vaters, darauf ab 1641 drei 
Jahre die Provinzialschule zu Lyck, dann bis 1647 die Altstädt. Schule 


B 


351 


dafür, daß er sich durch die „verzehrenden Bisse des Neides“ 
nicht abhalten ließ, „Litvano... gregi“ die frommen Gesänge zu 
bringen. M. Jacobus Reich“® endlich sagt in einem lateinischen 
Gedicht, daß die Arbeit Kleins schöner und dauerhafter sei als 
prächtige Paläste aus Marmor usw. In einem deutschen Gedicht 
preist er Klein als Schöpfer der Grammatik, des „Gesangbuches“ 
und betet zu Gott um Gesundheit und langes Leben für Klein, 
damit dieser noch eine litauische Bibel vollenden könnte"*. 

Am 7. September 1666 hatte Klein das lateinische Vorwort 
zum „Gesangbuch“ geschrieben, bereits am 22. November rührte 
ihn der Schlag, worauf er am Sonntag, den 28. November, ver- 
starb. 

Am gleichen Tage noch wandte sich der Hauptmann von 
Tilsit, Abraham von Pudewels, an Johann Dietrich von Tettau, 
Kanzler und Oberregierungsrat, und meldete ihm Kleins Tod. 
Weil aber 

»...leichtlichen Zuermessen, wie viel || vnterschiedliche persohnen, bey 
Churfl. Re- a vmb diesen dienst werden anhalten, hin beliebe 
aber, Ewer herrligk[eit] hierbey Zu- || betrachten, dass diese ledige 
stelle, mit einem || qualifieirten vnd friedliebendem Subjecto, || |: an- 
merckende, die herren Geistlichen hiesiges l orts, Zuvor nicht aller- 
dings vntereinander I sich vereinigeln] können ;|...“ 
besetzt würde. 
Er bäte um Michael Engel zu Piktupönen, 


„»... durch welchen mann, was l bey der Littawischen Gemeine, dess 
verstorbenen I) Alters halber verabsäumet, hoffentlich wied[er] l ge- 
bessert vnd erneuert...“ 


machen könnte‘, 
Der Rektor und Senat der Universität Königsberg ließen eine 
Leichenpredigt „Programma || : Memoriae || Viri Reverendi et 


zu Königsberg; darauf „...ging er ein Jahr nach Kaidan die Litthausche 
Sprache || zu .erlernen....“, anschließend auf das Gymnasium nach Dan- 
zig. Wurde 17. 3. 1649 in Königsberg inskribiert: „-Fridericus Wittich, 
Angerburgensis Borussus, iur...“, wurde am 20. 9. 1658 ebenda ordi- 
niert und am 22.September des gleichen Jahres in die Königsberger litaui- 
sche Kirche auf dem Sackheim eingewiesen. Starb am 23. 9. 1662. (Ar- 
noldt, Nachr. I, S.23; Quandt, MSC 18, S. 112v f.; Erler, Königsb. I, S. 511.) 

1193 Sjehe oben, S. 327 Anm. 1113. 

1192 Sjehe oben, S. 327. 

1185 WM, 138e 2. 


352 


Clarissimi, || D[omi]ni || M. Danielis Kleinii, || Pastoris Ecelesiae 
Lithvanicae || Apud Tilsenses || Vigilantissimi...“ drucken“®, 


Nach Quandt” befand sich noch zu seiner Zeit (Mitte des 
18. Jahrhunderts) in der Tilsiter litauischen Kirche ein lebens- 
großes Bildnis M. Daniel Kleins mit lateinischen biographischen 
Angaben auf dem Rahmen. 


Der Korrektor X.. 


Der Korrektor X, hat sich mit ca. 22 Verbesserungen am 
wenigsten an der Korrektur der Bibel beteiligt. Er hat nur Mat- 
thäus und Markus bearbeitet. Seine Eintragungen in glatter, die 
Rundungen durch besonderen Druck betonenden Kursive stechen 
deutlich von den übrigen Eintragungen in anderen Handschriften 


ab (Abb. 58—60, T. XX VII, desgl. Abb. 20 u. 27). 


Für X, ist charakteristisch, daß er seine Korrekturen sehr 
sporadisch anbrachte, und zwar begann er immer erst gegen die 
Mitte eines jeden der beiden genannten Bücher. So findet sich 
auf den ersten 57 Textseiten des Matthäus (im ganzen 129) keine 
Korrektur. Die erste Verbesserung steht auf der 58. Textseite. 
Die neun Verbesserungen im Matthäus-Evangelium befinden sich 
also auf den restlichen 71 Textseiten. 


Ähnlich im Markus-Evangelium: Die erste Korrektur finden 
wir auf der 23. Textseite (im ganzen 76 Seiten), so daß die 
13 Korrekturen in Markus auf den letzten 54 Seiten stehen. 


Soweit die wenigen Sprachproben erkennen lassen, hat X, 
gut Litauisch gekonnt. Die polnische Bezeichnung der Erwei- 
chung von g und k vor e fehlt, was dafür spricht, daß X, sein 
Litauisch in deutschem Kulturgebiet lernte. 

Der Schriftvergleih führt mit großer Wahrscheinlichkeit 
auf Johannes Gedkant, von dem das Königsberger Staatsarchiv 
außer einem eigenhändig geschriebenen Brief in deutscher 
Sprache vom 4. August 1603""* noch zwei Unterschriften besitzt, 
und zwar eine unter dem Brief an den Herzog vom 10. Oktober 


1100 Staatsarch. Königsb.: Biblioth. 274%, S. 877 ff. 
1197 MSC 21, S. 63r. 


us F.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthausche Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/4, 54 Blatt“, Bl. 19. 


23 Falkenhahn, Bretke 353 


1592:® (Abb. 61 und 75) und eine andere in einem der Tilsiter 
Rektor betreffenden Aktenstück””., 


Der Schriftvergleich wird sehr erschwert, weil der einzige 
Vergleichstext, der genannte Brief — außer den bei Gedkant be- 
sonders förmlichen und unpersönlichen Unterschriften — in deut- 
scher und lateinischer Schönschrift geschrieben ist (Abb. 62—64), 
doch treten die gleichen Züge sowie der gleiche Duktus mit der 
durch Druck betonten Rundung sowohl in den Korrekturen des 
X, wie auch in dem Briefe hervor. Daß der Text des Briefes von 
der gleichen Hand stammt, die den Namenszug darunterschrieb, 
also von Gedkant, zeigt das Original einwandfrei. Andere Hand- 
schriften, die sich nach sorgfältiger Prüfung für die des Korrek- 
tors halten ließen, sind nicht gefunden. 


X, ist somit höchstwahrscheinlich Johannes Gedkant. 


Johannes Gedkant. 


Der Name ist in verschiedener Schreibung überliefert, z. B.: 
„Thomas Georgius Giedkonti“ (N. 1550)*%, „Jvrgi Giedkont“ 
und „Thomasz gedkont“ (N., im Zinsregister um 1561)"”, „Jo- 
hannes Gedkantus“ (1578)”®, „Johannes Gedkantus“ (1603)'*, 
„Johannes Gedkantus““”. Von anderen, die Johannes Gedkant 
persönlich kannten, wird er wie folgt geschrieben: ‚Johannes 
Jedkandt“ (Z. Blothno d.J. 16. Januar 1601)" und öfter „Johan- || 
nes Gedtkandt“ (Michael Wendt, Ragniter Amtsschreiber, 15. Fe- 
bruar 1618 und öfter)‘, „Johannj || Gettkanten“ (der gleiche, 


1» E,M. 72f., Aktenheft: „Joh. Bretkius“; siehe oben, S. 115. 

1200 F,M. 138ee, Aktenheft: „Rectores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“. 
Kein Bild, weil die Unterschr. nichts Neues bietet. 

1201 Erler, Königsb. ], S. 11. 

1202 Ostpr. Fol. 911a 37, „Register Jvrborski y Nowowolski“, S. 83v, 987 und 
öfter. 

1208 Erler, Königsb. I, S. 65. 

1204 E,.M. 72f., Aktenheft: „Die Litthausche Pfarrstelle in Königsberg betr. 
1603/4. 54 Blatt“, Bl. 19. Unterschrift unter dem Brief an die Regiments- 
räte, 

1205 BE,M. 138ee, Aktenheft: „Rectores bey der Provincial-Schule zu Tilsit“. 

1206 F,M. 118ee, Aktenheft: „Stadt Ragnit. Kirche und Schule 1576. 1601“, 
Bl. 13. 

1207 EM. 118ee, Aktenheft: „Die litthausche Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600, 
1618“, Bl. 18. 


354 


14. März 1618)” usw. Erinnert sei auch an die Form „Johan- 
ne[m] Gedecantum“ in dem Briefe der Herzoglichen Kanzlei in 
Königsberg vom 20. November 1592 (siehe unten, S. 358). 

Der Name lautet heute litauisch „Gedkantas““®, ist aber be- 
reits 1402 und 1411 belegt, wo ein „Getkant“ in Ragnit das eine 
Mal als Kure, das andere Mal aber als „Schalwe“ bezeichnet 
wird." 

Der Vater unseres Johannes Gedkant, Thomas Gedkant, 
stammte aus litauisch-polnischem Kulturgebiet, denn er sprach 
und schrieb gut polnisch. Wie Thomas Gedkant angibt, gehörte 
er zum Adelsstande; sein Großvater hätte ein Gut „Kaulakiski“ 
besessen und wäre Bojar (eques) gewesen”. Die Eltern Thomas 
Gedkants lebten in „Medniki“ (Medeninkai), heute Varnai, wo 
der Vater, Georg, einen freien Krug (domum et tabernam libe- 
ram) besaß”; er hatte auch, genau wie sein Sohn Thomas, in 
Nowa Wola (Wirballen) Besitzungen (siehe weiter unten). Somit 
gehörte auch unser Johannes Gedkant zur Szlachta. 

Bezeichnenderweise schreibt der aus dem polnisch-litauischen 
Kulturbereich kommende Thomas seinen Namen „Giedkonti“ 
und „giedkont“ neben später auch „gedkont“, also gibt er die 
Erweichung des g vor e in polnischer Art wieder; sein Sohn 
Johannes aber, der bereits in Preußen geboren ist und unter 
deutschem Kultureinfluß aufgewachsen sein dürfte, schreibt sei- 
nen Namen stets ohne Erweichung: „Getkantus“, wie das erwei- 
chende i ja auch in den Korrekturen des X, fehlt. 

Thomas Gedkant wurde am 17. Juli 1550 in Königsberg 
immatrikuliert'”®. Bei ihm ist keine Inskriptionsgebühr ange- 
geben, während sonst meist 5 und 10 Groschen, einmal aber gar 
25 Groschen gezahlt wurden. Es fehlt die Angabe, warum. 

Nach einem Studium, das höchstens 5 Jahre gedauert haben 
kann”“, bekam Thomas Gedkant die Pfarrstelle in Schirwindt. 


1208 Signatur wie Anm. 1207, Bl. 16. 

1200 Gerullis, „Mosvid“, S. XXXIX. 

1210 Mortensen, Wildnis, S. 68. 

1211 orstreuter, Arch. f. sl. Phil., Bd. 7 (1950), S. 131. 
1212 Forstreuter, 1.c., S. 130. 

12213 Frler, Königsb. I, S. 11. 

1214 Bezüglich der Studiendauer siehe oben, S. 46. 


23* 355 


Wahrscheinlich heiratete er im gleichen Jahre, da 1556" sein 
Sohn Johannes Gedkant in Schirwindt geboren wurde”, 

Der Ort liegt unmittelbar an der preußischen und damaligen 
litauisch-polnischen Grenze an der Scheschuppe auf preußischer 
Seite, etwa 2 km von Neustadt, litauisch Naumiestis, und 20 km 
nördlich von Nowa Wola — heute litauisch Virbalis — entfernt. 
Dort verlebte Johannes Gedkant aller Wahrscheinlichkeit nach 
seine Jugend. 

Die Familie Gedkant in Schirwindt muß verhältnismäßig 
wohlhabend gewesen sein, denn, wie schon angedeutet, besaß 
der Vater unseres Johannes, Thomas Gedkant, zusammen mit 
dessen Vater aus Medeninkai, Georg, und seinem Ragniter Amts- 
bruder, Martin Mosvid, in Nova Wola Baustellen, Garten- und 
Ackerland. Das Zinsregister: „Regestr Jorborski y Nowowolski“, 
das Thomas Gedkant eigenhändig geschrieben hat, und das im 
Staatsarchiv aufbewahrt wird“, führt bei einer ganzen Reihe 
von Grundstücken neben „Moswid“ den Großvater „lurgi gied- 
kont“ (S.98") und dessen Sohn, „kxigz Thomasz gedkont“ (S. 83”) 
sowie beide zusammen: „Jorgi giedkonth s synem s kxiedzem 
Thomassem“ (S. 107°) als Besitzer an. Unser Johannes Gedkant 
erlebte in seiner Kindheit die Verfolgung der Protestanten in der 
Heimat seines Vaters durch die Katholiken, wenn auch nicht un- 
mittelbar am eigenen Leibe: als er etwa vier Jahre alt war, ker- 
kerte der Bischof von Zemaiten seinen Großvater in Medniki ein 
und vertrieb seine Großmutter, weil er gehört hatte, daß deren 
Sohn Thomas in Preußen protestantischer Geistlicher wäre, und 
sie sich seinen Schikanen nicht fügen wollten. Der Vater, Tho- 
mas Gedkant, wandte sich deswegen 1560 mit der Bitte an den 


215 E,M. i1ee, Aktenpack: „Die litthausche Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600, 
1618“, Bl. 18f. Michael Wendt, Amtsschreiber zu Ragnit, schreibt am 


15. 2. 1618 an den Kurfürsten, daß „... Johan- I nes Gedtkandt... I 
... Jnseinem Jezigen 62: I Jährigen Alter...“ erkrankt sei. Der gleiche 
ebenda am 23. 4. 1618 an den Kurfürsten, von „... Johannes Gedtkandt l 


welcher sein 63 Jahr erreichet...“. 

' 216 In das Königsberger Matrikelbuch wird er als „Schirwintensis“ eingetra- 
gen. Siehe bezüglich der Eintragungen oben, S. 2. 

1217 Ostpr. Fol. 911a, 37; Gerullis, Arch. f. sl. Ph., Bd. 40 (1927): „Archivalische 
Hinweise auf die Beziehungen preussisch-litauischer Reformatoren zu 
Polen“, S. 121, und Forstreuter, Zeitschr. f. sl. Phil, Bd. 7 (1930): „Die 
Herkunft preussisch-litauischer Reformatoren“, S. 129 ff. 


356 


Herzog, beim Zemaitischen Bischof für seine Eltern einzutreten?**, 
Was in der Folgezeit daraus wurde, ist unbekannt. 

Der Vater unseres Johannes Gedkant wurde 1561 bei der 
Übergabe der vom polnischen König Siegmund-August an Her- 
zog Albrecht verpfändeten Städte Georgenburg und Nowa- Wola 
als Vermittler und Zeuge herangezogen”, und zwar sicherlich, 
weil dieser die nächste gebildete Person war, die polnisch und 
deutsch konnte. Somit dürfte J. Gedkants Vater dreisprachig ge- 
wesen sein. 

Am 3. Mai 1563 wird in einem: Schreiben an den Hauptmann 
zu Ragnit gesagt, daß der „Pf. zu Schirwindt Giedcant[us]“ um 
ein Stück Wald gebeten hätte‘, 

Thomas Gedkant muß in den Jahren zwischen 1566 und 
1569 — also, als sein Sohn Johannes höchstens 13 Jahre alt 
war — in Schirwindt gestorben sein, denn 1563 und Juli 1566 
war er nach Arnoldt””* noch dort im Amte, doch in dem Verzeich- 
nis der Personen des Amtes Ragnit, die dem Herzoge am 31. Ja- 
nuar 1570 „...gehuldet (!) vnd geschworen ...“"”” haben, heißt es: 

„Die Pfarsche Zur Schirwi[n]tte, hatt ein guttlein ist withwe 

der Kinder noch keines Mundigk“, 
was offenbar die Mutter Johannes Gedkants war. 1579 unter- 
schrieb ein „Marttinus Heidmanus pastor schirwintensis...“ die 
„Concordienformel‘“”®, 

Johannes Gedkant wurde am 4. April 1578 im Alter von 
22 Jahren, also recht alt, in Königsberg mit folgender Matrikel 
inskribiert: „Johannes Gedkantus, Schirwintensis gr 10.“ Die 
Gebühr von 10 Groschen ist damals der durchschnittlich für die 
Immatrikulation gezahlte Betrag. 

An einer anderen deutschen protestantischen Universität hat 
Gedkant, nach den veröffentlichten Matrikeln zu urteilen, nicht 
studiert"”*. 1578 trat er bereits in den preußischen Kirchendienst, 


1218 Forstreuter, 1.c., S. 130 f. 

1218 Gerullis, 1.c., S. 123. 

1220 Quandt, MSC 21, S. 87r. 

1221 Nachr. II, S. 130. 

1222 Ostpr. Fol. 513 II, S. 275r. 

1223 Seite 18r, 

1224 (jntersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln von: Frankfurt a. O,, 
Erfurt, Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Leipzig, Mar- 
burg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. - 


357 


jedenfalls sagt der Ragniter Amtsschreiber Michael Wendt in 
einem Briefe vom 14. März 1618 an den Kurfürsten”*: 

„Hierr] Johan Gedt- 

kandt“ hätte gebeten, ihm „... AIR in die 40 Jahr 

Eyfrigen Vntadtelhaften Vndt wolverdienten dien 

ner am wort Gottes...“ 
für sein Alter den nötigen Unterhalt zu schaffen. Wie aus dem 
Text des Briefes hervorgeht, schrieb Wendt nach einem Besuch 
bei dem vom Schlage gelähmten Gedkant; am 23. April 1618 
teilte Wendt dem Kurfürsten mit, Gedkant hätte sein 63. Jahr 
erreicht „vndt der || Kirchen 40 Jahr gedienet ...“”” Da Angaben 
dieser Art in amtlichen Schreiben meist genau zu sein pflegen, 
bleibt nur die Erklärung, daß entweder Gedkant bereits sein 
Studium als Dienst an der Kirche auffaßte, was aber ungewöhn- 
lich wäre, oder er hat in Königsberg nur ganz kurze Zeit gehört 
und dann Examen gemacht, nachdem er sich irgendwo dazu vor- 
bereitet hatte. 


Wo Johannes Gedkant damals seinen Kirchendienst begann, 
ist unbekannt. 

Wie die herzoglichen Schreiben an den Amtshauptmann zu 
Ragnit vom 20. September und an Simon Waischnarus, Gedkant, 
G. Musa und Fr. Masalski vom 22. September 1592, sowie Ar- 
noldt'”” zeigen, war ]J. Gedkant 1592 Pfarrer in seinem Heimat- 
ort Schirwindt. In dem Konzept zu einem Briefe. des Herzogs 
vom 20. September 1592 an den Amtshauptmann zu Ragnit wird 
gesagt, Bretke hätte gebeten, zwecks Verbesserung der schwieri- 
gen Stellen in seiner Bibelübersetzung „...etliche in vnserm 
Ambtt Ragnitt der Littauischen sprach erfharnenn Pfarhern... .“ 
zu einer Konferenz nach Ragnit zu berufen. Der Herzog bezeich- 
nete vier Pfarrer, darunter „...Johanne[m] Gedecantum Zu || 
Schirwinten ....“. 

In dem Briefe vom 22. September wird den genannten Pfar- 
rern, darunter J. Gedkant, mitgeteilt, daß sie zur Korrektur der 
Bretkeschen Bibel ausersehen seien und nach der Ankunft Bret- 


1225 E,M. 118cee, Aktenheft: „Die littauische Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600— 
1618“, Bl. 16f. (siehe unten, S. 365 £.). 

1226 Signatur wie Anm. 1225, Bl. 18. 

1227 Siehe oben, S. 114, und Arnoldt, Nachr. II, S. 130. 


358 


kes in Ragnit vom dortigen Amtshauptmann aufgefordert wer- 
den würden, worauf sie sich unverzüglich nach Ragnit begeben 
sollten, und 
dem 

„...mitt Bretkio das opus durch 

lesen, vand in denen phrasibus vnnd wörtern, darinne 

er zweiflich ist, Ihme eurem besten verstandt nach ein- 

rhätig sein...“ 

Gedkant nahm an der Konferenz teil, die bald darauf mit 
der Arbeit am Alten Testament begonnen haben dürfte, doch er- 
wies er sich genau wie seine Amtsbrüder als „... Viel Zu ge- 
ringe, schwach, || vnd vnuormogen Dar Zu“, wie die Teilnehmer 
in einem Briefe an den Herzog vom 10. Oktober 1592 mitteilten, 
nachdem sie die Arbeit bereits aufgegeben hatten”*. 

Von Schirwindt kam Gedkant nach Wischwill, das im Memel- 
land, etwa 22 km östlich von Ragnit, nahe an der Memel gelegen 
ist, wo nach J. Kopp Herzog Albrecht auf einer Reise den Platz 
für die geplante Kirche selbst ausgesucht hat, „durch deren Er- 
bauung er den schnelleren Niedergang des hier noch lebenskräf- 
tigen Heidentums erhoffte”. 

Nach dem Tode des Ragniter deutsch-litauischen Pfarrers 
Simon Waischnarus 1600 sollte J. Gedkant auf dessen Stelle be- 
rufen werden; durch ein Reskript vom 29. November 1600 wurde, 
wie Quandt zu berichten weiß", der Tilsiter Pfarrer M. Hier. 
Mörlin beauftragt, daß 

„...er d[en] Pf. v[on] Wischwill 
Ioh. Gedkand zum Lith. Pf. in Ragnit 


in des verstorben[en] Stelle introdueir[en] sol- 
te.“ 


Zacharias Blothno d. J., der wohl damals sein Studium be- 
endet hatte‘**, erhielt vor Weihnachten — wie aus seinem Schrei- 
ben von Mitte Januar 1601 hervorgeht””” — vom Herzoge münd- 
lich den Auftrag, in Wischwill eine Probepredigt zu halten, was- 
auch geschah. 


1228 Sjehe oben, S. 115. 

1220 „Beiträge zur Chronik des ostpreussischen Grundbesitzes“ I, S. 248. 

1220 Presbyt., Bd. 4 (MSC 21), S. 91v. 

1231 Sjehe oben, S. 273. 

22322 E,M. 118ee, Aktenheft: „Stadt Ragnit, Kirche und Schule 1576—1601“, 
Blatt 13. Brief an den Herzog, beantwortet den 16. 1. 1601. 


359 


Doc wollte J. Gedkant die Stelle in Ragnit scheinbar nicht 
annehmen, jedenfalls schrieb Z. Blothno d. ]. in dem erwähnten 
Briefe Mitte Januar 1601 an den Herzog, daß er auch auf Wunsch 
der dortigen Gemeinde dreimal in „Schwaben“, d.h. Wischwill’”®, 
Probepredigten gehalten hätte und die Gemeinde ihn haben 
möchte, doch 


»... Will#2% aber Johannes Jedkandt 

pfar Zum Schwaben den vacirenden locum Zu Ragnit nicht 
annehmen wollen deswegen, das er ein schwaches haupt 
habe vnd von wegen seiner blödigkeit mit den armen Sün 
dern so alda oft vnd viell Jhrer mißhandelung halben 
anderen Zum exempell, dahin gerichtett werden nicht dabey 
sein Kan, wie er den auch deswegen e.f.Dt. introdu- 

ction befehlich, so an den hn M. Hieronymum Mörlinum 
gegeben abgeschrieben vnd sich weill er den Ragnitschen 
dienst noch niemals begehret, nicht hat introduciren lassen 
wollen...“ 


bäte er, Z. Blothno d. J., um einen Auftrag, dort eine Probepredigt 
zu halten, obwohl er schon oft da gepredigt hätte, und danach 
um den litauischen Pfarrdienst in Ragnit. 


In einem Briefe Zacharias Blothnos d. A. an den Herzog von 
Anfang März 1601, den aber sicherlich sein Sohn für ihn ge- 
schrieben hat"®, dankt er für den Befehl an seinen Sohn, in 
Ragnit die Probepredigt zu halten. Er müsse aber folgendes 
melden: 

»... Erstlichen hatt der pfar vom 

Schwaben Johannes Jedkandt nicht allein dem Heüpt 

man in anredung: sonderen auch dem Magistro Mör- 

lino, die introduction belangendt, abgesagt, wie das mein 
Sohn in seiner vbergebenen supplication gemeldet hatt 

Zum Anderen so hatt er auch die Zugeschickte Vocation 
den 22 Januarij abgeschrieben in vermeldung .allerley vr- 
sachen, das er denselben dienst nicht vorstehen Kundt, wel- 
ches schreiben er dem (!) Schwaben vorgelesen, vnd nach 
Ragnet Zu bestellen gebeten...“ 

In einem erhaltenen Briefe vom 19. Dezember 1600 klagt der 
damalige Amtsschreiber in Ragnit, Johannes Otter, dem „Herrnn 
Albrechten Freyherrnn zu Kittlitz, Fl. dht. h. Zu Preussen vor- 


1238 Karge, Litauerfrage, S. 59. 


1233 Weil. 
1235 Signatur wie S. 359 Anm. 1232, Blatt 14; erledigt den 3. 3. 1601. 


360 


nemsten Regiments Rhatt“, daß alles zur Ordination Gedkants 
bereit sei, doch weder der Pfarrer noch das Amt Ragnit einen 
schriftlichen Befehl hierzu hätte. Er bäte: 

„das ein schrifftlicher befehlt, entweder Jns Ambt- 

oder an denselben Pfarherrn Johannem 

Jedtkant, Zur Wischwill ergehe, damit die 

ordentliche Vocation Voll werde. . .'1238 

Nach Arnoldt"” ist „Johann Gettkandt“ seit dem 22. Dezem- 
ber 1600 in Ragnit. Sicherlich datiert die auf den Brief J. Otters 
erfolgte Berufung von diesem Tage. 

Doch wie aus den eben zitierten Briefen des jüngeren und 
älteren Blothno hervorgeht, hielt Blothno Weihnachten in Ragnit 
drei Predigten, und Gedkant lehnte in einem Brief vom 22. Ja- 
nuar 1601 die Vokation ab. In dem Briefe des älteren Blothno 
von Anfang März 1601 wird weiter gesagt, daß sein Sohn danach 
vom Herzoge eine schriftliche Vokation nach Ragnit erhalten 
hätte und nur auf die Rückkehr des abwesenden Hauptmanns 
warte, um sich dann einweisen zu lassen. Der Amtsschreiber, 
J. Otter, hätte jedoch Gedkant nach Ragnit bestellt, ihn um- 
gestimmt und an den Erzpriester J. Mörlin nach Tilsit geschrie- 
ben, er solle Gedkant einweisen. Blothno d. Ä. legte seinem 
Schreiben an den Herzog die seiner Meinung nach entscheidende 
Korrespondenz in Abschriften bei'**. Zwei Abschriften von Brie- 
fen Mörlins (beide vom 1. Februar 1601) lassen erkennen, daß 
Mörlin im Zweifel war, welcher Befehl gelten solle, und daß er 
eine Entscheidung des Herzogs bewirken wolle. 

Die weitere Entwicklung zeigt, daß ]J. Gedkant nach Ragnit, 
2. Blothno d. J. aber nach Wischwill kam. 

Über die Ragniter Gemeinde und die dortigen Zustände zur 
Zeit Mosvids und Waischnarus’ siehe oben, S.51f., und unten, 
S. 404f. Zur Zeit Gedkants in Ragnit (um 1612) wurden die von 
dem Erzpriester Stimer in Wehlau u. a. unterzeichneten „Puncta 
Nach welchenn sich die Herren pastores || des Ambtts Ragnitt 
in verrichttung Jhres || Anbefohlenen Ambtes verhalttenn sol- 
lenn“, erlassen, in denen folgendes über die dortigen Verhält- 
nisse gesagt wird: 


1236 Signatur wie S. 359 Anm. 1232. 


1237 Nachr. II, S. 126. 
1238 (Genaueres oben, S. 273. 


361 


(Seite 85V) 
»...5 Weill viel deutsche im Ambt Wohnen erfordertt 
die Nohtt dass wo derselbenn etzliche verhanden 
der Pastor bissweilen einen Kurzen deutschen 
sermon Thut...“ 
»...8 Es befindet sich auch offt dass die Littawenn 
gar Zu Nehe ins geblüt vnndt Zu Jungk 
freyenn, derowegenn darauff die pastoren 
sollenn gutte Achtung haben, vnndt es Jnn- 
sonderheit Keiner Mannspersonen gestatten 
dass er frye, er sej dan seine 20 Jahr...“ 
»...10 Bier vndt Brandtweinschanck in der Widdem ist 
den pastoribus alss ihnen ein vngebührliche vnndt 
vnehrliche handtirung verbotten ... “123% 


Die litauische Gemeinde in Ragnit muß recht stark gewesen 
sein. Wie der Ragniter Amtsschreiber Michel Wendt in seinem 
Brief an den Kurfürsten vom 23. April 1618'*° mitteilte, waren 
die fast 1100 zur Ragniter Kirche gehörigen Hufen mit Litauern 
besetzt. Quandt gibt zu „Johann Götkand“" außer einigen Un- 
richtigkeiten wohl richtig an, daß der Pfarrbereich J. Gedkants 
noch das 17 km südlich von Ragnit gelegene Schillen mit um- 
faßte. Der ganze Passus, der sich im 4. Band der handschrift- 
lichen Presbyteriologie auf Seite 77’ befindet, lautet: 


„1600. Johann Götkand 

vix[ilt ad huc. 16121222 

Archi Presb [et] Pastor Germanico-Lithav[us] 
Hic primus fuit, qui ob coetus amplitudinem 
Cantorem Regnetensem Dn. Glocenium in 
cooperatorem ordinari passus est, dietus [que] 
Saltim ordinatus Cantor Quoniam enim 

omnes Zillensis eccle[siae] pagi t. t. eccl[esiae] 
Ragnetensi suberare, impossibile fuit 

uni Pastori simul [et] Teutonib[us] [et] 
Lithavis inservire; p[ro]plter| ea Teutonum prece et 
ope hic cantor ordinatus [et] sustentatus est, 

ut aliorsum proficiscente [et] non vacante 
Dnot2% ordinario, interim Ragnetensib[us] mini- 


1239 Ostpr. Fol. Nr. 317, Hausbuch des Amtes Ragnit Nr. 1. 

220 E.M. 118ee, Aktenheft: „Die litthauische Pfarrstelle zu Ragnit betr. 
1600—1618“, Bl. 18. Siehe unten, S. 366 f. 

1241 Staatsarchiv Königsberg, MSC 21. 

1222 J,ebte noch 1619, siehe unten, S. 367. 

1243 Dominica? 


362 


straret Cantor. S.1?% Tochter Barbara hat 1642 
Joh. Löbel Past zu willuhfnen] geheyrathet.“ 

In den ersten Ragniter Jahren erlebte Gedkant viel Unglück: 
1602 raffte die Pest seine Frau und fast alle Kinder dahin. 1603 
wurde er von einer Feuersbrunst heimgesucht. 

Im Juli 1605 wandte sich das Konsistorium an Gedkant und 
bot ihm die seit Bretkes Tode verwaiste litauische Pfarrstelle in 
Königsberg an’. Gedkant lehnt jedoch ab. Seine Antwort ist 
der einzige erhaltene zusammenhängende Text von seiner Hand. 
Da dieser Brief des damals 47jährigen Gedkant von seinem Le- 
ben berichtet und seine Individualität erkennen läßt, sei er wört- 
lich mitgeteilt: 

(Seite 19r)4248 
„Wolgeborner, Gnediger, Gestrenge Edle Vndt 
Ehrenuheste Herren, Nach erbiettung meiner schul- 
digen Dienste Vndt gehorsambs, Kan E.G.G. 
Vnndt E Auf deroseben (!) Jn gnaden An meine 
gringe person getune (?) praesentation Schreiben, ich vnter- 
tehnigst nicht vorenthalten, Daß ich die geschehene prae- 
sentation Meinen Anbefohlenen Kirchspiels Kindern 
Angemeldet, Die selben haben mit erinnerung Aller 
handt mir erzeigeten Wilferikeit Vndt sonsten mich 
gebeten, Daß ich sie nicht verlassen, Sondern Da ess 
Gottes Wille were, Mein Leben bey Jhnen beschlissen 
wolte, Mitt erbiettunge Daß sie meine besoldunge ehe 
sie meinen (?) (ohne Ruhm Zumelden wolten entrahten) 
Verbessern Vnd semptlich An E.G.G. Vndt E. 
meiner person Halben schreiben wolten, Wen ich den 
bekennen muß Dass Da Vnser Lieber Herr Gott, 
Vorm Jahr, mich mit einem schweren Creutz Heimgesucht 
Jn dem er mein Liebess weib Vndt fast Alle Kind[er] 
Von Dieser weldt Abgefördert mich selbsten Auch 
mit Der Abbscheülichen seuchen Der Pestilentzen An- 
gegriffen Deß brantschadenss so ich Auch neulichen Zu- 
Rangnitt erlitten Zugeschweigen mir Von meinen 
Kirchspiels Kindern große hulffe vndt trew 

(Seite 19v)1236 
Erwisen werden (!), Zu deme auch ich nunmehr ein 
Zimliches hohess Alter Auff mier habe, das ich 


1244 Seine. 

1235 Sjehe oben, S. 136 Signatur: E.M. 72, Aktenheft: „Die Litthausche Pfarr- 
stelle in Königsberg betr. 1603/4. 54 Blatt“. 

120 Seite im Aktenheft. 


363 


mir nicht getrauwet, weil mir Die Krefte abge- 
leget, Dagegen Aber Die Fürst[liche]: freiheiten 
woselbsten Der Meiste theil Littawen Wonet gross 
Vnd weitleufftigk die Kranken nach Nodturfft 
Zubesuchen Aldz Sage E.G.G. Vndt E. ich 
Vor die geschehene presentation Vnttertehnigst hohen 
Danck Demutigst bittende dieser meiner eingewand- 
ten entschuldigunge in gnaden staht Vnd raum Zugeben 
'Solches gegenst Dem Lieben Gott Vor 
E.G.G. Vnd E. gutte vndt bestendige 
gesundtheit, Auch gluckliche Vndt friedliche regierunge 
Zuüerbitten, Will ich immer (?!) Vorgesen. 
Datum Rangnitt Den 4 Augustij Ao 1603 
EGCG Vndt E. 
Vntter (!) Dienst willger 
Johannes Getkantus 
Littawischer pfarrer 
daselbst. 
(Seite 20v) 
Dem Wolgebornen Gnedigen Gestrengen Edlen 
Vnndt Ehrenvehsten, Verordneten Regenten 
Deß Hertzogthumbs Preussen Meinen gnedi- 
gen Vnd gebittenden Herrn.“ 


Gedkant heiratete in den nächsten Jahren wieder, denn 1618 


hatte er ein „...Armes weib Vnndt 4 vnerzogene Kinder- 
lein...“””, um deren Zukunft er sich sorgte. 


Nach Arnoldt”* merkte Stimer an (doch wohl in seinem heute 
verschollenen „Bericht“): „...daß || er ihn 1612 besucht habe, 
und nennet ihn Archipresbyt. Lituan....“ 


In der Zeit um den 1. Januar 1618 wurde der 62jährige Ged- 
kant vom Schlage gelähmt. Der Taurogger Pfarrer Georg Besel- 
mann bewarb sich Ende Januar in einem lateinischen Brief an 
das Samländische Konsistorium um die Ragniter Pfarrstelle. Das 
Konsistorium setzte den Herzog am 31. Januar 1601 unter Über- 
sendung des Bewerbungsschreibens davon in Kenntnis und bat 
entweder um Einsetzung oder Substituierung Beselmanns, weil, 
wie dieser meinte, 


»... der Littawische Pfarrer Zu Ragnitt an tödtlicher 
apoplexia schwerlich danieder liege, also das er sein officiu [m] 


1237 Siehe unten, S. 367. 
1248 Nachr. II, S. 126. 


364 


als ein schwacher abgelebter Man lenger nicht verichten 
könne... “122 


Der Ragniter Amtsschreiber Michael Wendt schrieb am 15. Fe- 
bruar 1618 in einem vom Herzoge angeforderten Bericht, 


„... daß benamelter Johan- 

nes Gedtkandt Littauscher pfarher alhier, 
Welcher der Kirchen Lange Zeit Treülich Vnd 
woll Vorgestanden, Jn seinem Jezigen 62: 
Jährigen Alter mit gefehrlicher Kranckheit[en] 
der Apoplexia heimgesuchet wordenn, 

Also daß er numehro fast bei 10 wochen. 
die Cantzel nicht beschriettenn, da dan son- 
teglichen die pfarhern Vfen Landt einer 

vmb den Andern mit predigen Vndt Com- 
municirung des Heyligen Abendtmahls Vf 
gewartet Vndt der Teutsche pfarher 

alhier welcher der Litauschen Sprachen, Zur 
noht Kündigk Die Kinder Taufe Vndt an- 
ders Vorsehen ...“ 

Bis jetzt wäre noch nichts versäumt. Obwohl Gedkant noch 
nicht wieder richtig sprechen und die Glieder gebrauchen könne, 
wäre es mit ihm besser geworden, so daß Hoffnung bestände, 
daß er das Amt in Zukunft wieder selbst verwalten könnte. 
Gedkant bäte daher, angesichts seines langen Dienstes in der 
Kirche, noch Geduld mit ihm zu haben. Doch würde es nicht 
besser, müsse ein anderer Pfarrer angenommen werden. 

Gedkant würde auch mit einer Substitution zufrieden sein”. 

Am 14. März 1618 erstattet Michael Wendt wiederum Bericht; 
er hätte in dem angeforderten Schreiben vom 15. Februar gesagt, 
daß es mit Gedkant besser geworden wäre, und 

(Seite 1)1251 

„...er selbst ge- 
hoffet, mit Verleihung göttlicher gnaden die 
Zeit seines Lebenß, darnach er sich den Herzlichen 
sehnen Thutt, ferner seinem Ambt in eigener Person 
würde Vorstehen Können, vnndt biß zu der Zeit 
durch vfwartung der andern benachtbarten pfar- 
herrn an ministerio mechten Verseumett worden (!). 


220 W,M. 118ee, Aktenheft: „Die littausche Pfarrstelle zu Ragnit betr. 1600— 
1618“, Blatt 23 f. 

1250 Signatur wie Anm. 1249 Bl. 18. 

1251 Seite im Bericht. 


365 


Weill es dann nach der Zeit ein Woche 5 Hero sich Zue 
fast keiner besserunge angelaßen Auch bemelter 
litauischer pfarher, welcher dan an seinen Creften 
ein großen Defect vndt mangel befindet, 
(Seite 2)1251 

an solcher hesserung daß er der Kirchen ferner 
in der person der gebuhr nach Vorstehen könte 
oder möchte, gar sehr Zweifelt, das auch, weil 
sich dieser örthe die ströme ergoßen, der wegk 
sehr boß vnndt grundloß wirdt, das man also 
keinen benachtbarten pfarhern, der Sontäglichen 
hier vffwarten möchte, anhero bekommen kann, 
wie dan auch schon etliche erschienene sontage 
Viel leuthe so Zur Beicht gehen wollen, Trost- 
loß Zueruck kehren müssen, Vnndt Vorgangen. 
Sontagk keine predigt gehalten, auch ferner woll 
gahr nachbleiben möchte, bemelter H[err] Johan Gedt- 
kandt litauscher pfarher obangedeuter vrsachen 
halben numehro auß wolbedachten gemühte Vnndt 
gutwillichk (!) sein Ambt vndt dienst Vnderthenigst 
resigniren thut; Churfr: Dht: aber Vnder- 
thenigst demuttigst vndt flehendtlichen bittendt, die- 
selbe geruhen gnedigst ihme AIR in die 40 Jahr 
Eyfrigen Vntadtelhaften Vndt wolverdienten dien 

ner am wort Gottes, der Zwahr inn seinen Lang- 
wierigen Kirchen diensten, wennig vor sich gebracht, 
mit behaltung seiner besoldung oder einen Nottur- 
ftigen Vnterhalt Zue Lebzeiten, durch daß kirchspiel, 
(: Darzu sie dan auch ohne Zweifel sich willigk finden 
laßen werden :) gnedigst Zuuerstehen...“ 


auch möchte er einen neuen Pfarrer für Ragnit bestimmen. 
Darauf erhielt Wendt Befehl, daß er, wie es in einem Kanz- 


leivermerk auf S. 4 des Berichts heißt, 
»...M. Georgi- 
um Böselmannum Vocire vndt durch den Littauischen pfarrern 
von der Tilsit introduciren lasse, vndt dz er mitt dem 
Kirchspiel handele, dz der alte pfarrer vnterhalten werde... .“ı22 
Am Palmsonntag, den 29. März, oder den 8. April 1618, hielt 
G. Besselmann in der Ragniter litauischen Gemeinde eine Probe- 
predigt, worauf Wendt den Kurfürsten am 23. April 1618 um 
Anstellung „Beszellmanus“ bat. 
Bezüglich der Unterhaltung Gedkants schlug Wendt vor, die 
gegen 1100 Kirchenhufen, die mit Litauern besetzt seien, mit je 


1252 Signatur siehe oben, S. 365 Anm. 1249, Blatt 16. 


366 


4 oder 5 Schilling jährlich zu belegen, was 80 oder 90 M. aus- 
mache'*, Dieses Geld könne bis zum Tode Gedkants entweder 
dem alten oder dem jungen Pfarrer gegeben werden. 

Gedkant sei im 63. Lebensjahre und 40 Jahre im Kirchen- 
dienst. Er bäte den Herzog, ihm zu seinem Unterhalt und zum 
Unterhalt seiner Frau und seiner vier unerzogenen Kinder nach 
seinem Tode eine Hufe Ackers zu kölmischem Recht zu ver- 
kaufen””*, 

Ende April wird vom Kurfürsten angeordnet, 

„...do es 
nicht n(?)eher sein Ka[n] funf Schilling“ zu geben??ss, 

Auf S. 25 der in der Ragniter Superintendentur befindlichen 
handschriftlichen „Chronik der Kirche zu Ragnit“ (vom Beginn 
des 20. Jahrhunderts) wird mitgeteilt: 

„Nach einer Originalkirchenrechnung der Ragnitschen Kirche von 1619 
heißt es in der Ausgabe: 100 M dem alten und neuen Pfarrherrn Herrn 
Johanni Getkanten und Herrn M. Beselmanno ihre Jahresbesoldung, 
jedwedem 50 M; 100 M Herrn Samuel Hurtel, deutschem Pfarrherrn; 
40 M dem Cantori Casparo Mollero, 15 M dem littauischen Vorsinger 
Christoph Brücknern.“ 

Dieses ist die letzte Nachricht von Gedkant. Wann er starb, 
ist unbekannt. 

Quandt teilt mit, daß Gedkants Tochter Barbara 1642 Joh. 
Löbel, Pastor zu Willuhnen, geheiratet hätte". 


Der Korrektor Johannes Bielauk. 


Unter den: „...der Littawischen Sprach Kundigen Theo- 
logen...“, wie es in dem Briefe des Herzogs an Bretke vom 
13. Mai 1590 heißt, die vom Herzog um den 13. Mai 1590 zur 
Korrektur des Bretkeschen Postillenmanuskripts nach Ragnit be- 
ordert wurden”, befand sich auch „ Johannes Bielauck“*. Seine 
Unterschrift unter dem Briefe der Postillenkorrektoren, den sie 


1258 | Mk = 60 Sch. 

1254 Signatur siehe oben, S. 365 Anm. 1249, Blatt 18. 

1255 F,M. 118ee Ragnit, Schreiben: „An die ins Rangnitsche l Abgeordnete 
Commissarie[n]|“. 

1280 Presbyt., Bd. 4 (MSC 21), S. 77v, und oben, S. 363. 

1257 Siehe oben, S. 102 ff. 

1258 Vermerk auf dem Schreiben Bretkes, in dem er dem Herzog seine Postille 
zum Druck anbot, siehe oben, S. 102 ff. 


367 


nach getaner Arbeit Ende Mai 1590 an den Herzog richteten'”®, 
zeigt, daß Bielauk tatsächlich an der Sprache der Postille mit- 
gearbeitet hat. Es wäre daher durchaus möglich, daß Bretke 
während seiner Arbeit an der Bibel auch Bielauk einen Teil zur 
Korrektur übersandt hätte, und daß sich somit seine Korrek- 
turen auch in Bretkes Bibelmanuskript finden, genau so, wie 
Bretke Gallus, Blothno und sicher auch Radunius aus der Zahl 
der Postillenkorrektoren privatim bereits 1585 zur Bibelkorrek- 
tur herangezogen hat. 

Das Königsberger SE, besitzt zwei eigenhändige 
Unterschriften von Bielauk, und zwar seine Eintragung in die 
„Concordienformel“"* (Abb.65, T.XXIX) und die erwähnte Unter- 
schrift nach der Korrektur der Postille von Ende Mai 1590'%, 

Beide zeigen sowohl in der lateinischen wie in der deutschen 
Kursive ganz charakteristische Schriftzüge. 

Doch scheint auch ein litauischer Text von Bielauk erhalten 
zu sein; Gerullis vermutete 1927, daß Joh. Bielauk die „Wolfen- 
bütteler Postille“ abgeschrieben hätte”, 

Bei Durchsicht der Wolfenbütteler Postille findet man in ihr 
drei stark voneinander abweichende Handschriften, und zwar 
außer derjenigen, in der der Text geschrieben ist, z. B. Abb. 68 
u. 69, T. XXX noch zwei andere, z. B. Abb. 70—72 (im Text und 
auf dem Rande), die ich Y, und Y, nenne. 

Wie ein Vergleich der Schriftzüge in den beiden Unterschrif- 
ten Bielauks mit denen des Postillentextes zeigt, stimmen sie 
auffällig überein. Dazu ist auf dem mit Schweinsleder überzoge- 
nen Vorderdeckel des Einbandes der Wolfenbütteler. Postille in 
dem von den Zierpressungen freigelassenen beiden oberen Fel- 
dern: „JOHANNES“ „BIELAVK“ eingepreßt. Dies be- 
deutet mindestens, daß Bielauk den Einband anfertigen ließ, 
und daß er vorher die losen Papierlagen hatte. Beachtet man, 
daß auf einem entsprechenden Felde des Vorderdeckels eines 
jeden der acht Manuskriptbände der Bretkeschen Bibelüber- 
setzung die Buchstaben I B (Johannes Bretke) eingepreßt sind, 


1259 Abb. 30, T. XV. 

3302172 5.2181: 

1201 Abb. 30 (das gl.: Abb. 66, T. XXIX). 
1202 Skait., S. 40. 


368 


E, 


so läßt auch die Einpressung des Namens Bielauks in den Deckel 
der Wolfenbütteler Postille als möglich erscheinen, daß Bielauk 
diese Abschrift selbst angefertigt hat. 

Da sonst keine Handschrift jener Zeit die charakteristischen 
Schriftzüge Bielauks zeigt, besteht kein Zweifel, daß die Wolfen- 
bütteler Postille tatsächlich eine Abschrift von der Hand Bie- 
lauks ist und zum Handschriftenvergleih im Bibelmanuskript 
mit herangezogen werden kann”*®, 

Doch in dem Bibelmanuskript Bretkes findet sich die charak- 
teristische Handschrift Bielauks nicht. Somit hat Bielauk nur die 
„Postilla“ Bretkes verbessern helfen. Daher sei es erlaubt, Daten 
aus seinem Leben zusammenzustellen. 


Johannes Bielauk. 


Der Name wird von Bielauk selbst wie folgt geschrieben: 
„Johannes Bielavk“"*, „Johannes Bielauk““® und „Johannes 
Bielauck““’*; Caspar Hennenberger, der ihn offenbar persönlich 
gekannt hat (siehe weiter unten), schreibt seinen Namen: „Jo- 
hannes || Bilack“"”. Demgegenüber sind die anderen Schreibun- 
gen, wie die Quandts und Arnoldts, ohne Wert. Quandt schreibt 
erst „Bilack“, durchstreicht dieses, ersetzt es durch „Bilau“, das 
er dann wieder zu „Bilaw“ verbessert, aber auch diese Schreib- 
weise verändert er schließlich zu „Bilauk“, und dabei bleibt er 
dann endlich”. Arnoldt gibt hinter „Bilauk“ in Klammern „Bi- 
low“ an’. Personen des gleichen Namens begegnet man des öfte- 
ren in den Akten des 16. Jahrhunderts, und zwar besonders oft 
im Amte Tapiau, wo in Ripkeim (Post Wehlau) bereits 1535 ein 


1268 Wie der Handschriftenvergleich zeigt, der an anderem Orte dargestellt 
werden wird, ist Yı Michael Sappun aus Bartenstein, Pfarrer in Schitt- 
kehmen (Wehrkirchen), Kussen und Pillupönen (Schloßbach), Y, Patro- 
clus Welwer aus Soest in Westfalen, der zuerst in Königsberg Alumnus, 
danach Pfarrer in Kraupischken (Breitenstein) und schließlich deutscher 
Diakon in Tilsit war (siehe auch oben, S. 299 und Abb. 65, T. XXIX). 

126% Auf dem Deckel der Wolfenbütteler Postille (wohl bald nach 1573). 

1265 Concordienformel (1579), S. 18r. 

1266 Unterschrift unter dem Brief der Postillenkorrektoren an den Herzog 
Ende Mai 1590; siehe oben, S. 103 f., Abb. 30 und 66. 

1277 Frler, d. Pr. Landt., S. 139 (1595). 

eMSC 21, S. 12y. 

1208 Nachr. II, S. 91. 


24 Falkenhahn, Bretke 369 


„Pilawck“ genannt wird, der dort eine Hufe besitzt"”; 1568 sitzt 
da ein „Hannss Pilauckh“““, 1575 ein „Abrahm Bilauckh“”” usw. 

Der Name ist allem Anschein nach baltisch, und zwar preu- 
Risch. : 

Er steht vielleicht mit dem heutigen Orte Behlacken, Kreis 
Wehlau, in Zusammenhang, der 1389 „Belaukin“ und 1466 „Bi- 
lawcken“ geschrieben wurde””. Da aber das „ie“ in der ersten 
Silbe offenbar langes i bezeichnen soll, dürfte der erste Bestand- 
teil des Namens das auch sonst in: Personennamen vorkommende 
Element „Bi“ und der zweite „lauk“ sein; andere Beispiele sind: 
„By-gerde“, „Bykand“ (Schalauer), „By-tawte“ usw.””. 

Da Bielauk im Litauischen unsicher ist””, dürfte es nicht 
seine Muttersprache gewesen sein. Er stammte eher wohl aus 
einer germanisierten Preußenfamilie. 

Noch später kommen aus Wehlau Bielauks; so wird 1612 ein 
„Johannes Bylauck, Welouiensis“ in Königsberg immatrikuliert, 
der dort 1620 noch einmal erwähnt wird'””, 


Die Nachrichten über das Leben Bielauks sind sehr dürftig. 


1270 Ostpr. Fol. 10772, „Rechnung des Ambtts Tapiau...“ von Michaelis 1535 
bis Mich. 1536, S. 10r. 

#271 O)stpr. Fol. 358, Hausbuch von Tapiau, Bd. 4, S. 164. 

1272 Whenda, S. 150r. 

1273 Gerullis, Ortsnamen, S. 18. 

174 Trautmann, Personennamen, S. 133. 

1275 Gaigalat spricht S. 14 von den Latinismen und Germanismen im Text 
‘ der Wolfenbütteler Postille, „...deren Vorhandensein teils in einer zu 
wörtlichen Übersetzung der betreffenden Stellen seinen Grund hat, teils 
auf mangelhafte Kenntnis des Litauischen bei dem Verfasser resp. Ab- 
schreiber zurückzuführen ist“. Nun zeigen aber die Spuren von Ostlithua- 
nismen im Text (Gaigalat, S. 32, Gerullis, Skait., S. 41), sowie wohl auch 
die gelegentlich auftretende Bezeichnung der Erweichung von g, k vor e 
zu -gie-kie, daß der Verfasser kein aus Preußen stammender Litauer 
war, also aus Litauen zugewandert sein muß, weshalb bei ihm kaum 
„... mangelhafte Kenntnis des Litauischen....“ anzunehmen ist, dagegen 
aber bei dem aus Wehlau stammenden Abschreiber Bielauk, der seine 
Vorlage nicht immer verstand und lesen konnte. Bezüglich der genann- 
ten Erweichung ist z. B. folgende Bemerkung Bielauks zu dem Satz im 
Text: „Teisei tada a gierrei bara isch ta greka Chus...“ usw. auf 
S. 241v aufschlußreich: „alhie 4 Zeilen ger außgelaßen“, das heißt also, 
daß Bielauk nur gelegentlich unter dem Einfluß des Originals die Er- 
weichung bezeichnet; sowie er selbständig schreibt, gibt er sie nicht an. 

1276 Erler, Königsb. I, S. 203, 250. 


370 


Nach Arnoldt‘” und Quandt”” stammte er aus Wehlau, das 
nahe an dem von den Litauern besiedelten Gebiete lag und durch 
seine weitreichenden Handelsbeziehungen berühmt war”. Dort 
könnte er auch jene Schule besucht haben, die anscheinend schon 
seit 1339 in Wehlau bestand, denn in dem Stadtprivileg vom glei- 
chen Jahre heißt es: „... Damus etiam Ciuibus || Ciuitatis eius- 
dem, ut ipsi Scholam Viro || Jdoneo, et Literato, plenariam ha- 
beant con- || ferre potestatem ...“ Eine Matrikel, die auf Jo- 
hannes Bielauk paßte, findet sich in den damaligen deutschen 
protestantischen Universitäten nicht””®. Seine ausgeschriebene 
Handschrift macht aber sehr unwahrscheinlich, daß er zu den 
ganz ungebildeten Pfarrern, die von Hause aus Handwerker 
waren, gehörte, wenn er seine privaten Anmerkungen in der 
Postille auch sämtlich deutsch schreibt. Es besteht die Möglich- 
keit, daß Bielauk in Königsberg Alumnus gewesen ist wie Zacha- 
rias Blothno d. J., aber sein Name wie der Blothnos im Matrikel- 
buch fehlt (siehe Schreiben des Konsistoriums vom 19. Septem- 
ber 1603 oben S. 136 f.). 

Unklär ist auch, wann Bielauk in den Kirchendienst trat. 

Gerullis vermutet (Skait., S. 40), daß Bielauk schon 1564 in 
Georgenburg gewesen sei; jedoch kann er dort nicht Pfarrer ge- 
wesen sein (siehe weiter unten), sondern vielleicht Schulmeister. 

Nach Arnoldt””, der sich auf „Stimers || Presbyterol“ stützt, 
wäre er 1576 in Georgenburg angekommen. 

Quandt schreibt” in Kapitel Georgenburg: 

uk 

w 
„1572. Johann Bilaäck, Bilau, Welovie[n]s[is] 
vid Hennenberg. Chronic. Subscripsit F Conc. 
T. 1603. 5. Octobr.“ 

Hierbei beruft er sich offenbar auf Caspar Hennenberger, der 
jedoch, soweit bekannt, keinerlei Chronicon oder Ähnliches ge- 
schrieben hat. 


1277 Nachr. II, S. 91. 

2MSC21, S:12Y. 

270 Siehe Erleut. Preuß., Bd. IV (1727), S. 690 ff. 

1220 Ostpr. Fol. 357, Tapiauer Hausbuc, Bd. 2, S. 631 f. 

281 Untersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln von Frankfurt a. O,, 

Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Leipzig, 

. Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. 

24% 


371 


In der „Ercler. d. Pr. Landt“ wird in dem Abschnitt Georgen- 
burg „Johannes || Bilack || Pfarherr“ lediglich einmal am inneren 
Rande der Seite 139 als Gewährsmann für die dort gebotene Er- 
zählung angegeben, die Hennenberger also wohl von ihm selbst 
gehört hat. Es handelt sich da um den Pfarrer von Georgenburg, 
der seine Frau mit der Krügerin verriet und vor seinem Tode 1572 
vergebens versuchte, dem Kaplan von Insterburg zu beichten. 

Weiter heißt es: 

„Anno 1573 sein wol in 15 wochen keine Predigten zur Geor- 
genburg gehalten worden. Entlich ist jhnen angezeiget worden / das 
auff den Ostertag ein neuwer Prediger alda sein würde jedermann solle 
sich zur Kirchen finden“ usw. 

Möglicherweise hat Quandt, der bisweilen recht ungenau ist, 
diese Stelle gemeint. 

Nach Arnoldt””® war der 1572 gestorbene Pfarrer ein Johann 
Walter, der am 2. Dezember 1568 von Mörlin introduziert wor- 
den war. 1573 soll ein N.N. gekommen sein, und zwar hat er, 
wie Bielauks Erzählung zeigt, am 1. Ostertage die erste Predigt 
gehalten. 

Bielauk hat am 11. August 1575 mit der Abschrift der Postille 
begonnen, denn am 2. September schrieb er am Schluß des ersten 
Teiles der Postille: 

„Jn 3 woch[en] 2 tag[en} durch Gottes hulf ausgeschrieb[en] 
Ao 73 den 2 Septembris.‘1283 

Nun ist aber die Postille mit ihren Anweisungen für den pre- 
digenden Pfarrer (S. 63 „die de illis-qui cum sanguineis rem fa- 
ciunt“, S. 81: „die plura de idolatria gentium“, S. 295°: „Die 
aliqua ex Euangel: Math.: 18“ usw.) ganz offensichtlich als prak- 
tische Hilfe für den Prediger gedacht. Es würde sehr gut stim- 
men, wenn Bielauk sich diese Hilfe durch Abschreiben in den 
ersten Monaten seiner praktischen Predigttätigkeit verschaffte, 
und dieser N.N. Arnoldts"*, der Ostern 1573 seine Amtstätigkeit 
in Georgenburg begann, bereits Johannes Bielauk wäre. 

1579 ist Johannes Bielauk in Königsberg und unterschreibt 
nach „Patroclus Weluerius“, dem Pfarrer von Kraupischken, und 


1282 Nachr. II, S. 91. 
1283 Abb. 67, T. XXX. 
1284 Gaigalat, S. 10 ff. 
12355 Nachr. II, S. 91. 


372 


vor Daniel Sperber, Pfarrer in Salau, auf Seite 18" die „Concor- 


dienformel“ (Abb. 65, T. XXIX). 


Wie schon gesagt, wird „Johannes Bilauc / Pf. zur Georgen- 
burg“ in dem Vermerk auf dem Schreiben Bretkes als Postillen- 
korrektor genannt, worauf er vom 17. Mai bis zum Schluß des 
Monats in Ragnit an der Konferenz teilnahm und den Brief an 
den Herzog mit unterschrieb". 


Ende 1596 wandte sich Bielauk an die Herzogliche Kommis- 
sion, die die Georgenburger Amtsrechnungen zu prüfen hatte, 
und bat um Überlassung „...einer Vnbebautenn Hoffstedt bey 
der Brugkenn || and[er] vorstadt, so woll auch vmb vnsern gne- 
digenn || Consens vnnd Zulass, Dass Ehr vnnd die seinenn || freye 
heckerey treibenn moge[n] ...“, und zwar bat er vorsorglich, daß 
ihm in Georgenburg das Handelsmonopol verschrieben werden 
solle, um die Konkurrenz von vornherein auszuschalten’. Die 
Regimentsräte verlangten darauf vom dortigen Oberhauptmann 
Bericht, der günstig ausgefallen sein muß; jedenfalls heißt es 
in der „Vorschreibung Johan Bielauck wegenn Einer Hoffstedt 
bey d[er] Brugke an d[er] vor || statt vnnd frey höckerey Zu 
Treib[en]“**” u. a., daß 


»+.. wir ((d. h.: der Herzog)) in ansehnung dess Pfahrs der l Kirchenn 
Gottess geleistenn Dienst, seines ar- || menn weibess vnd Kindl[er]lein 
Jn gnadenn ge || williget, Vnd willigenn, Craft dieses vnsers || Beueh- 
lichs hiemit, dass Jhm die gebettene hoffstedte || wie andern so Sich 
Jun d[er] Vorstadt gesetzet, Erblichn || ein gereumet, vnnd Zubebauenn 
eingebenn, Jhme || vnnd seinenn Erbenn Vnnd nach Kommen, gemei- l 
ne heckerey darinne Zu treibenn, vnd sich | dler]selbenn Zugebrau- 
chenn verstatt vnd nach geb[en] || werdenn soll. I Dagegenn soll ehr 
vnd seine Erben verbund[en], flichtig vnd schuldig sein, vnss vnd 


„vnser“ 
nach Kom- || mender herschafft Jahr Jehrlichen vonn solcher hoff- || 


stadt vnd dem gebrauch der hocKerey drey ll MargK Preusch, grundt 
Zinss Zugeb[en]. welche vnss || verrechnet vnd ein bracht, werd[en] 
sollen, Wass ehr || aber in seiner Supplication angehangle]n, dass 
Jhme hockKe- ll rey Zu treibenn allein Vorschrieblen], vnd sonstenn 
nie- | mandt Zugelassenn werdenn soll dareinn Konnen || wir nicht 
willig[e]n, Sols auch Supplicant nicht begehrn. || wass wir vnss durch 
diese ihm vnd denn seinenn ertzeigte || gnadt vnd wolthatt, die gantze 
handt schliessenn lassen || woltenn welches wir hier durch nicht ver- 


1286 Präsent. 11. 5. 1590, siehe oben, S. 102. 
2287 Ostpr. Fol. 184, „Haus-Buch des Amts Insterburg, Lit. A.“, S. 278v f. 


373 


stand{en] hab[en] wolllen]. l sond[er\n soll Vnss derogleichen 
„vndt anderss, nach fürfallen gelegen“ 
„heit wenn wir wollenn | nach Zu gebenn Ahndler] Zeitt vorbehaltenn 


habenn, Vnd habt \ solches dem Supplicanten, Ob Jhme die obige 
gnadt annehm- || lichenn, antzu meldenn, Vndt Jhr thut darann Vn- 
sern || willenn Vnd |] beuehlichs meinungK. 
Datum Königspergk. N d[en] 30 Decemb. Anno 96. 
Albrecht Freyhlerr] Zu Kitlitz 
H(?) Rauter.“ 
Nach Quandt””*® und Arnoldt” starb Johannes Bielauk am 
5. Oktober 1603. 
Der „Albertus Bilauck, Georgenburgensis Borussus Litvanus“, 
der am 6. April 1604 in Königsberg immatrikuliert wurde”, war 
offenbar sein Sohn. 


Johannes Höpfnerals Helfer. 


„Johannes Höpner Caplan || Zur Insterburg““* gehört gleich- 
falls zu denen „...der Littawischen Sprach Kundigen Theo- 
logen ....“, die der Herzog um den 12. Mai 1590 zur Korrektur 
der Postille Bretkes in Ragnit bestimmte””; mit ihnen unter- 
schrieb Höpfner nach Beendigung der Arbeit auch den Brief der 
Korrektoren an den Herzog (Abb. 30, T. XV). 

Es bleibt die Frage, ob Höpfner an der Vorkorrektur der 
Bibel teilgenommen hat. 

Vergleichstexte sind: die Unterschrift unter der „Concordien- 
formel“ (Abb. 73), ein dienstliches Begleitschreiben zu Dorfver- 
zeichnissen der einzelnen Kirchen, die die Pfarrer des Amtes 
Insterburg auf Anforderung zusammengestellt hatten’, die 
'Supplikation Höpfners vom ?? 1590 an den Herzog®”*, die Ein- 
tragung in das Stammbuch Joachim Mörlins 21. Dezember 1591 
mit vier litauischen Wörtern von seiner Hand (Abb. 74)”" und 


1288 MSC 21, S. 12v. 

1289 Nachr. II, S. 91. 

1200 Frler, Königsb. I, S. 164. 

12821 Kanzleivermerk auf Brief Bretkes (eingeg. 11.5. 1590), siehe oben, S. 101 £. 
(Qu., $. 432, Z. 42). 

1222 Siehe oben, S. 103. 

1203 EM. 55e, Aktenheft: „Wegen der Kirchspiele im Insterb....“ usw., Bl. 23. 

1288 (Ju., S. 455, Z. 38. 

1265 Kopenhagen, Unwers. Bibliothek, Thott 8° — 385, I, Seite 179 (auf das 
Stammbuch wies mich Herr Prof. St. Kot hin). 


374 


einige verstreute Unterschriften und kurze Zeilen in Dienstschrei- 
ben in deutscher Sprache, die jedoch nichts Neues bieten. 

Während sich die Schrift J. Höpfners in den deutschen und 
lateinischen Texten in Kursive noch recht deutlich von der Bret- 
kes unterscheidet, zeigen die wenigen litauischen Wörter von 
seiner Hand eine weitgehende Ähnlichkeit mit den Schriftzügen 
Bretkes in manchen Stellen seines Bibelmanuskripts. Und trotz- 
dem erkennt man nach längerem Studium an der ganzen Art der 
Linienführung die Unterschiede der beiden Handschriften; eine 
sorgfältige Durchsicht der Anmerkungen und Korrekturen Bret- 
kes macht nahezu sicher, daß Johannes Höpfner keine Korrek- 
turen angebracht hat. 

Auch theoretische Überlegungen machen es unwahrscheinlich, 
daß Bretke dem Thüringer, der erst 1569 nach Preußen kam und 
doch wohl sicher erst damals litauisch zu lernen begann, seine 
Bibel zur Verbesserung des litauischen Textes übersandt haben 
sollte. Bretke hat, soweit zu sehen, nur solchen Personen einzelne 
Bücher zur Korrektur zugestellt, die von Jugend auf mit der 
litauischen Sprache in Berührung standen. 


Johannes Höpfner, Leben und Persönlickeit. 

Der Name Höpfner ist offensichtlich deutsch. 

Johannes Höpfner stammt aus Thüringen, denn in der „Con- 

cordienformel“* nennt er sich: „Johannes Höpfnerüs Thurin- 
güs... 
Bei der Häufigkeit des Namens, der auch „Höpner“, „Hope- 
ner“ usw. geschrieben wird, ist die Feststellung unseres Johannes 
Höpfner in den Matrikeln der deutschen protestantischen Uni- 
versitäten schwierig. Doch paßt zeitlich und örtlich nur eine Ein- 
tragung unter den vielen Matrikeln mit Johannes Höpfner, Hep- 
nerus usw. auf ihn, und zwar die vom Sommersemester 1553 im 
Matrikelbuch der Universität zu Frankfurt a. O.”: „Joannes 
Höpner Goltpergensis 3“, was das Goldberg bei Ohrdruf in Thü- 
ringen sein dürfte'?®, 


4286 1579, S. 17v (Abb. 73, T. XXXIIO). 

1297 Friedlaender, Matrikel von Frankfurt a. O., I, S. 135. 

1268 Untersucht wurden außerdem die veröffentlichten Matrikeln von Frei- 
burg i. Br, Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Leipzig, 
Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. 


375 


Sicher ist Johannes Höpfner aber 1569 in Preußen und wird 
nach Arnoldt, der ihn jedoch „Johann Hafer“ nennt, am 17. Fe- 
bruar 1569 von Mörlin in Ragnit als deutscher Diakon”” und 
deutscher Schulmeister introduziert, wo Augustin Jamund litaui- 
scher Pfarrer war; 1590 schreibt er an den Herzog: 


„»...Daß ich nun in die 21 Jahr in diesenn E.F.D. landen 
fur einen Kirchendiener mich brauchen lassen Erstlich 
4 Jahr Zu Ragneth fur einen deutschen Caplann .. .“1300 


und „Ditrich packmor“, der Amtshauptmann von Ragnit, schreibt 
am 14. November 1576 an die Regimentsräte"”" von einem 
„»...der etzliche Jahr Zuuor 
Alhie bei vns Jm Schuel dienst vnnd deutscher 
prediger... gewesen... mit nahmen Johannes Hopffner...“ 

Vielleicht hat er damals geheiratet, jedenfalls hat er 1573 
Frau und Kinder, auch wird 1599 sein Sohn in Königsberg imma- 
trikuliert"®. 

In Ragnit muß Höpfner so viel Litauisch gelernt haben, daß 
er als litauischer Pfarrer verwendet werden konnte, denn 1573 
wurde er „...in der kirch Schir- || wintte littauischer prediger 
das er Alhie Jm || Ampte‘*® Zuuorn sieben Jahrlangk gewesen ....“, 
wie Packmor in dem erwähnten Briefe von Ende 1576 weiter 
schreibt. 

Johannes Höpfner kam also auf die Pfarre Thomas Gedkants 
zu Schirwindt an der Scheschuppe unmittelbar an der preußisch- 
litauisch-polnischen Grenze, die später unser Korrektor Johannes 
Gedkant innehatte (siehe oben, S. 356). 

Gleichzeitig muß Höpfner auch verpflichtet gewesen sein, in 
dem nur 2 km entfernten, auf litauischer Seite ebenfalls an der 
Scheschuppe gelegenen Neustadt (litauisch Naumiestis) Gottes- 
dienst zu halten!®, 

Während sich Höpfner in Ragnit in den Personen des Amts- 
hauptmannes und der Kirchenväter Freunde und Fürsprecher 


32:5>Nachr'OII, S.n122. 

10 FE, M. 56e (Qu., S. 455, Z. 42 ff.). 

1301 E.M. 118ee Ragnit, Aktenheft: „Stadt Ragnit, Kirche und Schule 1576— 
1601“; Abdruck bei Witte, Waischnarus, S. 141 ff. 

1302 Siehe unten, S. 384. 

1808 Schirwindt gehörte zum Amte Ragnit. 

1304 Siehe weiter unten. 


376 


gewann, hatte er sich in Schirwindt mit verschiedenen Männern, 
worunter vor allem „...der herr Konarsky“ von der Littau- 
schen Georgenburgh...“ war (Georgenburg liegt in Litauen, 
9 km von der deutschen Grenze und 28 km nördlich von Schir- 
windt), schwer erzürnt. 


Schon nach zwei Jahren wollte sich Höpfner von dort „selbs 
transferiere[n]“, wie Bischof Heshusius am 18. April 1575 ent- 
rüstet an den Bürgermeister und Rat der Stadt Tilsit schrieb. 
Diese hatten sich mit dem damaligen Tilsiter litauischen Pfarrer 
Johannes Carbo erzürnt, ihm schon eine geraume Zeit gekündigt 
und wollten nun Johannes Höpfner aus Schirwindt als Nach- 
folger Carbos haben, der bereit war, ohne den Bischof zu fragen, 
nach Tilsit zu kommen. Heshusius konnte dieses 

»...keines weges bewilli- |] gen, den dadurch würde die Gemeine Zu 
Schirwinta, ehe sie wie- || derumb einen tüchtigen Seelsorger bekommen 
konte, lange Zeit ll der Predigt Göttliches wordt entrahten müßen, So 
ists auch nicht Zu billi- || gen noch Zu vorandtwortten, daß man einer 
Kirche mit nachtheill || einer andern Gemeine Raht schaffen wolle...“ 
Sie sollten sich mit Carbo versöhnen oder eine andere tüchtige Person, 
„so der littauschen Sprach Kündig, und |] etwas studiret“, vorschlagen. 
In einem Brief vom 19. Mai 1575 an die Gleichen sagte der Bischof: 
„... dem Pfarrer l Zu Schirwinta Johannem (!) Hopffnerüm (!) Kan 
ich nicht gestatten. daß Er seine l Pfarr verlasse, und sich Zu eüch 
wende, hat Er mangel in seiner Pfarr, die || soll Er klagen, und 
Schrifftlich. anzeü(!)gen, damit Sie geendert, und abgeschaffet || wer- 
den. Er hat keine Uhrsach hinweg Zu Ziehen, dieweil Er noch nie ge- || 
klaget hat, an den Orthen da sichs gebühret .. .“13% 
Ein Jahr später hat Höpfner aber doc „...ohne gewon- || liche 
vffsagung sich aus dem kirchen dienst || vom Neustedtlein hin- 
wegk begeben...“, wie ihm von seinen dortigen Gegnern vor- 
geworfen wurde”, 


Als im Frühling 1576 Augustinus Jamund, der litauische 
Pfarrer in Ragnit, starb, wurde vom Amt Ragnit scheinbar ein- 
hellig Johannes Höpfner als dessen Nachfolger vorgeschlagen 
und dem Bischof präsentiert, der ihn darauf examinierte. Höpf- 


1806 Sjehe Witte, Waischnoras, S. 198 Anm. 132. 

1206 E,M. 138e 2. Die beiden Briefe sind in Abschriften zu einer Eingabe des 
Bürgermeisters und Rats der Stadt Tilsit an den Kurfürsten, eingeg. 
11. 11. 1677, erhalten. 

1507” Im erwähnten Briefe Packmors. 


ERS 


ner wurde für tüchtig befunden und die Berufung nach Ragnit 
vom Bischof bestätigt. Der Tilsiter Pfarrer hatte bereits schrift- 
lichen Befehl, Höpfner in Ragnit einzuweisen. 

Doch am Tage vor der feierlichen Introduktion erhalten der 
Tilsiter Pfarrer und noch andere an der Introduktion beteiligte 
Personen von Konarski aus Georgenburg je einen Brief, 

„»...das man 
demselbigen Hopfnero den dienst Zu Rangnedt 
mitt nichten gestatten woltte, viel weniger Je- 
nen daselbst einweisen noch vff die Cantzell 
daselbst kohmen....“ 
lassen sollte, denn er hätte sie schwer beleidigt und den Kirchen- 
dienst in „Neustedtlein“ ohne übliche Kündigung verlassen. 

Der Tilsiter Pfarrer nahm die Introduktion daraufhin nicht 
vor, sondern übersandte den Brief Konarskis mit einem Begleit- 
schreiben an den Bischof. Als der Bischof Höpfner die Anschul- 
digungen gegen ihn in einem Schreiben vorhielt, reiste dieser so- 
fort zu ihm, legte seine Unschuld dar und bat um eine „...recht- 
messige verhorung...“. 

Der Bischof entschied: 

»...Er sollte 

sich Zuuor mit dem h[errn] konarsky vnnd etzlichen 
Anderen die er offendiret, versonen Alß den solte 

Jme derselbige dienst widerumb nach gegebenn werdenn ....“ 

Höpfner suchte durch Vermittlung guter Freunde, die er zu 
Konarski schickte, diesen sich zu versöhnen; schon stand die Aus- 
söhnung mit Konarski und den übrigen gekränkten Personen 
bevor, da schlägt der Bischof einen anderen für den Ragniter 
litauischen Pfarrposten vor, 

»... den hopfnerum aber wolle er nuhn mehr alhie gar 
nicht wissen, aus vrsachen das Jme von vielen 

leuten beikommen Als solle er leicht fertigk Zengk- 
isch vnnd eines ergerlichen lebens sein, da durch 

den der lauff des Evangelij bei den Zu horern 
gehindertt...“ 

Der Amtshauptmann wandte sich wiederholt für Höpfner 
schriftlich an den Bischof und sagte, daß ihm der vom Bischof 
vorgeschlagene Pfarrer in seinem Wandel unbekannt sei, es wäre 
ihm nur berichtet, daß man ihn dort, wo er sich jetzt aufhielte, 
gerne missen möchte. Wenn er aber über Höpfner 


378 


u) 


„... gewisse Kuntschaft 

zu haben begerte, were dieselbige bei denen, da 

er sich die meiste vnnd lengste Zeit vffgehaltten 

vnond denen Kuntschafften zu geben geburte Zu such[en].“ 


Er, Packmor, könne 


„... nicht vorbei vnnd muste Ime das 

geZueghnus geben, das er sich die Zeit vnnd entliche 

Jar‘ vber, weil er alhie Im schuel dienst so wol Jm 
ministerio gewesen aller vnuerweislichen vnnd 
christlichen gebur Jn lehr vnnd leben vorhalt[en] 

vnnd deme nicht so were wie es dem h[errn] Bischof 
von leicht fertigen leuten die selber mitt aller vn- 

tugent vnnd ergerlichem leben vnnd vorhalt beschmutzet, 
gantz vngetlich vorbracht...“ 


Er, der Amtshauptmann, würde sich hüten, Höpfner zu „...sol- 
chem hohen ampt...“ zu berufen, wenn er ihn nicht kennte. 


Doch weil alles nichts half, und der Bischof auf seinem Sinn 
beharrte. schrieb Packmor am 14. November 1576 an die Regi- 
mentsräte einen langen Brief, in dem er die ganze Sache dar- 
stellte, und aus dem wir sie kennen. 


Es heißt in dem Brief, er schriebe, weil der Bischof 


„... viel gedachten hopfnern, 

der geschickt, erfaren, vnnd gesunder lehr, da- 
Zu der littauschen sprachen kundig vond 
mechtig, damit auch den Zuhorernn beuoraus 

an diesen orth vorstendtlich vnnd vornehmlich 
mit der kirchen mergklichen schaden, vnnd der 
Armen leutlein vnheil, alhie nicht wissen will... 


“. 


und zwar nur, weil er Berl undungen leichtfertiger Leute mehr 
glaube, als ihm, der er 

»...In offentlichenn 

Ampt, vnnd wegen desselben, des Kirchspiels bestes 

billich wissen soll...“ 

Packmor bittet, die Regimentsräte möchten dahin wirken, 
daß Höpfner, der nun schon so lange auf die Stelle gewartet 
hätte, und doch berufen und bestätigt sei, nicht mit Weib und 
Kindern an den Bettelstab gebracht würde, sondern die Stelle 
bekäme. Wenn er sich im Dienste schlecht bewährte, könne man 
ihn ja immer noch bestrafen. Zum Überfluß hätte er, Packmor, 
jetzt nochmals an den Bischof geschrieben, 


379 


„»... das diese kirche mit 
keinem besser als mit gemelten hopfnero kann vnnd magk 
bestellet werden...“ 

Doc alle Bemühungen waren vergebens. Zwar berichtet Ar- 
noldt””® von einem „N. Hypnerus“, der am „23. Nov. 1576 zum 
Pf. allhier mit dem || Bedinge bestätiget, daferne er sich mit dem 
v. Konarski, der ihn, seinem || Vorgeben nach, der Lehre wegen 
vertrieben, würde versöhnet haben“, aber das Datum stimmt 


sicher nicht. 


1579 war Simon Waischnarus bereits Pfarrer in Ragnit. 


Sicher ist, daß Johannes Höpfner spätestens 1577 als litaui- 
scher Kaplan nach Insterburg kam, das damals noch ein Markt- 
flecken war. Sein Vorgesetzter war der Thüringer Johann Sper- 
ber, Pfarrer in Insterburg*”. In seinem Briefe von 1590 an den 
Herzog sagt Höpfner, daß er sich „...hier Zur ]nster- || burg 
auch in die 13 Jahr fur einenn littauen....‘“ hätte brauchen las- 
sen’, Seine Frau gibt nach seinem Tode in einem am 23. Ok- 
tober 1595 eingegangenen Briefe an den Herzog an, er wäre 
17 Jahre in Insterburg gewesen, und zwar schreibt sie, er hätte 
es sich i 

»...Sonderlich alhier Zuer Jnsterburgk bey Sieben Zehen 
Jahren mitt den gefangen Zue Schloss gantz schwer vnd sawer 
werden lassen ...““1311 

Über seinen litauischen Pfarrdienst schreibt Höpfner 1590 in 
dem schon genannten Bittbrief an den Herzog: 


„Denn ich... in meinem litauischen dinst, offt grosse vnruge vnd 
beschwere fur allen andern Jm amptt haben muss. Denn 

Dies amptt (gott lob) gross (?) wirdtt auch teglichen grosser 

vımd (?) finden sich vnder sovielen volcks auch vill bosen leuth, 
die wegen Ihrer misshandtlung herein gebrachtt werden, Wie 
dan derselben in die 50 Zu meinen Zeiten sindt gerichtet worden 
mit welchen ich alzuuil oft Zu schaffen, Den ich muss mit 

allen allein Zuthun habenn, bei Ihrem ende sein, vnd mancher 
kan daß liebe vatter vnser nichtt, dass man an solchen leuthen 
woll ein Zimliche besoldung verdienet...“ 


1308 Nachr. II, S. 126, Ragnit. 

1500 Arnoldt, Nachr. II, 5. 82. 

1310/0)11., S. 457, Z. 17—19, 

31 E,M. 72£., Aktenheft: „Pfarrer der Litthauischen Kirche in Koenigsberg 
u. Insterburg“, Blatt 1 (Qu., S. 456, Z. 20 #f.). 


380 


Über die Litauer, mit denen es Höpfner dort zu tun hat, 
schreibt etwa 120 Jahre später ein Caspar Stein in seinen Auf- 
zeichnungen über die Litauer im Amt Insterburg”*: 


„In Praefectura Insterburgensi, Sutores 
Lithvanici ultra 15.000, qui omnia sua 
calceamenta, Paressken dicta, ex corticibus 
arborum levibus conficiunt. Lithvanorum 
tuguria, Schwartzhauss appellata, in ho- 
rum uno, saepe ex una familia 20. vel 40 
sub uno tecto pacat& habitare [et] conjun- 
ctim comedere bibere ac dormire solent, 
quibus materfamilias cibos aequaliter di- 
stribuit. Tuguriiola vicina, Kleidt nuncu- 
pata, in horum uno duo conjugati vesti- 
tum [et] supellectilem suam vilem custo- 
diunt.“ 

In Insterburg hat Höpfner keine Kirchenhufen, doch muß er 
zwei Pferde und zwei Kühe gehabt haben, da ihm bei seinem 
Dienstantritt 

„»...auff 2 pferdt 
vmd kuhe futter ist gereichett worden alss 2 morg[en] wiesen vntter 
dem Kirchoff; Darnach Jm winter ein fuder 16 von Didlauken heu...“ 


Außerdem erhielt er 6 Scheffel Roggen. 


Seine sonstigen Besoldungsverhältnisse sind für die Zeit 
unklar. 


1579 ist Johannes Höpfner in Königsberg und unterschreibt 
wie fast alle preußischen Geistlichen zusammen mit „... Johan- 
nes Sperber Pastor et Archipresbytier || Insterburgensis ...‘“ und 
»... Michael Langbein Bischlebensis Ludimoderotor || Inster bur- 
gensium...“ die „Concordienformel“. Seine Unterschrift auf 


Seite 17’ siehe Abb. 73, T. XXXIL. 


Wie aus einer Eintragung in das „Haus-Buch des Amts Inster- 
burg Lit. A.“ vom 13. November 1581 hervorgeht, hatte sich 
Höpfner in der Zeit mit einer Bittschrift „Wegen Verbesserung || 
seines Vndterhalttes“ an den Herzog gewandt, worauf ihm ge- 
antwortet wurde: 


»...Ess Wollen Hochgemeltte Fl dlt Jmen gne I diger Anmerckhunge 
seinnes Vndt-erthen ll nigen Vliesses (!) bey der Littischen Kirchen I 


11? „Acta Boruss“, Bd. I, S. 215, 1730. 
1313 Ostpr. Fol. 184, S. 174 £. 


381 


den ehr Auch Noch treulichen Anwenden soll | gnedigess bewilligett 
haben, dass Jhm Jher l lichs Vnnd so lange ehr Älhie solichen seinnen l 
dienst treulich vorwaltten Vnnd der || Kirchen mitt Reinner Lher ]n 
gutten Christ || lichen Wandell Vorsthen werdtt | Vber die Vorigen 
Sechsse Noch Zehen I scheffell Rockhen Vnnd Zehen schl Gersten I 
Von Fl. DI. Hausse Jnsterburgkh || gegeben Werden...“ 


Ende 1583, als Insterburg zur Stadt erhoben wurde", wird 
Höpfner noch außerdem deutscher Kaplan. In seinem Briefe an 
den Herzog von 1590 schreibt er: 

»...Da E.F.D. auß angeborner Furstlicher mildigkeitt Dieselbe315 
mit Stadttrechtt gnedigst begnadigett, alß bin ich 
auch Zum Deutschen Caplann, angesehen daß die stadtt 
an volck Zunimptt, angenohmen worden...“ 
Über seine Besoldung schreibt er weiter: 
»...vond hab also 
vonn beiden dinsten Jerlichen 120 M. besoldung, Dazu 
mier E.F.D. auch 26 scheffell getreidig, Zum bessern aufent- 
halltt Jerlichenn Zureichen gnedigst befohlenn....“ 

Am 12. Mai 1590 wird „Johannes Höpner Caplan / Zur Inster- 
burg“ zur Teilnahme an der Konferenz zur Korrektur der Bret- 
keschen Postille bestimmt’, die am 17. Mai begann und bis 
gegen Ende des Monats dauerte. Zum Schluß unterzeichnete 
Höpfner auch den Brief, den die Konferenzteilnehmer an den 
Herzog schrieben“. 

Wahrscheinlich wandte sich Höpfner, nachdem durch die Po- 
stillenkorrektur sein Name der Behörde ins Gedächtnis gerufen 
worden war, mit einem Brief an den Herzog (das genauere Da- 
tum des Briefes steht nicht fest), schilderte seine Amtstätigkeit 
in Preußen, seinen schweren Dienst in Insterburg, seine schlechte 
Wirtschaftslage, und bat”, 

»... Weill 
aber von tag vnnd tag Jmmer schwerrere Zeiten vnnd tewere 
Jahr einfallenn ohne das an diesen orthen WeR man Zur leibs 


nahrung vnnd noturftt bedarff, theuer vmd alles vmß 
geldt muß gekauftt werdenn...“, 


151% Am 10. 10. 1583 verlieh Georg Friedrich dem Flecken Insterburg das 
Stadtprivileg; siehe Agath. Harnoch, S. 295. 

1315 Nämlich „die Insterburg“. 

1316 Siehe oben, S. 102 ff. 

1317 Eingeg. 1. 6. 1590. 

1818 Qu, S. 456, Z. Yff. 


382 


> 25 44: 


und er sowohl bei dem Herzog als auch bei andern Leuten in 
Schulden geraten sei, ihm 50 M. mehr Gehalt und 34 Scheffel Ge- 
treide zu den bisherigen 26 zu liefern. Und, weil er sich „... 
ohne || ein 2 pferde vnd vihe...“ nicht behelfen könne, bittet er 
auch weiterhin um regelmäßige Lieferung des Futters, denn in- 
folge des häufigen Wechsels der „Herschaftt“ wäre die Futter- 
lieferung ins Stocken geraten. 

Ob ihm seine Wünsche erfüllt worden sind, ist unklar. Jeden- 
falls sind nach drei Jahren weder die privaten Schulden, noch 
die beim Amte Insterburg bezahlt. 

Am 21. Dezember 1591 trug sich Höpfner in das Stammbuc 
Joachim Mörlins, des Sohnes des oft genannten Bischofs, ein”. 
Wohl nicht zufällig wählte Bretke in Königsberg etwa 7% Jahre 
später die andere Seite des gleichen Blattes” für eine Eintra- 
gung in das Stammbuc (Abb. 9, T. VII und Abb. 74, T. XXXIV). 

Die Eintragung Höpfners enthält die einzigen litauischen 
Worte, die von seiner Hand erhalten sind. Der lateinische Text 
mit dem litauischen Spruch, von dem Abb. 74, T. XXXIV den 
Schluß zeigt, lautet: 

„Domine Jesü Christe, respicere 
digneris, super me miserum 
peccatorum (?), oculis misericor- 
diae tuae, sicut respexisti, pe- 
trum in atrio, Mariam Mag- 
dalenam, in conuiuio, et la- 
tronem in Crucis patibulo...“ 
(Weiter siehe Abb. 74, T. XXXIV.) 

In der Zeit danach begann Höpfner einen Bau, dessen Voll- 
endung er jedoch nicht mehr erleben sollte. 

Sommer oder Herbst 1593 starb er und hinterließ seiner Frau 
und seinen Kindern den unfertigen Bau, viele private Schulden 
und Schulden beim Amt. 

In einem am 23. Oktober 1593 eingegangenen Schreiben'’* 
klagt die Witwe dem Herzog ihr Leid; sie würde von den Gläu- 
bigern hart bedrängt und bäte um den Erlaß der Schulden für 
Ziegelsteine beim Amt. 


1510 Kopenhager Univ.-Bibliothek Thott 385-8°, S. 179. 
1220 5, 178. 


121 Qu., S. 457 f. 


383 


Am 26. Januar 1599 wird in Königsberg ein „Joannes Höph- 
nerus Insterburgensis“ — der spätere Diakon in Werden und 
litauische Pfarrer in Memel“” — immatrikuliert, sicher doch ein 
Sohn unseres Korrektors. 


Der Korrektor Friedrich Masalski. 


Friedrih Masalski, Pfarrer in Prökuls, wird in den folgen- 
den Herzoglichen Schreiben unter den „...der || Littawschen 
sprach kundigen erfahrnen Pfarrhern ...“ genannt, die zur Kor- 
rektur des Bretkeschen Bibelmanuskripts nach Ragnit bestellt 
wurden: Um den 20: September 1592 an den Hauptmann zu Rag- 
nit”®, er solle, wenn Bretke in Ragnit angekommen ist, neben 
Waischnarus, Gedkant, Musa, auch „...Friederichen Mosalski 
Zu Precols Pfarrherrn....“ auf das Haus Ragnit fordern'”*. Ge- 
nau so in dem Konzept zu dem Briefe vom 20. September 1592’, 
Am 22. September 1592 an die vier genannten Pfarrer: Der Her- 
zog habe außer den drei Erstgenannten auch „...Friederichen 
Mosalskj zum || Precols...“ für die Korrekturarbeit ausersehen. 
In der Adresse an die vier Geistlichen: ‚„Friderich Mosalskj pfar- 
herrn zum Precols“ und: „Friederich Mosalskij || Zu Precols pfar- 
herrn.“ 


Daß er tatsächlich an der Konferenz teilgenommen hat, be- 
weist seine Unterschrift unter dem Brief der vier Korrektoren 
an den Herzog vom 10. Oktober 1592, in dem diese mitteilen, daß 
sie die Arbeit aufgeben, da angeblich ohne Hebraisten die Bretke 
bewegenden Fragen nicht gelöst werden könnten" (Abb. 75). 
Aus den unten, S. 399, angegebenen Gründen ist es sehr unwahr- 
scheinlih, daß Masalski während der Ragniter Korrektoren- 
konferenz Korrekturen in das Bretkesche Manuskript eingetra- 
gen oder auch sonst irgendwie die Sprache beeinflußt hätte. 


Bleibt die Frage, ob Bretke ihn vielleicht wie Gallus, 
Z. Blothno d. Ä., u. a. auch privatim zur Korrektur irgend eines 
biblischen Buches herangezogen hat. 


1322 Arnoldt, Nachr. II, S. 157 und 166. 

1823 5,.M. 72f., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 1 (oben, S. 114). 

1322 Siehe oben, S. 114. 

125 Signatur wie Anm. 1323, Bl. 3. 

1226 Siehe oben, S. 114 f. u. 232. E.M. 72 f., Aktenheft: „Johann Bretkius“, Bl. 11. 


384 


Für den Schriftvergleich steht bis jetzt leider nur die oben 
angegebene Unterschrift zur Verfügung. Doch wie Abb. 75 ver- 
anschaulicht, zeigt der Familienname in der Unterschrift, wäh- 
rend der Vorname noch ganz in konventionellen Zügen gehalten 
ist, mit seinen hohen Oberlängen usw. ganz charakteristische 
Buchstabenformen, die sich auch in einer zwanglosen Kursive 
zeigen müßten. 


Im Bibelmanuskript finden sich aber keine Korrekturen, die 
in der Handschrift mit der Masalskis Ähnlichkeit hätten. Somit 
wird sehr unwahrscheinlich, daß Bretke ihn privatim um Ver- 
besserung eines Teils der Bibel gebeten hat. Beachtet man die 
Gewohnheit Bretkes, seine Arbeit bald nach Fertigstellung Kol- 
legen vorzulegen, die seiner Meinung nach gut litauisch sprechen 
(Gallus, Z. Blothno d. Ä., A. Radunius d. ]J., A. Strischka, bei den 
übrigen ließ sich der Zeitpunkt nicht ermitteln), so wird nahezu 
sicher, daß sich Friedrich Masalski nicht privatim durch Korrek- 
turen an der Gestaltung der Sprache der Bibel beteiligt hat, da 
er allem Anschein nach erst Anfang 1590 nach Preußen kam, und 
die nach 1587 in Königsberg übersetzten Biblischen Bücher außer 
Eintragungen von Gallus (t. Buch Mosis, wurde ihm von Königs- 
berg aus zugeschickt) und von Daniel Klein (in den Großen Pro- 
pheten) keinerlei Spuren einer Korrektur von fremder Hand 
aufweisen”. 


Doch weil Friedrich Masalski an der Konferenz zur Bibel- 
korrektur in Ragnit teilgenommen hat, vor allem aber, weil die 
wenigen Lebensdaten, die sich von ihm ermitteln ließen, einiges 
Licht auf das Leben der litauischen Pfarrer des 16. Jahrhunderts 
in Preußen werfen, sollen sie hier mitgeteilt werden. 


Friedrich Masalskis Leben. 


Der Name ist polnisch. Die Träger des Namens, zu denen 
auch Angehörige eines Fürstengeschlechts gehören, sind in Li- 
tauen nicht bodenständig, sondern aus den früheren ostpolni- 
schen Gebieten eingewandert. Sie lebten außer in Litauen noch 
in Smolensk, Kijew usw."*, 


13277 Siehe oben, S. 322 ff. 
128 Niesiecki, „Herbarz Polski“, Bd. VI (1841), S. 350. 


25 Falkenhahn, Bretke 385 


Wo Friedrich Masalski studiert hat, ist ungewiß, da sein 
Name in keinem veröffentlichten Matrikelbuch der in Frage kom- 
menden Universitäten feststellbar ist’. 

1587 muß Fr. Masalski jedoch mindestens eine gewisse Zeit 
»... Ja Soymoyt[en] Zu Kedeynen...“ gewesen sein, denn, wie 
aus den weiter unten mitgeteilten Akten hervorgeht, wurde er 
Mitte August 1594 angeklagt, er hätte vor sieben Jahren seine 
angetraute Frau mit einem Kinde sitzen lassen und sei ihnen 
entlaufen. Er muß also damals bereits in entsprechendem Alter 
gewesen sein und irgend eine Stellung innegehabt haben. 

Im März 1590 war er aber in Preußen und sollte als Pfarrer 
nach Prökuls kommen, jedenfalls sagt Quandt zu Prökuls'*: 

„1590. Fridrich NE i 

Rescript. 1590. 24. Martj daß dieser in die 

Stelle des Pf. d[er] nach Piktupenn[en] transferirt intro- 
duirt [werden soll].“ 


Doch muß er erst vor dem Königsberger Konsistorium ein 
Examen ablegen, das er auch besteht, denn in einem Schreiben 
Georg Friedrichs „An Haubtman vnnd Haus vogtt Zurr Mum- 
mel (!)“ (erl. den 14. Mai 1590)** heißt es nach der Grußformel: 


»... Vff euren an vnns gethunen vn- 
derthenigsten bericht, haben wir 
Zeigern dieses Fridericum Mo- 
salskij, welcher Zuuor vor vnns 
dem Kirchspiel Zu Precoloß 

fur ein Pfarrherrn praesentiret 
worden, vnnserm Geistlich[en] 
Consis Torio tuchtig befunden, 
gestrigs miettwochs gebuer 

die ordination erlanget, 

vnnd wiel wir Ihne denm (!) 
obgemeltem Kirchspiel fur 

ein Pfarrherrn .....(?) uerordtnen 
Zu lassen gnedigst gemeinet, 

So ist vnnser gnedigster 
Zuuorlessiger beuehlich hie- 


1322 Untersucht wurden die veröffentlichten Matrikeln von Frankfurt a. O., 
Freiburg i. Br., Genf, Greifswald, Heidelberg, Jena, Königsberg, Krakau, 
Leipzig, Marburg, Rostock, Tübingen, Wittenberg. 

1330 Presbyt., Bd. 4, 108v. 

ıssı F, M. 98 d, Oberratsstube Prökuls. 


386 


mitt an euch, Ihr wollet 

vff einen gelegenen Sontag 

den Pfarrher Zur Mummel 

Zu euch Ziehen, euch mit 

Jhme nach Precolos bege- 

ben, vnnd doselbst dem Kirch- 

spiel gedachten Fridericu [m] 

Mosalsky ((Rand: fur ein Pfarrher)) furstellen, Ihne 
gebuerlichen einwei- 

sen, vond ((„an vnnser stadt)) Kirchspiels- 
Kinder ermahnen, Ihnen 

beuehlen vnnd einbinden, 

das sie nunmehr gerurten 

Mosalskij fur Jhnen or- 

dentlichen Pfarrher vnnd 

sehl sorger, erhen, erkennen 

vnnd haltten...“ 

Nach Arnoldt (Nachr. II, S. 162) ist seine „... Jntroduction 
1590 den 27. || Mart. und den 14. May anbefohlen worden“. 

Wie sich weiter unten zeigen wird, trat Fr. Masalski zwar 
sein Amt an, doch unterblieb die feierliche Einweisung aus irgend 
einem Grunde. 

Sein Vorgänger in Prökuls, von dem Quandt spricht (siehe 
oben), war nach Arnoldt, Nachr. II, S. 162 (Prökuls): ‚Andreas 
Paskaitis, dessen Introduction den 8. Mey 1587 anbefohlen wor- 
den, und welcher 1590 nach Pictupönen kam.“ Dieses wird auch 
durch ein Schreiben des Herzogs an den Bürgermeister und Rat 
der Stadt Tilsit vom 15. März 1590 bestätigt, in dem der Herzog 
sagt, sie sollten den vorgeschlagenen „...Pfarh[errn] Zu Proku- 
lins An- || dream Paßfkaitten....“ auf die vakierende Pfarrstelle 
zu Piktupönen berufen‘, 

Über die ersten Jahre Fr. Masalskis in Prökuls ist keine Nach- 
richt erhalten. Doch muß er bald erbitterte Feinde gehabt haben, 
denn Sembritzki schreibt", offenbar gestützt auf ein „Akten- 
stück des St.[aats] A.[rchivs]“ „Akten der Oberrathsstube“ „Et. 
Min 989...“ das „... von großer Wichtigkeit...“ ist, „durch wel- 
ches manche Irrthümer der Arnoldtschen Presbyterologie berich- 
tigt werden...“**: „1594 wird er auf Anstiften seiner Feinde, 


182 Ostpr. Fol. 371/a, „Rothes Haus-Buch des Amtes Tilsit No 3“, S. 42r. 
1323 Geschichte des Kreises Memel, S. 101. 


“4 Das ich jedoch an dem von Dembritzki angegebenen Ort nicht fand. 


25* 


387 


als welche er den Pfarrer Fuhrmann in Memel, der gern seinen 
Bruder Benedict nach Prökuls bringen wolle, die beiden Fischer- 
meister Caschub und Jagenteufel, sowie den Krüger und Schul- 
meister zu Prökuls nennt, von einem Weibe Hedwig aus Scha- 
maiten angeklagt, er habe sie geheiratet, drei Kinder mit ihr 
gezeugt, dann sie verlassen und sich anderweit verheiratet. Er 
wird verhaftet, sitzt fast ein Jahr gefangen, wird aber, da das 
Weib die Beweise schuldig bleibt, wieder eingesetzt‘. 

Arnoldt unterscheidet einen älteren und einen jüngeren Fried- 
rich Masalski, von denen der erstere ab 1590 in Prökuls gewesen 
sein soll, während er von letzterem schreibt”: 

„...ward zwar 1594 hieher geord- 
net, wenn er aber eines verschuldigten Adulterii wegen inhaf- 
tiret worden, 

so ward der aus Szamaiten vertriebene Stephan. Hedeccus eventualiter 
zum Pf. hieselbst den 9. Sept. desselben Jahres verordnet. Es 

kam derselbe 
aber nicht dazu sondern des Masalski Introduction ward 1595 den 30. 
Jan. aufs neue anbefohlen.“ 

Sembritzki sagt hierzu: „Dieser Unterbrechung in der Amts- 
führung wegen nahm man an, daß zwei Pfarrer dieses Namens 
aufeinander gefolgt seien“, es handle sich aber um die gleiche 
Person. 

Sembritzki hat offenbar recht, denn weder Quandt noc ein 
aus der Feder des „W (?) Wiergander || Hauß vogt“ in Memel 
stammendes Schreiben (31. August 1594, siehe unten) geben den 
geringsten Anlaß, zwei verschiedene Pfarrer dieses Namens an- 
zunehmen. 

Wiergander gibt dem erwähnten „Steffanus hedig“ an „...H. 
Hans Rauther fr. Dt Jn Preuss[en] || Regimendts Rath vnd Obri- 
sten (!) Bürg || graff[en] Zu Konigspergk ...“ einen Brief mit, in 
dem er nach der Grußformel schreibt”: 

„»...Das der Pfarher 

Zu Prekolls Jn meinem vorhautten (!) 

Ampte, Zwej ((Rand: gethrautte)) Eheweiber haben solle, Wie 
dan die Annder mit der ehr Jm (!). Konig- 

lich[en] theyl Zu Kedeynen gethrautt, vor- 


rc, ES 101:ff: 
1220 Nachr. II, S. 162. 
1337 Datum 31. 3. 1594; E.M. 98d Prökuls. 


388 


gangl[en] Marien tag! hier erschienn vnnd 
Jenn deßweglen] beklaget, das ehr sie 

Jn Soymoytien] Zu Kedeynen mit einem 
Kinde habe sitz[en] lassen vnd vor 7 Jharn 
von Jr endtlauff[en] wellches, ob 

er es nicht gestand[en], sie sich genug- 

sam Zu beweisen erbothen, Alls ]st 

Jhr solche Jre Clage darZu thun 

die sechsische fryst!® zu erKanndt, 

Der Pfarher aber bissolang der be- 

weiß er folget, Jn vdrstrickung genohmn (!)...“ 


Mit wie wenig Wohlwollen oder doch zum mindesten Objek- 
tivität die ganze Sache behandelt ist, zeigt der weitere Text des 
Briefes: 


»...Der beweiß er folge Nun oder, Niht 

befurchte nich das, es mehr Als 

Zu vill gescheen ((Rand: v[n]d dergethan wirth)) wirt wollen Jmen 
dj Kirch spils Kinder durch aus Nicht 

wiss[en] vnd habe diese Sach[en] 

an f. dt. gelang[en] zu lass[en] eingestellet 

"bis so lange der beweiß erfolget 

Nichs (!) weniger 

auch mit dem Schulmeister die vor- 

sehung, Damit, solange. die 

Kirchspils Kinder, mit vorhragung (!) 

gotlihs (!) wortes wersehen werden 

In des Aber hatt kegenwertig[er] Zeiger ((Rand: steffanus hedig)) 
ein Pfarher von Gerdaun burtigk 

der littisch[en] vnd Polnisch[en] Sprach[en] Kundig, 

vnd Jn Kenigklich[en]theyl Fornehme Con- 

ditionis bedinet, weg[en] des Euangelij 

aber dirch (!) den Papistisch[en] Bischoeff (!) 

vertrieb[en] hiro sich begeben, der 

woll Zu gebrauch[en] wehre, Jn Anmerckunge, 

das er nicht Allein der littisch[en] sondern 

auch der Polnisch[en] Sprach[en] ((Rand: wie gedacht)) kundig vnd 
geubet, biettende, das er vor 

Andern Zu solih[en] (!) dinst vff den... (?) 

Badge beferdert werd[en], Mih (?) derweglen] 

vmb ein beuordernus brieflein An E gst[en] 

Zum fleissigst[en] Angelanget welchs 

Jme niht Abschlag[en] mogn biette 


1838 15, August (Grotefend, S. 49 u. 38). 
1839 Eine Sachsenfrist = 6 Wochen und 3 Tage. 


389 


E gst gantz dinstlich, E gst dj 

wolthen Jme An stadt F dt. wen 

dj Vocation erfolget, Vor adern (!) 

Zu solch[en] dinst beforderlih[en] sein 

vnd das Ein (?) furstlicher beuelich An 
meine Pershon Jme mohte mit gethylet 
werdl[en], vf das wo die 

berufunge vf vor er melth[en] Pferhern (!) 
Dermasn erfolget, das man Jmen vf dj 
Conditios vor andern Annehmen solthe...“ 


Der Brief zeigt wiederum, daß nicht nur immer wieder Pfar- 
rer aus Litauen nach Preußen kamen, sondern auch aus Preußen 
nach Litauen gingen. 


Quandt, dem allem Anschein nach auch ein Bericht Fr. Ma- 
salskis vorgelegen hat, schreibt'*': 


„Dieser Pf. dfer] auf elines] Weibes 
Anklage zu Memel eline] Zeitlang in Verhaft ge- 
halten word[en], berichtet, daß d[as] weib sich eingestellt 
und wider ihn im Amt geklaget dass den 15. Martij 
an den [ver]weser rescribiret wird, [daß] obgleich 
[das] Weib in 3 angesetzten Fristen Sächsisch [en]! 
nicht erschienen, [er] Pf. absoluret (!) werd[en] Kon[n]te; weil es aber 
mals mali exempli ist, v[nd] die Schuld (?) 
da sie zu beweisen wäre, [nicht] vngestraft zu lass[en], [der] 
Pf sich auch 
verantwort[en] will, so soll die Sache anhero gewiesen, er 
aber in s[einem] dienst gelassen] [werden]. Weil denn [das] 
Weib Hedwich 
den Pf überführen will, daß er ihr getrauter Eheman[n] sey, 
so ist dem [Ver]weser per Rescr. v[om] 28. Martij aufgegeb[en] in 
Processe zu verfahr[en], v[nd] darub[er] nach dem] Recht[en] 
zu erkennen.“ 
In einer offenbar früheren Notiz Quandts (ebenda) heißt es: 
„Reser[ipt] 1595. 30. Jan. an Memel: der Pf. 
zu Prökuls Fridr. Moselski, d[er]| e. Ehebruchs 
beschuldidet, aber [nicht] überführet ist, soll weil 


er noch nicht eingewis[en] ist, durch d[en] nächsten Pfarrer 
introduciret werden.“1342 


1320 Presbyt., Bd. 4, S. 108v. 
1511 Siehe S. 389 Anm. 1339, 


1222 Bretke war 6% Jahre in Labiau, ohne introduziert worden zu sein, siehe 
oben, S. 75. 


390 


Somit liegt kein Grund vor, zwei verschiedene Persönlichkeiten 
anzunehmen. 

Über das weitere Leben Masalskis in Prökuls fehlt jede Nach- 
richt. 

Nach Sembritzki (l.c.) starb Friedrich Masalski am 5. April 
1613. Sein Nachfolger in Prökuls wurde Johannes Aldus aus 
Memel, der am 17. April 1613 dort eingewiesen wurde. 

Irgendein litauischer Text aus der Feder Friedrich Masalskis 
ist bis jetzt nicht bekannt. 


Der Korrektor Georg Musa. 


Georg Musa wird in den gleichen herzoglichen Schreiben unter 
den „...der || Litawischen sprach kundigen erfahrnen Pfarr- 
herrn“ genannt und, wie Friedrich Masalski'*, zur Korrektur des 
Bretkeschen Bibelmanuskripts bestimmt, und zwar wird er wie 
folgt genannt: In dem Schreiben an den Hauptmann zu Ragnit 
(um den 20. September 1592): „...Georgen Musam zu piKal- 
len...“ In dem Konzept hierzu vom 20. September 1592: „Geor- 
gen Musam Zue Pikallen...“ In dem Konzept zu dem Schrei- 
ben an die zur Korrektur bestimmten Pfarrer vom 22. Septem- 
ber 1592: „...Georgi- | um Musam Zu pilkallen....“, „An Georg 
Musam pfarrhern Zu Pilcallen...“ und „...An || Geörg Musam 
Pfarherrn Zu Pilkollen....“. 

Seine Teilnahme an der Konferenz wird durch seine eigen- 
händige Unterschrift unter dem Brief an den Herzog vom 10. Ok- 
tober 1592'”® bewiesen. 

Aus den schon dargelegten Gründen”* ist es sehr unwahr- 
scheinlich, daß Georg Musa bei der Konferenz einen nennenswer- 
ten Einfluß auf die Sprache der ersten Bücher des Alten Testa- 
ments — denn nur die kommen in Frage — ausgeübt hat. 

Bleibt die Möglichkeit einer privaten Korrektur. Zum Ver- 
gleich haben wir wie bei Fr. Masalski leider nur eine Unter- 
schrift, und zwar die bereits erwähnte unter dem Brief an den 
Herzog vom 10. Oktober 1592 (Abb. 75, T. XXXV). 

Nun zeigt die Unterschrift keine besonders hervorstechenden 
Eigentümlichkeiten, sie hat sogar mit der Handschrift Bretkes 


1343 Siehe oben, S. 384. 
344 Sjehe unten, S. 399. 


391 


in manchen Perioden einige Ähnlichkeit, so daß eine Entschei- 
dung lediglih auf Grund der Handschrift schwer wird. Und 
doch glaube ich nirgend im Bibelmanuskript G. Musas Hand zu 
erkennen. Immer weist genau die gleiche Tinte wie bei Bemer- 
kungen, die zweifellos von Bretke stammen, oder ein anderer 
Umstand nach, daß auch die vielleicht in Frage kommende Kor- 
rektur von Bretke stammt. 

Auch die Lage von Pillkallen‘* (92 km Luftlinie östlich von 
Labiau, nur auf langen Landwegen erreichbar) macht es nach 
den Erfahrungen mit den anderen Korrektoren (Gallus, Z. Blothno, 
A. Radunius, N. Siautil) unwahrscheinlich, daß Bretke Georg 
Musa ein biblisches Buch zur privaten Korrektur hat zukommen 
lassen. 

Somit wird sehr unwahrscheinlih, daß Georg Musa die 
Sprache der Bibel beeinflußte. 

Trotzdem seien die wenigen bekannten Daten über ihn mit- 
geteilt. 
Georg Musa: Leben. 

Der Name Musa kann so, wie er vorliegt, aus den verschie- 
densten Sprachen erklärt werden, so daß daraus kein Schluß 
auf die Volkszugehörigkeit unseres Georg Musa gezogen werden 
darf. 

Doch da er allem Anschein nach gut litauisch konnte, wie aus 
den obigen Briefzitaten hervorgeht”, und eine seiner: Töchter 
als Kind „...Vrtusche...“ genannt wurde””, ist sehr wahr- 
scheinlich, daß Georg Musa Litauer war. 

Die Annahme liegt nun nahe, daß Georg Musa mit jenem 
„Stanislaus Musa, Vilnensis...“ verwandt ist, der ein Jahr nach 
Mosvid in das Matrikelbuch der Königsberger Universität ein- 
getragen wurde", und der auch 1579 nach 32jährigem Aufent- 
halt in Preußen nicht vergaß, zu seinem Namen in der „Concor- 
dienformel“ das „...Vilnensis...“ zu setzen‘. Beachtet man, 
daß dieser Stanislaus Musa in den fünfziger Jahren des 16. Jahr- 


1825 Heute: Schloßberg. 

1338 Oben, S. 391. 

1377 Siehe weiter unten. 

' 438 Erler, Königsb., Bd. I, S. 7, Wintersem. 1547. 
13202 Abb. 77, T. XXXVII. 


392 


hunderts Pfarrer in Lasdehnen"” wurde””*, daß 1577 ein „Tho- 
bias Musa, Lastinensis...“ und ein „Daniel Musa, Lastinensis...“ 
in Königsberg immatrikuliert wurden”, was doch offenbar seine 
Söhne waren, und daß dieser Daniel 1584 fertig war und in dem 
Jahre nach dem Tode seines Vaters auf dessen Stelle nach Las- 
dehnen" kam”’”, andererseits aber auch unser Georg Musa 1582 
Pfarrer in Pillkallen'* wurde und scheinbar gleich darauf hei- 
ratete (siehe weiter unten), so zeigt sich, daß Georg ungefähr 
in dem gleichen Alter gewesen sein muß wie Daniel, so daß sie 
wahrscheinlich Brüder waren, und zwar war Georg wohl der 
ältere. Auch der Umstand, daß der Herr Heinrich von Tinne auf 
Lasdehnen, der die Elisabeth Musa, die Tochter Daniels und der 
Ester, geb. Waischnarus”*, geheiratet hatte, gleich nach dem 
Tode unseres Georg Musa 1606 in Pillkallen im Sterbehaus 
weilte, und 1619 bei einem Prozeß neben anderen entschieden 
zugunsten der Tochter Georg Musas, der „... Vrtusche...“, aus- 
sagte, läßt annehmen, daß die beiden Familien des Daniel und 
Georg nahe verwandt waren, und somit auch Georg ein Sohn 
des aus Wilna eingewanderten Stanislaus Musa war. 


Wo Georg Musa studierte oder sich für das Pfarramt vor- 
bereitete, ist unbekannt. Die Möglichkeit besteht, daß er nur eine 
praktische Ausbildung genossen hat” oder auch, daß er Alum- 
nus gewesen ist, und sein Name im Matrikelbuch fehlt, wie es 


auch bei Zacharias Blothno d. J. der Fall ist'”. 


Wie schon angedeutet, sind die Quellen über das Leben Georg 
Musas äußerst dürftig. 


Quandt notiert im Kapitel zu Pillkallen‘** 
„1582. Georgius Musa. 
1582. 28. Martij an Ragnit. d[er] zum Pf. nach 


1550 Heute Haselberg. 

455 Quandt, MSC 21. S. 20v und 82v. Doch irrt Quandt offensichtlich, wenn 
er angibt, St.Musa wäre am 7. 3. 1563 nach Kraupischken versetzt wor- 
den, wie die „Concordienformel“ beweist. 

152 Erler, Königsb. I, S. 64; 2. 10. 1577. 

153 Arnoldt, Nachr. II, S. 132. 

1854 Siehe unten, S. 412. 

1266 MSC 21, S. 84Y. 

1850 Sjehe oben, S. 248, Anm. 805. 

1867 Siehe oben, S. 136, Anm. 490. 


393 


Pilkallen berufene George Musa soll durch elinen] 
andler]n Pf. des Ragnit[schen] Amts eingewisen (?).“12°® 


Georg Musa hat wahrscheinlich, als er 1582 die Pillkallener 
Stelle antrat, geheiratet, war also wohl noch in jüngerem Alter, 
denn am 21. Juni 1600 wird in Königsberg ein: „... Nicolaus 
Musa, Pilcaldensis Borussus...“ inskribiert‘®, der doch sicher 
sein Sohn war, da er auch nach Georg Musas Tode in Pillkallen 
dessen Nachfolger wurde (siehe weiter unten). 

Nach den oben, S. 391, bereits angeführten drei herzoglichen 
Schreiben wurde G. Musa am 20. und 22. September 1592 zum 
Korrektor der Bretkeschen Bibel bestimmt. 

Er begab sich darauf nach Ragnit auf das „Haus“, nahm mit 
den anderen Geistlichen an der Konferenz teil und unterschrieb 
mit ihnen am 10. Oktober 1592 den Brief an den Herzog". 


Georg Musa ist 1606 in Pillkallen (Schloßberg) gestorben, 
denn in einem Prozeß rund 13 Jahre später, in dem es sich um 
Rechtsansprüche der Urte Kor, geb. Musa, an ihre Pflegeeltern 
handelt, sagt der .„...herr || Heinrich Von Tiennen Zu 'Lassdeh- 
nen...“ als erster aus, es wäre „... Wahr, dass nach Tödtlichen 
Hintritt dess Ehrwürdigen vnd woll[ge] || lahrtten Herrn Georgij 
Musaen weylandt Pfarhern Zue Pilkalen || herr Zeuge... (mit 
einigen andern)... ]] Ao 1606 Zue Pilkaln in der Pfar daselbsten 
gewehsen, vnd Alda || dess Pfarhern Sel: Verlassenschafft des- 
selben hindterbliebenen || Mündigen vnd Vnmundigen Zum besten 
inveniert (?) vnd vndter- || suchett...““, wobei dann die da- 
mals noch unmündige „... Vrtusche...“ in die Familie des Mi- 
chael Ruprecht nach Tilsit gegeben wurde. 

Nach Quandt” war von 1596 ab ein „Nicolaus Musau“ in 
Pillkallen sein Nachfolger, wobei aber die Jahreszahl, wie aus 
obiger Zeugenaussage hervorgeht, 1606 heißen muß; Arnoldt 
nennt diesen Nachfolger richtig: „Nicolaus Musa““® und sagt 
von ihm: „... war 1614 auch 163. — Ist vielleicht zu Dan- || zig 


1855 Zu ergänzen: „werden“. 

135% Erler, Königsb. I, S. 151. 

1360 Sjehe Abb. 75, T. XXXV. 

1561 Osipr. Fol. 317: „Haus-Buch des Amts Ragnit No. 1“, S. 306r. 
1322 MSC 21, S. 84V. 

863 Nachr. II, S. 129. 


394 


an der Lazarethkirche von 1645 gewesen, und 1654 gestorben 
S.[iehe] || Prätor. S. 25.“ 


Albertus Strischka. 


Albertus Strischka schrieb auf eins der leeren Blätter am 
Schluß des Neuen Testaments"* eine Approbation zu der Über- 
setzung (Abb. 76). 

Seine Handschrift hat mit der des Daniel Gallus einige Ähn- 
lichkeit, darum hat auch Bezzenberger"”* beide für identisch ge- 
halten, doch zeigt ein eingehender Vergleich beider Handschrif- 
ten, daß es sich um zwei verschiedene Schriftcharaktere handelt. 
Korrekturen oder Anmerkungen in der Handschrift Strischkas 
lassen sich im Bibelmanuskript nicht feststellen. 

Dazu kommt, daß Strischka das ganze Neue Testament vor- 
gelegen haben muß, sicherlich sogar schon gebunden, doch die 
Korrekturen Gallus’ finden sich nicht in einem so wichtigen und 
umfangreichen Buche wie Actorum. Die genauere Verteilung der 
Korrekturen und Anmerkungen in den einzelnen Handschriften 
über bestimmte Bücher der Bibel läßt sich nur erklären, wenn 
jedem Korrektor nur einzelne Bücher ungebunden vorgelegen 
haben, und nicht das ganze Werk. Warum sollte Strischka ge- 
rade Actorum ausgelassen haben? 

Strischka hat das Neue Testament also sicher nur durch- 
gesehen und dann seine Approbation dazu geschrieben. 

Dokumente aus der Zeit des letzten Viertels des 16. Jahrhun- 
derts, die Nachrichten über Albertus Strischka vermitteln könn- 
ten, besitzt, soweit bekannt ist, weder das Wilnaer Staatsarchiv 
noch das Archiv der evangelisch-reformierten Synode in Wilna, 
da die Synodalberichte und sonstige Akten der kalvinistischen 
Kirche bei dem Pogrom 1611 mit dem Gotteshaus und der Biblio- 
thek verbrannt sind’. 

Es bleibt somit nur das genannte Approbat in der Bibelhand- 
schrift Bretkes, das jedoch wenig erkennen läßt. 

Der Name wird außer „strischka“ (um 1581)” noch „Stryszka“ 
(1640)1*” geschrieben und gehört zum weißrussischen crpim und 
VIII 237v. 

1365 Beiträge z. Gesch, S. X. 


1300 Pawel Hulka-Laskowski: Denkschrift, S. 24. 
1307 Siehe unten, S. 398. 


395 


dürfte heute erpixra zu schreiben sein. Wahrscheinlich kommt 
der Name von einer Haartracht und bedeutet: „der Kurzgescho- 
rene“. 

Albertus Strischka stammte also sicherlich aus einer ursprüng- 
lich weißrussischen oder weißrussifizierten Familie. 

Bei der Seltenheit des Vornamens Albert in Preußen ließe 
sich vermuten, daß jener Schulmeister „Albertus“, der 1577 bei 
Bretke in Labibau war, und von dem ausdrücklich hervor- 
gehoben wird, daß er „...litauisch predigte und sang...“, Alber- 
tus Strischka gewesen ist, dem Bretke später seine Übersetzung 
des Neuen Testaments zusandte. 

Jedenfalls geht aus der Wendung „... Cathechista widzensis || 
in distrietu Magnifici Domini STanislai Naruschewic || Magni 
procuratoris’ Wilnensis...“ hervor, daß Albertus Strischka zwi- 
schen August 1580 und 1582, wo er diese Eintragung machte, 
Katechist in Widze, 105 km Luftlinie nordöstlich von Wilna war. 

In der Einleitung zu den Wilnaer Synodalakten (1611—1625) 
heißt es über die Katechisten: 

„Die Synode forderte, daß sich ihre Zöglinge dem geistlichen Stande 
widmeten oder auch dem Superintendenten oder dem Patronatsherren 
dienten (folgt Verweis auf eine Akte). Die Synode hatte keine eigene 
Universität, daher schickte sie ihre Zöglinge auch ins Ausland, und 
zwar besonders nach Leyden und Franeker:s (folgt Verweis auf Be- 
legstelle). Die Ausbildung der Kandidaten zum geistlichen Stande 
leiteten die Superintendenten, jeder von diesen nahm einen oder 
mehrere dieser jungen Leute auf, bildete sie aus und führte sie ins 
praktische Leben ein (Verweis auf Belegstelle). 

Solch ein Kandidat für den geistlichen Stand unterrichtete die Kinder 
im Katechismus, darum hießen sie „Katechista“, außerdem half er dem 
Superintendenten oder dem Geistlichen, bei dem er weilte, bei den 
verschiedenen Tätigkeiten und vertrat ihn bei der Predigt. Die Reichung 
der Sakramente war den Katechisten verboten, doch auch in dieser Be- 
ziehung kennen wir Ausnahmen (folgt Verweis auf Belegstelle). Wenn 
die Senioren den Katechisten für genügend vorbereitet hielten, und er 
vor einer Kommission ein entsprechendes Examen abgelegt hatte, be- 
schloß die Synode seine Ordination oder Ernennung zum Diener am 
Worte Gottes (folgt Hinweis auf Beleg).“ 

Nach dem „Siownik Geograficzny“ (Bd. XTII, S. 294 ff.) wurde 
der Ort Widze durch die Magnatenfamilie Naruszewicz gegrün- 
det. In „Starozytna Polska“ heißt es S. 237 u. a.: 


1368 TJniversitätsstadt in Holland. 


39% 


.. Stanislaw Naruszewicz der Prokurator von Wilna hatte 
diese Besitzung (in Widze) im XVII. (offensichtlich Druckfehler, 
also: XVI.) Jahrhundert inne und unterhielt dort ein Gebetshaus 
kalvinistischen Bekenntnisses, bei dem ein Katechist stand.“ 

Die Wendung Strischkas: „...in districtu Magnifici Domini 
STanislai Naruschewic || Magni procuratoris Wilnensis...“ ge- 
stattet eine nähere Datierung dieses Approbates: 

Stanislaus Naruszewicz wird um 1516 in den „Litauischen 
Jahrbüchern“”® „königlicher Bojar“ genannt, auch 1563 erscheint 
er dor